Die Hamas -  Joseph Croitoru

Die Hamas (eBook)

Herrschaft über Gaza, Krieg gegen Israel
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2024 | 1. Auflage
225 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-81698-7 (ISBN)
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Der Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 markiert einen tiefen Einschnitt in der Geschichte Israels. Joseph Croitoru erklärt konzise, wie die Hamas seit 2007 ihre islamistische Herrschaft im Gazastreifen etabliert hat. Sein Augen öffnendes Buch, das auf langjähriger Beobachtung der Hamas basiert, lässt den neuen, schrecklichen Krieg in Israel und Palästina besser verstehen. Die Leichtigkeit, mit der Kämpfer der Hamas und des Islamischen Dschihad im Oktober 2023 die Grenze zu Israel überwunden haben, und die Unzahl ihrer Raketen haben die Welt verblüfft. Wie konnten so viele schwere Waffen in das vermeintlich lückenlos, bis tief in den Boden, gesicherte Gebiet gelangen? Welche Ideologie und welche Unterstützer stecken hinter der Hamas? Joseph Croitoru beschreibt die Geschichte der 'Islamischen Widerstandsbewegung' (Hamas), die1987 aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist und 2007 gewaltsam die Macht in Gaza übernommen hat. Er erläutert ihre unterschiedlichen Gesichter als Wohltätigkeitsorganisation, Regierungspartei und Terrorgruppe und zeigt, wie die palästinensische Bevölkerung von der rücksichtslosen Politik der rechtsgerichteten Netanjahu-Regierung in ihre Arme getrieben wird. Israel kann mit seinem massiven Gegenschlag die Herrschaft der Hamas über Gaza beenden, doch ob das auch das Ende der Hamas sein wird, bleibt fraglich.

Joseph Croitoru, Historiker, Journalist und Buchautor, schreibt für die deutschsprachige Presse und den Rundfunk u.a. über den Nahostkonflikt, jüdische und islamische Geschichte sowie religiösen Fundamentalismus. Joseph Croitoru wurde 2021 mit dem Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung ausgezeichnet.

1.

Die wechselvolle Geschichte des Gazastreifens bis nach dem Sechstagekrieg 1967


Der Gazastreifen ist ein schmales dicht bebautes Küstengebiet am östlichen Mittelmeer. Er liegt zwischen Israel, das ihn größtenteils umgibt, und Ägypten, an das er im Süden grenzt, und ist rund 40 Kilometer lang und zwischen 6 und 14 Kilometern breit. Insgesamt umfasst er etwa 365 Quadratkilometer und ist damit knapp halb so groß wie die Fläche Hamburgs. Abgeriegelt von der Außenwelt leben dort etwa zwischen 2,2 und 2,3 Millionen Menschen.

Der Küstenstreifen, bei dem es sich um eine der heute am dichtesten besiedelten Regionen der Welt handelt, blickt auf eine jahrtausendealte Siedlungsgeschichte zurück. Ihre Anfänge liegen in prähistorischer Zeit. Einen ersten geschichtlichen Höhepunkt stellte die Herrschaft der alten Ägypter dar, die dort vom späten 4. Jahrtausend bis um die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. regierten. In dieser Epoche war das Gebiet vom späten zweiten vorchristlichen Jahrtausend an vor allem von den Philistern bewohnt, einem Volk phönizischer Herkunft, das dort einen Städtebund gründete und mit dem alten Ägypten und den Königreichen Israel und Juda in einer Art Dauerkonflikt lag.

Vermutlich wurde bereits unter Pharao Ramses III. ein Teil der Philister aus der Region vertrieben. Als der babylonische König Nebukadnezar II. im Jahr 604 v. Chr. das Gebiet eroberte, wurden viele von ihnen Opfer von Massenvertreibung und Versklavung. Etwa sechs Jahrzehnte später geriet Gaza unter die Herrschaft der Perser, und König Kyros II. gestattete den vertriebenen Bewohnern, zurückzukehren. Seine Nachfolger bauten den Ort zu einer Garnisonsstadt aus, die der persischen Armee als Basis für Militäroperationen gegen die Ägypter diente. Die persische Besatzung endete 332 v. Chr. mit der Erstürmung der Festung Gaza durch Alexander den Großen, die Teil seines Feldzugs gegen Darius III., den letzten Perserkönig des Achämidenreichs, war.

Nach dem Tod Alexanders stand die Region unter der Herrschaft der hellenistischen Seleukiden und später der Römer und der Byzantiner. In ihrer Bezeichnung für das Land Palastinoi oder Palaestina lebte die Erinnerung an die Philister weiter. Die arabisierte Form Filastin wird von den Muslimen, die das Gebiet um das Jahr 638 eroberten, bis heute verwendet. Die islamische Epoche, die fast tausenddreihundert Jahre währte, kennzeichneten wiederholte Umbrüche. Auslöser waren neben innerarabischen Konflikten auch die Eroberung durch die Kreuzritter, die Gaza nach ihren Vorstellungen umbauten, und der Angriff der Mongolen, die im Jahr 1259 die Stadt und ihre Umgebung verwüsteten. Ein Jahr später vertrieben die Mamluken die Mongolen aus dem Gebiet und kontrollierten es von Ägypten aus. Die Mamlukenherrschaft dauerte mit Unterbrechungen fast fünfhundert Jahre. Erst Napoleons Ägyptenfeldzug, der auch durch das Gebiet von Gaza führte, machte ihr 1798 ein Ende.

In den folgenden Jahrzehnten unterstanden Gaza und Umgebung der Kontrolle des osmanischen Gouverneurs von Ägypten, Muhammad Ali Pascha, der eine eigene, bis 1953 herrschende Dynastie gründete. Mit ihm gewann Ägypten eine relative Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Trotz siegreicher kriegerischer Auseinandersetzungen mit den Osmanen um Syrien und Palästina musste Muhammad Ali diese Gebiete schließlich 1841 räumen, da europäische Mächte, die um die Stabilität des Osmanischen Reiches fürchteten, militärisch interveniert hatten. Von da an bis zum Ersten Weltkrieg befand sich Palästina, darunter auch das Gebiet um Gaza, wieder unter direkter Verwaltung des Osmanischen Reiches. Allerdings unterhielt die Bevölkerung des Küstenstreifens weiterhin enge Beziehungen zu Ägypten, das seit 1882 unter britischer Kontrolle stand und somit auch den wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens unterworfen war, etwa als Baumwoll-Lieferant. Wenig bekannt ist, dass das Gaza-Gebiet den Engländern damals Gerste für ihre Bierindustrie lieferte und damit einen erheblichen Teil zur palästinensischen Exportwirtschaft beitrug.

Im Ersten Weltkrieg marschierten die Briten von Ägypten aus in Palästina ein. Gerade in dem Gebiet um Gaza und besonders in der Stadt selbst trafen sie im Frühjahr 1917 auf harten Widerstand der gut vorbereiteten und vom verbündeten Deutschland unterstützten osmanischen Armee. Sie hatte sämtliche Einwohner zum Verlassen der Stadt gezwungen und die Evakuierung mit aller Härte durchgeführt. Der Großteil der Menschen wurde nach Syrien evakuiert – zu ihrem eigenen Schutz, wie es hieß.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen die Türken unterlagen, führten zu einer massiven Zerstörung Gazas. Die in Trümmern liegende Stadt wurde von den evakuierten arabischen Bewohnern, die nach dem Krieg dorthin zurückkehrten, wiederaufgebaut. Allerdings ging die Wiederbesiedlung unter der britischen Mandatsherrschaft, die bis 1948 andauerte, nur schleppend voran. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Engländer sofort eine Eisenbahn bauten, die entlang der Küste den Suezkanal mit dem 1909 gegründeten Tel Aviv verband und auch durch den Gazastreifen führte. 1922 hatte Gaza-Stadt nur etwas mehr als siebzehntausend Einwohner – weniger als die Hälfte des Vorkriegsstandes. Erst zu Beginn der Vierzigerjahre wurde nach der Errichtung eines neuen Stadtteils der Bevölkerungsstand der Vorkriegszeit wieder annähernd erreicht.

Zur gleichen Zeit, als im Ersten Weltkrieg die Briten kurz vor der Eroberung Gazas gestanden hatten, hatte sich ihre Regierung mit der Balfour-Deklaration solidarisch mit dem Ziel des Zionismus erklärt, dem jüdischen Volk in Palästina eine nationale Heimstatt zu schaffen. Der anfängliche Anschein, dies könne im Einvernehmen mit arabischen Interessen geschehen, erwies sich jedoch als trügerisch. Im UN-Teilungsplan für Palästina vom November 1947, der den Konflikt zwischen Arabern und Juden lösen sollte, war der Gazastreifen als Teil des künftigen arabischen Staates vorgesehen. Nach seiner Verabschiedung gaben die britischen Mandatsherren bekannt, das Land bis Mitte Mai 1948 zu verlassen, was auch geschah. Am 14. Mai wurde der israelische Staat ausgerufen. Unmittelbar danach erklärten mehrere arabische Länder dem eben gegründeten Staat den Krieg. Die Nachbarstaaten Ägypten, Syrien, Libanon und Jordanien hatten sich mit dem Irak und Saudi-Arabien zu einer Allianz zusammengeschlossen. Die Invasion ihrer Armeen sollte die Etablierung des Staates Israel verhindern. Ägypten nutzte die Gelegenheit, um das Gebiet um und südlich von Gaza zu besetzen, und startete von dort eine Offensive gegen jüdische Ortschaften im Norden und Osten. Die Israelis, denen es gelang, diese Angriffe erfolgreich abzuwehren, drängten die Ägypter zurück in den Gazastreifen, wobei sie selbst kleine Teile des Küstenstreifens eroberten: die im Norden gelegene Stadt Beit Hanun und Gebiete in der Nähe von Rafah, dem einzigen Grenzübergang zwischen Ägypten und Gaza.

Die Bezeichnung «Gazastreifen» (Gaza Strip) für die Region bürgerte sich erst mit den 1949 zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn geschlossenen Waffenstillstandsabkommen ein. Über seinen Status wurde noch bis 1950 mit Ägypten weiterverhandelt. Schließlich mussten die Israelis ihre in Gaza besetzten Gebiete an Ägypten abtreten, auch wenn damals der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion den gesamten Küstenstreifen gerne Israel einverleibt hätte.[1]

Dramatische Folgen für den Gazastreifen, dessen Bevölkerung bis zum Krieg rund neunzigtausend Menschen zählte, hatte der Zustrom der rund zweihunderttausend palästinensischen Flüchtlinge, die aus ihren Ortschaften im südlichen Palästina geflohen oder von den Israelis vertrieben worden waren und nun in Gaza Zuflucht suchten. Die meisten von ihnen wurden in den acht palästinensischen Flüchtlingslagern untergebracht, die vom «Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten» (UNRWA) bis heute betreut und versorgt werden. Noch während des Krieges installierte sich im von Ägypten kontrollierten Teil des Gazastreifens die «All-Palästina-Regierung». Palästinensische Politiker hatten sie im September 1948 unter der Ägide der Arabischen Liga im ägyptischen Alexandria gegründet. Ihren Sitz nahm sie in Gaza-Stadt. Sie erhob zwar den Anspruch, ganz Palästina zu regieren, war aber politisch machtlos, da sie weder über finanzielle noch militärische Mittel, geschweige denn einen funktionierenden Verwaltungsapparat verfügte. 1959 löste die ägyptische Regierung sie schließlich auf. Jedoch annektierte Kairo den Gazastreifen nicht, sondern unterstellte ihn einer Militärverwaltung, ...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-406-81698-3 / 3406816983
ISBN-13 978-3-406-81698-7 / 9783406816987
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