Endlich alt! (eBook)

Ein spiritueller Reisebegleiter
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83059-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Endlich alt! -  Thomas Frings
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Warum will jeder alt werden, aber niemand alt sein? Thomas Frings ist frisch pensioniert und hat einen Traum: 'Lasst uns so alt werden, dass die nachkommenden Generationen sich nicht mehr vor dem Alter fürchten, sondern Lust aufs Älterwerden bekommen. Was wir brauchen, sind Lebemeister, keine Lehrmeister!' Für Frings birgt das letzte Lebensdrittel die Chance, alten Ballast loszulassen und neue Freiheiten zu entdecken. Bewusst gestaltet, kann diese Lebensphase so auch zu einer Zeit ganz neuer spiritueller Erfahrungen werden. Mit großer Offenheit, aber auch Humor schreibt Frings dabei auch über seine eigenen Erfahrungen. Kein Ratgeber, sondern ein inspirierender Lesespaziergang für alle, die das letzte Lebensdrittel bewusst gestalten möchten.

Thomas Frings, geb. 1960, wurde 1987 zum Priester geweiht. Von 2009 an war er Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Münster, seit 2010 Mitglied und seit 2014 Moderator des diözesanen Priesterrats. Durch seine Amtsniederlegung im Frühjahr 2016 wurde er national bekannt, sein Buch 'Aus, Amen, Ende?' wurde ein Bestseller. Zwischenzeitlich wohnte er in einem Benediktinerkloster in den Niederlanden, jetzt lebt er in Köln. Aufgrund seines Buches wird er in ganz Deutschland als Redner und für Vorträge eingeladen. Thomas Frings ist Großneffe des Kölner Erzbischofs Kardinal Joseph Frings.

Thomas Frings, geb. 1960, wurde 1987 zum Priester geweiht. Von 2009 an war er Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Münster, seit 2010 Mitglied und seit 2014 Moderator des diözesanen Priesterrats. Durch seine Amtsniederlegung im Frühjahr 2016 wurde er national bekannt, sein Buch "Aus, Amen, Ende?" wurde ein Bestseller. Zwischenzeitlich wohnte er in einem Benediktinerkloster in den Niederlanden, jetzt lebt er in Köln. Aufgrund seines Buches wird er in ganz Deutschland als Redner und für Vorträge eingeladen. Thomas Frings ist Großneffe des Kölner Erzbischofs Kardinal Joseph Frings.

1. Kapitel


Das letzte Drittel


Der 60. Geburtstag – nur eine Zahl?


Geboren wurde ich 1960 an einem Dienstag und der sechzigste Geburtstag, der auf einen Sonntag fiel, sollte groß gefeiert werden. Das Kölner Brauhaus um die Ecke war schon reserviert und die Gästeliste wurde lang und länger. Doch dann machte die Coronapandemie mir einen Strich durch die Rechnung und alles musste abgesagt werden. Dennoch erreichten mich zahlreiche Glückwünsche. Eine, ich muss es leider sagen, unerfreulich große Zahl der Wünsche war versehen mit einem versteckten Bedauern, einem überspielten Mitleid, mit einem Unterton, der den bevorstehenden Abgesang des Lebens übertönen sollte. All das verbarg sich hinter der kleinen und sicher gut gemeinten Bemerkung: »Es ist nur eine Zahl.« Jede dieser Bemerkungen rief in mir einen energischen Widerspruch hervor, denn ich will doch hoffen, dass sechzig Lebensjahre nicht »nur eine Zahl« sind. Wie traurig wäre das denn? In dieser Zeitspanne hat immerhin mein Leben stattgefunden und rückblickend darf ich sagen: Das meiste war gut!

Wenn ich im Folgenden resümierend davon berichte, dann kann es nur eine kleine Schnittmenge geben mit dem Leben anderer Menschen. Geschlecht, Herkunft, Begabungen, Umstände, Gesundheit, Zufälle, sie alle unterscheiden uns und alles zusammen ergibt ein Leben, Ihr Leben und hier mein Leben. Gleichzeitig gehören wir aber auch zu einem Kulturkreis und darin zu einer Gruppe, sind Mann oder Frau oder divers, haben eine vergleichbare Herkunftsfamilie, gemeinsame Interessen, ähnliche Begabungen und teilen neben aller Individualität auch Gemeinsames. Mit den Menschen meines Geburtsjahrgangs gehöre ich zu den Babyboomern, über die inzwischen immer mehr geschrieben wird, denn wir sind nicht nur ein historisches Phänomen, sondern hinsichtlich der Rentenentwicklung anscheinend auch eine gesellschaftliche Herausforderung.

Meine Kindheit verlebte ich als Junge in einer westdeutschen Kleinstadt. Meine Herkunftsfamilie lässt sich am besten beschreiben mit: konservativ, katholisch, bürgerlich. Allein diese Begriffe, Junge, konservativ, katholisch, bürgerlich, Westdeutschland, lassen erahnen, um welches Milieu und die darin vorherrschenden Konventionen es sich handelte. Aber das Leben kennt auch in jungen Jahren nicht nur Milieu und Konventionen. Jenseits von alldem fand sich nur wenige Meter vom Elternhaus entfernt in einem großen Wald die ganze Freiheit, die man sich als Kind nur wünschen kann. Bäume, Höhlen, Hütten und Wasser boten ein unerschöpfliches Reservoir für das tägliche Abenteuer zu jeder Jahreszeit. Um 18 Uhr aß die Familie, bestehend aus Vater, Mutter, Bruder und Schwester, zu Abend und dann musste ich auf jeden Fall zu Hause sein. Erst viele Jahre später lernte ich diese Vorteile einer damals traditionellen Familie, in der der Vater das Geld verdiente und die Mutter den Haushalt machte, zu schätzen – es war immer jemand da und ich bin nie in ein leeres Haus gekommen –, ohne heute deren Nachteile zu übersehen, die besonders zu Lasten der Frauen und Mädchen gingen. Es brauchte jedoch auch Jahrzehnte, um Erziehungsmuster zu erkennen und ungefragt Übernommenes zu hinterfragen und zu überwinden. »Wenn du in der Schule vom Lehrer ein paar hinter die Ohren bekommst und wir erfahren davon, dann bekommst du zu Hause gleich noch ein paar hinterher.« So hieß es, bevor ich meine Schullaufbahn begann. Die Autorität des Lehrkörpers wurde von meinen Eltern nie hinterfragt, sondern stets unterstützt. Zwischen diesen Autoritäten saß ich als Kind und versuchte, unbeschadet meinen Weg zu finden.

»Die Jungs müssen Abitur machen, dann steht ihnen die Welt offen. Wenn du das schaffst, kannst du natürlich auch Abitur machen, aber für dich ist das nicht so wichtig, denn du wirst ja einmal geheiratet und dann sorgt dein Mann für dich.« Den Satz bekam unsere Schwester zu hören. Beide Aussagen sind beispielhaft und charakteristisch für eine bestimmte Zeit und Weltsicht für den Teil der Gesellschaft, in dem ich groß geworden bin.

Eine Gesellschaft, die eine menschenverachtende Diktatur erlebt und einen traumatischen Krieg überlebt hatte, brachte Väter, Mütter, Lehrerinnen und Lehrer hervor, die ich als Kind und Jugendlicher oft nicht verstehen konnte. Sie erzählten von ihren Erfahrungen, die für sie zutiefst prägend waren, die ich aber nicht teilen konnte. Dafür fehlte es mir einfach an Lebensjahren und eigenen Erfahrungen. Die eigene Meinung galt wenig im Vergleich mit der Meinung der Erwachsenen.

Meine »Kriegserinnerungen« bestanden aus Trümmergrundstücken. In jeder Straße gab es einige und eines der letzten war das Nachbargrundstück, das erst bebaut wurde, als ich 1980 das Elternhaus zum Studium verließ. Der Wald, in dem wir spielten, war übersät mit Bombentrichtern. Mit diesen und den Häuserruinen verbanden wir Kinder jedoch keinen Schrecken, sondern es waren die absolut tollsten Orte, um Abenteuer zu erleben, besser als jeder Spielplatz. Nur fünfzehn Jahre nach Kriegsende geboren, kam mir sein Schreckensszenario erst näher mit fortschreitendem Alter, trotz der wachsenden zeitlichen Distanz zum Ereignis selbst. Das Verstehen ist eben nicht allein gebunden an die Komponente der zeitlichen Nähe. Erst durch die eigene Lebenserfahrung taucht man ein in selbst weiter zurückliegende Ereignisse. In der Jugend war für mich der Zweite Weltkrieg, trotz zeitlicher Nähe, emotional weiter weg, als es heute der Erste Weltkrieg ist.

Je höher man auf den Berg des Lebens steigt, desto weiter wird der Horizont. Je höher man steigt, desto mehr entfernt man sich räumlich. Selbst zeitlich weiter zurückliegende Ereignisse rücken mit den Jahren jetzt nicht nur in das Blickfeld, sondern man beginnt sie zu verstehen. Das ist paradox. Die wachsende zeitliche Distanz wird überwunden durch die wachsenden Erfahrungen, die man im Leben gemacht hat. Der Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 führte bei meiner Mutter zu einer Retraumatisierung. Angesichts zerbombter Häuser und flüchtender Menschen erinnerte sie sich an die zahllosen Bombennächte im Keller und die eigene Flucht. Verstehen kann ich das inzwischen und doch bleibt es ein Unterschied, ob man etwas nur theoretisch durchdacht oder persönlich erlebt hat. In dem Falle helfen auch nicht die Lebensjahre. Nicht anders ergeht es einem Patensohn, wenn ich ihm vom Fall der Mauer 1989 erzähle. So wie ich den Krieg nur aus dem Buch sowie von Trümmergrundstücken und Bombentrichtern als Spielplätze kenne, kennt er die Teilung Deutschlands nur aus Büchern und von Besuchen am Mauerstreifen. So leben wir Menschen mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen in derselben Gegenwart.

Hier breche ich den biografischen Teil ab und füge ihn am Ende als letztes Kapitel an. Unsere Biografie hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf unser Verständnis vom Leben und unser Verhalten zu diesem soll hier aber nicht zu viel Raum einnehmen. Es steht also jedem frei, diesen Teil schon jetzt zu lesen oder zum Schluss. Eins sollten Sie jedoch wissen, weil es für das Verständnis mancher Aussagen im Folgenden wichtig ist: Ich bin katholischer Priester, unverheiratet, habe keine Kinder und lebe als Single.

Verdrängen oder annehmen


Etwa bis zur Mitte der Zwanzigerjahre und dann wieder so ab dem achtzigsten Lebensjahr wird das Alter mit einer konkreten Zahl gerne genannt und gelobt: »Jetzt bist du schon fünf / sechs / zehn Jahre alt«, »Endlich bist du volljährig« – »Jetzt sind Sie achtzig / schon neunzig / fünfundneunzig / hundert Jahre alt«. Doch je weiter man sich von diesen Geburtstagen entfernt, desto lieber wird die Jahreszahl verschwiegen, nach unten korrigiert oder versehen mit der gut gemeinten Bemerkung »60 ist doch nur eine Zahl«.

Die Alterspyramide in Deutschland verschiebt sich immer weiter. Die Zahl der Rentner steigt und wird in den kommenden Jahren noch stärker ansteigen. 2035 wird voraussichtlich jede vierte Person im Seniorenalter sein.1 Zugleich gibt es immer mehr Hochbetagte. Immer mehr Menschen werden also immer älter. Zugleich wollen in unserem vergreisenden Land immer weniger Menschen als alt bezeichnet werden. Jeder will alt werden, doch niemand will alt sein.

Woher kommt diese auffällige Angst vor dem letzten Lebensdrittel? Als ob die Kindheit immer glücklich, die Jugend problemlos, die Ausbildung ein Zuckerschlecken, der lange (Berufs-)Alltag nur erfüllend gewesen seien. Ist der Wegfall von Zwängen nicht auch ein Zugewinn an Lebensqualität? Kann der Rückblick auf Erreichtes nicht befriedigend sein? Ist die Reife des Lebens nicht auch eine Quelle der Kraft und Ruhe? Woher und warum dann diese verdammte Angst vor dem Alter(n)?

Das ganze Leben ist eine einzige Übergangszeit, wobei der Übergang in das letzte Drittel auf eine meist längere, oft durch Wiederholung und Gleichmäßigkeit geprägte Zeit des Arbeitslebens erfolgt. Das erste Lebensdrittel hat mit Kindheit, Jugend, Schule, Ausbildung, Berufseinstieg und der Entscheidung für einen Lebensstand die größte Abwechslung, weshalb man wahrscheinlich leichter in das zweite Lebensdrittel hinein- als aus diesem hinausgleitet.

Der Sänger Udo Jürgens (1934–2014) hat mit dem Lied »Mit 66 Jahren« gleichsam eine Hymne komponiert auf das Alter, doch als er sie im Jahr 1977 sang, war er selbst erst 43! Ein schmissiges Lied, ein echter Schlager, den nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen begeistert mitschmettern, besingt er doch die schiere Lebensfreude. Da es sich um einen Schlager handelt und nicht um eine Ballade, wird das Alter so besungen, als wäre man nicht 66, sondern 26. Dieses Lied ist mitreißend, dass jeder, der jetzt ein »aber« sagt, leicht als Bedenkenträger und Spielverderber dasteht. Als Schlager wurde das Lied ein...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Alter • Älterwerden • Gedankenreise • Gelassenheit • Glaube • Gott • Lebenserfahrung • Lebensfreude • Rente • Ruhestand • Spiritualität • Sterben • Tod
ISBN-10 3-451-83059-0 / 3451830590
ISBN-13 978-3-451-83059-4 / 9783451830594
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