Die Skrupellosen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
464 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-24589-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Skrupellosen -  Sadie Jones
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Wenn Familiengeheimnisse tödlich sind
Dan und Bea, frisch verheiratet, leben zufrieden in einem bescheidenen Apartment in London. Bis Dan erfährt, dass sein Schwiegervater einer der reichsten Männer der Stadt ist. Doch warum weigert sich seine Frau nur so hartnäckig, etwas Geld ihrer Familie anzunehmen? Als dann überraschend Beas Bruder Alex stirbt, bricht das Schweigen auf ? und niemand der Beteiligten kann der Wahrheit mit ihren furchtbaren Konsequenzen entfliehen ...

»Die britische Autorin Sadie Jones hat das Kunststück fertiggebracht, einen hervorragenden Unterhaltungsroman zu schreiben, der zugleich eine kluge Reflexion über die Macht des Geldes ist.« DER SPIEGEL, Claudia Voigt

Sadie Jones, 1967 in London geboren, arbeitete als Drehbuchautorin, unter anderem für die BBC. 2005 verfilmte John Irvin ihr Drehbuch »The Fine Art of Love« mit Jacqueline Bisset in der Hauptrolle. Ihr preisgekröntes Romandebüt »Der Außenseiter« (2008) wurde in Großbritannien auf Anhieb ein Nr.-1-Bestseller und war auch in Deutschland ein großer Presse- und Publikumserfolg. Zuletzt erschien von ihr der Roman »Jahre wie diese«.

1

In der Nacht, als sie beschlossen, London zu verlassen, hatte Bea einen Traum. Träume sind wie Stummfilme – da werden Waffen abgefeuert, ohne dass man Schüsse hört, und Menschen reden ohne Stimme. Dieser Traum hingegen war ohrenbetäubend. Bea wachte von dem Lärm auf, in atemlosem Schock und Entsetzen.

Sie glaubte nicht, dass sie den Traum gehabt hatte, weil sie beschlossen hatten, wegzufahren, sondern wegen des Vorfalls mit der italienischen Ledertasche und dem Mädchen mit dem Messer.

Die Reisetasche war aus dunkelrotem Leder und sah zu edel aus für ihre Umgebung. Bea war stehen geblieben, als sie sie entdeckt hatte, im Fenster eines Secondhand-Ladens auf der Holloway Road. Sie lag unter den Falten eines langen Nylonrocks an einer kopflosen Schaufensterpuppe, der mit einem rosa Pullover kombiniert worden war. Es sollte retro aussehen, wirkte aber einfach nur altbacken. Die rote Ledertasche hingegen war glamourös. Sie sah aus, als hätte George Clooney sie vergessen, unterwegs zu einem kleinen Flughafen, um sich mit Julia Roberts zu treffen. Bea erkannte die gute Qualität, konnte aber nirgendwo einen Preis entdecken. Im Schaufenster lagen auch noch Perlen aus falschem Bernstein, High Heels und, an einer weiteren Schaufensterpuppe, ein überdimensioniertes Abendkleid. Bea hielt sich die Hand über die Augen und näherte ihr Gesicht der Scheibe. Dan würde die Reisetasche wahnsinnig gut gefallen. Sie war stylish und cool. Bea ging zur Ladentür und drückte dagegen, sie bewegte sich zwar, ließ sich aber nicht öffnen. Innen lagen stapelweise gespendete Sachen, und zwischen der Gummidichtung und dem Boden hatte sich eine Jeans verklemmt. Als Bea durchs Fenster schaute, konnte sie eine Frau und ein Mädchen im Laden sehen, die miteinander redeten. Die Frau stand hinter dem Tresen, das Mädchen hatte eine Hand auf einen Kinderwagen gelegt. Es sah aus, als würden sie streiten. Bea drückte fester gegen die Tür und schob den Kopf durch den Spalt.

»Entschuldigung«, sagte sie.

Keine von beiden drehte sich um.

»Entschuldigung«, wiederholte Bea. »Hallo.«

»Verpiss dich«, sagte das Mädchen, das sich immer noch nicht umdrehte.

Bea konnte sie nicht besonders gut erkennen. Die Luft roch stickig, und von hinten kam der Straßenlärm.

»Schon gut!«, rief die Frau hinterm Tresen, doch sie klang verängstigt.

Bea schaute zu den Passanten auf dem Gehweg, die vorübereilten, ohne etwas zu bemerken, dann stemmte sie die Schulter gegen die Tür und drückte kräftig dagegen, bis sie sich durch den Spalt in den Laden quetschen konnte. Die Tür fiel hinter ihr zu.

»Verpiss dich«, sagte das Mädchen und drehte sich zu Bea um. Sie hatte ein Messer in der Hand.

Es war kein Messer, das für einen Kampf gedacht war, eher ein Küchenmesser, und sie hielt es auch nicht vor sich, sondern umklammerte es nur. Hinter ihr riss die Frau die Augen auf wie zu einem stummen Hilferuf.

»Was willst du denn?«, fragte das Mädchen.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Bea.

Das Mädchen war groß, hatte lange Beine in einer Skinny Jeans und Turnschuhe, die für ihren Körper zu groß aussahen.

»Was willst du hier? Geh weg!«, sagte sie. Bea fand, dass sie high wirkte. Sie war hektisch und konfus.

Die Frau hinter dem Tresen ging langsam rückwärts und verschwand lautlos in einer dunklen Türöffnung. Bea lächelte das Mädchen an, um ihre Aufmerksamkeit zu halten. Sie hatte geweint. Ihr Make-up war verschmiert, ihre Haut sehr weiß. Sie sah nicht so aus, als ob sie wüsste, dass sie ein Messer in der Hand hatte.

»Ich wollte nur fragen, wie viel die Tasche im Schaufenster kostet«, sagte Bea. »Diese rote.«

Das Mädchen war verwirrt, ihre Augen zuckten hin und her. Sie wischte sich übers Gesicht und schob sich das Haar hinters Ohr.

»Entschuldigung«, sagte Bea, »du arbeitest gar nicht hier, oder?«

»Ich musste raus«, sagte das Mädchen. »Verurteilst du mich deswegen? Du kennst mich doch nicht mal.«

»Kannst du das nicht weglegen?«, bat Bea. »Das macht einem echt Angst. Würde es dir was ausmachen, es vielleicht einfach in die Tasche zu stecken?«

Das Mädchen schaute auf das Messer in ihrer Hand. Sie stach damit in die Luft und lachte. »Tut mir leid«, sagte sie. »Das ist nicht komisch.«

Ohne den Kinderwagen loszulassen, ging sie in die Hocke und schob das Küchenmesser in ihre offene Handtasche, in der bereits ein ziemliches Durcheinander herrschte. Bea sah die Füße des Babys aus dem Wagen herausschauen, konnte den Rest des Körpers aber nicht erkennen. Bestimmt hatte die Angestellte inzwischen schon die Polizei angerufen, dachte sie, und ging auf das Mädchen zu.

»Ich hab gerade Mittagspause«, sagte sie, »und bin bloß zufällig hier vorbeigekommen. Meinst du, du kommst alleine klar?«

»Was?«, fragte das Mädchen.

»Kommst du klar?«

»Wie heißt du?«, fragte das Mädchen.

»Bea«, sagte Bea. »Und du?«

»Emma«, sagte das Mädchen. »Und das ist Thomas.« Sie deutete mit einem Nicken auf das Baby.

Bea beugte sich vor, um in den Kinderwagen zu schauen. Der Junge war sehr jung und sehr klein. Er schlief. Die Hände hatte er neben dem Kopf zu Fäusten geballt, seine winzigen Finger sahen aus wie frisch gepalte Erbsen. Dann hörten sie Sirenen. Emma erstarrte und sah hinaus. Blaues Licht blinkte auf den Wänden, als die Polizeiautos am Straßenrand hielten. Zwei Autos und ein Van. Türen gingen auf, und Polizisten sprangen raus, ein ganzer Trupp in dunklen, schweren Sachen. Sie zogen Mützen und Jacken über und sprachen in ihre Funkgeräte.

»Mist, Mist, Mist, Mist, Mist«, sagte Emma und wich zurück an den Tresen, griff nach der Tasche und dem Kinderwagen und zog beides an sich.

»Das tut mir wirklich leid«, sagte Bea. »Es wird bestimmt alles gut.«

Ein Polizist drückte die Tür auf, ein anderer spähte durch die Scheibe herein.

»Es tut mir leid«, wiederholte Bea. Emma kauerte sich mit ihrem Kinderwagen rücklings gegen den Verkaufstresen.

Bea ging auf den Polizisten zu, der auf der Schwelle stand, streckte die geöffneten Hände vor und sagte: »Ich glaube, eine Dame hat Sie angerufen, oder?«

»Man hat uns etwas von einer Waffe mitgeteilt«, sagte er, schaute an ihr vorbei und auf Emma.

»Es ist schon gut, sie ist nicht … gefährlich«, sagte Bea voller Überzeugung. Plötzlich bekam sie Angst. »Sie ist nur völlig aufgelöst …«

Doch auf einmal standen sechs Polizisten und eine Polizistin im Laden. Blitzschnell hatten sie Emma eingekreist. Sie fragten sie, wo das Messer sei, befahlen ihr, sich nicht zu rühren, und forderten sie noch einmal auf, das Messer herauszugeben. Sie versuchten, Emma von ihrem Baby zu trennen, aber sie wollte den Kinderwagen nicht loslassen. Derart umzingelt, geriet sie in Panik und schien vor Beas Augen auseinanderzufallen, sich in ein Objekt zu verwandeln. Bea wich langsam zurück zur Wand, ihr war ganz schlecht, weil sie sich so mies vorkam, sie hatte richtige Schuldgefühle. Wenige Minuten später trat ein Polizist zu ihr, notierte ihren Namen und fragte sie, was passiert sei, und dann kam die Frau, die den Laden führte, aus ihrem Versteck irgendwo in den hinteren Räumen und machte ebenfalls ihre Angaben. Da begann sich das umzingelte Mädchen zu wehren.

»Du Arschloch, du Wichser«, sagte sie, als Polizisten sie an den Armen packten. Sie lösten ihre Hände mit Gewalt vom Kinderwagen. Eine Polizistin beugte sich vor, um hineinzuschauen.

»Wie heißt er denn?«, fragte sie.

»Gehen Sie weg von dem Kind«, weinte Emma.

»Ich glaube wirklich nicht, dass sie etwas Böses vorhatte«, sagte Bea zu den Polizisten, doch niemand hörte auf sie.

Zu dritt brachten sie Emma hinaus auf die Straße, sie mussten sie regelrecht hinausschleifen.

»Machen Sie sich keinen Kopf, wir kennen sie«, sagte einer der Polizisten lächelnd zu Bea. »Die ist immer hier in der Gegend unterwegs.«

»Kann ich nicht irgendwas für sie tun?«, fragte Bea. »Ich bin Psychotherapeutin, ich arbeite in einer Praxis gleich hier in der Straße.«

Normalerweise hätte sie so etwas nicht gesagt, es wäre ihr vorgekommen wie Wichtigtuerei, aber ihre eigene demonstrative Menschlichkeit und ihre Einmischung waren ihr irgendwie unangenehm. Sie wollte ihm signalisieren, dass sie nicht bloß eine sentimentale Passantin war. Noch während sie sich das dachte, wusste sie, dass sie genau das war.

Die Polizisten blieben noch ein paar Minuten, sie nahmen das Baby aus dem Kinderwagen und setzten es in ein Auto. Sie kämpften mit dem Kinderwagen, der sich einfach nicht zusammenklappen lassen wollte, und hatten auch Mühe, Emma in den Van zu bugsieren, wobei sie dem beginnenden Menschenauflauf demonstrierten, dass sie es nicht genossen, ein Mädchen zu überwältigen. Es war so leicht, sie waren einfach so viel stärker. Die sachliche Art, mit der sie sie behandelten, sah brutaler aus, als wenn sie wirklich wütend gewesen wären. Sie knallten die Tür hinter ihr zu, dann fuhren der Van und die zwei Autos davon, die Leute auf dem Gehsteig verliefen sich, und das Leben auf der Straße ging normal weiter. Nichts verriet mehr, dass das alles gerade stattgefunden hatte – bis auf Bea, die ihnen nachschaute, bis sie verschwunden waren. Niemand ließ sich leichter entfernen als ein verstörtes Mädchen. Die Frau, die im Laden arbeitete, kam heraus und stellte sich neben sie.

»Ich kann gar nicht glauben, wie schnell die hier waren«, sagte sie.

»Nur wegen dem Messer«,...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2021
Übersetzer Wibke Kuhn
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Snakes
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Der Außenseiter • Donna Tartt • eBooks • Englische Bestsellerautorin • Familiendrama • Familientragödie • Frankreich • Ian McEwan • Joel Dicker • London • psychologische Spannung • Psychothriller • Roman • Romane • Romane 2022 • Thriller
ISBN-10 3-641-24589-3 / 3641245893
ISBN-13 978-3-641-24589-4 / 9783641245894
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