Mütter sind eben Mütter (eBook)

Was Töchter und Mütter voneinander wissen sollten
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2019 | 1. Auflage
320 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-24723-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mütter sind eben Mütter -  Claudia Haarmann
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Die Verbindung zur Mutter prägt uns fürs Leben
Neuausgabe des Buches »Mütter sind auch Menschen«.

Die Heilpraktikerin für Psychotherapie Claudia Haarmann plädiert in der Neuausgabe ihres Buchs »Mütter sind auch Menschen« für eine neue Beziehungskultur zwischen Müttern und Töchtern. Ihre Hauptthese: Jede Mutter will ihrem Kind das Beste geben, doch es gibt etwas in ihrem Leben, das sie daran hindert.

Anhand neuester Erkenntnisse aus Hirnforschung und Traumatherapie, erklärt sie, wie erlebte Traumata früherer Generationen das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern nachhaltig beeinflussen. In Gesprächen mit Experten und in der Betrachtung von Lebensgeschichten arbeitet sie heraus, wie eine respektvolle Ablösung und gegenseitige Annahme aussehen können.

Claudia Haarmann, geboren 1951, arbeitete lange als freie Journalistin und ist heute Heilpraktikerin für Psychotherapie. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind die Bindungs- und Beziehungsdynamiken in Familien und deren Auswirkungen im Erwachsenenalter. Sie setzt vorwiegend körperorientierte Psychotherapieverfahren und Gesprächstherapie ein. Ihre Bücher »Mütter sind eben Mütter« und »Kontaktabbruch in Familien« sind erfolgreiche Longseller.

Kapitel 2

Der Bindungsreigen – ein schwieriger Tanz

Bindung will gelernt sein

Zurzeit erleben wir eine heftige Kontroverse über die Frage: Kinderkrippen – ja oder nein? »Wie viel Mutter braucht das Kind?«, heißt beispielsweise ein Aufmacher im Spiegel. Da werden Wissenschaftler aus allen Himmelsrichtungen maßgeschneidert zitiert, um zu klären: Braucht das Kind in den ersten drei Jahren die Bindung zu einer festen Bezugsperson oder nicht? Wie fit ist ein Kind im Alter von sechs bis zwölf Monaten? Kommt es auch ohne die Eltern klar? Der Begriff »Bindung« klingt in diesen Streitgesprächen so, als handele es sich dabei um ein pädagogisches Regelwerk, das jeder vernünftige Mensch beherrscht. Schon die Frage, so glaube ich, führt in die Irre. Nicht, wie viel Mutter, sondern die wichtige Frage heißt: Was genau von der Mutter braucht ein Kind? Und was ist das Wesen von Bindung?

Wenn ich all die Leitartikel und Talkshows verfolge, scheint es in diesem Zusammenhang ein unaussprechliches Wort zu geben: Liebe. Liebe wird von der öffentlichen Meinung offensichtlich als romantisches Relikt gewertet. Sie passt nicht in die Landschaft, die auf Funktionieren ausgerichtet ist. Aber sie ist die einzig tragfähige Grundlage, die ein Kind braucht, um vertrauensvoll in die Welt zu gehen; auch in die betreute Welt der Kinderkrippe. Das Wesen der Bindung zwischen Menschen ist die Liebe.

Liebe heißt, wachsen dürfen und verbunden sein

Gerald Hüther, Professor der Neurobiologie in Göttingen, hat mir in einem Gespräch eine der, wie ich finde, besten Definitionen von Liebe gegeben. Sie beschreibt, worum es zwischen Mutter und Kind und zwischen Menschen grundsätzlich geht:

»Jeder Mensch hat bereits in den neun Monaten vor der Geburt mit der Mutter die Erfahrung gemacht: Ich bin in Verbindung und ich wachse jeden Tag ein Stück über mich hinaus. Das ist eine fundamentale Erfahrung, die uns unser ganzes Leben lang begleitet. Es geht in der menschlichen Begegnung immer darum, wachsen zu dürfen und in Verbindung zu sein. Das sind die beiden Grundbedürfnisse, auf denen alles Gute gedeiht. Die einzige Möglichkeit, mit der man das lernen kann, ist die Liebe.

Liebe wäre dann so zu beschreiben: Es ist das Gefühl, dem anderen zu wünschen, dass er sich ganz eng verbunden fühle und über sich hinauswachsen möge. Wachsen und verbunden sein, das ist der optimale Zustand. Kinder, die das erlebt haben, sind in ihren beiden Grundbedürfnissen psychisch gesättigt. Sie bleiben offen für die Welt, bleiben neugierig, erschließen sich die Welt und können Gefühle wie Dankbarkeit, Zuneigung, Vertrauen entwickeln.

Kinder, die die Erfahrung machen mussten, dass sie entweder wachsen konnten, aber nur auf Kosten der Verbindung, oder, dass sie verbunden waren, aber nur auf Kosten ihres Bedürfnisses auf Wachstum, leiden Mangel. Ein zentrales Bedürfnis ist nicht gestillt, nicht gesättigt. Das Ergebnis ist: Sie brauchen Notlösungen.«

Bindung will gelernt sein

Dieses Buch würde ich nicht schreiben, wenn das mit der Liebe zwischen Mutter und Kind landauf, landab so einfach wäre.

Bindung ist eben kein Regelwerk, das jeder zu buchstabieren weiß, und schon gar nicht die Liebe. Und das, glaube ich, wird in den Debatten übersehen. Die Liebesfähigkeit ist vielleicht die fragilste Angelegenheit der Welt. Sie ist störanfällig. Eltern, in unserem Zusammenhang die Mütter, bringen die Liebesfähigkeit eben nicht naturgegebenermaßen mit. Sie ist im Muttersein nicht inbegriffen. Sie will selbst erfahren und gelernt sein. Bindung und Beziehung haben in erster Linie damit zu tun, inwieweit die Liebe sich in Familien ausdrücken und gezeigt werden kann.

In jeder Beziehung, ob Mann-Frau oder Frau-Frau – in der Beziehung vom Vater zum Kind oder der Mutter zu ihrem Kind geht es um Nähe und Distanz. Wir Menschen sehnen uns nach Innigkeit und dann auch wieder nach Eigenständigkeit; nach intimer Verbindung und auch danach, selber als Individuum wachsen zu können. Nähe erleben, um dann wieder bei sich zu sein, das ist der Reigen und es ist der Rhythmus aller Beziehungen.

Unseren ganz persönlichen Grundrhythmus lernen wir im Wesentlichen in den ersten Monaten mit der Mutter. Und so lautet die erste Frage, um unsere Beziehung zu ihr zu verstehen: Wie weit war die Mutter in der Lage, diesen Reigen mit uns zu tanzen? Wenn sie selber den Rhythmus nicht kennt oder von ihrer Mütterlichkeit abgetrennt ist, wird es schwierig sein, denn man kann nicht geben, was man selber nicht kennt oder aber unterdrücken muss. Hatten wir die Chance, den Tanz mit ihr ausschweifend zu erleben? Oder wurde der Bindungsreigen nach dem ersten Takt, nach der ersten Drehung abgebrochen? Vielleicht muss er fortwährend weitergetanzt werden, darf und kann nicht enden. Wie auch immer – diesen Grundrhythmus, den wir mit ihr lernten, nehmen wir mit in unser Beziehungsleben.

Der Bindungsreigen findet immer in einem Kontext statt, er ist abhängig von der augenblicklichen Situation der Mutter. Es macht einen Unterschied, ob die Mutter zur Zeit unserer Geburt 20, 30 oder 40 Jahre alt war. Ihre Lebenssituation ist jeweils eine andere. Das ist ein Grund, warum Geschwister ganz unterschiedliche Erfahrungen mit ihr machen, sie haben unter Umständen eine »andere« Mutter erlebt. Die Beziehung unserer Mutter zu ihrem Mann beziehungsweise zu unserem Vater zur Zeit der Schwangerschaft und unserer ersten Lebensmonate spielt eine wichtige Rolle. Krankheiten, Existenzängste oder der Verlust eines Kindes in einer früheren Schwangerschaft beeinflussen ihr Erleben. Vielleicht wollte sie lieber einen Sohn? Was immer es war, dieses Zeitfenster hat Einfluss auf ihren Umgang mit uns. Die wichtige Frage heißt: Konnte sie in der Zeit, als mein Leben begann, Nähe zulassen und konnte sie meine Grenzen wahren? Konnte ich mit ihr in Verbindung sein und gleichzeitig wachsen?

Und der Vater …?

Sind wir denn mit allem Ach und Weh nur durch die Mutter festgelegt? Natürlich spielt der Vater eine zentrale Rolle. Er beeinflusst unser Leben zutiefst. Auch mit ihm erlernen und erleben wir früh, was Beziehung bedeuten kann. Und selbstverständlich hat er einen maßgeblichen Einfluss auf die Bindung zwischen Mutter und Kind. Aber auch wenn sich Väter heute auf die Betreuung der Kinder zubewegen, gehe ich davon aus, dass die Mehrheit der Leserinnen vorwiegend in engem Kontakt mit der Mutter aufgewachsen ist. Und wir kommen nicht umhin, anzuerkennen: Es ist die Biologie mit Schwangerschaft, Geburt und der Zeit des Stillens, die uns stark verbindet. Es gibt eine Zeit, da steht die Mutter stellvertretend für die ganze Welt. Und: Wir Töchter sind mit ihr durch diese weibliche Nähe verbunden, es gibt die Ähnlichkeit und die Vertrautheit zwischen uns, aus der heraus wir dann später unseren eigenen Weg als Frau finden müssen.

Dennoch kann es mit dem Vater zu einer Dynamik kommen, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Wenn dieser erste Reigen mit der Mutter schwer möglich ist, entsteht ein Mangel. Mangel sucht Ausgleich und lässt uns den Blick nach außen richten. Wenn wir bei der Mutter nicht finden, was wir so dringend brauchen, dann werden wir uns sicher dem Vater zuwenden, in der Hoffnung, es dort zu finden. Die Tochter, die dem Vater ganz nahe steht, die sogenannte »Vater-Tochter«, könnte auch »Ich vermisse die Mutter-Tochter« heißen. Und viele Töchter finden die fehlende Zuwendung und Nähe tatsächlich bei ihrem Vater. Das hat allerdings nachhaltige Folgen, denn dann sind wir ihm näher als ihr und das bedeutet sehr generalisiert: Wir identifizieren uns eher mit dem Männlichen, als mit dem Weiblichen. Wir sind im Weiblichen nicht wirklich zu Hause.

In diesem Kontext bleibe ich bei der Mutter – alles andere würde hier den Rahmen sprengen.

Es geht nicht um Schuld

Ich will es nicht verhehlen: Das Thema bringt es mit sich, dass auch ich mich beim Schreiben dieses Buches immer wieder frage: Wie war das bei mir? Wie war es mit meiner Mutter? Vor allem aber: Wie war ich als Mutter? Und sehr schnell bin ich in der Schuld, der Falle, die fragt: »Was habe ich alles falsch gemacht?« Dann muss ich mich selber immer wieder zurückholen und mir sagen: Mehr zu geben war mir nicht möglich. Ich habe es einfach nicht anders gewusst und auch nicht gekonnt. Wenn Sie selber Mutter sind, mag es Ihnen ähnlich ergehen.

Sie könnten sich aber auch fragen: Wo ist das Ei und wo die Henne? Das, was ich über die Mutter lese, gilt auch für mich. Das scheint mir die bekömmlichere und deshalb bessere Frage zu sein. Denn wenn es gelingt, zu erkennen, dass Bindung ein Thema ist, das über Generationen hinweg wirkt, dann schmälert es die Schuldfalle, dann müssen wir nicht mehr suchen, wer der Sündenbock ist.

Ich möchte Sie einladen, sich immer wieder einmal in die Schuhe ihrer Mutter zu stellen, gelingt das, dann geht es nicht mehr um Schuld, sondern nur noch darum herauszufinden, was den Grundrhythmus gestört hat und was gelungen ist.

Was gestern war, wirkt auch noch heute

»Jeder von uns neigt dazu, anderen das anzutun, was ihm angetan wurde. Der tyrannisierende Erwachsene ist das tyrannisierte Kind von gestern.« Das sagte der britische Psychiater John Bowlby, der die Bindungsforschung vor 50 Jahren begründete. Er meint damit, die Vergangenheit, die Kindheit ist nicht abgeschlossen. Was gestern war, hat Auswirkung auf die Gegenwart. Mittlerweile ist gesichert: Die ganz frühen Erfahrungen formen unsere Gefühle und sie prägen uns ein Leben lang. Die innere Grundstimmung, in der Kindheit gewachsen, begleitet uns in das Erwachsenenleben hinein....

Erscheint lt. Verlag 22.7.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Beziehung • Beziehungsratgeber • Bindung • eBooks • Familienprobleme • Familienstreit • Familientherapie • Familientraumata • Gesundheit • Mutterliebe • Mutterschaft • Mütter sind auch Menschen • Mutter Tochter Beziehung • Mutter-Tochter-Beziehung • Mutter-Tochter-Konflikt • Psychologie • Ratgeber • transgenerational • Traumatherapie • unglückliche Kindheit
ISBN-10 3-641-24723-3 / 3641247233
ISBN-13 978-3-641-24723-2 / 9783641247232
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