Ich habe beschlossen, dass es mir nur noch gut geht (eBook)

Leben mit dem Tumor

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
208 Seiten
Ludwig (Verlag)
978-3-641-23881-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich habe beschlossen, dass es mir nur noch gut geht -  Maria Welser
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Ich kämpfe weiter ? für mich und für andere
Die Diagnose trifft Maria von Welser mitten in ihrem so geordneten, aktiven Leben: ein Gehirntumor. Es folgt eine fünfstündige OP, deren Folgen, vor allem der starke Schwindel, ihr zu schaffen machen. Doch Aufgeben ist für Maria von Welser keine Alternative. Sieben Monate nach der Entfernung des Tumors ist sie entschlossen, wieder in ihr normales Leben zurückzukehren: Sie hält Vorträge in ganz Deutschland zur Situation von Frauen auf der Welt und zur Flüchtlingsfrage - den Themen ihrer letzten beiden Bücher. Denn sie fragt sich: 'Kann ich mich aus der Öffentlichkeit zurückziehen? Will ich mich auf meinen Tumor konzentrieren, wo ganz andere Krebsgeschwüre in unserem Land wuchern?'

Maria von Welser ist Fernsehjournalistin, Zeitungskommentatorin und erfolgreiche Buchautorin, die für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet wurde. Bekannt wurde sie 1988 als Redakteurin und Moderatorin des Frauenjournals ML - Mona Lisa, das sie fast zehn Jahre lang leitete und moderierte. 2001 ging sie als Leiterin des ZDF-Auslandsstudios nach London, von 2003 bis 2010 war sie Direktorin des NDR Landesfunkhauses Hamburg. Maria von Welser engagiert sich im Hochschulrat der Universität Hamburg und bei UNICEF Deutschland, deren stellvertretende Vorsitzende sie seit 2008 ist.

KAPITEL 1

Die Diagnose kommt aus heiterem Himmel

Ganz langsam gehe ich die Treppe hinunter. Halte mich mit der Hand fest am Lauf. Mein Mann geht vor mir. Er weiß von nichts. Soll ich es ihm sagen? Jetzt? Gleich? Wann? Ich weiß es nicht. Die Diagnose im Radiologiezentrum in Hamburg trifft mich völlig unvorbereitet – »out of the blue«, wie es die Briten so schön nennen. Mitten in meinem so geordneten, aktiven dritten Leben: ein Tumor im Gehirn. Ich fasse es nicht.

Mir ist schwindelig. Dabei ahne ich noch nicht, dass das in Zukunft mein Dauerzustand sein wird. Eingehängt in den starken Arm meines Mannes gehe ich auf ein Café zu. Ich kann nur murmeln: »Mir ist nach einem starken Tee.«

Mein Mann fragt nach: »Was ist herausgekommen? Was sagt der Radiologe?« Noch bevor wir die Mäntel aufhängen, es ist Winter und kalt in der Stadt, schaue ich ihn direkt an und sage: »Ich habe einen Gehirntumor.« Klaus guckt erst verständnislos, dann schüttelt er den Kopf. Ich sehe ihm an, dass er es nicht glauben kann, nicht glauben mag. Und dann kommt der Satz, den ich in den kommenden Wochen nicht mehr vergessen werde: »Mach Dir keine Sorgen, Fröschlein, Du schaffst das.« Fröschlein – sein Kosename für mich. Sein Satz dringt noch nicht ganz durch zu mir, ich schwebe noch irgendwie in einem dichten Nebel. Der Radiologe geht mir nicht aus dem Kopf. Als er mich zwanzig Minuten nach dem MRT, der Magnetresonanztomografie, zu sich zur Betrachtung der Bilder bittet. Er schiebt meinen Stuhl neben seinen, die Bildschirme vor uns. Ich sehe meinen Kopf von innen. Angefüllt mit einem Kontrastmittel, damit man etwaige Veränderungen, Wucherungen oder Tumore besser erkennen kann. Und schon zeigt er mir einen haselnussgroßen Fleck. So kommt es mir vor. »Das könnte«, sagt er vorsichtig, »ein Tumor sein. Unten am Hirnstamm, sehen Sie das?« Ich sehe es, ich betrachte das Innere meines Schädels wie eine Journalistin bei der Recherche. Dass es meiner ist, wird mir noch nicht so klar. Sechs Zentimeter tief in meinem Kopf. Meine erste Frage lautet dann auch gleich: »Ist das ein bösartiger Tumor?« Und weiter will ich wissen: »Der muss raus, oder?«

Sofort fällt mir bei dieser Gelegenheit das Buch des bei seiner Diagnose noch so jungen Schriftstellers Wolfgang Herrndorf ein: Arbeit und Struktur, in dem er über sein Leben mit dem Glioblastom, einem bösartigen Hirntumor, schreibt. Das Buch war aus dem Blog des Autors entstanden, der sich am 26. August 2013 das Leben nahm. Ich hatte es vor einiger Zeit in der Hand. Es hat mich erschüttert. Aber, ehrlich, ich konnte es nicht ganz lesen. Damals ahnte ich noch nicht, dass es mich auch mal treffen könnte.

Immer noch reagiere ich vor allem professionell. Auch jetzt, vor den MRT-Bildern mit meinem Tumor. Nur in meinem Magen beginnt es zu drücken, als wenn ich Steine geschluckt hätte. »Ob bösartig oder gutartig, das können wir von hier nicht wirklich beurteilen. Das kann erst festgestellt werden, wenn ein Histologe nach einer Operation oder einer Probenentnahme das Gewebe untersucht hat.« Nicht wirklich beruhigend. Der Radiologe erklärt mir noch den weiteren Verlauf. Er schicke die Bilder jetzt gleich per Mail an meinen Neurologen. Auch der ist mir vom befreundeten Orthopäden und Rotarier Hans-Ulrich Schmidt empfohlen worden. Mit ihm könne ich dann alles Weitere besprechen. Alles Weitere? Was ist das? Was wird das sein? Der Radiologe verabschiedet mich freundlich und professionell mit einem festen Händedruck, und ich schwanke wie betäubt hinaus ins Wartezimmer zu meinem Mann. An den Neurologen schreibt er noch am gleichen Tag: »Es zeigt sich eine homogen kontrastmittelanreichernde 15 mal 20 mm messende Raumforderung, welche zu einer leichten Rechtsverlagerung der Pons führt. Die Raumforderung tangiert den Nervus trigeminus und hat breitflächigen Kontakt zur Dura links-temporal, sodass anhand der Bildgebung an erster Stelle an ein Meningeom zu denken ist.«

Zehn Minuten später sitze ich mit meinem Mann Klaus im Café, ich mit einem heißen, starken Tee. Mein Mann hat sich einen Milchkaffee bestellt. Rührt den Süßstoff gedankenverloren um. Mehrfach. Immer wieder. Wir sind stumm und still. Allmählich kehrt meine Denkfähigkeit zurück. Morgen früh um 8.30 Uhr bin ich beim Neurologen. Mit dem muss ich besprechen, was zu tun ist. Und sonst? Füße stillhalten. Die Meinungen der Fachleute einholen. Und entsprechend das eigene kleine Leben organisieren. Mein lieber Mann legt seine große Hand auf meinen Arm. Schaut mich aufmunternd an und sagt noch mal: »Du schaffst das, nur keine Panik.«

Es ist ja schon gut, dass jetzt nach Wochen des Suchens wahrscheinlich die Ursache für meine seltsamen Beschwerden entdeckt wurde.

So hat alles begonnen: Ziemlich irritiert war ich schon in den Weihnachtsferien. Als ich immer erst ab Mittag das rechte Augenlid aufbekam. Bis dahin hatte ich die Süddeutsche Zeitung, die BILD und das Hamburger Abendblatt auf dem iPad mit nur einem Auge gelesen. Ging auch, war aber anstrengend. Dazu schmerzten mein Genick und meine Halswirbelsäule. Auch meine täglichen Yogaübungen halfen dagegen nicht. Der Schultergürtel kam meinem Physiotherapeuten »wie Beton« vor. Ein wenig ratlos empfahl er mir dann eine MRT der Halswirbelsäule.

Vorher reiste ich aber noch zu meinem neurologischen Spezialisten Prof. Jost in die Nähe von Freiburg. Der mich seit über 15 Jahren alle drei Monate gegen meinen Blepharospasmus spritzt. Das ist eine Form der Dystonie, bei der sich die Augenlider zusammenkrampfen. Mit den Spritzen legt er die Nerven um die Augen lahm, sodass ich ungestört gucken kann und mir nicht mehr die Augen zukrampfen. Ich habe diese seltene Erkrankung 2003 in meinem Buch Zurück zur Zuversicht beschrieben.

Aktuell vermutete der Neurologe erst mal ein Problem in der Halswirbelsäule und stellte zudem einen leicht nach unten gesunkenen rechten Mundwinkel fest, und das rechte Augenlid befinde sich »auf halbmast«. Er untersuchte mich mit dem Ultraschallgerät. Nichts. Oder wie die Ärzte dann so sachlich-kühl schreiben: »kein wegweisender Befund«.

Aber auch die Injektionen in die Nackenmuskulatur führten zu keiner Besserung. Er schreibt mir dann noch quasi zur Aufklärung: »Bei der Inspektion zeigt sich eine Asymmetrie mit tiefer stehendem Mundwinkel rechts. Zusätzlich beklagen Sie einen deutlichen Zug vom Schulterblatt nach okzipital rechts ziehend.« Bilanz: Ratlosigkeit.

Nächste Station auf der Suche nach den Ursachen: das Marienkrankenhaus in meiner Heimatstadt Hamburg. Ich bitte um eine MRT der Halswirbelsäule. Aber auch das: »o. B.« – ohne Befund. Die Halswirbelsäule steht astrein und trägt brav und klaglos meinen Kopf. Diesen Kopf in die Röhre des MRT zu legen und weiter zu suchen, auf diese Idee kam da noch keiner. Erst mein rotarischer Freund Hans-Ulrich Schmidt, Orthopäde aus und mit Leidenschaft, guckte sich meinen Hals, mein Genick, meinen Schultergürtel an und schüttelte nur den Kopf: »Du brauchst kein Halswirbelsäulen-MRT, sondern ein Kopf-MRT. – Meine Damen machen Dir gleich für morgen früh einen Termin.« So kam der Tumor im Hirn quasi ans Tageslicht. Oder besser: zum Vorschein.

Mein Mann und ich fahren nach dem MRT schweigend nach Hause. Jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Die Stadt ist voll, der Verkehr dicht. Der Himmel wird schon wieder dunkler. Winterzeit im Norden. Am Nachmittag widerstehe ich diszipliniert einer Recherche im Internet. Solange noch nicht klar ist, welcher Art der Tumor ist, will ich lieber an der Alster spazieren gehen, als mich mit Informationen zu belasten, die dann womöglich doch nicht relevant sind. Mir ging so viel durch den Kopf. Und erfreulicherweise hatte ich auch genug anderes zu tun.

Mein letztes Buch Kein Schutz – nirgends: Frauen und Kinder auf der Flucht über die Situation der aus dem Syrienkrieg geflüchteten Frauen und Kinder in den Lagern im Libanon, in Jordanien, in der Türkei und auf der griechischen Insel Lesbos war von Greystone Books Vancouver, einem kanadischen Verlag, gekauft und ins Englische übersetzt worden. Jetzt fehlte noch das aktualisierte Vorwort zur Situation der Flüchtlinge in Kanada, den USA, Großbritannien und Australien/Neuseeland. Das musste jetzt geschrieben werden. Denn wer weiß, wie es mir nach einer möglichen Operation geht. Ob ich dann überhaupt noch schreiben kann? Jetzt aber heißt es: recherchieren, die Fakten zusammentragen, die neuesten Meldungen in der internationalen Presse suchen. Wie sieht die Situation der Migranten in den Vereinigten Staaten aus? In Großbritannien, in Australien? Das sind die Länder, in denen der Verlag das Buch publizieren will. Und vor allem in Kanada. Ich bin dankbar, dass mich das ablenkt. Es gibt noch so vieles zu entscheiden. Dann zum Titelbild. Greystone schickt die Vorschläge. Schade, sie nehmen nicht den Titel der deutschen Ausgabe. Aber sie kennen den internationalen Markt besser und hoffen, so mehr Erfolg zu haben. Egal was bald in meinem Kopf passiert: Jetzt wird geschrieben. Zehn Buchseiten sind geplant.

Mein Mann und ich reden am Abend nicht weiter über den radiologischen Befund meines Kopfes. Meine 21-jährige Enkeltochter Melanie schaut noch vorbei. Sie ist gerade erst zu ihrem Freund gezogen. Wir zwei haben viel zu bereden: ihre Klausuren in der Schule, die Prüfungen im Sommer. Was dann? Zurzeit arbeitet sie freitags und samstags nebenbei in einem thailändischen Restaurant. Mit viel Freude und Engagement. Nach einem wenig erfreulichen...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Biografie • Biographien • eBooks • Gehirntumor • Heilung • Kampf zurück ins Leben • Krankheitsgeschichte • Krebs • Krebstherapie • Lebensmut • Reha • Schicksalsschlag
ISBN-10 3-641-23881-1 / 3641238811
ISBN-13 978-3-641-23881-0 / 9783641238810
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