Wachstum über alles (eBook)

Spiegel-Bestseller
Der VW-Skandal

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
408 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44149-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wachstum über alles -  Jack Ewing
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Der Weltkonzern am Abgrund: Im Sommer 2015 verkündet die Volkswagen AG stolz, Toyota als weltgrößten Autohersteller überflügelt zu haben. Doch kurz darauf macht die US-Umweltbehörde öffentlich, dass VW in 11 Millionen Diesel-Fahrzeugen eine illegale Software zur Manipulation der Abgaswerte installiert hat. Im Dezember 2016 einigt sich VW mit dem US-Justizministerium auf eine Strafe von 4,3 Milliarden Dollar und hohe Entschädigungen für die amerikanischen VW-Diesel-Besitzer. US-Manager von VW stehen unter Anklage. Die neue VW-Führung taktiert, die deutschen VW-Diesel-Besitzer organisieren sich und wollen ebenfalls Schadensersatz. Endlich handeln auch Politik und Justiz in Deutschland: Der Abgas-Untersuchungsausschuss tagt in Berlin, in Braunschweig ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Aktionärstäuschung und Betrug - mit nicht absehbaren Folgen. Jack Ewing, der renommierte Wirtschaftskorrespondent der New York Times in Frankfurt, erzählt Aufstieg und Fall des deutschen Vorzeige-Konzerns. Es ist ein wahrer Wirtschaftskrimi, wie der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch und der wegen der Diesel-Affäre zurückgetretene Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn die Weltmarktführerschaft um jeden Preis erobern wollten.

Jack Ewing ist seit 1994 als Wirtschaftsjournalist in Deutschland tätig, zunächst für Business Week, seit 2010 für die New York Times.

Jack Ewing ist seit 1994 als Wirtschaftsjournalist in Deutschland tätig, zunächst für Business Week, seit 2010 für die New York Times.

Vorwort zur deutschen Ausgabe


Die Geschichte des VW-Abgasskandals wird man in Deutschland anders lesen als im Rest der Welt. In den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, Kanada, Südkorea und den übrigen Ländern, in denen Volkswagen Dieselfahrzeuge mit illegaler Software verkauft hat, ist man aufgebracht über die von VW zur Schau gestellte Arroganz, und die betroffenen Fahrzeugbesitzer, die einen vermeintlich »sauberen Diesel« erworben hatten, fühlen sich betrogen.

In Deutschland stellt sich die Situation vielschichtig dar. Gewiss sind hier zahlreiche Menschen über Volkswagen aus denselben Gründen verärgert wie die Betroffenen andernorts. Doch der Skandal tangiert Deutschland in besonderer Weise. Dies liegt nicht nur daran, dass Volkswagen einer der größten Arbeitgeber im Land ist; das berühmte VW-Emblem gehört zu den deutschen Markenzeichen mit dem größten Wiedererkennungswert weltweit. Nicht zu vergessen: Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Volkswagen eine entscheidende Rolle bei der Wiedereingliederung Deutschlands in die Weltwirtschaft. Zumindest bis zur Aufdeckung des Abgasbetrugs galt der VW-Konzern als eines der herausragenden Symbole höchster Ingenieurskunst, für die Deutschland berühmt ist und die das Fundament des Erfolgs von Deutschland als Exportnation bildet. Eine Krise von Volkswagen ist eine Krise für die gesamte deutsche Wirtschaft.

In den kommenden Monaten und Jahren wird sich herausstellen, ob der Imageschaden von Volkswagen auch auf andere deutsche Marken wie Mercedes und BMW und womöglich sogar noch auf weitere deutsche Erzeugnisse übergreift. Deutsche Produkte gehören kaum zu den billigsten auf den Märkten, auf denen sie konkurrieren. Exportgüter wie die Werkzeugmaschinen von Trumpf, die landwirtschaftlichen Geräte von Claas oder die Schreibutensilien von Faber-Castell profitieren ebenfalls vom Label »Made in Germany«. Ihr Erfolg hängt auch von der Bereitschaft der Kunden ab, für sie allein deswegen mehr zu zahlen, weil sie aus Deutschland stammen. Ein guter Ruf ist nur schwer zu gewinnen, aber sehr leicht zu verlieren. Und nicht nur der Ruf von Volkswagen hat Schaden gelitten. Das Unternehmen Bosch, dem die Mittäterschaft bei der Entwicklung der illegalen Software vorgeworfen wurde, stimmte in den USA einem außergerichtlichen Vergleich zu, der mit einer Bußgeldzahlung in Höhe von 327,5 Millionen Dollar verbunden war. Und auch das Ansehen der Deutschen Bank, ebenfalls ein weltweit bekanntes Symbol der deutschen Wirtschaftsmacht, ist seit jüngster Zeit angeschlagen. Wird der Makel von Volkswagen auf andere deutsche Unternehmen abfärben?

Der Fall Volkswagen sollte Anlass zum Nachdenken geben, wie es zu diesem Skandal überhaupt kommen konnte. Die deutsche Ingenieurskunst (die ich in meinem letzten Buch, Germany’s Economic Renaissance: Lessons for America, behandelt habe) ist einer spezifischen Tradition und einer Fülle von Praktiken zu verdanken, die zu übernehmen nur wenigen anderen Ländern gelang. Sicherlich spielt dabei die lange deutsche Geschichte der Handwerkskunst und des Anpassungsvermögens des Mittelstands eine Rolle. Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist jedoch auch das Ergebnis wohlüberlegter Maßnahmen und Einrichtungen, beispielsweise die hervorragende Qualität des Studiengangs Maschinenbau an den deutschen Universitäten, das duale System der Berufsausbildung und die finanzielle Förderung der im Ausland operierenden deutschen Unternehmen.

Dies alles gehört zur positiven Seite der deutschen Ingenieurskultur. Bleibt zu fragen, ob sie nicht auch Schattenseiten aufweist. Ist Volkswagen ein Sonderfall oder erwuchs der Skandal aus einem Umfeld, das man als typisch deutsch bezeichnen könnte? Die Dominanz der Ingenieure auf der Führungsebene von Volkswagen verhalf dem Unternehmen zu hervorragenden Produkten. Rückblickend lässt sich aber feststellen, dass Volkswagen dem Risikomanagement und der Compliance zu wenig Beachtung geschenkt hat. Zumindest beweist der VW-Skandal, dass technologische Kompetenz allein keine Garantie für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens darstellt.

Der Fall Volkswagen sollte auch als warnendes Beispiel dafür dienen, wohin der Einfluss deutscher Autobauer in Berlin und Brüssel führen kann. In Deutschland halten sich sogar die Spitzen von Bündnis 90/Die Grünen mit Kritik an der Automobilindustrie zurück. Die Reaktion der Bundesregierung auf den Skandal war äußerst verhalten, um nicht zu sagen nachsichtig. Nach der Aufdeckung des VW-Abgasbetrugs ließ das Bundesverkehrsministerium die Emissionswerte der Fahrzeuge sämtlicher Autobauer weitgehend nachprüfen, was durchaus sinnvoll war, aber die Frage nach der Verantwortung für das Fehlverhalten von VW ausblendete. Auch der VW-Untersuchungsausschuss des Bundestags förderte wertvolle Informationen zutage, kann jedoch nur in begrenztem Maße Reformen einfordern. Die Landesregierung von Niedersachsen, die mit 20 Prozent an Volkswagen beteiligt ist und starkes Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze hat, reagierte auffallend defensiv. Es ist kaum anzunehmen, dass der Staat beabsichtigt, in der Unternehmensführung von VW auf große Veränderungen zu drängen.

Volkswagen zeigt, dass die Politik der deutschen Wirtschaft keinen Gefallen erweist, wenn sie den Autobauern alles zugesteht, was diese einfordern. Die weite Verbreitung von Dieselfahrzeugen in Europa ist teilweise der auf Drängen von Volkswagen und anderen Herstellern beschlossenen Entscheidung der Politik zu verdanken, Dieselkraftstoff so niedrig zu besteuern, dass er an der Tankstelle stets billiger zu haben ist als Benzin. Aufgrund dieser staatlichen Maßnahme gibt es nirgendwo sonst auf der Welt so viele Diesel-Pkws wie in der Europäischen Union. (Von den elf Millionen VWs mit illegaler Software sind 8,5 Millionen in Europa zugelassen.)

Zudem offenbart der Skandal, dass aufgrund riesiger Schlupflöcher – die der massiven Lobbyarbeit der Autoindustrie geschuldet sind – die europäischen Abgasgrenzwerte so gut wie bedeutungslos geworden sind. Die EU-Kommission eröffnete jüngst ein Verfahren gegen Deutschland, weil die Bundesrepublik den Emissionsbetrug nicht konsequent genug verfolgt und bestraft und somit gegen EU-Verträge verstoßen hat – was für die Bundesregierung besonders peinlich ist, wenn man bedenkt, wie energisch sie darauf pochte, dass sich sämtliche Mitgliedsländer streng an die in der Eurozone geltenden Regeln zu halten haben.

Gewisse politische Maßnahmen, ursprünglich gedacht, den deutschen Autobauern einen Vorteil zu verschaffen, sind mittlerweile zu einer Last geworden. Der Marktanteil von Dieselfahrzeugen in Europa sinkt, seitdem der VW-Skandal die eklatante Diskrepanz zwischen den in Testlabors ermittelten Abgaswerten und denen im normalen Fahrbetrieb auf der Straße verdeutlicht hat. Der Bevölkerung in den städtischen Ballungsräumen wird zunehmend bewusst, welche Gefahren von den hohen, vor allem von Pkws produzierten Stickoxid-Emissionen ausgehen. Ende 2016 verhängte die Verwaltung von Paris innerstädtische Fahrverbote für Pkws, nachdem die Belastung durch Stickoxide einen Wert erreicht hatte, der die Gesundheit der Menschen unmittelbar gefährdete. Es bildet sich allmählich eine ablehnende Haltung gegen Diesel heraus, die die deutschen Autobauer härter treffen könnte als ihre Konkurrenten.

Die Dominanz der deutschen Automobilindustrie in Europa – auf die allein die Hälfte aller in Europa verkauften Fahrzeuge entfällt (Opel und Ford inbegriffen) – ist in hohem Maße ihrer Führungsrolle bei der Dieseltechnologie geschuldet.[1] Doch wenn der Dieselmotor seine Attraktivität einbüßt, geraten die deutschen Autobauer in Bedrängnis. Sie haben weit weniger in die Entwicklung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen investiert als Toyota oder selbst Renault und hinken nun der Konkurrenz hinterher. So groß und mächtig Daimler, BMW und Volkswagen mit ihrem jeweiligen weltweit gespannten Fabrikationsnetz auch sein mögen – zusammengenommen sind sie auf dem Aktienmarkt nicht einmal halb so viel wert wie etwa Google, ein Unternehmen, das seine enormen finanziellen Ressourcen zur Entwicklung des autonomen Fahrens nutzt. Die staatliche Förderung des Diesel hat die Autobauer vielleicht letztlich zur Selbstgefälligkeit verleitet.

Der VW-Skandal kam zu einem für sämtliche Autobauer gefährlichen Zeitpunkt ans Licht. Denn zusätzlich zur Bedrohung durch Google stellen Unternehmen aus dem Silicon Valley wie etwa Uber generell infrage, ob der private Besitz eines Autos heute noch sinnvoll ist. Die Gefahr besteht nicht so sehr darin, dass traditionelle Autobauer untergehen könnten, sondern dass sie zu bloßen Zulieferern von Hardware werden, während Technologiekonzerne die gewinnträchtigsten Segmente der Industrie an sich reißen. Man muss sich nur daran erinnern, wie Nokia, einst das weltweit führende Unternehmen auf dem Mobilfunksektor und eine der profitabelsten und angesehensten Firmen Europas, von Apple und dem iPhone einfach vom Markt gefegt wurde.

Natürlich würde es die Bedrohung aus dem Silicon Valley auch ohne den VW-Abgasskandal geben. Doch er macht Volkswagen in besonderer Weise verwundbar. Die für Bußgelder und außergerichtliche Vergleiche aufgewendeten Mittel wären für Forschung und Entwicklung sinnvoller investiert gewesen. Ein geschwächter VW-Konzern ist auch für BMW und Daimler unvorteilhaft. Alle Automobilproduzenten sind von Zulieferern wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen abhängig, was technische Innovationen und Fahrzeugkomponenten betrifft. Die Zulieferer werden eine entscheidende Rolle dabei spielen, wenn sich die...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2017
Übersetzer Sonja Schuhmacher, Bernhard Jendricke, Gabriele Gockel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abgasmanipulation • Abgasskandal • Autohersteller • Autoindustrie • Automobilindustrie • Betrug • Deutsche Wirtschaftspolitik • Diesel • Diesel-Affäre • Diesel-Fahrzeuge • Dieselskandal • Manipulation Abgaswerte • manipulierte Fahrzeuge • Piëch • Piëch, Winterkorn • Volkswagen • Volkswagen AG • VW Skandal • VW-Skandal • winterkorn • Wirtschaftspolitik
ISBN-10 3-426-44149-7 / 3426441497
ISBN-13 978-3-426-44149-7 / 9783426441497
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