Der Nobelpreis (eBook)

Roman
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2009 | 1. Auflage
560 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-8387-0058-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Nobelpreis -  Andreas Eschbach
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Hans-Olof Andersson, Mitglied des Nobelpreiskomitees, wird erpresst: Er soll für eine ganz bestimmte Nobelpreis-Kandidatin stimmen - oder seine Tochter muss sterben. Was niemand weiß: Gunnar Forsberg, der Bruder seiner verstorbenen Frau, ist ein knallharter Einbrecher und Industriespion, der keine Rücksicht kennt, wenn es um seine letzte lebende Angehörige geht. Gunnar macht sich auf die Jagd nach den Erpressern. Doch mit dem, was er herausfindet, hätte niemand gerechnet ...

KAPITEL 1


Das bestgehütete Geheimnis Schwedens, sagt man, sei das Menü des Nobelbanketts.

Entwickelt wird es jedes Jahr in einer umständlichen, sich über Monate hinziehenden Prozedur von der Förening Årets Kock, jener Gesellschaft, die auch den schwedischen Koch des Jahres kürt. Nach zahlreichen Probeläufen und Konferenzen findet im Oktober schließlich ein mehrstündiges Testessen mit sechs Vertretern der Nobelstiftung statt, in dessen Verlauf vier Menüvorschläge getestet werden. Diese Kommission ist es, die die endgültige Entscheidung trifft – und schweigt. Das Einzige, was immer feststeht, ist, dass es zum Nachtisch Eis gibt. Doch bis zum Abend des 10. Dezember erfährt niemand außerhalb dieses kleinen Kreises Eingeweihter, welche Sorte.

Das Nobelmenü des vergangenen Jahres kann man, wenn man will, das ganze Jahr über im Rathauskeller bestellen, und es ist mit umgerechnet etwa hundertdreißig Euro pro Person für schwedische Verhältnisse nicht einmal übertrieben kostspielig. Für etwas mehr als das Fünffache dessen kann man ein Gedeck des eigens für das Nobelbankett entwickelten Service erstehen, bei dem – abgesehen vom Weiß des Porzellans – Gold und ein kräftiges Grün dominieren. Das sechsteilige Besteck ist teilweise vergoldet, das Fischmesser hat ein verspieltes grünes Auge, und vier Gläser mit vergoldetem Stiel gehören ebenfalls ins Set.

Doch kein Geld der Welt bringt einen näher an das Eigentliche heran: das wirkliche, wahrhaftige Nobelbankett, die exklusivste Tafel, die vorstellbar ist. Nur Genie oder Glück, am besten aber beides, können einem dazu verhelfen, zugegen zu sein, wenn geehrt wird, was nach Auffassung einer Institution, die in den über hundert Jahren ihrer Existenz zum Mythos geworden ist, die größten intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen der Menschheit sind.

Am Abend der Abende, nach Beendigung der Preisverleihung im Konzerthaus am Hötorget, ist die Zufahrt zum Stadshuset, dem 1923 erbauten gewaltigen Rathaus am Mälarsee, von Fackeln erleuchtet. Die Preisträger fahren in Limousinen vor, viele der anderen geladenen Gäste ebenfalls, aber nicht wenige kommen auch zu Fuß. Königlicher Glanz liegt über der Szenerie. Man wird mit Handkuss begrüßt, mit Verbeugungen und Knicksen, und selbst hartgesottene Republikaner fühlen sich durch das uralte höfische Zeremoniell gerührt. Während die Nobelpreisträger und andere Ehrengäste in der Prinzengalerie von den Mitgliedern der königlichen Familie, die das Stadthaus über einen eigenen Seiteneingang betreten haben, begrüßt werden, warten die übrigen Gäste im Foyer, bis sie um 18 Uhr 30 Platz nehmen dürfen an den gedeckten Tischen im Blauen Saal, der in Wirklichkeit überhaupt nicht blau ist. Seine hohen, von Zierglasfenstern durchbrochenen Wände aus Ziegelsteinen in verschiedenen warmen Rottönen, die scheinbar leicht auf den Pfeilern eines umlaufenden Säulengangs ruhen, verraten, dass der Architekt des Stadshuset von der venezianischen Architektur beeinflusst war; hätte der Raum kein Dach, er wäre eine wundervolle Piazza. Geplant war, die handgefertigten Backsteine mit polierten blauen Ziegeln abzudecken, doch der Architekt verwarf diese Idee während des Baus. Trotzdem hat sich der Name der Halle gehalten.

Um 19 Uhr öffnet sich die große dunkle Tür oben am Ende der Galerie aus Granit. Von hier aus geht es fünfzig Schritte auf der Balustrade über den Doppelsäulen bis zur marmornen Treppe, die in die Halle hinabführt. Fanfaren ertönen, die Orgel unter dem Dach erklingt, mit zehntausend Pfeifen und 138 Registern eine der größten Skandinaviens, und der schwedische König schreitet voran, eine Nobelpreisträgerin geleitend, falls eine Frau unter den Preisträgern ist, ansonsten traditionell die Gattin des Physiknobelpreisträgers an seiner Seite. Sie bilden die Spitze dieser Prozession der Erlauchten, die die Treppe hinabsteigen zu den gewöhnlichen Sterblichen, zu Verwandten und Freunden der Preisträger und zur Jugend, die jedes Jahr durch etwa 250 Studenten aller schwedischen Universitäten repräsentiert wird. Diese haben über ein Losverfahren das Anrecht erworben, umgerechnet hundert Euro für ihr Ticket zu bezahlen und mit den schlechtesten Plätzen, denen unterhalb der Arkaden, vorlieb zu nehmen. Sie tragen elegante Anzüge oder Kleider, weiße Kappen und Schärpen in gelb-blau, den Farben Schwedens.

Die königliche Familie, die Nobelpreisträger und die übrigen Ehrengäste nehmen am Ehrentisch Platz, der in der Mitte steht, quer zu den anderen, und etwas breiter und großzügiger gedeckt ist als diese. Rund 90 Gäste sitzen hier – neben den Mitgliedern der königlichen Familie die Preisträger, Vertreter der Regierung und der Nobelstiftung – und genießen eine Platzbreite von 70 Zentimetern, während an den anderen Tischen nur 60 Zentimeter vorgesehen sind, weil ansonsten die zwischen 1300 und 1400 Gäste nicht unterzubringen wären. Es mag das erlauchteste Bankett der Welt sein, das behaglichste ist es ganz sicher nicht.

Da der Blaue Saal nicht symmetrisch ist, sondern sich zu einer Seite hin verjüngt, können die Tische nicht so parallel zueinander stehen, wie sie sollten, und da auch die Prachttreppe nicht exakt in die Mitte des Raumes führt, ist das Aufstellen der Tische und Stühle ein kompliziertes Puzzle. Eine Mitarbeiterin der Nobelstiftung war in den vergangenen Wochen mit nichts anderem beschäftigt als damit, die Sitzordnung auszutüfteln, was sich bei weitem nicht darauf beschränkt, neben jeden Herrn eine Dame zu setzen. Jeder geladene Gast durfte auf einem eigens dafür vorgesehenen Formular Wünsche hinsichtlich seiner Platzierung äußern, etwa was die Nähe zu König und Königin oder zu Kollegen anbelangt, und all diesen Anliegen wurde im Rahmen des Machbaren Rechnung getragen.

Die Tische sind prachtvoll geschmückt. Tischschmuck hat eine jahrhundertelange Tradition in Schweden – die entsprechende Abteilung im zweiten Stock des Nordiska Museet gilt als eine der großen Sehenswürdigkeiten Stockholms –, und da das Schwedische Fernsehen ausführlich vom Bankett berichtet, wird die Dekoration in den kommenden Wochen öffentliches Gesprächsthema sein und in vielen Familien zu Weihnachten stilbildend wirken.

Nun ist auch das Geheimnis des Menüs enthüllt. In schlichten Buchstaben steht es auf den Karten gedruckt, die an allen Plätzen ausliegen, geziert von nichts anderem als dem Profil Alfred Nobels in Gold. Trotzdem können die wenigsten Teilnehmer des Banketts etwas mit dem anfangen, was sie da lesen, denn obgleich vornehm auf alle Akzente verzichtet wurde, ist es Französisch, und zwar jenes Französisch der gehobenen Küche, das zu einer eigenen Literaturform geworden ist, einer Literatur der Speisekarten, die versuchen, Gedichte zu sein, und bei deren Lektüre auch gebürtige Franzosen nicht selten Ratlosigkeit befällt.

Die meisten begnügen sich damit zu lesen, dass der Sekt, der ihnen in der ersten Amtshandlung der 210 Kellner kredenzt wurde, ein 1992er Dom Perignon Vintage war, und beschließen, sich im Übrigen einfach überraschen zu lassen. Andere, mit mehr Ehrgeiz, Weltläufigkeit und Französischkenntnissen ausgestattet, enträtseln, dass es als Vorspeise Ziegenkäsetörtchen mit einer Garnitur von roter Beete sowie Jakobsmuscheln und Langoustinen in Trüffelvinaigrette geben wird. Zum Hauptgang folgt Hirschfilet an Zimtsoße mit gegrilltem Herbstgemüse und einem Chutney von Preiselbeeren, dazu Kartoffeln. Das Dessert, Glace Nobel betitelt, als handle es sich um ein Markenzeichen, besteht dieses Jahr aus einem Birnendélice auf Schokoladen-Vanille-Creme nach bayerischer Art, begleitet von Champagner-Birnen-Sorbet.

Aus unerfindlichen Gründen befindet sich die Küche im sechsten Stock. Das Essen wird mit behäbigen Lastenaufzügen nach unten geschickt, im Goldenen Saal auf Teller aufgegeben und von der Schar Weißbejackter, die sich in den ungefähr vier Stunden, die das Bankett dauert, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von zehn Stundenkilometern bewegen, in unablässigem Einsatz über die große Treppe hinab in den Blauen Saal gebracht. 140 Kellner sind für die Speisen zuständig, 50 für den Wein, 10 stellen die Reserve dar, sind aber dennoch ebenfalls unablässig beschäftigt, und 10 weitere kümmern sich um die Erfüllung besonderer Wünsche. Vegetarier und Allergiker bekommen abweichend vom offiziellen Menü ein eigens für sie zubereitetes Essen. Die Organisatoren haben alles Nötige vorab in Erfahrung gebracht, und egal ob fleischlos, glutenfrei oder koscher, es ist nichts unmöglich.

Vor dem Dessert gibt es eine etwa zwanzigminütige musikalische Darbietung, wobei die Treppe als Bühne fungiert, die zu diesem Zweck meist blau beleuchtet wird, wohl um der Namensgebung des Saals doch noch einen Sinn zu verleihen. Mit dem Verebben des anschließenden Applauses senkt sich Dunkelheit über den Saal. Jeder weiß, was nun folgt: Das Glace Nobel wird serviert.

Eine Prozession von Kellnern, die so schnell einherschreiten, wie es sich mit der Erfordernis, feierlich zu wirken, gerade noch vereinbaren lässt, kommt mit von Funken sprühenden Wunderkerzen illuminierte Eiscreme die Treppe herunter. In Windeseile werden die Teller verteilt, die Kellner verschwinden im Dunkel und sind kurz darauf auf geheimnisvolle Weise erneut Bestandteil der Prozession. Es ist eine Zeremonie, die lachhaft wirken würde, wenn sie nicht so herzergreifend schön wäre.

Gegen Ende des Nobelbanketts schlägt noch einmal die Stunde der Preisträger. Sie treten der Reihe nach an ein kleines dunkles Pult in einer Nische neben der Treppe, schlichte elf Stufen über dem...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2009
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
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ISBN-10 3-8387-0058-9 / 3838700589
ISBN-13 978-3-8387-0058-8 / 9783838700588
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