Souverän entscheiden und führen (eBook)

Was Führungskräfte von Schiedsrichtern lernen können
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
256 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-428-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Souverän entscheiden und führen -  Deniz Aytekin,  Andreas Engelen
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Was Führungskräfte und Unternehmer in puncto Respekt, Souveränitat und empathische Körpersprache beim Entscheiden vom Profi-Schiedsrichter lernen können. Schiedsrichter und Führungskräfte haben einiges gemeinsam. Sowohl auf dem Fußballfeld als auch im Geschäftsalltag müssen Entscheidungen unter größtem Druck und oft in Sekundenbruchteilen gefällt werden. Und zwar so, dass sie von den Betroffenen auch akzeptiert und angenommen werden. Einer von Deutschlands besten Profi-Schiedrichtern, Deniz Aytekin, selbst Unternehmer, erläutert zusammen mit dem BWL-Professor Andreas Engelen anhand von Beispielen auf dem Fußballplatz, worauf es dabei ankommt. Warum etwa vermeintlich irrelevante Entscheidungen großen Einfluss auf die Leistungen der Mitarbeiter haben können, warum Empathie, Fingerspitzengefühl und Ehrlichkeit wichtiger sind als sture Konsequenz. Aber auch, wie man Mimik, Gestik und Sprache gezielt für die Übermittlung negativer Nachrichten einsetzen kann, zugleich die Wucht von negativen Emotionen abmildert und sich im Gegenzug Respekt erarbeiten

Deniz Aytekin wurde 1978 in Nürnberg geboren. Er studierte berufsbegleitend Betriebswirtschaftslehre und ist hauptberuflich als Unternehmer tätig. Seit 2004 ist er Schiedsrichter des DFB, seit 2008 Bundesliga-Schiedsrichter, seit 2011 FIFA-Schiedsrichter. In der Saison 2018/19 wurde er vom DFB als Schiedsrichter des Jahres ausgezeichnet. Aytekin ist Familienvater und lebt in Oberasbach. Prof. Dr. Andreas Engelen ist Inhaber des Lehrstuhls für Management an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Der promivierte Universitätsprofessor für BWL war bereits als Berater für McKinsey and Company tätig. Im letzten Handelsblatt-Ranking gehörte er den Top 15 deutscher BWL-Professoren U-40 an.

Deniz Aytekin wurde 1978 in Nürnberg geboren. Er studierte berufsbegleitend Betriebswirtschaftslehre und ist hauptberuflich als Unternehmer tätig. Seit 2004 ist er Schiedsrichter des DFB, seit 2008 Bundesliga-Schiedsrichter, seit 2011 FIFA-Schiedsrichter. In der Saison 2018/19 wurde er vom DFB als Schiedsrichter des Jahres ausgezeichnet. Aytekin ist Familienvater und lebt in Oberasbach. Prof. Dr. Andreas Engelen ist Inhaber des Lehrstuhls für Management an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Der promivierte Universitätsprofessor für BWL war bereits als Berater für McKinsey and Company tätig. Im letzten Handelsblatt-Ranking gehörte er den Top 15 deutscher BWL-Professoren U-40 an.

Kapitel 1


Beeinflusse die Entscheidungssituation und denke einen Schritt voraus


Die Schiedsrichter-Perspektive


Bei Entscheidungen auf dem Platz habe ich vor allem die Situation, die gerade gespielt wurde, vor Augen, nach der ich meine Entscheidung treffen muss. Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass ich dem Spielverlauf jedoch nicht einfach ausgeliefert bin, sondern mit einer vorausschauenden Vorbereitung Entscheidungen erleichtern kann. Dadurch habe ich auf die Umstände, unter denen ich meine Entscheidung treffe, einen proaktiven Einfluss, indem ich voraussehe, was passieren könnte, und mich dementsprechend vorbereite.

In der Saison 2020/21 habe ich das Relegationsrückspiel zwischen Holstein Kiel und dem 1. FC Köln geleitet. Das Hinspiel hatten die Kieler in Köln mit 1:0 gewonnen. Damit standen die Kölner vor dem Rückspiel mit dem Rücken zur Wand. Ich bemerkte bei einem der Kölner Spieler eine extreme Nervosität. Auch fiel mir auf, dass einige Kieler Spieler, vielleicht aus der Sicht eines Fußballers wegen der Wichtigkeit des Spiels nicht ganz überraschend, sehr engagiert zu Werke gingen. Diese Mischung ist aus Schiedsrichtersicht sehr gefährlich. Eine gewisse Aggressivität auf der einen Seite, ausgeprägte Nervosität, möglicherweise sogar Angst, auf der anderen Seite, und das vor dem Hintergrund des für die kommenden Monate, ja vielleicht sogar Jahre für beide Vereine richtungsweisenden Charakters des Spiels. Ich sprach daher früh im Spiel den besonders nervösen Spieler der Kölner an und machte ihm klar, dass er sich auf das Spiel konzentrieren solle, dass ich mir der Wichtigkeit des Spiels bewusst sei und ich mich um die intensiven Zweikämpfe und auch die Gesundheit aller Beteiligten kümmern werde. Durch vorausschauendes und proaktives Verhalten gelang es mir in dieser Situation, die Gemüter zu beruhigen und eine aus Schiedsrichtersicht ruhige Atmosphäre zu schaffen. Hätte ich dies nicht getan, hätte es möglicherweise ein Aufeinandertreffen von Aggressivität und Nervosität gegeben, das zu frühen Verwarnungen, möglicherweise sogar Platzverweisen mit negativen Konsequenzen für den weiteren Spielverlauf geführt hätte. Die Aufmerksamkeit für verschiedene Stimmungen und ein entsprechendes Reagieren haben es mir ermöglicht, die Rahmenbedingungen für meine im Laufe des Spiels zu treffenden Entscheidungen zu verbessern und schwierige Entscheidungssituationen erst gar nicht entstehen zu lassen beziehungsweise ihre Wahrscheinlichkeit zu reduzieren.

Schon im Vorfeld können sich Verantwortliche Gedanken darüber machen, welche Entscheidungssituationen sich im Spiel möglicherweise ergeben werden. Im November 2021 habe ich mit meinem Team das WM-Qualifikationsspiel zwischen Malta und Kroatien geleitet. Beide Mannschaften pfeift man nicht jeden Tag, daher war es wichtig, genau zu verstehen, wie sie ihr Spiel aufziehen. Spielt eine Mannschaft beispielsweise immer zügig aus der Abwehr heraus mit langen Bällen, dann muss ich beim Abstoß deutlich weiter vorne stehen. Dorthin kommt der Ball mit einer großen Wahrscheinlichkeit und ich bin unmittelbar am Ort des Geschehens, wenn das Spiel weitergeht. Bei der Spielvorbereitung fiel mir auf, dass die Nationalmannschaft von Malta konsequent aus der Abwehr langsam nach vorne aufbaut, die kroatische Nationalmannschaft hingegen früh stört. Daher war abzusehen, dass es im Spielaufbau von Malta zu vielen frühen Pressing-Situationen kommen würde und ich mich entsprechend gut positionieren sollte, um diese genau beobachten zu können. Kroatien hat dann 7:1 gewonnen und vier der Gegentore fielen unmittelbar nach frühen Pressing-Situationen im Spielaufbau von Malta. Die Vorbereitung hat mir geholfen, so zu stehen, dass ich die relevanten Informationen (wie Foulspiel beim Pressing) unmittelbar beobachten und somit die Rahmenbedingungen für meine Entscheidungen verbessern konnte.

Generell schaue ich bei Eckbällen nie auf den den Eckball ausführenden Spieler. Bei ihm passiert sowieso fast nie etwas Relevantes, bei dem ich eingreifen müsste. Das häufigste Szenario, das nach einem Eckball einen Schiedsrichtereingriff erfordert, sind Fouls und Haltevergehen im Strafraum, oft schon, bevor der Ball überhaupt in der Luft ist. Daher konzentriere ich mich nicht darauf, wo der Ball aktuell ist, sondern darauf, wo der Ball mit größter Wahrscheinlichkeit in den nächsten Sekunden sein wird. Ich verschaffe mir dadurch einen Positionsvorteil und bin besser darauf vorbereitet, das zu sehen, was ich sehen muss.

Diese Beispiele verdeutlichen einen wesentlichen Eckpfeiler meiner Arbeit: Ich bin mir darüber bewusst, während des Spiels zahlreiche Entscheidungen treffen zu müssen. Wir alle wollen jedoch lieber einfache Entscheidungen treffen als schwierige. Auf dem Platz können wir natürlich nicht alles beeinflussen, aber ich habe während meiner Karriere gelernt, dass ich viele Situationen so beeinflussen kann, dass zukünftige Entscheidungen tendenziell einfacher werden. Die beste Entscheidungssituation ist die, auf die ich mich schon vorbereitet habe.

In der Vorbereitung nutzen wir Schiedsrichter ein Tool, das uns Videoaufnahmen von allen Spielen und Mannschaften zur Verfügung stellt und eine sehr einfache Suche nach bestimmten Spielsituationen ermöglicht. So kann ich mir mit wenigen Klicks zum Beispiel die letzten Ecken der Mannschaften ansehen, auf die ich bald in einem Spiel treffen werde. Ich weiß beispielsweise, wer die Ecken schießt und mit welchem Fuß. Mit diesem Wissen kann ich abschätzen, ob Ecken im Spiel eher vom Tor weg oder aufs Tor geschossen werden. Dann kann ich mich vorbereiten und mich dementsprechend auf dem Spielfeld platzieren. Wird eine Ecke vom Tor weg geschossen, dann ist ein Haltevergehen zwischen Feldspielern wahrscheinlich. Wird ein Ball zum Tor gedreht, dann kommt es vermutlich zu einem Luftzweikampf zwischen Torwart und Feldspieler. Kann ich zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einschätzen, was passieren wird, dann positioniere ich mich entsprechend. Je nachdem, wo ich stehe, sehe ich im Pulk der vielen Spieler sehr viel besser, ob gehalten oder ob der Torwart zu hart angegangen wurde. Mein Blickwinkel und meine Beobachtungsmöglichkeiten werden besser, die Entscheidung wird einfacher. Konkret sehe ich mir in der Vorbereitung deshalb beispielsweise immer die letzten zehn Ecken der jeweiligen beiden Mannschaften an. Das verschafft mir ein sehr gutes Bild.

Ebenso schaue ich mir die Konter der Mannschaften vorher an. Konter sind immer heikle Situationen für Schiedsrichter. Das Spiel wird hektischer, es kommt zu taktischen Fouls und oft gefährlichen Torraumszenen. Zudem sind viele Spieler sehr schnell. Wenn dann noch mit schnellen Pässen hinten herausgespielt wird, hat der Schiedsrichter keine Chance, hinterherzukommen. Damit darf ich mich jedoch nicht abfinden. Daher schaue ich mir vorher die Kontersituationen der vergangenen Spiele der beiden Mannschaften an, auf die ich treffe. Bei Frankreich ist es aktuell fast immer so, dass in Kontersituationen schnell auf Paul Pogba gespielt wird, der sehr häufig direkt vertikal nach ganz vorne passt, entweder zu Antoine Griezmann oder Kylian Mbappé. Solche Abläufe muss ich vor dem Spiel verstehen und mich in Richtung Mittelkreis bewegen, sobald es den Ansatz eines Konters für Frankreich gibt. Je näher ich am Geschehen dran bin, desto eher erkenne ich mögliche Vergehen. Was passiert, beeinflusse ich nicht, aber ich kann meine Situation, aus der heraus ich eine Entscheidung treffe, bis zu einem gewissen Grad gestalten. Damit beginnt die Entscheidungsfindung schon weit vor der räumlich und zeitlich eng begrenzten tatsächlichen Situation, über die es zu entscheiden gilt.

 

Perspektiven in der Managementliteratur


Der Grundgedanke, die Entscheidungssituation proaktiv zu beeinflussen und einen Schritt vorauszudenken, findet sich auch in der Managementliteratur wieder. Lange Zeit hat man sich auf Modelle konzentriert, die eine Situation (beispielsweise ein bestimmtes Wettbewerbsumfeld) als gegeben hinnehmen. Neuere Studien zeigen jedoch, dass gerade das Hinterfragen von Rahmenbedingungen wie dem Wettbewerbsumfeld oder anderen bisher als gegeben hingenommenen Faktoren (wie etwa seit Jahrzehnten bestehende Vertriebswege) großes Potenzial aufweist. Dabei haben wir die Tendenz, in Entscheidungssituationen die Rahmenbedingungen gerade nicht zu hinterfragen. Daher sprechen wir häufig von Entscheidungsproblemen, aber nur selten von Entscheidungschancen. Dahinter stecken zwei mögliche Erklärungen: Einerseits ist es manchen Menschen häufig gar nicht bewusst, dass sie Entscheidungssituationen zumindest bis zu einem gewissen Grad proaktiv beeinflussen können. Andererseits führt eine in vielen Menschen verankerte Verlustaversion zur Ablehnung der Idee, man könne die Entscheidungssituation positiv für sich beeinflussen. Denn die potenzielle Verbesserung einer Entscheidungssituation wird häufig weniger positiv bewertet als eine mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Verschlechterung aufgrund dieser Aktivitäten. Studien zeigen, dass Menschen potenzielle Nachteile der Veränderung einer Entscheidungssituation etwa doppelt so stark bewerten wie...

Erscheint lt. Verlag 13.11.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Führung • Schiedrichter • Sicherheit • Souveränität
ISBN-10 3-96267-428-4 / 3962674284
ISBN-13 978-3-96267-428-1 / 9783962674281
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