Das Recht und seine Mittel (eBook)
544 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401768-6 (ISBN)
Cornelia Vismann war Professorin für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie studierte Recht und Philosophie und arbeitete u.a. als Rechtsanwältin in Berlin. Nach ihrer Dissertation ?Akten. Medientechnik und Recht? (2000) habilitierte sie sich mit einer Arbeit zur ?Verfassung nach dem Computer? im öffentlichen Recht. Cornelia Vismann ist am 28. August 2010 in Berlin gestorben.
Cornelia Vismann war Professorin für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie studierte Recht und Philosophie und arbeitete u.a. als Rechtsanwältin in Berlin. Nach ihrer Dissertation ›Akten. Medientechnik und Recht‹ (2000) habilitierte sie sich mit einer Arbeit zur ›Verfassung nach dem Computer‹ im öffentlichen Recht. Cornelia Vismann ist am 28. August 2010 in Berlin gestorben. Markus Krajewski, geboren 1972, ist Juniorprofessor für Mediengeschichte der Wissenschaften an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar. Zu seinen aktuellen Forschungsgebieten zählen randständige Epistemologien, die Wissensgeschichte der Genauigkeit sowie bestimmte Bauformen deutscher Nachkriegsarchitektur. Im Fischer Taschenbuch Verlag erschien zuletzt ›Restlosigkeit. Weltprojekte um 1900‹ (2006), für das er 2007 den Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin, Naturwissen-schaften und Technik erhalten hat.
Vorwort
Kein System aus Normen und Regeln ist in allen Teilen der Gesellschaft so fundamental wirksam wie das Recht. Seine Anwendungen, die Wirkungen und seine Geschichte werden zu Recht und seit langem in umfassender Weise erforscht. Anders verhält es sich dagegen mit den medialen Funktionsweisen des Rechts sowie mit der Rolle der Medien innerhalb der Jurisprudenz: Jenes Forschungsgebiet, das sich vornimmt, die wechselseitige Durchdringung von Medien und Recht zu ergründen, führte bis vor wenigen Jahren noch ein Schattendasein. Eine der zentralen Autoren, die jene grundlegenden Fragen nach den Anteilen und der Wirkung der Medien im historischen Prozess der Rechtsprechung und Urteilsfindung aufgeworfen und zu größerer Aufmerksamkeit verholfen haben, war Cornelia Vismann (1961–2010).
Insbesondere durch ihre Promotionsschrift Akten. Medientechnik und Recht, die 2000 im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen ist und sich seitdem größter Anerkennung erfreut, gelang es der ausgebildeten Juristin und Philosophin, den zuvor kaum beachteten medialen Grundlagen der Jurisprudenz eine rechtshistorisch wie medientheoretisch gleichermaßen fundierte Diskursbasis zu bereiten. Nach Zwischenstationen an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder, und am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main sowie nach verschiedenen Gastprofessuren u.a. in London, Wien und Berkeley, erfolgte 2007 die Habilitation an der Juristischen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt am Main mit einer Arbeit zur Verfassung nach dem Computer. Von 2008 bis zu ihrem Tod war Cornelia Vismann schließlich Professorin für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar.
In ihrer letzten Monographie Medien der Rechtsprechung, an der sie noch bis zuletzt gearbeitet hat und die 2011 ebenfalls bei S. Fischer erschienen ist, analysiert Cornelia Vismann juridische Fragen mit medienwissenschaftlichen Mitteln (und vice versa): Wie, zum Beispiel, wirken die Architekturen des Gerichts oder die Anordnung der Akteure im Saal auf das Verfahren ein? Welcher Stellenwert kommt dabei Film, Fernsehen und Internetübertragungen am Ort der Urteilsfindung zu? Wie ist der Einfluss zu charakterisieren, den Medien wie die Akten auf den Verlauf der Rechtsprechung ausüben? – Der innovative Ansatz, den Cornelia Vismann mit solchen Fragen entwickelt hat, ist in der Folge sowohl von rechtswissenschaftlicher als auch von kultur- und medientheoretischer Seite eingehend gewürdigt worden.
Manch ein Leser (und Rezensent) hat im Zuge dessen den Wunsch geäußert, noch mehr von dieser Autorin zu lesen. Der vorliegende Band nimmt diese Forderung bereitwillig auf, um hier erstmalig eine Aufsatzsammlung der für die Kultur- und Rechtswissenschaften so inspirierenden Autorin vorzulegen. Sie ist weniger als eine Fortführung der Medien der Rechtsprechung zu verstehen. Vielmehr ist eine Ausweitung dieser Perspektive beabsichtigt. Auch wenn eine auf strenge Systematik ausgerichtete, historische Genealogie der Medien des Rechts und der damit verbundenen Funktionen mit dem Recht und seinen Mitteln kaum entstehen kann und daher – immer noch – ein Desiderat ist, so sollen die einzelnen Aufsätze als eine repräsentative Auswahl aus dem reichhaltigen Werk einen exemplarischen Eindruck vermitteln von der Bandbreite ihres Denkens und der Fülle ihrer Themengebiete, für die Cornelia Vismann Zeit ihres Lebens einstand.
Das Werk Cornelia Vismanns dreht sich immer wieder um die Normativität und die Mittel, mit denen diese Normativität eingerichtet, übertragen und verarbeitet worden ist. Normativität erscheint hier weder als Effekt eines juristischen Willensakts noch verortet im souveränen Bewußtsein einer politischen Gemeinschaft. Vismanns Überlegungen zur Normativität kreisen um Institutionen und um einen Begriff, den sie aus der Psychoanalyse Jacques Lacans übernimmt, den Begriff der symbolischen Ordnung. Das Recht und die Medien werden in ihrer Forschung darum nicht als Pole oder entgegengesetzte Koordinaten unterschiedlicher Kräfte gedacht. Hierin unterscheidet sich ihre Forschung von einer ganzen Reihe anderer Ansätze zum Recht in der Gesellschaft. Die weit verbreiteten und geläufigen Gegenüberstellungen zwischen Rechtsform und politischer Handlungsfähigkeit, zwischen Staat und Gesellschaft oder zwischen Recht und Kultur tauchen in ihren Texten zwar gelegentlich auf. Die Autorin behält aber kritische Distanz zu diesen Unterscheidungen. Deren Spiel spielt sie nicht mit. Gegenüber den Begriffsfronten ihrer Zeit hat sie angemerkt, es gelte, »neue, operable Unterscheidungen zu treffen, und zwar genau da, wo die Theorie ihre Ununterscheidbarkeit nachgewiesen hat«.[1] In diesem Sinne steht der Operator und zwischen Recht und Medien für eine Beziehung, die Cornelia Vismann in einem Text über Bilder als »troubled relationship« bezeichnet hat: Es ist ein Widerstreit, in dem nicht einfach das Recht die Medien reguliert, legalisiert und legitimiert. Die Aufgabe der Medien besteht nicht einfach darin, das Recht zu reproduzieren. In der komplexen Beziehung gibt es vielmehr einen Austausch zwischen der Aktivität und Passivität dieser Prozesse. Das Recht wird darin auch von den Medien mit Normativität versorgt, die Medien werden darin selbst vom Recht reproduziert. Diese abstrakten Konstellationen geht Vismann anhand dessen durch, was sie einmal die ›niederen Techniken‹ genannt hat: Übersetzen, Protokollieren, Kommentieren sind nur ein kleiner Teil dieser Praxis, in welcher der Streit ums Recht ausgetragen wird, so wie man etwa Zeitungen austrägt: Es ist die juridische Praxis einer medialen Zerstreuung, aus der ein normativer Text und seine randständigen Helfer immer aufs Neue hervorgehen.
Die Rechtswissenschaftlerin und Medientheoretikerin hat ihre Veröffentlichungen weit gestreut, und ein Ziel dieser Sammlung ist es, die verzweigten Interessen der Autorin mit dem ihr eigenen Spiel der Differenzen an einem Ort zugänglich zu machen. Die Auswahl der einzelnen Aufsätze ist geleitet von der Prämisse, die Kontinuität und Entwicklung eines Denkens zu dokumentieren, das weite Kreise über die eigentlichen Fachdisziplinen hinaus hat ziehen können, um beispielsweise auch in der Literatur(-wissenschaft) und Kunst zum wichtigen Stichwortgeber zu werden. Richtungsweisend für die Auswahl der Texte erschien daher weniger das Maß, wie entlegen oder schwer einsehbar die einzelnen Beiträge jeweils einzustufen sind, als vielmehr, wie stark sie einen der zahlreichen Schwerpunkte im Denken von Cornelia Vismann repräsentieren oder zumindest ausschnittsweise wiedergeben. Dennoch folgt die Auswahl weniger einem klassischen Best-of-Schema, das vorzugsweise die einschlägigsten und bekanntesten Texte versammelt. Auch ist sie weniger von Figuren der Chronologie oder Systematik angeleitet. Die Texte schreiten also weder ›von früh bis spät‹ voran, noch wandern sie vom Allgemeinen zum Besonderen. Gleichwohl haben wir versucht, in den fünf Stationen die Ordnung des Werks von Cornelia Vismann abzubilden. Diese ist durch Verschleifungen, Neuansätze, Wendungen, feine Risse und Reformulierungen gekennzeichnet. Zudem finden randständigere Aspekte wie beispielsweise ihre Überlegungen zum Stil und zur Erzählinstanz bei Karl Kraus Eingang in diese Anthologie. Und doch konnte vieles nicht berücksichtigt werden, beispielsweise die frühen juridischen Texte, die eher deskriptiv sind als analytisch, weil sie dem jeweiligen Genre sowie den Gepflogenheiten des Fachdiskurses geschuldet mitunter nur einen Forschungsstand zusammenfassen. Aber auch die zahlreichen Rezensionen von (Fach-)Literatur, die ihrerseits durch eine literarische Qualität bestechen, sind ebenso außen vor geblieben wie – obwohl kleine Preziosen – verschiedenste Miszellen, beispielsweise zum Begriff »Lämmergeier« in der Frankfurter Schule. Manche Beiträge, die hingegen in der vorliegenden Sammlung zu finden sind, lassen wiederum andere Texte, die ausgesondert werden mussten, vermissen. Das gilt zum Beispiel für den Aufsatz »Benjamin als Kommentator« (S. 340–360), neben dem man gerne direkt Vismanns eigene Kommentierung zu Art. 79 III GG lesen würde, die sie 2001 für den sog. Alternativkommentar zum Grundgesetz geschrieben hat. Dass eine Medienhistorikerin ausgerechnet zur sogenannten Ewigkeitsklausel schrieb, war an sich naheliegend. Alternative Kommentierungen schienen ihr danach ein Ding der Unmöglichkeit, weil der Kommentar eine durch und durch instituierende Kraft hat und weil er es ist, der die Normativität des Gesetzes anzeigt. Er produziert keine Alternativen, allenfalls besetzt er ihre Stellen. Die ganzen Aporien der kritischen Kommentierung werden in ihren theoretischen Auseinandersetzungen mit Walter Benjamin und Jacques Derrida durchgespielt. Auch in dem hier aufgenommenen Benjamin-Text verzahnen sich zwar ihre Anliegen um theoretische Durchdringung und praktische Intervention. Dass ihr Kommentar zu Art. 79 III GG aber nicht mehr berücksichtigt werden konnte, ist eine der ›niederen Ausschlusstechniken‹, die sie selbst so oft beklagt und belächelt hat. – Eine vollständige Bibliographie von Cornelia Vismann befindet sich am Ende dieses Buchs.
Der Einstieg in die Auswahl erfolgt mit einem ungewöhnlichen Text einer im besten Sinne unkonventionellen Autorin, die ungeachtet...
Erscheint lt. Verlag | 23.8.2012 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Recht / Steuern ► Privatrecht / Bürgerliches Recht ► Medienrecht | |
Wirtschaft | |
Schlagworte | Archiv • Berlin • Essay • Gericht • Griechenland • Jacques Derrida • Johann Gustav Droysen • Karl August von Hardenberg • Karl Kraus • Medientheorie • Menschenrecht • Niklas Luhmann • Pierre Legendre • Rom • Sachbuch • Schlusswort • Theodor Mommsen • Walter Benajmin • Walter Benjamin • Zeugenschaft |
ISBN-10 | 3-10-401768-9 / 3104017689 |
ISBN-13 | 978-3-10-401768-6 / 9783104017686 |
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