Friesenhummer. Ostfrieslandkrimi (eBook)
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-615-7 (ISBN)
»Ein Mord im Hummerhafen? Schon wieder?« Die negativen Schlagzeilen über das Borkumer Luxuslokal Hummerhafen sollen endgültig der Vergangenheit angehören. Längst in den Hintergrund gerückt sind der Mord vor einigen Monaten und der Prozess gegen den Vorbesitzer des Lokals. Denn der neue Eigentümer weiß mit seinem Konzept zu überzeugen: »Wir bieten Ihnen neben vielen anderen regionalen und internationalen Spezialitäten fangfrische Hummer direkt aus der Nordsee!« Das große Aquarium mitten im Gastraum ist das Highlight des Luxuslokals. Doch als der neue Besitzer bei der Restaurant-Eröffnung feierlich das Abdecktuch vom Aquarium zieht, trauen die Gäste ihren Augen kaum. In dem Bassin befinden sich keineswegs lebendige rote Hummer. Vielmehr liegt ein toter Mann im Wasser! Wer ist der Tote? Warum wurde er ausgerechnet passend zur Eröffnungsfeier im Aquarium platziert? Und wo sind die verschwundenen Meerestiere? Die Inselkommissare Mona Sander und Enno Moll ermitteln in einem spektakulären Fall...
Kapitel 1
Kommissarin Mona Sander von der Borkumer Polizei gehörte zu den Frauen, die sich in Jeans und Sneakers wohler fühlten als mit Kleid und hochhackigen Pumps. Daher reagierte sie mit einem süßsauren Lächeln, als sie beim Betreten dieses Edelrestaurants von einem Kellner angesprochen wurde.
»Herzlich willkommen zur Neueröffnung vom Hummerhafen. Dürfte ich bitte Ihren Namen erfahren?«
»Ich bin Mona Sander. Und ich müsste auf der Gästeliste stehen.«
Obwohl ich mich nicht darum gerissen habe, fügte sie in Gedanken hinzu. Während der Angestellte ihre Angaben prüfte, schaute sie an seiner Schulter vorbei auf die Gäste, die sich bereits versammelt hatten und plaudernd im weitläufigen Eingangsbereich des Lokals standen. Solche Festivitäten waren überhaupt nicht nach Monas Geschmack. In einer so schicken Atmosphäre fühlte sie sich immer fehl am Platz. Viel lieber hätte sie jetzt bei ihrem Freund Jan Lummer in seiner Nordsee Kajüte an der Theke gesessen und ein frisch gezapftes Bier getrunken. Doch ihr Erscheinen bei der Eröffnungsfeier war mehr oder weniger dienstlich angeordnet worden. Und sie wollte es sich mit ihrem Chef nicht endgültig verderben. Wegen ihrer widerborstigen Art geriet sie oft genug mit Oltbeck aneinander. Wenn sie den Bogen überspannte, würde ihr Vorgesetzter sie vielleicht sogar aufs Festland versetzen lassen. Und das wäre so ungefähr das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte. Hier auf Borkum war Mona heimisch geworden, hier hatte sie ihren Freund, ihren Hund und nicht zuletzt ihren Lieblingskollegen. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie zwischen den anderen Anwesenden Oberkommissar Enno Moll erblickte. Der Zwei-Meter-Mann überragte die Männer und Frauen in seiner Umgebung wie ein Turm in der Schlacht. Nur Mona hatte er noch nicht bemerkt, weil er mit dem Rücken zur Tür stand.
Nun sah sie der Neueröffnungsparty schon mit weitaus weniger Unlust entgegen. Es gab wenigstens eine Person unter den Gästen, mit der sie sich gut verstand – nämlich der wuchtige Ostfriese. Die beiden Kriminalisten arbeiteten seit Jahren erfolgreich zusammen und waren ein eingespieltes Team.
»Ah, hier habe ich Sie, Frau Sander. – Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.«
Mit diesen Worten trat der Kellner zur Seite und machte eine einladende Geste. Sie stöckelte in den Vorraum und bemühte sich redlich, auf ihren hohen Absätzen nicht umzuknicken. Mona hatte sich damit abgefunden, dass sie nur eins dreiundsechzig groß war. Normalerweise versuchte sie nicht, mithilfe von Schuhwerk hochgewachsen zu wirken. Außerdem waren in ihrem Berufsalltag flache Treter einfach praktischer, und in ihrer Freizeit gab sie ebenfalls Laufschuhen den Vorzug. Doch sie hatte sich nun einmal überreden lassen, an diesem Abend im Hummerhafen aufzukreuzen. Mona hoffte, sich nach spätestens einer Stunde unauffällig aus der Affäre ziehen zu können.
Während ihr diese Gedanken durch den Kopf schwirrten, kämpfte sie sich durch die Menschenmenge auf den Oberkommissar zu. Eine Kellnerin hielt ihr ein Tablett mit Getränken unter die Nase, und Mona schnappte sich ein Glas Sekt. Sie ließ ihren Blick unauffällig durch den Raum schweifen. Viele der Anwesenden waren ihr bekannt, zumindest vom Sehen. Es handelte sich um die führenden Köpfe Borkums, vom Bürgermeister über die Chefärztin einer Kurklinik bis zum Tourismus-Manager. Offensichtlich wollte sich der neue Besitzer des Edellokals gleich bei den Entscheidungsträgern der Insel einschmeicheln.
Was haben Enno und ich hier verloren?, fragte sie sich, obwohl sie die Antwort eigentlich kannte. Ihr Kollege hatte sie immer noch nicht bemerkt, da er sich angeregt mit einem rotgesichtigen Herrn unterhielt. Entweder litt Ennos Gesprächspartner unter Bluthochdruck oder er war höchst aufgeregt. Oder beides. Sie schob sich in Ennos Blickfeld. Er lächelte und winkte sie zu sich heran.
»Da bist du ja! Ich sagte gerade zu unserem Gastgeber, dass du normalerweise immer pünktlich erscheinst. – Herr Aschendorf, das ist …«
Rotgesicht fiel dem Ostfriesen ins Wort: »Natürlich, Frau Sander ist nun auch erschienen. – Ich freue mich sehr, Sie endlich persönlich kennenzulernen!«
Mona musste sich nicht fragen, warum ihr Name ihm etwas sagte. Die Verhaftung des Vorbesitzers hatte überregional hohe Wellen geschlagen. Die beiden Kriminalisten waren sowohl in der Zeitung als auch im Lokal-TV zu sehen gewesen. Dieser Tatsache hatten sie zweifellos ihre Einladung zu der Wiedereröffnung zu verdanken. Mona wusste nicht viel über den neuen Besitzer. Er war ein Hotelier von der Nachbarinsel Norderney. Fest stand nur, dass man ihn auf Herz und Nieren überprüft hatte. Nach dem Desaster mit dem ehemaligen Eigentümer sollte ein neuer Skandal um jeden Preis vermieden werden.
»Moin, Herr Aschendorf«, sagte Mona, während sie seine Hand schüttelte. »Ich danke Ihnen für die Einladung. Wir sind nicht mehr hier gewesen, seit die Ermittlungen gegen Lars Mohl abgeschlossen wurden.«
Der neue Restaurantbesitzer verzog den Mund, als ob er auf eine Zitronenscheibe gebissen hätte. Die Kommissarin konnte sich lebhaft vorstellen, dass er dieses Thema am liebsten unter den Teppich gekehrt hätte. Doch Mona wusste nicht, worüber sie sonst mit ihm sprechen sollte. Small Talk war nicht ihre Stärke, und an diplomatischem Fingerspitzengefühl mangelte es ihr ebenfalls.
»Ich habe Herrn Aschendorf schon erklärt, dass der Mordfall Breder für uns abgeschlossen ist«, warf Enno ein. »Das Personal des früheren Besitzers hat sich übrigens in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Heute ist also wirklich der Abend für einen kompletten Neuanfang.«
Der Ostfriese trug seinen dunklen Anzug, den er für alle festlichen Anlässe anlegte. Mona hatte vorgeschlagen, dass sie und Enno in Uniform zu der Eröffnung gehen sollten, aber ihr Chef war nicht begeistert gewesen: »Das werden Sie auf gar keinen Fall tun, Frau Sander! Dann sieht es ja nach einem Polizeieinsatz aus, und Herr Aschendorf möchte auf gar keinen Fall mit der zurückliegenden Mordermittlung in Verbindung gebracht werden!«
Das war der Kriminalistin natürlich klar gewesen, sie hatte ihren Vorgesetzten nur etwas ärgern wollen. Die Erinnerung an die kurze Szene in Oltbecks Büro entlockte ihr ein Lächeln, das Aschendorf prompt missverstand: »Ich freue mich, dass es Ihnen hier so gut gefällt, Frau Sander. – Entschuldigen Sie mich, der Landrat ist soeben erschienen.«
Mit diesen Worten eilte der neue Besitzer Richtung Eingang, um seinen hochkarätigen Gast zu begrüßen.
Mona schaute ihm nach.
»Nun ja, seine Gesichtsfarbe passt immerhin schon mal zu den roten Schalen der namensgebenden Meeresbewohner – Hummerhafen eben!«
Enno grinste breit und knuffte sie leicht in die Flanke.
»Nicht so laut, du willst dir doch nicht schon wieder Ärger einhandeln, oder?«
»Nee, aber allzu lange werde ich nicht bleiben. Ich verstehe sowieso nicht, warum wir eingeladen wurden. Wäre es nicht logischer gewesen, wenn Oltbeck hier erschienen wäre? Schau dich doch um, wir kleinen Indianer sind von lauter Häuptlingen umgeben.«
»Der Chef wäre wirklich gern hier aufgeschlagen, aber seine Frau hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht«, raunte der Oberkommissar seiner Kollegin zu.
»Warum?«
»Es gibt einen uralten Zwist zwischen Frau Oltbeck und Frau Aschendorf, den Grund kenne ich nicht. – Auf jeden Fall repräsentieren wir heute die Polizei Borkum und sollten uns dementsprechend benehmen.«
»Schon kapiert, ich werde nicht auf dem Tisch tanzen«, versicherte Mona.
»Bei dir weiß man ja nie«, gab der Ostfriese augenzwinkernd zurück.
»Das fasse ich mal als Kompliment auf, mein Bester. – Wie ist übrigens dein erster Eindruck von Aschendorf?«
»Er kommt mir wie ein Geschäftsmann vor, der sich eine gute Gelegenheit nicht entgehen lässt. Nachdem das Finanzamt und die Kollegen von der Abteilung Wirtschaftskriminalität das Schwarzgeld aus dem Restaurant gezogen hatten, blieb kaum noch etwas an legal erworbenem Wert zurück. Aber Mohl brauchte dringend ehrlich eingenommene Euros, um seinen Hamburger Staranwalt bezahlen zu können. Also musste er wahrscheinlich weit unter Wert verkaufen. Ich wette, dass dieses Edellokal für einen Schnäppchenpreis in Aschendorfs Besitz übergegangen ist.«
»Solange der neue Eigentümer nicht auch krumme Dinger dreht, soll uns das egal sein«, meinte Mona und nahm einen Schluck Sekt. »Die Bonzenbrause ist jedenfalls lecker, hast du auch schon probiert?«
Enno antwortete: »Ich hoffe auf ein anständig gezapftes Pils, aber ich konnte noch nicht bis zur Bar vordringen, weil Aschendorf mich gleich abgefangen hat. – Übrigens war es sein ausdrücklicher Wunsch, dass du und ich hier zur...
Erscheint lt. Verlag | 15.7.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
ISBN-10 | 3-96586-615-X / 396586615X |
ISBN-13 | 978-3-96586-615-7 / 9783965866157 |
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