Best of Sapiens (eBook)

Zehn Errungenschaften einer gescheiterten Spezies

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
176 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491538-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Best of Sapiens -  Tim Wolff
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Eine kurze Geschichte der Menschheit von Satiriker und Journalist Tim Wolff - mal ganz anders: ironisch, sarkastisch, polemisch. Jan Böhmermann meint: »Hoffentlich wird dieses Buch in vierzig Millionen Jahren von Archäologinnen einer uns nachfolgenden Spezies zwischen Sedimentschichten ausgegraben und zur Rekonstruktion der menschlichen Zivilisation verwendet!«  Mit der offensichtlich unaufhaltsamen Klimakatastrophe schafft sich die menschliche Zivilisation ab. Ein guter Zeitpunkt, kurz vor Schluss zurückzublicken auf ein paar tausend Jahre Zivilisation und was trotz allem gar nicht so übel war! Aus der Satellitenperspektive blickt Tim Wolff in »Best of Sapiens« auf die zehn besten Errungenschaften des Homo sapiens während seiner Regentschaft über den Planeten. Dabei wird es ebenso um die Errungenschaften der Demokratie gehen wie um Automobile, Smartphones, Badewannen und die Überlegenheit des Sauerkrauts. Eine Geschichte der Menschheit von der Urzeit bis heute voller ironischer, sarkastischer und polemischer Wendungen, die aber stets das Richtige im Falschen sucht. »Tim Wolff? Erst wird er unterschätzt, dann überschätzt - dann gar nicht mehr geschätzt.« Bernd Eilert »Tim Wolff verdirbt einem die schlechte Laune.« Jean Peters »Tim Wolff ist lustig und dabei intelligent (meistens). Es tut mir leid, dass er Deutscher sein muss.« Hanna Herbst »Viele Kolumnist*innen sind alte weiße Männer, Tim Wolff auch, aber wenigstens kann er schreiben und zwar so, dass selbst ich Bock habe sein Buch zu lesen.« Jasmina Kuhnke  »Er nervt ganz schön, aber aus den richtigen Gründen - und die richtigen Leute, einen selbst eingeschlossen.« Paula Irmschler

Tim Wolff, geboren 1978, ist Satiriker und Journalist. Von 2013 bis 2018 war er Chefredakteur der Satirezeitschrift »Titanic« und veröffentlichte Texte unter anderem im »Mannheimer Morgen«, der »taz«, für »Neues Deutschland« und »Konkret«. Heute ist er Autor für das ZDF Magazin Royal von Jan Böhmermann. Er lebt in Frankfurt am Main.

Tim Wolff, geboren 1978, ist Satiriker und Journalist. Von 2013 bis 2018 war er Chefredakteur der Satirezeitschrift »Titanic« und veröffentlichte Texte unter anderem im »Mannheimer Morgen«, der »taz«, für »Neues Deutschland« und »Konkret«. Heute ist er Autor für das ZDF Magazin Royal von Jan Böhmermann. Er lebt in Frankfurt am Main.

Platz 10


Um zu erzählen, was die Krönung der Geschichte der menschlichen Ernährung war, muss man ein wenig ausholen.

Der ganze Gag am Homo sapiens ist seine Fähigkeit, die eigene Natur zu reflektieren und dann gegen sie handeln zu können. Das im Vergleich »höhere Bewusstsein«[1] gegenüber anderen Spezies erlaubt ihm wissenschaftliche, aber auch auf anderen Wegen zufällig treffende Erkenntnis grundlegender Funktionen irdischen Lebens und die theoretische Reflexion und praktische Umsetzung der Ausnutzung oder gar Umgehung dieser. Egal, was dem Homo sapiens die eigene Biologie vorgibt – Größe, Geschlecht, Kraft, Begehren, Gesundheit und so weiter –, er hat die Werkzeuge gefunden, Limitationen zu überwinden, gerade weil er so etwas wie den Begriff und das System der Biologie erschaffen hat. Zu beobachten, externe Funktionsweisen und interne Gesetze der Natur festzustellen und sie auszunutzen und erstaunlich oft umzuschreiben, ist eine ganz exquisite Fähigkeit. So etwas ist keiner anderen Spezies des Planeten auch nur ansatzweise gelungen.

Soll der eine oder andere Vogel mit Steinen, Stöcken oder anderen Proto-Werkzeugen das Nest verschönern, sollen Primaten Hunderte Begriffe oder Zeichen zur Kommunikation erlernen, sollen sich Nacktmulle mit Holzspänen eine Art Mundschutz während der Grabarbeiten schaffen oder ein Krake den Marshmallow-Test bestehen[2] – das ist alles nur ein schlechter Witz im Vergleich zur Spezies, die Braunkohlebagger, Atombomben, den Suezkanal, den Reißverschluss, Bratengabeln mit integriertem Thermometer und den Rubikwürfel erschaffen hat. Ja, hack darauf mal herum, Geradschnabelkrähe! Versuch mal, nur eine einzige Seite einfarbig zu bekommen, du Vogel!

Diese Fähigkeit begann mit der Manipulation der Nahrung, die der Homo sapiens benötigt. Als kreativer Allesfresser besorgte er sich so die Energie, die fürs Ausbilden des komplexen Gehirns notwendig war. Mit dieser Fähigkeit setzte sich der Mensch im Laufe der Zeit ans Ende aller Nahrungsketten. Wobei das eventuell zu nobel gedacht ist; Nahrungsketten haben ja einen der natürlichen Ordnung intrinsischen Sinn. Raubtiere helfen, das Gleichgewicht im Fress- und Ausscheidungswettkampf von Pflanzen und Tieren zu erhalten. Der Mensch zerstört es, seit er sich nicht mehr als Teil der Natur begreift. Er tötet individuell längst nur noch beiläufig aus Hunger innerhalb der Wildnis, meist aber aus Rache, Spaß oder einfach, weil Tiere Autos im Weg sind.[3]

Diese einmalige Gabe zur Reflexion seiner Umwelt hat schon dem Frühmenschen Werkzeuge beschert, mit denen er sich stärkerer Tiere erwehren und sie zu nahrhaftem Brei hauen konnte. Womit er auch schon ohne Landwirtschaft die eigene Umgebung sich anpassen konnte. So wurde die Spezies, erst langsam, dann aber unaufhaltsam zur Gewinnerin der Konkurrenz ums Leben auf der Erde. Der Rest des Geweses der Savanne, der der Homo sapiens entsprungen ist, musste sich weiter der Umgebung anpassen. Wie dann auch alle anderen Arten von Wildnis, in die der Mensch vordrang. Und die Tierwelt und Pflanzenwelt, die das (bisher) überlebt hat, muss es bis heute, da der Mensch die Umgebung endgültig rasant, rabiat und restlos nach seinen zumeist kurzfristigen Vorstellungen variiert.[4]

Der Stolz auf diese menschliche Besonderheit führte zu dem narzisstischen Selbstbetrug, den der Mensch später Kultur[5] taufte. Böden, Steine, Höhlenwände bemalte er, Rituale fand er, in denen er die anderen Tiere nachtanzte. Und wer die Natur abbilden, duplizieren kann, ist schon eine Ebene über ihr – also gar nicht mehr so richtig Teil ihrer. Und wenn die Natur mit all ihren Gefahren und Rücksichtslosigkeiten mal als das andere erscheint, das kontrolliert werden muss – die Reflexionsfähigkeit des Menschen hängt stark an der Kenntnis der eigenen Sterblichkeit –, also wenn die Natur das ist, was den Mensch tötet, muss sie ihm untertan werden. Sich über und außerhalb der Natur zu sehen, die einen umgibt, ist die höchst praktische Utopie aller Religion. Selbst die vermeintlichen »Naturvölker« mit ihren »Naturreligionen« waren Auslöser von Naturkatastrophen (ohne Anführungszeichen), die nicht selten auf die Menschen zurückfielen (weil sie, wenn es darauf ankommt, eben doch Teil dieser einen Natur sind).[6]

Aber diese Katastrophen waren Bestandteil des großen, Hunderttausende Jahre anhaltenden und expandierenden Trial-and-Error-Verfahrens, das der Homo sapiens bis zum bitteren Ende betreibt. Den Tod, den er als Individuum so fürchtet, zu überwinden, ist Antrieb genug, um das Leben (bevorzugt anderer) zu riskieren. Und wer reflektieren kann, kann auch projizieren. Den vermutlich aller Natur innewohnenden Überlebenstrieb kann der Mensch ausschalten, indem er sich einredet, sein Sterben sei zum Nutzen seiner Nachkommen, seiner Sippe, seiner Truppe, seines Landes oder welche Gruppe ihm da noch so einfällt.[7] Wer sich zum höchsten Wesen erklären kann, kann auch jede Handlung als dem Höheren geschuldet imaginieren. Auch das eine Fähigkeit, die in Religionen, vor allem den erfolgreichsten, ganz zu sich fand.

Vielleicht ist es aber unbewusste späte Rache, dass der Mensch die Erde und ihre Geschöpfe nur noch als seinen Supermarkt sehen kann. Verdammt lange muss der Frühmensch gebraucht haben, um schon das Naheliegendste der natürlichen Umgebung kontrolliert oder zumindest kennengelernt zu haben, bei der Beantwortung der Frage: Was ist überhaupt essbar?

Wie viele Sapientes müssen komplett unheroisch gestorben sein, um festzustellen, was man essen kann und was nicht? Müssen nicht sehr viele nach dem Griff zur falschen Frucht oder Wurzel ins Gras gebissen haben, bis einigermaßen sicher war, was nicht unsicher ist? Woher wusste Eva, dass sie den Apfel, aber nicht die Schlange verspeisen kann? Ein gewisses tierisches Erbe, ein Instinkt aus dem noch nicht ganz so hohen höheren Bewusstsein, wird es gegeben haben, der bei der Nahrungsauswahl geholfen hat. Aber spätestens mit der Kenntnis der eigenen Sterblichkeit und der Betrachtung einer ordentlichen Magenverstimmung eines Sippenmitglieds, müsste doch der eine oder andere frühe Sapiens Zweifel bekommen haben, ob er jetzt wirklich in diese unbekannte Frucht, dieses seltsame Tier beißen soll. Kurz: Des Menschen Ursprung sind Zehntausende Generationen »Der Hunger treibt’s rein«.

Welch Segen da doch das Feuer gewesen sein muss! Mit der praktischen Erkenntnis, dass fast alles an Nahrung, die man da eine Weile reinhält, nicht ganz so oft üble Folgen zeitigt. Der Mensch mag sich in seinem kultigen Wachstumsfetisch der Natur entwachsen fühlen, sich ihr entfremdet haben, doch dieses Ursprüngliche hat er sich erhalten: Nahrungslappen aller Art mit Begeisterung ins Feuer zu halten.

Kraken mögen den Marshmallow-Test bestehen[8] – aber auf die Idee kommen, einen auf einen Stock[9] gespießt ins Lagerfeuer zu halten? Sicher nicht.

Und weil er kein Krake ist, verwendet der Mensch noch im frühen 21. Jahrhundert lieber Zeit darauf, neue Varianten der Outdoor-Nahrungsbefeuerung zu finden[10], als auf die Lösungen der Probleme, die die immer größeren Feuer verursachen, mit denen alles Menschliche betrieben wird. Nicht zuletzt für seine unendlich dumm gewordenen Nahrungsrituale. Uralte Wälder wegzubrennen, damit Soja wachsen kann, den man wiederum mit gigantischen Mengen Kraftstoff aus verwesten Urzeit-Echsen über die Meere schippert und über Straßen schleppt, damit eingepferchte und gequälte Tiere ihn fressen, bis sie schmerzhaft fett geworden sind, um sie dann erst lebendig und später in Leichenteilen abermals über ganze Kontinente auf bewegten Brennöfen zu transportierten, damit am Ende eine Gruppe Arschgeigen im Park einen kleinen Teil des Tieres[11] auf einen »Einmal-Grill« über verkohlte Baumreste legen und Bier drüberkippen kann – da ist eine Spezies schon ein wenig ins Extrem gegangen mit dem Konzept »Nahrung plus Feuer gleich gut«.

Aus einem kurzzeitigen Segen einen lang anhaltenden Fluch zu machen ist also eine wesentliche humane Tradition in Sachen Nahrung. Zehntausende Jahre musste der Homo sapiens essen, was die Nachbarschaft hergab: saisonales Obst, Gemüse, Nüsse, das gerade jagbare Tier. Bis er auf die Idee kam, sich mit Ackerbau ein einigermaßen selbstbestimmtes Menü zu schaffen. Und was dabei rauskam: jede Menge Weizenschleim. Und wenn man den wiederum ins Feuer hält: Brot. Das brachte zwar mehr Nahrung und Energie für mehr Menschen auf engem Raum, aber auch ein Menü, das krank werden ließ, weil die Vitamine der vorher zwangsweise abwechslungsreicheren Nahrung der wandernden Sippen vermutlich eher der Immunabwehr des menschlichen Körpers zuträglich sind als tägliche Teigklumpen. Außerdem übertragen sich Infektionen gleich viel leichter, wenn eine Spezies in Massen eng zusammenhockt und nicht in Kleingruppen umherwandert.

Doch der Natur geht die Quantität einer Spezies über die Qualität des Lebens eines Individuums (und die menschliche Kultur hat verdammt lange gebraucht, dieses amoralische Prinzip per Erfindung von Moral theoretisch zu beseitigen[12]). Und da die Produktion von angebranntem Weizenschleim das ganze Jahr über viel Arbeit benötigt, blieb der Mensch lieber kränkelnd bei seinen Äckern. Machte so aus Bauernsiedlungen Dörfer, aus Dörfern Städte, aus Städten Reiche, aus Reichen Länder und...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2022
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Badewanne • Demokratie • Deutschland • Ende der Menschheit • Harari • Humor • Klimakatastrophe • Klimakrise • Klimawandel • Menschheitsgeschiche • Mobilität • Polemik • Sarkasmus • Satire • Sauerkraut • Smartphone • Titanic • ZDF Magazin Royal
ISBN-10 3-10-491538-5 / 3104915385
ISBN-13 978-3-10-491538-8 / 9783104915388
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