Fragile Freundschaften
Die Autorin geht am Beispiel eines Graduiertenkollegs der Frage nach, welche Faktoren für eine gendergerechte Nachwuchsförderung an Hochschulen wichtig sind, und zeigt, dass für eine erfolgreiche akademische Laufbahn die "persönlichen wissenschaftlichen Freundschaften" eine besondere Bedeutung besitzen. Diese Freundschaften, so zeigt sie, sind zweischneidig und nicht geschlechtsneutral und müssen in ihrem Einfluss auf die akademische Nachwuchsförderung beachtet werden.
Elisabeth Maurer, Dr. des., ist Leiterin der Abteilung Gleichstellung der Universität Zürich.
Inhalt
Vorwort
I Einleitung
II Gleichstellungspolitische Praxis
1 Das Projekt "SOWI-Disslabor mit Gleichstellungsanspruch"
1.1 Die Projektinitiative
1.2 Vorarbeiten bis zur Ausschreibung des Schweizerischen Nationalfonds
1.3 Kooperation von "SOWI-Disslabor" und Graduiertenkolleg "Genderstudies"
2 Das Graduiertenkolleg "Wissen - Gender - Professionalisierung"
2.1 SPP "Zukunft Schweiz" und sozialwissenschaftliche Graduiertenkollegien
2.2 Graduiertenkolleg "Wissen - Gender - Professionalisierung"
2.3 Integration der Gleichstellungsanliegen
3 Zur Dynamik der "internen Evaluation"
3.1 Das Konzept einer internen formativen Evaluation zur Qualitätssicherung
3.2 Die Schwierigkeit, die interne formative Evaluation zu implementieren
3.3 Die Argumentationen des Kollegs gegen die formative Evaluation
3.4 Das Alternativprojekt: Reflexion statt Selbstevaluation
3.5 Konsequenzen für die Begleitstudie: ein neues Forschungsdesign
4 Die Wirkungsanalyse des Schweizerischen Nationalfonds
4.1 Design und Resultate der externen Programmevaluation
4.2 Kritik an der externen Evaluation
4.3 Konsequenzen aus der veränderten Zielsetzung der externen Evaluation
III Theorie: Kontext Wissenschaft und Gleichstellungspolicies
5 Gleichstellungstätigkeit in der Nachwuchsförderung
5.1 Gleichstellungsförderung und wissenschaftliche Freiheit
5.2 Nachwuchsförderung und Gleichstellungstätigkeit
5.3 Handlungsmöglichkeiten von Gleichstellungsbeauftragten
5.4 Konsequenzen für die Reflexion der Gleichstellungspraxis
6 Gleichstellungsstrategien und ihre Akzeptanz in der Wissenschaft
6.1 Genderwissen und genderkompetentes Handeln
6.2 Vision einer gerechten Gesellschaftsordnung nach Fraser
6.3 Empirische Befunde: policies der Gleichstellung mit unterschiedlicher Reichweite 108
6.4 Politischer Kontext: gleichstellungspolitische Strategien mit unterschiedlicher Reichweite
6.5 Konsequenzen für die Reflexion der Gleichstellungspraxis
IV Forschungsdesign und Methoden
7 Das Forschungsdesign
7.1 Besonderheiten einer explorativen Einzelfallstudie
7.2 Konsequenzen der Projektmodifikation des "SOWI-Disslabors"
7.3 Grounded Theory nach Anselm Strauss
8 Die Methoden
8.1 Dokumentenanalyse, Interviews, Fokusgruppengespräch, Vorstudien
8.2 Institutionelle Reflexion und teilnehmende Beobachtung
8.3 Netzwerkanalyse: Datenerhebung und Datenanalyse am Rand des Kollegs
V Empirie: Teilnehmende Beobachtung und Netzwerkanalyse
9 Forschungspraxis, doing interdisciplinarity und doing gender equality
9.1 Die Forschungspraxis des Kollegs
9.2 Drei Belastungsproben für die Forschungspraxis
9.3 Faktoren, die das "Forschenlernen" begünstigen oder erschweren
9.4 Forschungspraxis und doing interdisciplinarity
9.5 Forschungspraxis und doing gender equality
9.6 Die drei Dimensionen im Vergleich und damit verbundene Konsequenzen
10 "Persönliche wissenschaftliche Freundschaften": (k)ein Tabu der akademischen Laufbahn
10.1 Ausgangskonzepte der Netzwerkbefragung und -analyse
10.2 Das Graduiertenkolleg als Netzwerk
10.3 Akademische Laufbahn und networking - Perspektive der Professorinnen und Professoren
10.4 Akademische Laufbahn und networking - Perspektive der Nachwuchsforschenden
10.5 Unsagbares oder vergeschlechtlichte Substrukturen: zur Bedeutung von "persönlichen wissenschaftlichen Freundschaften"
VI Bilanz und Ausblick: Theoretisch reflektierte Gleichstellungspraxis
11 Ergebnisse der Reflexion
11.1 Dissertation ermöglicht Distanz
11.2 Handlungsfeld 1: Initiative "SOWI-Disslabor"
11.3 Handlungsfeld 2: Praxis des Graduiertenkollegs "Genderstudies"
11.4 Handlungsfeld 3: Auf den Spuren der gendered substructures (Netzwerkanalyse)
11.5 Handlungsfeld 4: Transfer in die Nachwuchsförderungspolitik
12 Ausblick für Praxis und Forschung
12.1 Empfehlungen für die Gleichstellungspraxis
12.2 Empfehlungen für die Praxis einer genderbewussten Nachwuchsförderung
12.3 Plädoyer für eine forschungsgestützte genderbewusste Nachwuchsförderung
Nachwort
Abkürzungsverzeichnis
Publikationenverzeichnis (PV)
Quellenverzeichnis (QV)
1 Projektanträge und Berichterstattung
2 Ausschreibungen und Empfehlungen des SNF
3 Protokolle und weitere interne Dokumente des Graduiertenkollegs "Gender Studies"
4 Publikationen über das Graduiertenkolleg "Wissen - Gender - Professionalisierung"
Literatur
Inhaltsverzeichnis des Anhangs im Internet
12 Ausblick für Praxis und Forschung Folgende Einsichten und Empfehlungen wurden aus den Resultaten der Begleitstudie "SOWI-Disslabor" für die Gleichstellungspraxis, für eine genderbewusste Nachwuchsförderung und für daran anschliessende Forschungsdesiderate gewonnen: 12.1 Empfehlungen für die Gleichstellungspraxis Die zentrale Frage, die mich während des ganzen Forschungsprozesses bewegte, war: Welche spezifischen Faktoren müssen bedacht werden, um in der Ära des New Public Managements erfolgreiche Gleichstellungsarbeit in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu leisten? Die bisherige Reflexion der Gleichstellungspraxis führt mich zu folgenden Überlegungen: Übergreifende Faktoren für das Gelingen von "gender change in academia": Ich gehe heute davon aus, dass es einige Faktoren für das Gelingen gibt, die unabhängig von der Wahl der gewählten Gleichstellungsstrategie (klassische Gleichstellungspolitik, Gender-Mainstreaming, Diversity-Management oder Antidiskriminierungspolitik) zu beachten sind. Diese sind: Beachtung der Veto-Autorität und der Gutachtertätigkeit der scientific community, Aufbau der bottom-up-Unterstützung durch die scientific community und die Fakultäten als Ergänzung zum top-down-Commitment der universitären Führungsgremien, Beachtung der Macht des Informellen als Wettbewerbsvor- oder -nachteil, Analyse der Akzeptanz der verschiedenen im gegebenen Hochschulkontext möglichen Gleichstellungsstrategien; dabei Tabus im alltäglichen Geschlechterwissen ergründen und eine Brücke zum wissenschaftlichen Geschlechterwissen bauen. Die Akteure engagieren sich selten für Themen und Massnahmen, die die scientific community "stören", Rückbesinnung auf das Kapital des theoretischen und empirischen Genderwissens, um die Reichweite und die Wirkung von Gleichstellungsmassnahmen zu reflektieren und, falls nötig, frühzeitig zu korrigieren, ein geschickter Umgang mit den unterschiedlichen Wissensformen ist ein Kapital der für die Gleichstellung verantwortlichen Akteure und Akteurinnen. Der New Managerialism führt dazu, dass heute auch in der Gleichstellungspraxis ein Paradigmenwechsel bevorsteht. Die Frage, wie Gender in den Mainstream gebracht werden kann, ist und bleibt ungelöst. Der Weg der Verknüpfung der Gleichstellungsanliegen mit den neuen Evaluationsverfahren führte in der angestrebten Form nicht zum Erfolg. Hingegen wurde ein Weg gefunden, zusammen mit den Akteurinnen und den Akteuren der scientific community neue genderrelevante Erkenntnisse zu gewinnen, ohne dass sie jedoch für eine genderbewusste Nachwuchsförderung im konkreten Rahmen des Graduiertenkollegs fruchtbar gemacht werden konnten. Kapitel 11.4.3 zeigte auf, dass mit der neuen Governancesteuerung der Universitäten und Hochschulen tacit knowledge im Kampf um den Wettbewerbsvorteil an Bedeutung gewinnt und dadurch neue Schliessungsprozesse gegen junge Forscherinnen entstehen können. Dies kann aus bildungsökonomischen Gründen nicht im Interesse der Zukunft der Wissenschaft und der Gesellschaft sein. Bei der zunehmenden Konkurrenz zwischen den Hochschulen ist es empfehlenswert, Gleichstellung bereits heute als Wettbewerbsvorteil einzukalkulieren. Dabei verspricht der Weg einer integrierten Gleichstellungspraxis vermutlich Erfolg. Somit steht die Frage im Raum: Wie können Entscheidungsträgerinnen und -träger dazu gebracht werden, die genderpolicy aktiv und mit entschiedenem Commitment in die neuen Governancesteuerungen zu integrieren? Die Gleichstellungspraxis zeigt, dass der Austausch von informellem Wissen zwischen universitären Akteuren eine entscheidende Ressource ist. Offiziell "Unsagbares" wird - unter dem Siegel der Verschwiegenheit und auf Vertrauensbasis - ausgetauscht. Durch ihre berufliche Tätigkeit in der gesamtuniversitären Strategie und Planung haben Gleichstellungsakteurinnen und -akteure Zugang zu informellem Wissen, über welches Entscheidungsträgerinnen und -träger nicht verfügen. Dieses Wissen gewinnt im internationalen Wettbewerb zwischen den Universitäten um den Ruf einer gleichstellungsfreundlichen Institution an Bedeutung. Die Vermittlung von Gleichstellungswissen an Entscheidungsträgerinnen und -träger zum richtigen Zeitpunkt kann eine Universitätsleitung davor schützen, in "gleichstellungspolitische Fettnäpfchen" zu treten, beziehungsweise sie darin unterstützen, fortschrittlich und weltoffen zu handeln. Zu fragen ist: Wie kann diese Ressource bewusster eingesetzt und auch den Kontakten in Brückenpositionen zugänglich gemacht werden - ohne eine Verletzung von Persönlichkeits- und Datenschutz? Machtfrage in der Wissenschaft neu reflektieren: Der Forschungsprozess bewegte sich im Spannungsfeld zwischen der Utopie einer "integrativen Gleichstellungspraxis" und dem Pragmatismus einer Gleichstellungsbeauftragten als "Entrepreneurin". Dieses Vorgehen war mit einem hohen Risiko des Scheiterns verbunden, da es sich notgedrungen stark auf den persönlichen Goodwill von verschiedensten Akteuren und Akteurinnen stützen musste. Paradigmenwechsel heisst in diesem Zusammenhang auch, unter den Bedingungen des New Managerialism die veränderte Machtfrage in der Wissenschaft neu zu reflektieren und zu prüfen, wie der Bewegungsspielraum für Gleichstellungstätigkeit kontextspezifisch erweitert werden kann. Die Erfahrung mit dem "SOWI-Disslabor" zeigt, dass die Genderanliegen nicht nur top-down besser in die neuen Steuerungsinstrumente integriert und auch eingefordert werden, sondern auch stärker bottom-up und in Verbindung mit den Akteuren der scientific community realisiert werden müssen. Ohne die Unterstützung der Fakultäten, der Professorinnen und Professoren und der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler (den stakeholders) geht gar nichts. Ein Schulterschluss der Gleichstellungspolitik mit der Wissenschaftspolitik wird auch in Zukunft notwendig sein, wenn es darum geht, von der Wissenschaft zu verlangen, dass sie auf gesellschaftliche Herausforderungen aktiver reagiert. Dabei ist jedoch entschiedener darauf zu achten, dass dies eines aktiven Commitments der Autorität der Gutachterinnen und Gutachter bedarf. Das heisst, es müssen demnach in Zukunft mehr genderbewusste Gutachterinnen und Gutachter in entsprechenden Gremien Einsitz haben. Integration in die neue Governance der Universitäten: Handlungsbedarf zeichnet sich dahingehend ab, wenn es darum geht, zu prüfen, ob und wie Gleichstellungsmassnahmen in den neuen Governanceinstrumenten der Universitäten und Hochschulen Platz haben. Kommen sie wegen der Zielkonflikte zwischen Wissenschaftspolitik und Wissenschaft stärker unter Druck, oder gewinnen sie an Einfluss? Und sind sie so angelegt, dass sie der Komplexität des Forschungsstandes in Bezug auf Gleichstellungspolicies gerecht werden?
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2010 |
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Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 142 x 215 mm |
Gewicht | 410 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Gender Studies |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
Schlagworte | Akademiker / Akademikerin • Akademiker/-innen • Forschung • Gender • Geschlechterforschung • Gleichstellung • Hardcover, Softcover / Soziologie/Frauenforschung, Geschlechterforschung • Nachwuchsförderung • Nachwuchskräfte • Networking • Wissenschaft |
ISBN-10 | 3-593-39179-1 / 3593391791 |
ISBN-13 | 978-3-593-39179-3 / 9783593391793 |
Zustand | Neuware |
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