Das verlorene Paradies unserer Kinder -  Gesa Schwarz

Das verlorene Paradies unserer Kinder (eBook)

Und wie wir es wiederfinden können. Ein Erfahrungsbericht

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-9278-5 (ISBN)
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Erfahrungsbericht einer ehemaligen Erzieherin, Elternratgeber

Langjährige Erzieherin, Fachwirtin und Kindergarten Leiterin, Waldpädagogin

II Teil


Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns allen nicht wirklich bewusst ist, was in unseren Einrichtungen, ja der gesamten Gesellschaft, tatsächlich vor sich geht.

Eltern vertrauen hauptsächlich den offiziellen Empfehlungen des Bildungsministeriums und gehen davon aus, dass all dies nur dem Wohle ihres Kindes dient. Dass aber oftmals nur wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, die die Politik leider auch über ihre Ministerien durchzusetzen sucht, merken viele nicht.

Zudem stehen Eltern oftmals noch am Anfang ihrer Beziehung und sind zahlreichen Belastungen ausgesetzt. Und vor allem fehlt ihnen heute die Unterstützung, die unsere Eltern damals noch hatten.

Aus diesem Grund möchte ich im folgenden Teil mein Augenmerk auf diese mangelnde und verlorengegangene Unterstützung richten.

Schilderte ich im vorangegangenen Teil hauptsächlich meine eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit meinem Beruf, möchte ich nun meinen Blick, sozusagen aus der Vogelperspektive, auf die Gesamtgesellschaft werfen.

Meiner Ansicht nach fand hier ebenfalls eine kontinuierliche Veränderung statt, die mit obiger Schilderung parallel verlief. Beleuchten möchte ich die Bereiche Familie, mein persönliches Umfeld, das Leben im Dorf, der Stadt und der Natur. Auch werde ich hauptsächlich auf das Bildungswesen und die destabilisierenden Faktoren unserer Gesellschaft eingehen, um den Veränderungsprozess der letzten Jahrzehnte, etwa ab den 1960ger Jahren, sichtbar zu machen.

Gesellschaft - Gestern und heute


Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert.

Wie es dazu kam und welche Faktoren dabei eine Rolle gespielt haben, möchte ich auf den folgenden Seiten darlegen.

Gestern

Familie
Wie am Anfang bereits erwähnt, bin ich als Kind in einer Familie aufgewachsen, in der Eltern, Großeltern und Kinder zusammen wohnten und die Arbeit und auch alles andere miteinander geteilt wurde.

Meine Eltern waren immer ansprechbar, auch wenn sie in der Hektik ihrer Arbeit waren und bis spät in die Nacht noch auf dem Feld waren. Ich erinnere mich noch, dass ich als kleines Kind erst einschlafen konnte, wenn mein Vater wieder zu Hause war, da er im Sommer oft bis spät in die Nacht weg war, um das geerntete Getreide abzuliefern. Wir Kinder spielten auf dem Hof, denn es gab viele Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Im Winter spannten wir oft unseren Hund vor den Schlitten, suchten auf dem Heustall nach Katzen und spazierten bei Wind und Regen über das Feld. Wir liebten es, Steine zu sammeln und auf Bäume zu klettern und uns dort im Wind schaukeln zu lassen.

Im Sommer fuhren wir mit unserem selbstgebauten Boot auf dem Bach und ließen uns auf dem Wasser treiben. Dabei habe ich noch das Zirpen der Grillen im Ohr und die Enten, die aufgeregt ins Wasser platschten. Wir turnten auf den alten Maschinen herum und hörten dem Regen zu, der beruhigend und gleichmäßig auf das Dach prasselte. Wenn wir genug davon hatten, beobachteten wir unsere Hühner und Enten, die sich im Sand einbuddelten. Am liebsten half ich Oma im Garten und freute mich an den bunten Blumen. Und abends waren wir dabei, wenn unsere Eltern die Tiere versorgten. Keiner schimpfte, wenn die Kleider schmutzig waren und keiner hatte Angst, dass uns etwas passieren könnte. Man erzählte uns die Geschichte vom „Hokelmann“. Der Hokelmann ist im Wasser zu Hause, vor allem dort, wo es für kleine Kinder gefährlich wurde. Kommen diese dann zu nahe ans Ufer, werden sie dann von ihm mit dem Haken ins Wasser hineingezogen. Anfangs hatten wir natürlich Angst vor ihm, aber später wurden wir neugierig und haben oft ganze Nachmittage damit verbracht, an den Ufern des Baches entlangzugehen, um ihn endlich zu Gesicht zu bekommen. Wenn ich heute im See schwimmen gehe, muss ich noch daran denken, dass er womöglich in der Tiefe auf mich lauert.

Wir lebten inmitten eines natürlichen Ablaufes und konnten die Arbeit unserer Eltern täglich miterleben. Wir verbrachten auch viel Zeit bei unserem Opa, der immer in seinem Sessel im Wohnzimmer neben dem Ofen saß. Meistens saß er dort ganz allein und redete halblaut mit sich selbst. Dabei lachte er oft ganz verschmitzt. Schade, dass ich niemals nachgefragt habe, was er da erzählte, vielleicht hätte er es mir mitgeteilt. Opa spielte gerne Karten und wenn er „schwarzer Peter“ mit uns spielte, machte er demjenigen, der verloren hatte, das Gesicht mit Kohlen schwarz, was mich immer wahnsinnig ärgerte, da ich nicht verlieren konnte.

Ob es bei anderen zu Hause auch so war, kann ich nicht beurteilen. Bei den meisten Familien lebten die Großeltern jedoch noch mit im Haus. Die Eltern waren noch zusammen, Scheidungen die große Ausnahme. Der Vater ging morgens aus dem Haus und kam am Abend nach Hause. Selten ging mal eine Mutter zur Arbeit. Die Kinder hatten ein beständiges Zuhause, gleichbleibende Bezugspersonen und vor allem noch Geschwister, mit denen sie spielen konnten. Im Haus hat man sich selten aufgehalten, nicht einmal im Winter, als es kalt war. Die Kinder hatten Abwechslung, konnten über ihre Zeit noch weitgehend selbst bestimmen und vor allem hatten sie viel Bewegung.

Besuche von Verwandten oder Bekannten, gerade an den Wochenenden, waren an der Tagesordnung. So war unsere Küche ständig voller Leute, die mit uns gemeinsam am Kaffeetisch saßen, wo es samstags frischen Zuckerkuchen gab. Da man selten in Urlaub fuhr, brachten diese Besuche zudem etwas Abwechslung in den Alltag.

Wir fuhren auch oft zu Omas Schwester. Bei ihr wohnte noch ein alter Mann, der nach dem Krieg als Knecht auf deren Hof gekommen war. Er war Heimatvertriebener aus Schlesien und sprach noch den alten Dialekt. Er hieß Pietsch. Als wir zu Besuch dort waren, setzte er sich immer neben meinen Vater und erzählte von früher. Dabei nannte er meinen Vater immer „Koorl“ und wenn er von Breslau erzählte, rollte er dabei das „R“ ganz leise. Ich musste mich beim Zuhören sehr anstrengen und konnte trotzdem nicht alles verstehen.

Damals war in der Gesellschaft noch Platz für Menschen, die sich nicht „nach der Norm“ verhielten. Heute wären solche Menschen sicherlich in sozialen Einrichtungen untergebracht, aber damals lebten sie mitten in der Gesellschaft und nahmen am öffentlichen Leben teil.

Einer von diesen originellen Menschen war der „Gekler-Peter“. Seinen richtigen Namen habe ich nie erfahren. Ich weiß nur noch, dass er urplötzlich bei den Leuten auftauchte, einen Hut auf hatte und seine Trompete mitbrachte. Er fühlte sich bei allen Leuten zu Hause und überall wo er war, wurde gelacht und war gute Stimmung. Ernst genommen hat diesen Mann niemand, aber er wurde auch nicht ausgelacht oder verächtlich behandelt. Er gehörte einfach dazu.

Ähnlich war es auch mit „Scheiermann“. Er kam regelmäßig mit seinem Fahrrad zu uns und immer brachte er etwas mit, das er unterwegs gefunden hatte. Mal war es eine Schraube, ein andermal ein verrosteter Nagel. Diese Funde brachte er immer meinem Vater und tat ganz wichtig.

Feste und Bräuche
Weihnachten, Ostern und die Kerwe waren die Höhepunkte im Jahr. Geburtstage feierte man auch, aber nicht so groß wie heute. An Weihnachten waren die Vorbereitungen das Wichtigste. Plätzchen wurden gebacken, das Haus wurde geputzt und das Feuer im Ofen durfte nicht ausgehen. Die Geschenke fielen kleiner aus als heute. Wir besuchten unsere Paten und am Heiligabend und den beiden Feiertagen beschäftigten wir uns mit den neuen Spielsachen. Danach wurde es wieder langweilig und daher wendete man sich wieder den Spielen draußen zu, wobei das ein oder andere, wie zum Beispiel meine Puppenküche, wieder für das nächste Jahr weggepackt wurde.

Neujahr wurde nicht in dem Maße gefeiert wie heute. Abends gab es Rippchen und Sauerkraut und am Neujahrsmorgen wurde jedem ein frohes neues Jahr gewünscht, mit dem Spruch: „Prost Neijohr, e Brezzel wie e Scheierdoor, e Kuche wie e Oweblatt, do were mer allegar mitnanner satt.“

Jeder von uns hatte einen Revolver mit Platzpatronen, mit denen wir das neue Jahr „anschießen“ gingen und dafür gab es dann von den Erwachsenen das Neujahrsgeld.

An Ostern war es ähnlich wie an Weihnachten. In der Karwoche kam in den meisten Familien ein geschäftiges Treiben ins Haus und der Frühjahrsputz hielt Einzug. Die Fenster wurden geputzt, die Matratzen ins Freie gebracht, geklopft und gelüftet. Dabei holte meine Oma die lange Leiter aus der Scheune, die sie zwischen zwei Stühlen aufbaute. Hierauf kamen die Matratzen und es war immer eine Gaudi, weil wir darauf herum hüpften und Oma sich über uns ärgerte. Ab und zu machten wir dann persönlich die Bekanntschaft mit dem Teppichklopfer, was aber der ausgelassenen Stimmung nichts anhaben konnte. Für den Osterhasen mussten schöne Nester aus grünem Moos gemacht werden und die Eier wurden gemeinsam gefärbt. Den Kindern wurde erzählt, der Osterhase wäre derzeit überall zu sehen, und tatsächlich gab es damals noch zahlreiche Hasen, die lustig über das Feld hoppelten. Alle waren...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-7597-9278-2 / 3759792782
ISBN-13 978-3-7597-9278-5 / 9783759792785
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