Mystische Theologie -  Dionysius Areopagita

Mystische Theologie (eBook)

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2020 | 1. Auflage
250 Seiten
Crotona Verlag
978-3-86191-193-7 (ISBN)
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Die geheimnisvolle Gestalt des Dionysius Areopagita, die lange Zeit für den biblischen Apostelschüler gehalten wurde, prägte mit seinen am Ausgang des 5. Jahrhunderts verfassten Schriften maßgeblich das christliche Denken, vor allem seine mystische Tradition.
Sein Werk über die „Himmlischen Hierarchien“ bildete die Grundlage der christlichen Engel-Lehre, seine „Mystische Theologie“ verband nicht nur die griechische, speziell die neuplatonische Philosophie mit der Lehre der Kirchenväter, sondern schuf ein eigenes, bis in die Gegenwart nachwirkendes Lehrsystem: Die Negative Theologie.
Indem Dionysius aufzeigte, was man über Gott „nicht wissen konnte“, steckte er einen Rahmen ab, den die christliche Mystik in den folgenden Jahrhunderten als weitgehend verbindlich anerkannte.
Ein Meisterwerk abendländischer Spiritualität, dessen Bedeutung man gar nicht hoch genug ansetzen kann!

Einleitung


Aus den in diesem zweiten Band vereinigten Schriften blickt uns der Verfasser des »Corpus Areopagiticum« – wie das Lebenswerk des Dionysius oft genannt wird – mit völlig anderen Augen an als aus dem unserer ersten Veröffentlichung1. Galt es ihm in den »Hierarchien« das Priestertum als feste Brücke zu begründen, die für Mensch und Mönch den einzigen Zugang zu Sakrament und Erleuchtung und zur »Engelwelt Gottes« bietet, so zeigt er jetzt in der Mystischen Theologie auch die geheimnisvolle Brücke auf, die jede Seele auf ihrer einsamen Pilgerschaft zur Unendlichkeit des Schöpfers führt.

Der unbekannte Priester (und Kirchenfürst), der um die Wende des fünften zum sechsten christlichen Jahrhundert diese Werke schrieb, wurde dadurch zum Begründer der christlichen Mystik, aber auch zum Erneuerer jener geheimnisvollen Lehren von der absoluten Unendlichkeit Gottes, die schon Anaximander und Parmenides ein Jahrtausend vor ihm zu ergründen versucht hatten und die dann nach ihm erst Scotus Eriugena wieder aufzunehmen wagte. Scotus kam darum in den Geruch der Ketzerei, obwohl einst Maximus Confessor schon auf dem Lateran-Konzil im Jahre 649 die Rechtgläubigkeit der von Dionysius entwickelten Auffassung vertreten und zur Anerkennung gebracht hatte! Trotzdem, auch die deutschen Herausgeber von 1933 haben es nicht gewagt – oder es zumindest nicht für gut befunden –, das Werk, das die tiefsten Leitgedanken des Pseudo-Areopagiten enthält, zu übersetzen und die Mystische Theologie mit den anderen Büchern des Dionysius zu veröffentlichen.

Und doch ist sie das Kernstück der Lehre des Dionysius Areopagita; denn ohne diese absolute Unendlichkeit und Unkennbarkeit Gottes verstünde er nicht das fleischgewordene Wort und nicht die Heilige Dreifaltigkeit so, wie nur er sie versteht, nicht die Hierarchie der Engel, der Begriffe und der Kirche, und auch nicht die Namen Gottes.

Die Magie der Namen gehört zu den verschollenen Verstehensformen einer früheren Menschheit.

Viele Jahrtausende bevor Platon seinen Glauben dahin formulierte, dass hinter jedem Ding oder Wesen die Idee gesucht werden müsse, die ein Ding oder Wesen erst formt oder verständlich oder überhaupt erst möglich macht, lehrten schon die Zauberer sehr vieler Völker der Erde, mindestens seit dem Ende der Altsteinzeit, dass die Erschaffung jedes Dinges mit seinem Namen gesetzt sei, und darum jeder, der den wahren Namen eines Wesens oder einer Erscheinung kenne, auch über dieses Wesen und über diese Erscheinung eine gewisse mehr oder minder entscheidende Gewalt besitze.

Zauberformeln, Beschwörungen, Gebete haben hier ihren Ursprung. Jagd- und Kriegszauber der Altsteinzeit und noch viel mehr der Züchtungszauber der mittleren Steinzeit sind von diesem Glauben ganz überschattet.

Die Schöpfungslegenden Alt-Sumers, die Ausdrucksweise der Genesis – »Und Gott sprach, es werde …« – ja auch noch das Evangelium Johannis – »Im Anfang war das Wort« – (also die Gleichsetzung des Erlösers mit dem Weltschaffenden Logos), all dies spiegelt deutlich die damals noch höchst lebendigen Reste solcher uralten Anschauungs- und Erlebnisweisen. So sehr, dass auch Gottes Offenbarungen sich gütig – wie Dionysius sagen würde – den Verstehensmöglichkeiten und der Ausdrucksweise der damaligen Menschheit anpassten, sich ihnen stellten: »Gott sprach zu Moses und nannte ihm seinen Namen.«2

Wie stark diese magische Anschauungsweise dann tatsächlich noch in unserem christlichen zehnten, elften, zwölften und dreizehnten Jahrhundert nachgewirkt hat, das wurde erst kürzlich durch Abbé Chaume nachgewiesen, im ersten Band seines groß angelegten Werkes über Altburgund,3 darin er die sittlichen, politischen, sozialen und vor allem die kirchlichen Folgen des Namenszaubers in der christlichen Gesellschaft Burgunds und Aquitaniens aufzeigt, von der Zeit des aussterbenden altburgundischen Adels bis zu Beginn des karolingischen und wieder vom Aussterben dieses karolingischen Adels bis tief in den Beginn der neueren Feudalzeit. Tatsächlich sind es in jenen Jahrhunderten nicht nur die Bande der Abstammung und der Verwandtschaft, welche über die Unanfechtbarkeit einer Erbfolge entschieden, sondern mehr noch die Namen der Erben: Wer den Namen des Erblassers trug, konnte das Erbe fordern, wurde als eine Art Reinkarnation von dessen Eigenschaften betrachtet, wenn nicht sogar von dessen Persönlichkeit – er war sein von Gott selbst bestimmter Nachfolger.

Das konnte so weit führen, dass der Sohn der berühmten Agnes von Aquitanien – derselben Agnes, die dann Mutter der Kaiserin Agnes wurde, der großen Reichsregentin – seinen Vornamen dreimal hat wechseln müssen. Da seine Mutter, als Spross Ottwilhelms von Burgund, des von Otto d. Gr. verdrängten Erben von Ivrea, Spoleto, der Lombardischen Krone und von Burgund, für den Sohn aus der aquitanischen Ehe wenigstens die Erbschaft der guyennischen Herzogslehen erhoffte, musste dieser Sohn natürlich Guy heißen. Als aber Agnes in zweiter Ehe den Erben von Anjou heiratete, wurde Guy von diesem adoptiert und hieß jetzt mit Vornamen Geoffroy; und zuletzt fiel ihm nach dem Tod seiner drei Halbbrüder aus den früheren Ehen seines Vaters dennoch die Grafschaft von Poitiers und die Herrschaft über das Herzogtum Aquitanien zu – da hieß er dann selbstverständlich Guillaume. Also derselbe Mann wurde erst Veit, dann Gottfried, zuletzt Wilhelm genannt; denn nach dem Glauben, der in jener Zeit immer noch lebendig war, erwirkte der Name auch die Entwicklung oder die Wiederkehr oder die Bewährung gewisser Eigenschaften: Er offenbarte deren Existenz in ihrem Träger – oder bewirkte deren Reinkarnation.

Sollten die »Namen Gottes« in ähnlicher Weise über göttliche Eigenschaften Aufschluss geben? Jedenfalls nicht so, als ob diese göttlichen Eigenschaften wie in den alten Zauberformeln und Zauberriten durch Benennung vonseiten des Menschen erzwungen oder beeinflusst oder gar hergestellt würden. Es galt ja, im Gegenteil, das Christentum von magischen Praktiken zu reinigen! Von »heidnischen« Praktiken. Aber Gott hatte in Seiner unendlichen Güte Seine Offenbarungen in die Sprache jener Menschen gekleidet und durch die Heilige Schrift waren Seine Namen – und damit auch Seine Eigenschaften – überliefert. Diese galt es zu erkennen und zu klären, »soweit solches den Menschen ziemt«.

Nach Philon sind die Gottesnamen aber »Spiegel«, und nach Proklos sind sie »Plastische Bilder der Götter«. Auch Dionysius spricht in seinen Schriften von »Agalmata« der Gottesnamen, was schon von Maximus und von Pachymeros mit antiken Hausgötterstatuen und den Simulacra von Fetischen verglichen wurde, nämlich mit jenen Silenen, deren Statuetten man erst öffnen musste, um den darin verborgenen geheimen Gott zu finden.

Das Verbum agallesthai heißt aber auch rühmen, lobpreisen, zur Freude aller hoch hinstellen und weithin sichtbar machen, wie Cordier vermerkt, und Agalma wird in Kap. II der Mystischen Theologie (M 1025 B) mit der durch Bildhauerkunst ins Sichtbare erhobenen Wesensgestalt verglichen, durch die wir »würdig und wahr das Unerschaffene Licht feiern, das alles erschaffend allein stets im Unerschaffenen verbleibt«.

Der höchste aller Gottesnamen war für Dionysius – über das Gute und sogar über das Wesenschaffende und Daseingebende hinaus – das ewig Unendliche in Raum und Zeit und Geltung, und das heißt (wie schon die durch persische und indische Begegnungen in Kleinasien befruchtete griechische Philosophie frühzeitig erkannt hatte): Die Sprengung jeder Eigenschaftsgrenze überhaupt.

Damit eng verbunden war dann die Entdeckung, dass jede Eigenschaft und jede Wesenheit an sich schon ein Herausfallen aus dem Unendlichen ist (denn absolute Fülle kann keine besonderen Eigenschaften vor anderen auch möglichen Eigenschaften haben oder auch nur auszeichnen – oder wie Anaximander es gesagt hat, »jedes So-Sein muss durch seine unvermeidliche Vergänglichkeit Buße entrichten, für seinen Abfall vom ungeschiedenen Unendlich-Sein). Deshalb kann man auch nichts über das Unendliche aussagen außer eben vielleicht diesem, dass es überhaupt nichts Seiendes sei, dass es vor jedem Seienden sei, dass es identisch sein müsse mit dem schöpferischen Nichts-Nichtsein oder mit dem Ur-Nichts-und-Alles schlechthin.

Im indischen Allnichts und im Parmenideischen Überhaupt findet sich diese Lehre zwar vorgebildet, aber zur Passivität erstarrt. Der Erste, der sie ins Aktive zurückverwandelte, war (wie jüngst Werner Jaeger gezeigt hat4) Gregor von Nyssa: Er erfasste zuerst in Gott das Unendliche, Unerreichbare, dem sich der Mensch in unendlicher Bewegung immer weiter annähern könne und solle, ohne Ihn doch jemals erreichen zu können …

Oder vielmehr, korrigierte hier unser Dionysius: Allein durch Christus – ganz Gott und ganz Mensch zugleich, einzige Gestalt, die jedes Unendliche ganz im Endlichen aufscheinen ließ – könne der Mensch so viel vom Göttlichen fassen, als seiner Seele gemäß sei, und genau so weit, als ihm dies durch Gnade gewährt werde. Wobei jedoch Dionysius jene magisch-östliche Auffassung des Göttlichen ablehnte, welche zuletzt eine ganze Kaskade von Dogmen nötig macht, und auch das mystische Überspringen aller hierarchischen Ordnung ablehnte, wonach eine Seele,...

Erscheint lt. Verlag 29.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
ISBN-10 3-86191-193-0 / 3861911930
ISBN-13 978-3-86191-193-7 / 9783861911937
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