Der amerikanische Bürgerkrieg (eBook)

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2020 | 3. Auflage
144 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-74354-2 (ISBN)
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Der Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 prägt bis heute das historische Gedächtnis der USA. Anschaulich und auf dem neuesten Stand der Forschung schildert dieses Buch Ursachen, Verlauf und Folgen dieses zentralen Ereignisses der amerikanischen Geschichte.

Michael Hochgeschwender ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

II. Die Frühphase des Bürgerkriegs


1. Kein perfektes Staatswesen: Die Konföderierten Staaten von Amerika


Mit dem Austritt South Carolinas aus der amerikanischen Union am 20. Dezember 1860 war eine vollkommen neue politische Situation entstanden. Die anderen Südstaaten mussten sich entscheiden, ob sie dem vom traditionell radikalen South Carolina vorgezeichneten Weg folgen wollten oder ob sie es weiterhin mit der Union hielten. Insbesondere im oberen Süden fiel vielen die Entscheidung schwer, nicht nur aus ökonomischen Gründen, oder weil man Angst hatte, nur zu bald zum Schlachtfeld zu werden. Virginia war immerhin über Jahrzehnte der wichtigste Staat der Union gewesen, die amerikanischen Präsidenten waren lange von dort gekommen. Man sprach gar von einer Virginia Dynasty der Präsidenten. Mindestens ebenso wichtig war ein ganz anderes Problem, das in der Forschung unter dem Stichwort des Southern Nationalism behandelt wird. Gab es überhaupt so etwas wie ein gemeinsüdstaatliches Zusammengehörigkeitsgefühl, das über die reine Verteidigung der Sklavenhalterinteressen hinausging? Diese Frage ist außerordentlich schwer zu beantworten. Sicher, im Verlauf der verschiedenen politischen Streitigkeiten der Antebellumära war eine Art politischer Handlungsgemeinschaft der sklavenhaltenden Südstaaten entstanden. Aber diese gründete gerade im Primat der einzelstaatlichen Interessen und dem Festhalten an einer überkommenen, engen und nicht nationalstaatlichen Interpretation der gegebenen Verfassungsordnung. Nationalismus im Sinne des 19. Jahrhunderts war das kaum.

Dennoch entwickelte sich im Laufe der 1850er Jahre im tiefen Süden ein vage definiertes südstaatliches Eigenbewusstsein. Interessanterweise waren oft Frauen die Träger dieser Haltung, vermutlich weil sie aufgrund der antischwarzen Propaganda die Emanzipation der Sklaven am meisten fürchteten. Dieses südstaatliche Eigenbewusstsein, das mit dem Begriff Nationalismus gewiss nicht richtig getroffen ist, bildete die weltanschauliche Grundlage für die Ereignisse nach dem Dezember 1860.

Jetzt war in der Tat die Stunde der Feuerfresser gekommen. Robert Toombs, Yancey und die anderen Führer der Radikalen entwarfen absurde Schreckensszenarien und verkündeten, der Norden plane weitere Invasionen nach dem Vorbild von Harper’s Ferry, um die Sklaven zu befreien, gegen ihre ehemaligen Herrschaften aufzuhetzen, diese in einem Blutbad zu töten und anschließend eine Mischlingsrasse unter republikanischer Dominanz zu kreieren. Ein Klima der Angst und der Wut griff um sich. In weiteren Staaten wurden State Conventions einberufen und gewählt, wobei die Wahlen jedoch trotzdem noch kein schlüssiges Ergebnis zeitigten. Es wurde deutlich, dass die Wähler Breckinridges nicht automatisch auch Anhänger einer Sezession waren. Das Ergebnis mancher Bezirke war für die Feuerfresser alles andere als erfreulich. Eine Reihe von Politikern forderte, man müsse erst abwarten, was die neue Regierung überhaupt plane, ehe man das unkalkulierbare Risiko eines Krieges eingehe. Unter ihnen befand sich zu diesem Zeitpunkt noch Jefferson Davis, der wenige Monate später Präsident genau der Konföderation wurde, die er anfangs abgelehnt hatte. Überdies sperrten sich vereinzelt einflussreiche Amtsträger mit allen legalen Mitteln gegen eine Sezession. Allen voran bekämpfte der Gouverneur von Texas, Sam Houston, ein begeisterter Anhänger der Union, die neuerliche Unabhängigkeit seines Heimatstaates, der ja bereits von 1836 bis 1845 souverän gewesen war. Der alte Revolutionär machte sich in der Bevölkerung allerdings eher unbeliebt und wurde zum Amtsverzicht gezwungen, als er sich standhaft weigerte, auf die neue Republik seinen Amtseid zu leisten. Angesichts des unerwarteten Widerstands der Unionisten im Süden, zumeist frühere Whigs, oft auch Großgrundbesitzer, mussten die Feuerfresser ihre Zuflucht zu Wahlmanipulationen und Gewaltakten nehmen, um ihre Gegner daran zu hindern abzustimmen. Auf diese Weise gelang es ihnen, bis zum Februar 1861 Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und Texas auf die Seite South Carolinas zu bringen. Der komplette tiefe Süden, mit Ausnahme von Arkansas, das aber nur bedingt zu dieser Staatengruppe zählte, war damit aus der Union ausgetreten. Die Unabhängigkeitserklärungen der neuen Staaten ließen in ihren Begründungen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Den Sezessionisten war es vorrangig um den Erhalt der Sklaverei und der Rassenordnung des Südens zu tun, die sie als maßgeblich für das Überleben ihres traditionalen Lebensstils einstuften. Dies belegt noch einmal, dass in den USA der weltweite Kampf um den modernen nationalen Einheitsstaat durch die Sklavenfrage vollständig überformt worden war.

Rasch wurde klar, dass es nicht darum gehen konnte, die sieben Staaten des tiefen Südens einfach unabhängig voneinander existieren zu lassen. Am 4. Februar 1861 trafen sich daher ihre Delegierten in Montgomery, Alabama, um dort am 8. desselben Monats eine Konföderation zu bilden, deren provisorischer Präsident am 9. Februar ausgerechnet der zögerliche Jefferson Davis wurde. Als sein Vizepräsident fungierte Alexander H. Stephens, der ironischerweise seinen Namen von Alexander Hamilton, dem frühen Nationalisten, herleitete. Weder Davis noch Stephens waren im Vergleich zu Toombs oder Yancey Radikale, aber ihre Wahl geschah wohl trotz der aufgeheizten Atmosphäre aus einem gewissen Kalkül heraus, um die noch bei der Union verbliebenen Staaten des oberen Südens zu gewinnen. Zugleich konnte man es als Signal einer indes bestenfalls bedingten Kompromissbereitschaft an die Unionsregierung in Washington deuten. Schließlich waren beide erfahrene Unionspolitiker.

In einem ersten Schritt gab sich die Konföderation eine Verfassung, der man freilich anmerkte, dass sie mit heißer Nadel gestrickt war. In wesentlichen Teilen hatte man einfach die alte Unionsverfassung, auf deren Prinzipien man sich bei der Sezession ja berief, abgeschrieben, wenngleich mit ein paar bemerkenswerten Ausnahmen. In der Präambel zum Beispiel wurde die Passage «We, the People of the United States of America» in konsequenter Anwendung der Ideologie der Einzelstaatenrechte durch eine Betonung ebendieser ersetzt. Die Staatsgewalt ging nun auch formal nicht mehr vom gesamtstaatlichen Volk aus, sondern von den Einzelstaaten. Gleichzeitig wurde die Sklaverei ausdrücklich in der Verfassung abgesichert. Beides waren Resultate der weltanschaulichen Vorgaben der Sezessionisten gewesen. Allerdings ging man noch einige Schritte weiter. Insbesondere verbot die neue Verfassung explizit so ziemlich alles, was sich seit der Zeit Alexander Hamiltons an nationalisierenden Praktiken in der Verfassungswirklichkeit der Union ergeben hatte. Weder waren internal improvements, also Investitionen im Sinne einer Industrialisierung der Konföderation zulässig, noch wurde der Konföderationsregierung das Recht einer eigenen Fiskalpolitik gewährt, da Steuern und Zölle im Wirkungsbereich der Einzelstaaten verblieben. Dafür hob man die strikte Trennung zwischen Amt und Mandat auf. Amtsträger der Konföderation waren Mitglieder auch der Legislative, was ihnen theoretisch mehr Mitsprachemöglichkeiten in der politischen Arena eröffnete. Wieder entsprach die Theorie nicht der politischen Praxis. Die Administration von Davis und Stephens hatte es zeit ihrer vierjährigen Existenz allen Anstrengungen des konföderierten Präsidenten zum Trotz mit einer derartigen Fülle kleinlich-egoistischer Interessenpolitik der Einzelstaaten und rivalisierender Politiker zu tun, dass das konföderierte Staatswesen immer ein Torso blieb. Dazu trug das Fehlen eines stabilen Parteiensystems erheblich bei. Die Strukturen der Whigs und der Demokraten waren faktisch zusammengebrochen und existierten bestenfalls noch in Gestalt trauriger Trümmer vormaliger Größe. In einzelnen Staaten gab es de facto kein Zweiparteiensystem mehr, in manchen hatte es nie ein Parteiensystem gegeben. Vielfach waren die Parteien durch personale Beziehungsgeflechte ersetzt worden, was der Politik der Südstaaten strukturell ein gerüttelt Maß an Instabilität und Klüngel einbrachte. Das Vorbild lieferte South Carolina, das weder die allgemeine Fundamentalpolitisierung der USA noch die Tendenz zur Massenpartizipation mitgemacht hatte. Seit dem internen Kompromiss von 1808 zwischen den Großgrundbesitzern der Küstenregion und des Piedmont hatte man dort Politik als Geschäft unter aristokratischen Gentlemen und nicht als Parteipolitik gepflegt. Dessen ungeachtet sollte man die demokratischen Aspekte in der südstaatlichen Politik nicht außer Acht lassen. Seit dem 18. Jahrhundert hatten dort erst eine Mehrheit und dann alle weißen...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2020
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 19. Jahrhundert • Amerika • Geschichte • Industrialisierung • Konföderation • Krieg • Militär • Nordstaaten • Plantage • Politik • Sezession • Sklaven • Sklaverei • Staat • Südstaaten • Unabhängigkeit • USA • Verfassung • Wirtschaft
ISBN-10 3-406-74354-4 / 3406743544
ISBN-13 978-3-406-74354-2 / 9783406743542
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