Das Unwillkommene willkommen heißen (eBook)

Mit offenem Herzen Verletzungen, Traumata und Ängste überwinden

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
224 Seiten
Arkana (Verlag)
978-3-641-25801-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Unwillkommene willkommen heißen - Pema Chödrön
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Alles Gute beginnt mit einem offenen Herzen.
Die Welt ist im Aufruhr - angesichts von Umweltzerstörung, Gewalt und menschlichem Leid erleben wir Angst, Wut, Unsicherheit und Ohnmacht: Unsere Herzen werden eng. Wie können wir dennoch uns selbst und anderen gegenüber mitfühlend bleiben und denjenigen beistehen, die unsere Hilfe brauchen? Für Pema Chödrön, die weltberühmte Meditationslehrerin, ist die Praxis des Bodhicitta der beste Weg für ein neues menschlicheres Miteinander: Es gilt anzuerkennen, dass alle Wesen in ihrem Kern gut und liebevoll sind, aber auch Gefühle der Hilflosigkeit, des Unbehagens und der Verletzlichkeit kennen. Ihr Sein spiegelt unser Sein wider. Indem wir diesen Schritt gehen, werden wir mild und klug. Mutig und offenen Herzens können wir einander begegnen und das Glück erleben, das sich in wahrhaftiger Verbundenheit mit anderen einstellt.

Mit alltagsnahen praxiserprobten Meditationen und einer Tonglen-Praxis.

Pema Chödrön ist US-Amerikanerin und buddhistische Nonne in der Tradition des tibetischen Meditationsmeisters Chögyam Trungpa. Sie ist Leiterin des tibetischen Klosters Gampo Abbey auf der kanadischen Insel Cape Breton. Neben Ayya Khema zählt Pema Chödrön heute zu den bekanntesten buddhistischen Lehrerinnen der Welt. Wie diese wurde sie Mutter, bevor sie ihre Gelübde als Nonne ablegte und ist somit bestens sowohl mit dem weltlichen als auch dem geistlichen Leben vertraut.

1

Mit einem gebrochenen Herzen beginnen

Unser Ziel ist es, Herz und Geist vollständig zu erwecken, nicht nur, damit es uns selbst besser geht, sondern auch, um das Wohl anderer Lebewesen zu fördern und ihnen Trost und Weisheit zu vermitteln.

Gibt es eine bessere Motivation?

Wenn wir uns mit spirituellen Lehren beschäftigen, ist es sinnvoll zu wissen, was wir damit beabsichtigen. So könnten Sie sich beispielsweise fragen: »Wozu will ich dieses neue Buch mit dem ominösen Titel Das Unwillkommene willkommen heißen überhaupt lesen?« Lesen Sie es, weil Sie gern einige Anhaltspunkte hätten, wie Sie in diesen unsicheren Zeiten das Kommende durchstehen können? Lesen Sie es, um mehr über sich selbst zu erfahren? Hoffen Sie, dass Sie mithilfe dieses Buches bestimmte emotionale oder geistige Gewohnheitsmuster überwinden, die Ihr Wohlbefinden untergraben? Oder hat es Ihnen jemand voller Begeisterung gegeben, und jetzt wollen Sie denjenigen nicht dadurch verärgern, dass Sie es nicht lesen?

Ihre Motivation kann einige oder auch alle der genannten Punkte umfassen. Alle, auch der letzte, sind gute Gründe, dieses Buch – oder auch jedes andere Buch – zu lesen. Doch in der Tradition des Mahayana-Buddhismus, der ich angehöre, beginnen wir das Studium spiritueller Lehren damit, dass wir eine noch größere Motivation in uns hervorrufen: Bodhichitta. Sanskrit bodhi bedeutet »Erwachen« und chitta »Geist« oder »Herz«. Unser Ziel ist es, Herz und Geist vollständig zu erwecken, nicht nur, damit es uns selbst besser geht, sondern auch, um das Wohl anderer Lebewesen zu fördern und ihnen Trost und Weisheit zu vermitteln. Gibt es eine bessere Motivation?

Der Buddha hat gelehrt, dass wir alle im Wesenskern gut und liebevoll sind. Wegen dieses grundlegenden Gutseins haben wir ganz natürlich den Wunsch, für andere da zu sein, besonders für jene, die uns am nächsten stehen, und für diejenigen, die am bedürftigsten sind. Uns ist durchaus bewusst, dass andere Menschen uns brauchen, ebenso wie die Gesellschaft und der Planet als Ganzes – besonders jetzt. Wir wollen alles in unserer Macht Stehende tun, um Angst, Wut und diese leidvolle Bodenlosigkeit, dieses Gefühl der Haltlosigkeit und Unsicherheit, zu lindern, die heutzutage so viele von uns empfinden. Doch oft, wenn wir versuchen zu helfen, stellen wir fest, dass uns unsere eigene Verwirrung und unsere gewohnheitsmäßigen Neigungen im Weg stehen. Äußerungen wie die folgende habe ich so oder so ähnlich schon gehört: »Ich wollte gefährdeten Jugendlichen helfen, also habe ich studiert, eine Ausbildung gemacht und bin in die Sozialarbeit gegangen. Nach zwei Tagen im Job hasste ich die meisten Kinder! Mein erstes Gefühl war: ›Ich würde am liebsten all diese Kids loswerden und ein paar nettere finden, die auch wirklich mit mir zusammenarbeiten!‹ Und da wurde mir klar, dass ich zuerst vor meiner eigenen Tür kehren musste.«

Bodhichitta, das Herz des Erwachens, beginnt mit dem Wunsch, frei von allem zu sein, was uns daran hindert, anderen zu helfen. Wir sehnen uns danach, verwirrte Gedanken und Gewohnheitsmuster, die unser grundlegendes Gutsein verdecken, loszuwerden, damit wir nicht mehr so oft automatisch reagieren, uns weniger fürchten und nicht so sehr unseren alten Eigenarten verhaftet sind. Uns wird klar, dass wir uns in dem Maße, wie wir unsere Neurosen und Gewohnheiten überwinden, besser auf Jugendliche, unsere Familienmitglieder, die Gemeinschaft oder Fremde, denen wir begegnen, einlassen können. Vielleicht sind wir innerlich immer noch stark emotional aufgewühlt und reagieren heftig, aber wenn wir wissen, wie wir mit diesen Emotionen umgehen, ohne in unsere üblichen Verhaltensmuster zu verfallen, sind wir in der Lage, für andere da zu sein. Und selbst wenn wir nicht die Möglichkeit haben, maßgeblich zu helfen, spüren andere, dass wir sie unterstützen wollen, und auch das ist sehr hilfreich.

Bodhichitta beginnt zwar mit diesem Wunsch, endet aber nicht damit. Bodhichitta ist auch eine Verpflichtung. Wir verpflichten uns, alles Notwendige zu tun, um uns vollständig von all unseren verschiedenen Formen der Verwirrung, der unbewussten Gewohnheiten und des Leidens zu befreien, denn sie hindern uns daran, voll und ganz für andere da zu sein. In der Sprache des Buddhismus besteht unsere oberste Verpflichtung darin, »Erleuchtung« zu erlangen. Im Wesentlichen bedeutet das, uneingeschränkt zu wissen, wer wir wirklich sind. Wenn wir erleuchtet sind, erwachen wir zu unserer tiefsten Natur, und das heißt: Wir haben ein von Grund auf offenes Herz, sind aufgeschlossen und für andere da. Dass es so ist, wissen wir dann ohne jeden Zweifel, ein für alle Mal. In diesem Zustand verfügen wir über sehr große Weisheit und Fähigkeiten, die wir zum Wohle anderer einsetzen und mit denen wir ihnen helfen können, ihrerseits vollständig zu erwachen.

Um unsere Bodhichitta-Verpflichtung einzuhalten, müssen wir alles in Erfahrung bringen, was es über unser Herz und unseren Geist in Erfahrung zu bringen gibt. Das ist eine große Aufgabe. Dazu gehört sicherlich, dass wir Bücher lesen, Lehren hören, das, was wir lernen, eingehend betrachten und darüber nachsinnen. Wir erfahren auch viel über uns selbst, wenn wir regelmäßig eine einfache Sitzmeditation praktizieren. Am Ende des Buches finden Sie daher auch eine Meditationstechnik, die Sie überall anwenden können. Zu guter Letzt sollten wir unser zunehmendes Wissen erproben und klären, indem wir es auf unser Leben und die Situation, in der wir uns normalerweise befinden, anwenden. Wenn Bodhichitta die Grundlage unserer täglichen Lebensführung wird, ist alles, was wir tun, bedeutungsvoll. Dann empfinden wir unsere Existenz als unglaublich reich. Deshalb ist es sinnvoll, sich Bodhichitta so oft wie möglich in Erinnerung zu rufen.

Manchmal entsteht die wunderbare Bodhichitta-Motivation leicht. Wenn wir jedoch ängstlich oder mit unseren eigenen Sorgen beschäftigt sind, wenn uns das Vertrauen fehlt, dann haben wir möglicherweise den Eindruck, Bodhichitta sei für uns nicht erreichbar. Wie können wir in solchen Zeiten wieder Zuversicht finden und das mutige Verlangen in uns hervorrufen, zum Nutzen anderer zu erwachen? Wie können wir unseren Geist bewusst in eine andere Richtung lenken, wenn er sich klein fühlt?

Mein Wurzellehrer Chögyam Trungpa Rinpoche hat mich eine Methode zur Transformation des Geistes gelehrt, die ich immer noch anwende: Rufen Sie sich eine erschütternde Vorstellung, Geschichte oder Begebenheit in Erinnerung, etwas, das Betroffenheit in Ihnen auslöst und Sie mit den Nöten des Menschseins in Kontakt bringt. Vielleicht wurde bei jemandem, der Ihnen wirklich am Herzen liegt, kürzlich Krebs oder eine degenerative Erkrankung (zum Beispiel Alzheimer oder Parkinson) diagnostiziert. Oder ein Ihnen nahestehender Mensch, der früher Drogen- oder Alkoholprobleme hatte, aber seit Langem »trocken« ist, hat gerade einen Rückfall gehabt. Oder vielleicht hat eine gute Freundin einen großen Verlust erlitten. Vielleicht haben Sie etwas Trauriges gesehen, als Sie im Supermarkt eingekauft haben, zum Beispiel eine Auseinandersetzung zwischen einem Elternteil und einem Kind, die Sie sehr mitgenommen hat. Oder Sie denken an die obdachlose Frau, die Sie immer auf dem Weg zur Arbeit sehen. Vielleicht macht Sie auch etwas betroffen, das Sie gerade in den Nachrichten gesehen haben, wie zum Beispiel der Bericht über eine Hungersnot oder über eine Familie, die abgeschoben wurde.

Trungpa Rinpoche zufolge besteht der Weg, Bodhichitta zu erwecken, darin, »mit einem gebrochenen Herzen zu beginnen«. Uns vor Leid zu schützen – unserem eigenen und dem anderer – hat noch nie funktioniert. Jeder will frei von Leid sein, aber die Mehrheit bemüht sich auf eine Art und Weise darum, die es nur noch schlimmer macht. Denn uns vor der Verletzlichkeit aller Lebewesen, einschließlich unserer eigenen, abzuschirmen, schottet uns auch davor ab, das Leben in seiner ganzen Fülle zu erfahren. Unsere Welt schrumpft. Wenn unser Hauptziel darin besteht, Angenehmes haben und Unangenehmes vermeiden zu wollen, fühlen wir uns mit der Zeit von anderen getrennt und sogar bedroht. Wir hüllen uns in ein Netz der Angst ein. Und wenn viele Menschen und Länder so an die Dinge herangehen, entsteht eine chaotische globale Situation mit viel Leid und Konflikten.

So viel Mühe darauf zu verwenden, unser Herz vor Leid zu schützen, verletzt uns immer wieder aufs Neue. Selbst wenn wir erkennen, dass diese Gewohnheit uns nicht hilft, ist sie schwer zu durchbrechen. Es ist eine natürliche menschliche Neigung. Wenn wir jedoch Bodhichitta hervorbringen, gehen wir gegen diese Neigung an. Statt zurückzuscheuen, bringen wir den Mut auf, uns selbst und die Welt direkt anzusehen. Statt uns von bestimmten Phänomenen einschüchtern zu lassen, können wir allmählich alle Aspekte unseres unerschöpflich reichen Lebens annehmen.

Wir können mit Bodhichitta in Berührung kommen, indem wir uns einfach erlauben, unsere rohen, unverstellten Gefühle zu spüren, ohne uns in Gedanken und Geschichten über sie hineinziehen zu lassen. Wenn ich mich zum Beispiel einsam fühle, kann ich zwar in Selbstvorwürfe verfallen oder mir vorstellen, wie schön es wäre, jemanden zu haben, mit dem ich Zeit verbringen kann. Aber ich habe auch die Möglichkeit, diesem Gefühl der Einsamkeit einfach nachzuspüren und zu entdecken, dass Bodhichitta genau dort ist: in meinem eigenen verletzlichen Herzen. Ich kann mir bewusst machen, dass sich meine Einsamkeit nicht von der Einsamkeit aller anderen Menschen auf...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Übersetzer Claudia Seele-Nyima
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Welcoming the unwelcome
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Östliche Weisheit / Alte Kulturen
Schlagworte Ablehnung • Bodhichitta • Buddha • Buddhismus • Corona • Dharma • eBooks • emotionale Verbundenheit • Existenzangst • Jack Kornfield • Klimakatastrophe • Mitgefühl • spirituelle Bücher • Umgang mit Herausforderungen • Unsicherheit
ISBN-10 3-641-25801-4 / 3641258014
ISBN-13 978-3-641-25801-6 / 9783641258016
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