Vom Harz über den Thüringer Wald (eBook)
156 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8448-4097-1 (ISBN)
Dr. Florian Genrich, Diplom-Chemiker, geb. 1980 in Niedersachsen.
Etappe 1: Clausthal-Zellerfeld – Herzberg/Pöhlde
Harz → Thüringer Wald; Montag, 01. September 2008
GS → OHA
Landkreis Goslar → Landkreis Osterode am Harz
Niedersachsen / Vom Oberharz ins südliche Harzvorland
Die Strecke: Clausthal (600 m ü.NN) → Buntenbock → Lerbach über Kunzenloch → Harzer-Hexenstieg → Osterode am Harz (220 m ü.NN) → Karstwanderweg → Teufelslochwiesen → Hörden am Harz → Herzberg am Harz (240 m ü.NN) → Pöhlde (210 m ü.NN).
Distanz: 35 km
Unterwegs: 10:15 – 19:00 Uhr, 8 h 45 min, 4.0 km/h
Das Wetter: Durchwachsen, bewölkt, schwül, teils Nieselregen, überwiegend trocken.
Um 7:00 Uhr klingelt in der Osteröder Straße in Clausthal-Zellerfeld der Wecker. Ein Blick aus dem Fenster: Blauer Himmel, vereinzelt kleine Schäfchenwolken. Das Wetter hält sich vorerst nicht an die Vorhersage, die Gewitter und Niederschläge prophezeit hatte.
Ich will! Und dennoch kann es vorerst nicht losgehen. Ein angeschlagener Gesundheitszustand in der gesamten letzten Woche; seit Montag Antibiotika und abends früh schlafen. Ich sitze im Wartezimmer der Arztpraxis des Clausthaler Krankenhauses und warte auf den „Freifahrtschein“. Ein letzter Check; die Ärztin gibt grünes Licht: „Ihre Lymphbahnen sind abgeschwollen, keine Röte mehr zu sehen. Sie wollen heute eine Tour starten, ja? Da spricht eigentlich nichts dagegen. Haben Sie denn eine Bordapotheke dabei?“
„Ja, Aspirin oder Paracetamol, was ist besser?“
„Paracetamol! Ist besser magenverträglich, wirkt aber genauso gut. Dann können Sie ja immer mal was zur Entzündungshemmung nehmen.“
So spute ich mich, laufe zurück nach Hause, werfe die letzten Kleinigkeiten in den ansonsten bereits gepackten Rucksack und stiefele die Treppenstufen hinunter. Auf dem Hinterhof verabschiede ich mich von meinen Nachbarn, die am letzten Wochenende gerade Goldene Hochzeit gefeiert haben. Man gibt mir zu hören: „Lassen Sie sich nicht wegfangen nachts im Wald mit Ihrem Schlafsack und der Isomatte, Herr Genrich, und alles Gute für den Weg!“ Es ist 10:15 Uhr und kann endlich losgehen – ein lang ersehnter Traum wird wahr!
Die knapp 20 kg Marschgepäck geschultert, marschiere ich die Osteröder Straße hinauf und halte mich vom Schützenplatz aus über die Bergwiesen südlich. Durch das Wäldchen und über eine weitere Bergwiese erreiche ich auf dem Hasenbacher Weg Buntenbock, den dritten Stadtteil der Bergstadt Clausthal-Zellerfeld. Ich bestaune das zugleich filigrane aber überaus mächtige Hildesheimer Haus. Ein prächtiges hölzernes Bauwerk, ganz im Harzer Stil.
Buntenbock weist im Gegenteil zu Zellerfeld und Clausthal, den vereinigten Zwei, der ehemals sieben freien Oberharzer Bergstädte, eine andere Entstehungsgeschichte auf. Die Bezeichnung Bergstadt leitet sich von Bergbau ab; und es waren überwiegend Menschen aus dem Erzgebirge die in den Harz übersiedelten, was sich bis heute in der Oberharzer Mundart niederschlägt. In Buntenbock jedoch sollen es keine Bergleute gewesen sein. Die frühen Bewohner dieser Ortschaft stammten aus dem benachbarten Lerbach, aus Osterode und dem südlichen Harzvorland; es waren überwiegend Fuhrleute. Seit der Kreisgebietsreform von 1972 gehört der 750 Seelen-Ort Buntenbock zur rund 15.000 Einwohner starken Oberharzer Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld im niedersächsischen Landkreis Goslar.
Der Himmel ist mittlerweile bedeckt; es beginnt zu nieseln. Ich steige in den Wald auf, spanne an der ersten Bank die Regenschutzhülle über meinen Rucksack sowie das daran verzurrte Marschgepäck und ziehe die Regenjacke über. Der Wegweiser des Neuen Wegs zeigt praktischerweise genau auf die Mitte der Gabelung. Ich entscheide mich für links und komme in den Genuss – entgegen der Planung – durch das Kunzenloch nach Lerbach zu wandern. Auf den breit geschotterten Wegen, rechts und links dichter Fichtenwald, geht es zügig voran. Ich schwitze, versuche aber meinen Hals zugfrei zu halten, was mir nicht sonderlich gut gelingt.
Unterwegs begegne ich einem Mann, der auf einem Quad mit Osteroder Kennzeichen daher gebraust kommt. Mit einem Zollstock bewaffnet, beklettert er einen Hochsitz. Vorbei an einer größeren Freizeitanlage samt Freibad, Sportplätzen und Gastronomie erreiche ich Lerbach. Auf dem Hegemaxweg steige ich am Waldrand an, hinauf zum Kopf eines Skilifts. Über steile Bergwiesen eröffnet sich mir der Blick ins Tal. Eine Mulde wie ein V, rechts und links ziehen sich die von Nadelwald bewachsenen Hänge gen Himmel empor. Das erste Picknick in der hölzernen Schutzhütte mit Ausblick steht an; Urlaubsgefühle kommen auf.
Ich setze meinen Weg auf dem Harzer Hexenstieg fort. Auf äußerst breit gebahnten Wegen geht es voran. An Körnigs Ecke blicke ich weit ins Südharzer Vorland. Die ausgesprochen hügelige Karstlandschaft ist geprägt von den steilen Abbrüchen der Gipsfelsen.
Ein Geländewagen hält auf meiner Höhe. Die Scheibe wird herunter gekurbelt, der Motor verstummt. „Na, noch die letzten Kilometer nach Hause? Osterode ist ja nicht mehr weit! Sie kommen sicher von Thale, oder?“ Der ältere Mann denkt, ich wäre auf dem Fernwanderweg Harzer Hexenstieg von Thale nach Osterode unterwegs.
„Nein, heute ist erst meine erste Etappe, ich komme aus Clausthal.“
„Ach so, und wo wollen Sie noch hin?“
„Zum Thüringer Wald und über den Rennsteig, heute aber erstmal bis Pöhlde.“
Ein langes Gesicht: „Was, so weit? Das macht man doch aber nicht unvorbereitet, das kann ja gefährlich werden.“
„Sicher, aber ich geh ja auch nicht zum ersten Mal wandern. Sind Sie der Förster hier?“
„Nein, ich habe da oben eine Schafherde, jetzt fahr ich aber erstmal Mittag essen. Sie schwitzen aber ganz schön. Ich hoffe das Wetter hält sich. Heute regnet es bestimmt noch, was machen Sie denn dann?“
„Zur Not zieh ich meine Regenhose auch noch an“, erwidere ich.
„Dann schwitzen Sie ja noch mehr!“
Wo er Recht hat, hat er Recht.
Am Waldrand habe ich das erste Harzpanorama vor meinen Augen. Wie Schatten ihrer selbst wirken die langen Bergketten im Dunst. Schließlich erreiche ich Osterode und somit das Ende des Hexenstiegs. Osterode am Harz ist mit 24.000 Einwohnern Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises, gelegen am südwestlichen Harzrand. Ich stehe auf einer Brücke und studiere meine Wanderkarte. Ein Radfahrer hält und fragt freundlich, ob er mir weiterhelfen könne. Ich frage nach dem kürzesten Weg zum Karstwanderweg. Er sagt, ich müsse am besten durch das Zentrum wandern. Ich marschiere weiter und verliere gefühlt ziemlich viel Zeit durch Umherirren auf der Suche nach diesem verfluchten Karstwanderweg, von dem ich mir so einiges mehr versprochen habe. Ich beginne an mir selbst zu zweifeln, entscheide mich dann aber einfach dafür, der Nordhäuser Straße zu folgen. Nordhausen liegt östlich, das klingt vielversprechend. Vorbei an den Kreisverkehrsbetrieben und durch ein Gewerbegebiet. Ich halte mich bei der ersten Gelegenheit rechts, denn ich möchte weiter nach Süden gelangen, um näher an der Schnellstraße zu sein, die einmal am Südharzrand entlang führt. Parallel zu dieser nämlich, verrät meine Karte, verläuft vorerst der Karstwanderweg. Ich folge dem Straßenverlauf und schwitze unheimlich unter der Last meines Rucksacks. Der Stress des Umherirrens und die daraus resultierende Eile leisten ihr Beiwerk. Am Ende lese ich ganz unerwartet, den ersten Wegweiser des ersehnten Wanderweges. Uff! Ich begebe mich ins Grüne, indem ich ihm folge. Völlig fertig und durstig hiefe ich mich und mein Gepäck auf einen abgesägten, riesigen Baumstumpf, verschnaufe, trinke in großen Schlucken und esse. Gut gestärkt kann es weitergehen.
Ich erreiche die Teufelslochwiesen und passiere eine Herde Harzer Rotvieh. Der Weg führt rechts in Richtung Schnellstraße, die nicht zu überhören ist. Der Schotter geht in Asphalt über und ich bewege mich parallel zu den Bahngleisen der Strecke Osterode – Herzberg. Große Wiesen, dahinter Laubwald, ansonsten nur der erbarmungslose Asphalt. Es geht eine ganze Weile weiter ostwärts, dann muss ich nach rechts einer kleinen Straße folgen. Unter der Schnellstraße hindurch, links entlang einer Landstraße, dann deutet das Schild des Karstwanderwegs einen überwucherten Grasweg hinauf. Es soll das letzte Mal gewesen sein, dass ich heute seine Beschilderung erspähen kann. Habe ich jemals ein Loblied auf diesen Wanderweg gesungen? Ich nehme alles zurück! Autolärm, viel Asphalt, katastrophale Beschilderung, Entfernungsangaben gibt es generell nicht, und schließlich hören die Schilder einfach auf. Am liebsten hätte ich den Weg verflucht. Nein ein guter Wanderweg ist etwas anderes.
Von Clausthal nach Buntenbock
Durch Buntenbock
Hildesheimer Haus
Ortsausgang Buntenbocks in die südlichen Wälder
Bergwiesen und Täler am südlichen Harzrand oberhalb von Lerbach
Körnigs Ecke: Blick vom Harzer Hexenstieg oberhalb Osterodes nach Süden 19
Harzer Rotvieh auf den Teufelslochwiesen
Von Osterode nach Hörden
Von Hörden nach Herzberg
Harzblick vor Herzberg
Wie...
Erscheint lt. Verlag | 29.9.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
ISBN-10 | 3-8448-4097-4 / 3844840974 |
ISBN-13 | 978-3-8448-4097-1 / 9783844840971 |
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