Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag am 29. Oktober 2008 (eBook)
630 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-89949-552-2 (ISBN)
This commemorative publication is dedicated to Gerhard Fezer, the distinguished criminal trial law professor, in honor of his 70th birthday.
Inhalt 7
Geleitwort 11
Fernwirkungen des § 148 StPO – Ein Plädoyer wider den „gläsernen Strafverteidiger“ 17
Kritik der Vorratsdatenspeicherung 33
Zwischenhaft, Organisationshaft 49
Kernbereichsmystik im Strafverfahren 75
Verkehrsdaten in der Strafverfolgung 101
Die Form der Vernehmung des Angeklagten zur Sache 129
Videoaufzeichnung der Hauptverhandlung – notwendige Reform oder Irrweg? 149
§ 257 Abs. 3 StPO – Eine überflüssige Norm 167
Zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts bei Erweiterung des § 120 Abs. 2 GVG nach Eröffnung des Hauptverfahrens 177
Zeugenschutzprogramme und Wahrheitsermittlung im Strafprozess 207
Plädoyer für die Streichung der Vorschriften über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 225
Zur strafprozessualen Verwertbarkeit von im Ausland abgelegten Geständnissen 241
Strafprozessuale Beweisstrukturen 257
Strafprozessuale Verwertung selbstbelastender Angaben im Verwaltungsverfahren 281
Der blinde Fleck 303
Die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung – ein Instrument zur Relativierung unselbständiger Verwertungsverbote? 325
Die erweiterte Revision in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 347
Wandel der Revision als Ausdruck geistigen und gesellschaftlichen Wandels 367
Beweis als Rechtsbegriff und seine revisionsrechtliche Kontrolle 407
Der befangene Revisionsrichter 427
Wie absolut sind die absoluten Revisionsgründe? 449
Zum Verhältnis von Tatrichter und Revisionsrichter 469
Verteidigung am revisionsgerichtlichen Pranger? 491
Quo vadis, Strafverfahren? 509
„Regulierte Selbstregulierung“ in der Strafjustiz? 545
Absehen von der Strafe und Absehen von der Strafverfolgung 557
Zur Kritik des amerikanischen Strafprozessmodells 569
Neuere Fragen zur Privatklage und zum Adhäsionsverfahren 591
Strafrecht und Berufsrecht 601
Verzeichnis der Schriften von Gerhard Fezer 619
Autorenverzeichnis 629
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"Es handelt sich um eine sehr lesenswerte Festschrift, deckt sie doch in ihrer Themenbreite die verschiedensten Aspekte des Strafprozessrechts ab. Sie gehört in jede rechtswissenschaftliche Bibliothek und ist auch Praktikern zu empfehlen, die mit dem Strafprozessrecht zu tun haben."
Christian Schröder in: Goltdammer's Archiv für Strafrecht 10/2011
"Die Aufsätze sind weit über den Tag hinaus von Bedeutung und werden auch in Zukunft die Diskussion über die Rechtsstaatlichkeit von strafprozessualen Handlungen beeinflussen."
In: www.juristische-bibliothek.de/Februar 2010
II. Die Entwicklung der beiden Absehensmöglichkeiten in ihrer Verschränkung (S. 544-545)
Die Figur des Absehens von Strafe tauchte erstmals im Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909 auf (§ 83). Die Begründung des Entwurfs hatte Mühe, diese Regelung zu erläutern. Trotz aller Sorgfalt bei der Formulierung der Tatbestände der einzelnen Delikte lasse es sich nicht ausschließen, dass in außergewöhnlich gearteten Fällen zwar die Begriffsbestimmung, nicht aber der Gedanke und Zweck des Gesetzes zutreffe, so dass die im Gesetz vorgesehene Strafandrohung als eine Härte empfunden werde. Solche Fälle ergäben Verurteilungen, die als unbillig angesehen würden und die öffentliche Meinung gegen die Rechtspflege verstimmten.
Die Begründung warnte vor der Gefahr einer Verschiebung der Aufgaben des Gesetzgebers und des Richteramts und der Zulassung einer richterlichen Willkür. Eine zu weit gehende Durchbrechung des Legalitätsprinzips könne nur durch eine Begrenzung auf Fälle vermieden werden, wo die besondere Art des gesetzlichen Tatbestandes es erfahrungsgemäß gestatte, weil unter ihn auch so geringfügige und entschuldbare Taten fallen könnten, dass eine Straflosigkeit vom Standpunkt der Prävention nicht schädlich erscheine.
Dem entsprechend wurde die Möglichkeit des Absehens von Strafe auf bestimmte Tatbestände beschränkt und auch hierbei noch verlangt, dass ein besonders leichter Fall vorliege, nämlich die Folgen der Tat unbedeutend seien und der verbrecherische Wille des Täters nur gering und nach den Umständen entschuldbar erscheine. Darüber hinaus wurde das Absehen von Strafe nur in der schwachen Form einer Kann-Bestimmung (in dem damaligen autoritären Stil „darf“) und überdies neben der Alternative einer Strafmilderung gewährt, so dass offen blieb, welche Kriterien neben der fehlenden Bedeutung der Folgen und dem geringen verbrecherischen Willen des Täters maßgeblich sein sollten.
Diese Ausgestaltung sollte für die Zukunft maßgeblich bleiben. Dabei ging der Entwurf davon aus, dass in diesen Fällen auch die Verfolgung unterbleiben dürfe, weil die Vorschrift sonst ihren Wert zum großen Teil verlieren würde.3 In den Entwürfen von 1913 und 1919 wurde die Möglichkeit des Absehens von Strafe noch erweitert, u. a. auf die Berichtigung einer uneidlichen Falschaussage (§ 225 E 1919), die erstmals unter Strafe gestellt werden sollte, und zwar nicht aus einer punitiven Tendenz heraus, sondern weil man schon damals den Gebrauch des Eides vor Gericht reduzieren wollte.4 Hier wurde erstmals das Absehen von Strafe bei einer tätigen Reue vorgesehen.
Ob und unter welchen Umständen in diesen Fällen schon die Strafverfolgung unterbleiben dürfe oder müsse, sei eine strafprozessuale Frage, deren Lösung dem Einführungsgesetz oder einer Neuordnung des Strafverfahrens vorbehalten sei.5 Bemerkenswert erscheint noch, dass der Vorentwurf von 1909 in allen Fällen des besonders leichten Versuchs ein Absehen von Strafe zulassen wollte (§ 76 Abs. 3), dadurch werde eine besondere Bestimmung über die Straflosigkeit eines aus Unverstand begangenen oder abergläubischen Versuchs überflüssig!
Durch die Emminger-Verordnung vom 4.1.1924 wurde dann in der Strafprozessordnung die Möglichkeit vorgesehen, dass die Staatsanwaltschaft in leichten Fällen von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen konnte (§ 153 StPO). Hierdurch wurde die in den Strafgesetzbuch-Entwürfen vorgesehene Regelung des Absehens von Strafe völlig überrollt, da die Voraussetzungen des Absehens von der Verfolgung fast genauso formuliert waren wie die des geplanten Absehens von Strafe: geringe Schuld des Täters und unbedeutende Folgen der Tat. Allerdings war eine Zustimmung des Gerichts erforderlich. Grund für diese Regelung war vor allem die durch die Reparationen und die Inflation bedingte finanzielle Not des Staates. Gleichwohl verfolgten die Strafgesetzbuchentwürfe die Figur des gerichtlichen Absehens von Strafe weiter und schoben das Verhältnis dieser Figur zu § 153 StPO dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch zu.
Erscheint lt. Verlag | 13.3.2009 |
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Zusatzinfo | 1 Frontispiz |
Verlagsort | Berlin/Boston |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► EU / Internationales Recht |
Recht / Steuern ► Strafrecht ► Strafverfahrensrecht | |
Schlagworte | Strafprozessrecht • Strafrecht |
ISBN-10 | 3-89949-552-7 / 3899495527 |
ISBN-13 | 978-3-89949-552-2 / 9783899495522 |
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