Monster (eBook)

Das chinesische Märchen vom Drachen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
258 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-3286-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Monster -  Ulrich Seibert
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Die Medien und das BKA nennen ihn nur "das Monster". Denn, so sagen sie, er sei in der Lage, allein mittels der Kraft seiner Gedanken Menschen zu töten - und: Er, über dessen Identität oder Aussehen nichts bekannt ist, sei der Anführer der mächtigsten und gefährlichsten kriminellen Vereinigung in West-Europa. Inga Erdem und Edgar Huber, Journalisten bei einer führenden deutschen Tageszeitung, glauben zunächst an einen Kollegenscherz, als das "Monster", sie zu einem Exklusiv-Interview einlädt. Doch es stellt sich schnell heraus, dass hinter dem Mythos eine reale Person steckt. Doch durch ihre Tätigkeit geraten sie selbst in den Fokus von Bundeskriminalamt und Medien. Sie begeben sich auf eine unfreiwillige und risikoreiche Reise um die Fragen: Was ist Wahrheit, was Lüge? Wer ist Täter, wer Opfer? Wer oder was sind ... wir selbst?

Ulrich Seibert hat Betriebswirtschaftslehre studiert und lange Jahre u.a. im Einzelhandel gearbeitet. Zum Schreiben kam er durch eine Auftragstätigkeit für einen Musikverlag, dem eine Harry-Potter®-Fanfiction für seinen Sohn folgte, bei der dieser selbstverständlich die Hauptrolle spielte. Das Handwerk des Schreibens von Belletristik erlernte er in einer Schreibgruppe, die sich der Fanfiction einer populären Weltraum-Saga verschrieben hatte. Erst Jahre später wagte er sich an seinen ersten eigenen Roman, der allerdings bis jetzt unveröffentlicht geblieben ist. Mittlerweile sind diverse Romane (darunter die Reihe "Secrets of the Ne'arin" - JustTales Verlag, Bremen), Kurzgeschichten, ein Reisetagebuch und auch Sachbücher erschienen. In den letzten Jahren konzentrierte Seibert sich mehr auf die Arbeit beim Rundfunk, als eines seiner Bücher ("Die Diktatur des Monetariats") in eine Sendereihe transformiert wurde, die seit Januar 2021 monatlich ausgestrahlt wird. Mit seiner Familie lebt er in Germering bei München.

2 Kommunikationsraum


Wie angewiesen, saßen Inga und Edgar auf dem schwarzen Sofa neben der Tür. Nur noch wenige Minuten und sie wären mit dem berüchtigtsten Gangster von ganz Europa allein in einem Raum, auf der einen Seite quasi nackte Reporter ohne auch nur das kleinste bisschen Handwerkszeug, auf der anderen Seite ein Mann, wahrscheinlich bewaffnet, der dafür bekannt war, mit einer Geste seiner Hand zu töten, wenn ihm die Nase seines Gegenübers nicht gefiel. Ja, es gab schon einen Grund dafür, dass Edgar seine Nervosität so intensiv fühlte, ach was, noch weitaus intensiver fühlte als vor seiner allerersten Präsentation in einer Redaktionskonferenz. Inga schien sich gefangen zu haben, sie wirkte ruhig und aufgeräumt.

„Hier, vergessen Sie nicht, das hier zu unterschreiben.“ Die Blonde reichte Inga ein Klemmbrett samt Kugelschreiber. Edgar beugte sich zu ihr, um das darauf festgeklemmte Papier lesen zu können. „Haftungsfreistellung“ stand in der Überschrift. Edgar hatte darauf verzichtet, Lesebrille oder Kontaktlinsen mitzunehmen, also kniff er die Augen zusammen, um den Text erkennen zu können. Da stand etwas von „freiwillig“, von „sich der Gefahr bewusst“, von „provokanten Fragen“ und von „Todesfolge“. Hatte der Typ ein Rad ab? Sollte er dem „Monster“ etwa einen Freibrief ausstellen, sie umzubringen, wenn er eine Frage stellte, die der Herr missbilligte? Also, das war doch die Höhe! Doch bevor er Inga seine Ansicht dazu mitteilen konnte, hatte sie schon den Stift genommen und an der vorgesehenen gepunkteten Linie unterschrieben.

Sie lächelte ihn mit einem ihrer jedermann entwaffnenden Lächeln an. „Wer A sagt, muss auch B sagen. Ist nichts Anderes als das, was du in jedem Krankenhaus vor einer Operation unterschreiben musst.“

„Na, du bist gut …“

„Jetzt mach schon, ich will das hier hinter mich bekommen.“

Edgar riss ungläubig die Augen auf, schluckte und setzte dann seine Unterschrift auf die andere Linie. Hoffentlich würde Ingas Lächeln im Notfall auch beim „Monster“ entwaffnend wirken. Die blonde Maskierte nahm das Klemmbrett mit einem hämischen Grinsen an sich, sie verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Jetzt war es richtig dunkel hier drinnen. Das wenige Licht schien von Lampen, die unten an den Zimmerwänden entlang in den Boden eingelassen waren, zu kommen und, da es im Wesentlichen schwarzen Stoff anleuchtete, nicht wirklich Helligkeit zu spenden.

„Du wirkst ziemlich ruhig“, raunte Edgar Inga zu.

„Dein Argument war ziemlich überzeugend“, entgegnete sie. „Dieser Huángdì will etwas von uns. Der ganze Aufwand, den er betrieben hat, wäre doch völlig für die Katz, wenn er uns nicht wieder unversehrt gehen lassen würde.“

„Wozu dann diese Haftungsfreistellung? Ich muss schon sagen, so etwas ist mir in meiner ganzen Laufbahn noch nicht untergekommen.“

„Er will sich halt absichern in seiner sehr speziellen Position. Stell dir vor, er bietet dir etwas zu Essen an, du verschluckst dich vor lauter Nervosität, erstickst und das in der Gegenwart eines der meistgesuchten Männer Europas. Das würde man ihm doch sofort als Mord anlasten, oder? Mach dir keine Gedanken, wir ziehen das jetzt durch und fertig.“

„Deine Nerven möchte ich haben. Und ich dachte, ich wäre der coolere von uns beiden.“

Inga grinste ein wenig. „Danke. Was willst du ihn denn alles fragen?“

Edgar stieß ein undefinierbares Geräusch aus. „Weißt du, Inga, ich habe nicht das Gefühl, dass das in unserer Hand liegt. Erst mal müssen wir wohl herausfinden, welche Art von Fragen überhaupt als zulässig erachtet werden beziehungsweise nicht als provokant aufgefasst werden. Also, ich werde ihn nicht danach fragen, wie viele Leute er in seinem Leben schon umgenietet hat – oder umnieten hat lassen –, denn ich habe durchaus Lust, mein Leben noch ein klein wenig weiterzuleben. Ich denke auch nicht, dass der ‚Boss‘ davon ausgeht, dass wir in dem Interview heute alles das, was er mitteilen möchte, erschlagen können. Aber wir werden sehen.“

„Was denkst du denn, was er von uns will?“

„Was will jemand schon von der Presse? Seine Sicht der Dinge unter die Leute bringen, natürlich. Gut in der Öffentlichkeit dastehen, eine Imageverbesserung. Werbung für ein Projekt. Das Übliche halt. Aber was es auch sein mag, es ist nichts Triviales, für eine Verlobungsanzeige hätte er sich auch an einen x-beliebigen Redakteur oder an die Anzeigenabteilung wenden können. Nein, da steckt irgendetwas Ungewöhnliches dahinter und das Ergebnis soll sicher kein 20-Zeiler werden.“

„Hm, ja, klingt nicht unplausibel, was du sagst. Schau mal, ich glaube, der Bildschirm in der Ecke wurde soeben eingeschaltet.“

Edgar folgte ihrem Zeigefinger, in der Tat hatte der Bildschirm, der an der Decke befestigt war, nun einen etwas erhellten Rand, ein Bild wurde allerdings noch nicht angezeigt. Dafür drang düstere, unheilvoll anmutende Musik nun aus den Lautsprechern des Geräts, Musik, die ihn an das Darth Vader-Thema aus Star Wars erinnerte. Nicht unpassend.

„Das ist ‚Mars‘ aus der Planeten-Suite von Gustav Holst“, flüsterte Inga ihm zu. Etwa eine Minute lang steigerte sich die Dynamik der Musik, dann wurde eine überdimensionierte Schlagzeile angezeigt, unverkennbar vom übelsten Hetzblatt, das die deutsche Presselandschaft jemals hervorgebracht hat: „Das MONSTER in Deutschland!“. Weitere Schlagzeilen wurden im Takt der martialischen Musik eingeblendet: „Organisiertes Verbrechen immer mehr ein Problem“, „Geisteskranker Massenmörder in Frankfurt vermutet“, „Ist die Polizei gegen das Monster machtlos?“, „Staatsversagen: Schaden durch organisierte Kriminalität erreicht neuen Höchststand“, „Das Monster: Es tötet allein mit Willenskraft“ und viele andere mehr, darunter diverse in vielen anderen europäischen Sprachen. Nach vier Minuten wurde die Musik langsam ausgeblendet und vor einem grünen Hintergrund erschienen die Worte „Das ‚Monster‘ – Wer ist das? Was will es? Was wissen wir über es?“

Inga zwickte Edgar in den Arm. Er blickte sie an und sie nickte in Richtung Schreibtisch. Dahinter saß nun eine Gestalt, nein, weniger als eine Gestalt, ein Schatten. Keine Ahnung, wann und wie der Typ den Raum betreten und sich hingesetzt hatte, aber der wusste aber jedenfalls, wie man theatralisch auftrat. Von hinten wurde er jetzt von Lichtern angestrahlt, die seiner Figur einen leuchtenden Halo verliehen und gleichzeitig seine komplette Vorderfront in tiefe Schatten hüllten. Völlig unbeweglich saß er am Schreibtisch, genauso gut konnte es sich um eine Statue handeln.

Inga zwickte Edgar ein weiteres Mal; sie stand auf, Edgar beeilte sich, es ihr nachzutun. Höflich verbeugten beide sich, Edgar bemühte sich allerdings, seinen Bückling sehr moderat ausfallen zu lassen. Zu seiner Überraschung erhob sich auch der Schatten hinter dem Schreibtisch und verbeugte sich ebenfalls. Jetzt war zu erkennen, dass der Kopf völlig von einem schwarzen Stoff eingehüllt war, in den zwei große Löcher für die Augen und viele kleinere um die Mundpartie herum geschnitten worden waren. Dann wies der Mann völlig geräuschlos mit einer in der Dunkelheit kaum erkennbaren Geste auf die beiden Sessel, die vor dem Schreibtisch standen und sprach sehr leise in nahezu akzentfreiem Deutsch mit überraschend jugendlich klingender Stimme: „Kommen Sie doch bitte ein bisschen näher, dann müssen wir unsere Stimmbänder nicht ganz so stark strapazieren.“

Edgar und Inga blickten einander an, dann setzten sie sich in die ausgesprochen bequemen Sessel vor dem Schreibtisch. Edgar konnte nicht umhin, zu bemerken, dass sie beide nun deutlich tiefer saßen als das „Monster“, also zu ihm aufblicken mussten. Spätestens, seit Charlie Chaplin sich darüber in der berühmten Zwei-Stühle-Szene im Großen Diktator lustig gemacht hatte, war allgemein bekannt, dass mit dem Höhenunterschied unterbewusst ein psychologischer Effekt erzielt wurde, der das höher sitzende Gegenüber als quasi überlegen erscheinen ließ. Billige Taschenspielertricks! Mehr hatte der Kerl nicht drauf?

„Ich hoffe, Sie denken jetzt nicht, dass ich Sie psychologisch beeinflussen möchte, indem ich Sie so deutlich tiefer Platz nehmen ließ als mich selbst, aber ich habe wirklich nur Ihre Bequemlichkeit im Sinn, während ich selbst mich mit Sesseln einfach nicht anfreunden kann“, bemerkte der Huángdì. „Das liegt wahrscheinlich an meinen sehr stark ausgeprägten Fluchtreflexen. Darf ich Ihnen eine kleine Erfrischung anbieten, ein paar Häppchen oder etwas zu trinken?“

Edgar musste zugeben, dass er beeindruckt war. Der Kerl war tatsächlich nicht zu unterschätzen, er spielte quasi mit ihnen wie eine Katze mit einer Maus, suggerierte ihnen auf sehr subtile Weise...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Außenseiter • Gesellschaftskritik • Journalismus • Systemfrage • Unterhaltungsroman
ISBN-10 3-7597-3286-0 / 3759732860
ISBN-13 978-3-7597-3286-6 / 9783759732866
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