Gräber G'schichten (eBook)

Maibaumeln
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
200 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5707-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gräber G'schichten -  Sylvia Schwarz
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Dolores Gräber, Mitte 60, rundlich und grundsätzlich sehr entspannt, muss ihr kriminalistisches Gespür wieder einmal unter Beweis stellen, denn am Maibaum hängt ein Toter. Ausgerechnet in der Früh am Ostersonntag, was im kleinen oberbayerischen Dorf schnell für Aufsehen sorgt. War es Selbstmord oder Mord? Dolores und ihr Zwergkugelfisch Knödel, den sie in einem Glas gern spazieren trägt, nehmen die Ermittlungen auf - und jeder Lesende ist eingeladen mitzuraten. Die Kapitel mit den einzelnen Verdächtigen können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden und wer sich sicher ist, den Täter oder die Täterin zu kennen, kann die Vermutung im letzten Kapitel überprüfen.

Sylvia Schwarz, geboren 1979, lebt in einem kleinen oberbayerischen Dorf und findet in den liebenswerten Eigenheiten der Bewohner, Zugereisten und Touristen immer wieder Inspiration für neue Geschichten.

Erstes Kapitel – Die Leiche wird gefunden


Dolores Gräber, Mitte 60, rundlich und grundsätzlich sehr entspannt, eilte mit kleinen Tippelschritten durchs Dorf. Sie war spät dran. Ihre dauergewellten graumelierten Haare wippten im Takt, die schwarzen schönen Schuhe, die sie bloß selten trug, aber die eben reinschlüpfbereit vor der Tür gestanden hatten, drückten am kleinen Zeh. Diese dumme dunkelblaue Stoffhose kniff im Bund und gab keinen Millimeter nach. Gestern hatte sie – also Dolores, nicht die Hose – eindeutig über die Stränge geschlagen, was das Essen und Trinken anbelangte. Vor allem das Trinken.

Die Kirchturmuhr schlug sieben und das war kein gutes Zeichen. Sie sollte längst in der Kirche sein.

„Knödel“, brachte Dolores abgehakt zwischen ihren hektischen Atemzügen heraus, „wir sind spät dran. Sehr spät dran.“

Damit war die Reihe wohl an ihr, eine Runde für den Chor zu spendieren. Das war die Regel. Wer als Letzter oder Letzte zu spät zur Chorprobe kam, musste für die anderen eine Runde ausgeben.

Früher war es eine Runde Schnaps beim Trödler gewesen, aber mittlerweile… Dolores Gräber schnappte nach Luft. Es ging leicht bergab über das Kopfsteinpflaster und sie musste aufpassen nicht zu fallen. Die Steine lagen nicht mehr ganz eben, seit der Schneepflug im letzten Winter das Räumschild zu tief eingestellt hatte.

Zu ihrer Linken der Trödler, das Kult-Bistro des Dorfes, der Treffpunkt für Jung und Alt, der Mittelpunkt des Geschehens. Wer etwas erfahren wollte, ging zum Trödler. Wer etwas zu erzählen hatte, auch. Ein uriges Bistro mit den besten Cocktails weit und breit. Früher gab es eine Runde Schnaps, also Willi für alle, heute Amaretto, Baileys, Whisky, Whiskey, glutenfrei, laktosefrei und natürlich – für die, sie es so wollten – alkoholfrei. Wenn man dem Chor eine Runde spendierte, war der Kassenbon dafür länger als die Auffahrt hinterm Haus.

Dolores hastete an den Fenstern der Gaststube vorbei. Eben wegen dieser sagenhaft guten Cocktails war sie zu spät dran. Drei Pina Colada mit den Leuten vom Chor waren schon grenzwertig und dann spendierte Karl anlässlich der Geburt seines Sohnes Karl Junior Erdbeerlimes für das ganze Lokal. Mehrere Flaschen. „Reiner“, sagte Karl und knallte dabei einen grünen Schein auf den Tresen, „Erdbeerlimes für alle. Kindsbier quasi, bloß ohne Bier. Für mich ein Wasser, mir ist nicht so.“

Ablehnen wäre unhöflich gewesen, vor allem, weil Karlchen schon einige Monate alt war und der Karl sich hatte durchringen müssen, die Geburt dieses Kindes zu feiern. Er war auch nicht bis zum Schluss geblieben. Als Dolores sich – wankend und lallend und schwindelig im Kopf – für die spendierten Getränke bedanken wollte, war er nirgendwo zu finden.

Sie hörte etwas rascheln und entdeckte das Medium hinter einem großen Pflanztrog. Die rüstige Dame im bunten Flatterkleid hielt ein Pendel über eine kümmerliche Tulpenansammlung und summte leise vor sich hin. Dolores hätte den Kopf geschüttelt, wenn es nicht ein so alltäglicher Anblick gewesen wäre. Das Medium befragte alle Pflanzen im Dorf, ob sie sich an ihrem Standort wohlfühlten, ob sie Dünger brauchten oder mehr Wasser oder einen Rückschnitt. Mit dem Pendel fragte sie, immer mit dem Pendel. Darüber hätte Dolores gleich nochmal den Kopf schütteln können, aber die Blumen, Büsche und Sträucher, die das Medium betreute, waren die schönsten im ganzen Dorf. Irgendwas war an der Sache mit dem Pendel dran.

Ihr Kopf tat weh. Dolores bremste ab, denn die Hauptstraße lag vor ihr. Das Gehirn drückte von innen gegen die Schädelvorderseite und verursachte ein heftiges Stechen, das mit Blitzen vor den Augen einherging. Dolores kniff kurz die Augen zusammen, ehe sie nach links und rechts schaute. Das war reine Gewohnheit, dieses Schauen in beide Richtungen, denn normalerweise kam Sonntagfrüh kein Auto diese Straße entlang. Auch heute kam kein Auto, dafür sah sie am Maibaum auf der anderen Straßenseite eine Gruppe von Leuten stehen, die miteinander tuschelten.

„Der Wolfi“, stellte Dolores murmelnd fest. „Die Gitta ist auch da und der Peter. Na, dann geht die nächste Runde jedenfalls nicht auf meine Kosten. Knödel, Glück gehabt.“ Sie machte einen tiefen Atemzug.

In dem großen runden Glas, das sie mit sich schleppte, zog ihr Zwergkugelfisch Knödel zwei schnelle Runden, ehe er sich vorn am Glas die Nase plattdrückte und zu den Leuten unterm Maibaum schaute. Er hatte verdammt gute Augen.

Dolores überquerte die Straße. Sie sollte rasch in die Kirche gehen und so tun, als wäre sie absolut pünktlich gewesen. Sollten Wolfi, Gitta und Peter unter sich ausmachen, wer der letzte war und eine Runde ausgeben musste! Der Peter, dieser Korinthenkacker, hatte eh noch nie zahlen müssen.

Ihre Neugier jedoch siegte, besonders, weil Pater Notker bei der Gruppe stand und inbrünstig betete. Sein braunes Mönchsgewand, stellte sie ein bisschen irritiert fest, war schon wieder etwas zu kurz, dabei hatte er erst zu Weihnachten neue Gewänder bestellt. Die Rechnung dafür war irgendwie im Netz gelandet und hatte ihrer Höhe wegen für große Empörung gesorgt. So viel Geld für so ein schlichtes Gewand.

Gerade als Gitta etwas in Peters Ohr flüstern wollte, entdeckte sie Dolores und schrie auf. „Dolores! Dolores, was für ein Glück, dass du kommst.“ Sie tippte auf ihr Handgelenkt. „Du bist fei zu spät für die Chorprobe. Brauchst dich nicht rausreden wollen, die nächste Runde geht auf jeden Fall auf deinen Deckel. Weil, wir stehen ja schon eine ganze Weile so beieinander.“

Dolores hätte sich den Schädel gehalten, wo bei jedem Ton ein rasender Kopfschmerz durch die Gehirnwindungen schoss, wenn sie nicht Knödels Glas hätte tragen müssen.

Gitta beugte sich leicht nach vorn und stupste mit dem Finger gegen das Glas. „Servus, Knödel, wie es aussieht, bist du um einiges fitter als dein Frauchen. Ist spät geworden, gestern, nicht wahr? Wann wart ihr denn daheim? Ja, wann hat sie dich kleines Fischlein denn ins Aquarium zurückgelassen?“

Diese Frage galt natürlich nicht dem Zwergkugelfisch, sondern Dolores. „Zwei“, sagte sie mit brüchiger, knarziger Stimme. „Ich glaube, es war so gegen zwei.“

Peter schnaubte in ein Taschentuch und knuddelte es zurück in seinen Ärmel. „Woischd, s’war wohl eher gegen halb vier, vier.“

„Halb vier, vier“, äffte ihn Dolores nach. „Ja, kann auch halb vier, vier gewesen sein. Auf jeden Fall tut mir der Kopf furchtbar weh und ich habe keine Kopfwehtablette dabei. Meine Stimme klingt wie ein Reibeisen. Ihr werdet heute keine Freude mit meiner Singerei haben.“

Gitta, Peter und Wolfi tauschten Blicke. Lange, eingehende Blicke. Gitta knibbelte an ihren Fingernägeln herum, die ohnehin sehr kurz waren. Wolfi stupste Pater Notker den Ellbogen in die Seite, aber der Pater betete unbeirrt weiter.

Eindeutig war hier etwas faul. Dolores schaute von einem zum anderen. Sie spürte ein Ziehen in der Schulter und beschloss Knödel abzustellen. Nur wenig entfernt stand eine Hausbank und dort wurde Knödel nun geparkt.

„Was“, fragte Dolores ernst, „ist los mit euch?“

Gitta zog eine Grimasse wie bei schlimmem Bauchweh und deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. Dort stand der Maibaum, es gab die Straße zum Dorfladen hinunter, den Pfarrhof und eben der Rest der Hauptstraße. Nichts, was Dolores nicht kannte, und nichts, was irgendwie ungewöhnlich aussah. Sie zuckte die Schultern. „Und?“

Gitta verstärkte ihre Geste und deutete zweimal heftig mit dem Daumen hinter sich. Dabei machte sie leise Grunzgeräusche.

Peter, der ganzjährig unter Heuschnupfen und anderen Allergien litt, schniefte laut und deutlich. Er war kleiner und dicker als Dolores, mit einer Glatze und schlecht rasiertem Drei-Tage-Bart. Ohne lange zu zaudern, nahm er Dolores‘ Gesicht in die Hände und bog ihren Kopf nach vorn. Ihr Blick glitt nach unten auf den asphaltierten Platz rund um den Maibaum.

Eine leergerauchte rote Zigarettenschachtel wartete zusammengeknautscht auf den Wurf in einen Abfalleimer, der einzige Müll, der herumlag. Weil Ostersonntag war, hatte man den Platz gefegt und alles Streugut, das vom Winter übrig war, weggeschafft. Nur die leere Zigarettenschachtel lag da.

Dolores stand der Sonne zugewandt. Ostersonntag. Ein sonniger Ostersonntag. Sie sah auf dem Asphalt den Schatten des Maibaums, wie gewöhnlich. Nein, nicht wie gewöhnlich. Der Schatten zeigte eindeutig den Maibaum mit den Schildern der örtlichen Vereine zu beiden Seiten, aber da war noch etwas. Ein weiterer Schatten, ein dunkler Fleck, der Dolores eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ihr Kopf schoss in die Höhe und sie starrte den Maibaum an. Eine Leiche!

„…in Ewigkeit, Amen“,...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2024
Reihe/Serie Gräber G'schichten
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Dorfkrimi • Knödel • Kriminalgeschichte • Oberbayern • Tatort Trödler
ISBN-10 3-7597-5707-3 / 3759757073
ISBN-13 978-3-7597-5707-4 / 9783759757074
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