Tage einer Hexe (eBook)

Das Hexenkompendium der Monster
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2024 | 1. Auflage
464 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12361-6 (ISBN)

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Tage einer Hexe -  Genoveva Dimova
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Eine unvergleichliche Geschichte voller Monster und dunkler Magie Als Hexe hat Kosara viel Übung im Kampf gegen die gefährlichen Fabelwesen, die in jeder Neujahrsnacht über ihre Stadt herfallen. Es gibt nur ein Monster, das Kosara nicht besiegen kann: den Zmey, bekannt als Zar der Monster, dem sie als einzige je entkommen ist. Sie hat ihn einmal zu oft gereizt, und nun beginnt er sie zu jagen... Nachdem Kosara ihren Hexenschatten - die Quelle ihrer Kräfte - kurz vor Mitternacht fast beim Kartenspiel an einen Fremden verloren hat, wird ihr klar, dass der Zmey sie verfolgt. Nun besteht ihre einzige Hoffnung darin, ihren Schatten gegen eine illegale Passage über die Mauer zur Nachbarstadt zu tauschen, wohin ihr die Monster nicht folgen können. Das Leben im sicheren Belograd wäre schön, doch Kosara entwickelt schon bald eine oft tödliche Krankheit, die schattenlose Hexen heimsucht. Nur die Rückgewinnung ihrer Magie kann sie heilen. Um ihren Schatten aufzuspüren, muss sie sich mit einem verdächtig aufrechten Ermittler zusammentun. Noch schlimmer als die Zusammenarbeit mit der Polizei ist - und alle Hinweise legen das nahe - dass Kosaras rettende Magie sich nun in den Händen des Zmey selbst befindet. »Dimova glänzt mit ihrem fesselnden Fantasy-Debüt, eine herausragende Lektüre.« Publishers Weekly »Als würden sich Delilah S. Dawson und Naomi Novik zusammentun, um The Witcher neu zu schreiben.« Library Journal

Genoveva Dimova wurde in Bulgarien geboren und lebt heute als Fantasy-Autorin und Archäologin in Schottland. Ihr Erzählen ist verwurzelt in der slawischen Mythologie und ihre Figuren zeigen, wie man aus reiner Sturheit in unglaubliche Schlamassel geraten kann.

Genoveva Dimova wurde in Bulgarien geboren und lebt heute als Fantasy-Autorin und Archäologin in Schottland. Ihr Erzählen ist verwurzelt in der slawischen Mythologie und ihre Figuren zeigen, wie man aus reiner Sturheit in unglaubliche Schlamassel geraten kann. Andrea Wandel ist gelernte Übersetzerin und Dolmetscherin. Für die Hobbit Presse hat sie gemeinsam mit Wieland Freund u. a. Willkommen in Night Vale und Gork übersetzt. Bei Klett-Cotta erschien ihre Übertragung von Rachel Carsons Magie des Staunens. Wieland Freund wurde für seine fantastischen Romane, darunter Krakonos und Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse sein Roman Dreizehnfurcht, der auf der Shortlist des Wetzlarer Phantastikpreises stand.

1


Es ging auf Mitternacht zu in dieser Neujahrsnacht. Die Stadt hinter der Mauer jedoch feierte nicht. Ihre Einwohner wussten, dass die Geburt eines neuen Jahrs – wie jede Geburt – schwer, schmerzhaft und gefährlich war.

Nur eine einzige Schenke, tief unter Chernograds steilen Türmen in die Schneeverwehungen geschmiegt, hatte in dieser Nacht geöffnet. Sie war brechend voll, doch die Stimmung war seltsam gedämpft. Die Gäste saßen dicht gedrängt, Schulter an Schulter, hoben sie die Gläser. Am Tisch in der Ecke war es hinter einer Wolke aus Pfeifenrauch besonders still. Kosara musste ihren Einsatz abwägen, und sie ließ sich Zeit.

Allein die besten Kartenspielerin zu sein, würde in dieser Nacht für einen Sieg nicht reichen: Es brauchte schon die beste Betrügerin. Und um zu betrügen, musste dieses verdammte Kaminfeuer heller brennen.

»Und?«, sagte Roksana. Pflaumenbrand tropfte von ihrem Kinn auf die Tischplatte und schimmerte im schwachen elektrischen Lampenlicht wie flüssiger Bernstein. Die Goldperlen, die ihre beiden dicken Zöpfe zusammenhielten, glitzerten in scharfem Kontrast zu ihrer gebräunten Haut. Ihre Finger trommelten auf den Kartenstapel, bereit zu geben. »Bist du dabei?«

Alle drei – Roksana, Malamir und der Fremde – ließen Kosara nicht aus den Augen. Nicht mit den Mundwinkeln zucken. Nicht zu laut schlucken, nicht die verschwitzten Handflächen an den Hosenbeinen abwischen, versuch dich zu beruhigen …

»Gib mir noch einen Moment«, sagte sie. »Ich muss überlegen.«

»Scheiße nochmal, Kosara!« Roksana donnerte ihren Krug auf den Tisch. Ein paar Gäste an den anderen Tischen zuckten zusammen. Es konnte einem Angst machen, wenn eine Frau dieser Größe außer sich geriet. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«

Kosara ließ sich von der Lautstärke nicht einschüchtern. Sie wusste nur zu gut, wie es klang, wenn Roksana wirklich wütend war. Eigentlich war sie auch gar nicht bei der Sache. Immer wieder wanderte ihr Blick zur Uhr hinauf, deren Zeiger näher und näher gen Mitternacht rückten.

»Scht, du alte Nörglerin.« Kosara sah auf ihre Karten. Die Kreuzdame, kam es ihr, eine Frau mit schwarzem Haar und schwarzen Augen – das muss ich sein. Außerdem hatte sie einen Kreuzkönig und eine Karofünf auf der Hand. Wenn sie aus der Fünf ein Ass machen könnte, hätte sie das zweitstärkste Blatt im Kral.

Kosara warf einen Blick auf die Scheite im Kamin. Gefühlt glommen sie dort seit Stunden, zischten bloß dann und wann und verbreiteten einen Hauch von Rauch. Sie könnte sie sanft entfachen, aber war es das Risiko wert?

Für einen quälend langen Moment war nichts weiter zu hören als das leise dudelnde Grammophon im Winkel und das sachte Gluckern von Roksanas Pfeife.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Unter dem Tisch schnippte Kosara heimlich mit den Fingern. Das Feuer knackte. Helle Flammen leckten aus den Scheiten.

Sie sah sich um. Roksana sog mit gesenkten Lidern an ihrer Pfeife. Die obersten Knöpfe ihrer Bluse standen offen, und ihre vielen Ketten mit den Glöckchen aus Messing und den Bösen Blicken aus blauem Emaille schauten darunter hervor. Malamir und der Fremde hingen ihren eigenen Gedanken nach, bissen sich auf die Lippen, sortierten ihre Karten neu und zählten ihre Marken.

Kosaras Schatten zu ihren Füßen wuchs. Er wurde größer, dunkler und stärker, die Flammen nährten ihn. Sie gab sich Mühe, ihm mit dem Blick nicht zu folgen, als er sich unter den Tisch stahl.

»Oh mein Gott!«, sagte Kosara und heftete den Blick ans vergitterte Fenster. Draußen wirbelte der Schnee, die Suchscheinwerfer stachen in den Himmel, darunter der Schatten, den die Mauer warf. Aus der Entfernung wirkte sie wie aus Granit, dunkel und hart. Kam man näher, schien sie etwas Lebendiges zu sein, wirbelnd und wogend, als würden auf der anderen Seite Tausende Finger versuchen, sie zu durchstoßen.

An jedem anderen Tag hätten Kosaras Mitspieler ein solches Ablenkungsmanöver durchschaut. In dieser Nacht folgten alle ihrem Blick.

»Sie sind schon da?« Behutsam lösten Roksanas Finger ihre Pistole aus dem Holster. Sie wirkte seltsam klein in ihrer Hand.

Malamirs Lederhose quietschte, er rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Beinahe fühlte Kosara sich schuldig, als sie die Panik in seinen Augen sah. Beinahe.

»Das kann nicht sein«, murmelte er. »Es ist zu früh.«

Der Fremde nestelte an seinem gepunkteten Halstuch, als säße es auf einmal zu eng. Sein Blick huschte zum Fenster, zu Roksanas Pistole und zurück. Sein Mund stand halb offen, als fiele gleich eine Frage heraus, die er schließlich mühsam runterschluckte.

Kosaras Schatten streckte einen dunklen Finger über die Tischkante und blätterte flirrend schnell durch den Stapel, bis er die richtige Karte fand. Dann tauchte er wieder unter den Tisch.

»Ich sehe da gar nichts«, sagte Malamir. Er zwinkerte heftig, seine großen Augen wirkten hinter den dicken Brillengläsern noch größer.

»Nein.« In Roksanas Stimme schlich sich ein Verdacht. »Ich auch nicht.«

Unter dem Tisch reichte der Schatten Kosara das Ass. Schnell tauschte sie es gegen die Fünf.

»O, nein, tut mir leid.« Sie versuchte, ehrlich nervös zu klingen. Groß verstellen musste sie sich dafür in dieser Nacht nicht. »Ich muss es mir eingebildet haben. Vielleicht war’s eine streunende Katze.«

Über den Goldrand seiner Brillengläser warf ihr Malamir einen strengen Blick zu. Sie hätte sich schlecht gefühlt, wäre sie sich nicht sicher gewesen, dass auch er betrog. Genau wie der Fremde: Niemand hatte so viel Glück. Und wenn alle betrogen, sagte sie sich, war es, als betrüge keiner.

»Tut mir leid«, sagte sie noch einmal. »Wir sind alle ein bisschen angespannt heute Nacht, nicht wahr?«

Roksanas Pfeife wippte in ihrem Mund, während sie darüber nachdachte. Der Rauch war jetzt so dicht, dass Kosaras Augen tränten. Es roch nach verschüttetem Bier, übervollen Aschenbechern und zu vielen Leuten auf engem Raum, doch darunter lag der süße Duft von Seher-Salbei. Kosara hätte ihn überall erkannt – ein mächtiges Sedativ, das sie in all ihre Tränke für schöne Träume mischte. Jedes Mal, wenn Roksana an ihrer Pfeife sog, wallte der Geruch auf, stieg ihr in die Nase und machte ihre Augenlider schwer.

Sie hätte Roksana vorwerfen können, sie alle einzulullen, aber sie hütete sich, mit der Kartengeberin zu streiten.

»Spielen wir also weiter?« Kosara warf ihr ein gewinnendes Lächeln zu.

Roksana seufzte und verstaute die Pistole wieder im Holster. »Du steigst also nicht aus? Ich weiß es immer noch nicht.«

»Ich bin dabei.«

»Das war aber schwer. Oder, Malamir?«

»Es ist schon spät.« Die Uhr rutschte aus Malamirs zitternden Fingern und pendelte an ihrer Kette hin und her.

Sieh an! Eine Hypnose-Uhr. Es war die erste, die Kosara in freier Wildbahn sah. Sie spürte den Drang, ihren Einsatz zu verdoppeln.

»Wo hast du die denn her?«, fragte sie.

Malamir grinste und zeigte seine schimmernd weißen Zähne. »Die Uhr? Hübsch, oder? Ich hab sie beim Kartenspiel gewonnen.«

Kein Wunder, dass es für den alten Halunken so gut lief. Wäre er nicht schon ausgestiegen, Kosara hätte ihn mit Freuden bei der offenbar nichts ahnenden Roksana verpfiffen. So behielt sie die Information für sich. Sie könnte sich noch einmal als nützlich erweisen.

»Na dann«, sagte Roksana. »Und was ist mit Ihnen, Herr …?«

»Mein Name ist nicht von Bedeutung«, sagte der Fremde.

Kosara verdrehte die Augen. Er gab den »geheimnisvollen Finsterling« viel zu bemüht. Nannte er nicht gerade seinen Einsatz, sprach er kein Wort. Schaute er nicht in seine Karten, starrte er Kosara an, als warte er auf etwas. Als hätte er noch nie eine Hexe gesehen.

»Also, Herr Nicht-von-Bedeutung.« Roksana kicherte über ihren Witz. »Sind Sie dabei?«

»Möglicherweise.« Der Fremde lockerte den Knoten seines Halstuchs. Mit der Spitze seines roten Halbschuhs tippte er auf den staubigen Fußboden. »Möglicherweise bin ich dabei. Wenn wir das Ganze etwas interessanter machen.«

Kosara sah auf den Stapel ihrer Marken. Es war gut gelaufen für sie. Die Silbernen würden reichen, um einen Monat lang wie eine Königin zu speisen. Mit den Bronzenen könnte sie das Kleid kaufen, das sie im Fenster des Schneiders gesehen hatte: Samt und schwarz wie die Mitternacht. Und mit denen aus Eisen könnte sie morgen eine Runde schmeißen – um zu feiern, dass sie diese Nacht überlebt hatten.

Sie fuhr über die Narbe auf ihrer Wange, drei üble Schrammen. Jede Hexe, die etwas auf sich hielt, hatte ein paar Narben aus der Schlacht. »Wie viel?«

»Ich will dein Geld nicht«, sagte der Fremde.

»Was willst du dann?«

Langsam nahm er das Halstuch ab. Roksana stieß einen Pfiff aus.

Um seinen Hals hing eine Kette aus schwarzen Perlen. Er strich mit der Handfläche darüber, und sie zitterten wie Kerzenflammen im Wind.

Kosara biss sich fest auf die Lippe, beinahe bis aufs Blut. Der Fremde trug eine Halskette aus Hexenschatten.

»Ich will deinen Schatten«, sagte er.

Im Dunst von Seher-Salbei und Alkohol witterte Kosara Gefahr. Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Haar ihre Wangen peitschte. »Nein. Das kann ich nicht.«

»Denk drüber nach. Du setzt bloß einen Schatten. Ich hingegen biete« – er wog sie in der Hand – »elf. Das ist ein gutes Geschäft.«

»Ich bin eine Hexe. Ohne meinen Schatten bin ich nichts.«

»Du bist eine mittelmäßige Hexe. Ich biete dir echte Macht.«

Eine mittelmäßige Hexe....

Erscheint lt. Verlag 19.10.2024
Übersetzer Andrea Wandel, Wieland Freund
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuer • abenteuerlustig • Abenteuerromane • Abenteuer Romane • Abenteuerromane für Erwachsene • Antiheldin • Belograd • Buch • Bücher wie The Witcher • Buchschnitt • Dark Fantasy • Dunkle Magie • Ermittlung mit Magie • Fabelwesen • Fantasie • fantasie deutsch • Fantasieromane • Fantasy • Fantasy Abenteuer • Fantasy Bücher • Fantasy Einzelband • fantasy geschichten • farbiger Buchschnitt • fiktive Stadt • Gefahr durch Magie • gefährliche Magie • Gefährliche Städte • Geheimnisse der Vergangenheit • Hexe • hexenblut • hexen buch • hexen bücher • Hexen Trendthema • Illegale Passage • Kräuterhexe • Magie • Magierin • Magische Kräfte • magische Stadt • Magisches Versteckspiel • Marah Woolf • Mauer zur Nachbarstadt • Monster • mystische Welt • Mythologie • Naomi Novik • neue Bücher 2024 • Neue Fantasy 2024 • neuerscheinung 2024 • Neujahrsnacht • Rätsel und Hinweise • Rivalität • roman bücher • romance deutsch • Schattendiebstahl • Schattenspiele • slawische Mythologie • slawischer Drachenmythos • starke Heldin • Steam Punk • The Witcher • tödliche Krankheit • Übernatürliche Bedrohung • Übernatürliche VerfolgungÜbernatürliche Verfolgung • Urban Fantasy • Verdächtige Alllianzen • Verfolgungsjagd • Verlorene Macht • wicca creed • Witch • Zar der Monster • Zmey • Zusammenarbeit mit der Polizei
ISBN-10 3-608-12361-X / 360812361X
ISBN-13 978-3-608-12361-6 / 9783608123616
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