Und der Schönbuch schweigt (eBook)
336 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-205-5 (ISBN)
Sybille Baecker ist gebürtige Niedersächsin und Wahlschwäbin. Sie liebt das Ländle, ihr Herz schlägt aber auch für die Highlands und die rauen Küsten Schottlands, die sie immer wieder gern und ausgiebig bereist. Ebenso hegt sie ein Faible für den Scotch Whisky. Die Fachfrau für »Whisky & Crime« ist Autorin der erfolgreichen Krimiserie um den Kommissar und Whiskyfreund Andreas Brander. 2020 wurde sie mit dem Arbeitsstipendium des Autorinnennetzwerkes Mörderische Schwestern ausgezeichnet. www.sybille-baecker.de
Sybille Baecker ist gebürtige Niedersächsin und Wahlschwäbin. Sie liebt das Ländle, ihr Herz schlägt aber auch für die Highlands und die rauen Küsten Schottlands, die sie immer wieder gern und ausgiebig bereist. Ebenso hegt sie ein Faible für den Scotch Whisky. Die Fachfrau für »Whisky & Crime« ist Autorin der erfolgreichen Krimiserie um den Kommissar und Whiskyfreund Andreas Brander. 2020 wurde sie mit dem Arbeitsstipendium des Autorinnennetzwerkes Mörderische Schwestern ausgezeichnet. www.sybille-baecker.de
Donnerstag
In der Nacht hatte es wieder Frost gegeben, und die Welt zeigte sich am Morgen mit einer Eiskristallschicht überzogen. Ein märchenhafter Anblick, aber Brander hatte keine Augen dafür. Am Abend zuvor hatte er mit dem Inspektionsleiter ausgemacht, dass Peppi und er morgens direkt nach Aichheim fahren würden, um mit Polizeioberkommissar Christian Winkler über die neuesten Entdeckungen zu sprechen.
Wie sollte er vorgehen? Missbrauch war ein sensibles Thema, und er fragte sich, was Lederers Ehefrau, Winkler oder sonst jemand im Dorf wusste. Der Polizeioberkommissar war auffällig zurückhaltend gewesen, was die Informationen über Karl Lederer betraf. Brander war sich sicher, dass er, wenn vielleicht nicht gewusst, zumindest geahnt hatte, dass in dem Haus in der Alemannenstraße etwas nicht stimmte.
Peppi bog von der Kreisstraße ab und fuhr in den Ort hinein. Die Straße war gesäumt von Einfamilienhäusern, die alle im gleichen Stil gebaut waren. Eine Nachkriegssiedlung, errichtet in den 1950er Jahren. Ein Teil der Gebäude war in der Zwischenzeit saniert und modernisiert worden. Dem äußeren Anschein nach waren die wenigsten dabei ausgebaut worden. Es gab gepflegte Vorgärten mit geplättelten Wegen, die vom Gehsteig zur Haustür führten. Vor einem Haus stand ein Baum, der im Laufe der Jahre anscheinend zu groß geworden war, weshalb man die Spitze rigoros gekappt hatte. Hier lebten größtenteils alteingesessene Familien, die ihre Häuser von Generation zu Generation vererbten, vermutete Brander.
»Fühlt sich an wie eine Zeitreise, oder?«, sprach Peppi seine Gedanken aus. »Als führe man, sobald man am Ortsschild vorbei ist, in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts.«
Sie parkte den Wagen vor dem Rathaus. Auch dieses Gebäude stammte aus den fünfziger Jahren. Es war ein viereckiger Kasten mit in die Jahre gekommenem hellen Putz und symmetrisch angebrachten Fenstern, deren braune Holzrahmen sicher nicht den Energiesparkonzepten des 21. Jahrhunderts entsprachen.
Die Front wies zwei Eingänge auf. Links führte eine doppelflüglige dunkle Holztür zur Gemeindeverwaltung, rechts ermöglichte eine moderne weiße Tür den Zutritt zum Polizeiposten. Dazwischen war an der Mauer ein Schaukasten mit zahlreichen Aushängen angebracht. Brander warf einen Blick darauf. Es waren zumeist amtliche Notizen, ein Plakat in A4-Größe kündigte ein Konzert in der Tübinger Stiftskirche an. Der Fußballclub Aichheim lud am 7. Januar zum Neujahrsessen im Sportheim ein.
»Dann scheint es hier ja doch eine Kneipe zu geben«, stellte Brander fest.
»Vielleicht auch nur ein Clubhaus, das von Ehrenamtlichen betrieben wird.« Peppi ging zur Eingangstür des Polizeipostens und drückte auf den Klingelknopf.
Der Türsummer wurde betätigt, und sie traten ein, wurden jedoch umgehend wieder ausgebremst. Eine Theke, die bis zur Decke mit einer Glasfront versehen war, schirmte die Besucher vom Arbeitsbereich der zwei Ordnungshüter ab. Es erinnerte Brander an die geschlossenen Bankschalter, die es früher in den Geldinstituten gegeben hatte. Vielleicht gab es die heute auch noch. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er zuletzt eine Bankfiliale betreten hatte.
Links von ihm wurde eine weitere Tür geöffnet. Polizeikommissarin Paula Vessler begrüßte sie lächelnd. »Kommen Sie rein.«
Zwei Schreibtische standen sich Kopf an Kopf gegenüber, Aktenschränke zierten die Wände, in einer Ecke befand sich ein Drucker, eine Zimmerpflanze kämpfte ums Überleben. Der Blick aus dem Fenster war durch hellgraue Lamellenvorhänge versperrt. Der Raum bestach durch Tristesse.
Eine Toilettenspülung erklang, kurz darauf kam POK Winkler aus dem Bad. »Grüß Gott«, sagte er überrascht. Er trug Dienstkleidung und hatte sich am Morgen rasiert. Der Dreitagebart vom Vortag war verschwunden.
»Guten Morgen, Herr Winkler«, erwiderte Brander. »Wir möchten uns noch einmal mit Ihnen über Karl Lederer unterhalten.«
Ein Telefon klingelte, und Paula Vessler eilte an den Apparat.
»Können wir irgendwo ungestört miteinander reden?«
Winkler nickte missmutig und öffnete die Tür neben dem WC. Sie führte in ein schmales Zimmer – eine Mischung aus Besprechungs- und Pausenraum mit einem kleinen vergitterten Fenster, das Aussicht auf eine Nebenstraße und das gegenüberliegende Haus bot. Um einen wackeligen Küchentisch standen vier betagte Stühle. Jacken hingen an einem altmodischen hölzernen Garderobenständer.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, bot Winkler an. Er trat an ein Sideboard, auf dem sich mehrere Kaffeepötte neben einem unerwartet modernen Kaffeeautomaten stapelten.
»Für mich nicht, danke«, lehnte Brander ab, während Peppi annahm.
Einen Moment lang war nur das Rappeln eines Mahlwerks, gefolgt vom Zischen des heißen Wassers, zu hören. Dann strömte aromatischer Kaffeeduft durch den Raum.
Sie setzten sich um den Tisch herum. Winkler goss einen Schuss Milch in seinen Kaffee, rührte um und trank einen Schluck. Schließlich lehnte er sich zurück und sah sie fragend an. »Und?«
»Beschreiben Sie uns bitte noch einmal die Vorgänge von gestern Vormittag«, bat Brander. »Beginnen wir mit dem Notruf. Wann hat Frau Lederer angerufen?«
»Viertel elf vielleicht. Moni … Frau Lederer sagte mir, sie habe ihren Mann tot in der Wildbeobachtungskanzel am Eichenfirst gefunden.«
»Das heißt, sie hat direkt hier bei Ihnen im Polizeiposten angerufen?«
»Nein, das nicht«, erwiderte Winkler unwillig. »Sie hat mich auf meinem Handy angerufen.«
»Sie hat also keinen Notruf abgesetzt?«
»Das sagte ich doch gerade!«
»Hat Frau Lederer Sie öfter auf Ihrem Handy angerufen?«
»Nein.«
Aber am Tag zuvor, als sie ihren Mann tot in einer Wildbeobachtungskanzel entdeckt hatte, wählte sie statt der 112 die private Handynummer des örtlichen Polizisten. »Woher hatte sie Ihre private Nummer?«
Winkler hob unwirsch die Schultern. »Die Leute hier im Ort haben meine Nummer. Man kennt sich. So ist das eben.«
»Warum hat sie Sie persönlich angerufen und nicht den Notruf gewählt?«
»Woher soll ich das wissen? Sie stand unter Schock. Vermutlich fiel ihr nichts anderes ein.«
Für Brander war es dennoch nicht die naheliegendste Reaktion. Aber er kannte Monika Lederer nicht. »Was taten Sie als Nächstes?«
»Na, was schon? Wir haben einen Rettungswagen angefordert, und ich bin mit Frau Vessler zur Kanzel gefahren.«
»Und dort wartete Frau Lederer auf Sie?«
»Ganz genau. Wie ich Ihnen gestern schon sagte: Sie saß oben auf dem Treppenabsatz zur Kanzel. Sie war völlig verstört. Ich bat sie herunterzukommen, aber sie reagierte nicht. Also bin ich hinaufgegangen und habe sie von dort weggeholt.«
»Und weiter?«
Winkler trank erneut einen Schluck Kaffee. »Ich habe Frau Lederer in Frau Vesslers Obhut gelassen und bin noch mal rauf auf die Kanzel. Ich habe die Leiche auf den ersten Blick nicht gesehen, er lag ja in der zweiten Reihe. Sie waren vor Ort: Er war von der Bank gerutscht, und der Körper war von der Rückenlehne der vorderen Sitzbank verdeckt.«
»Haben Sie irgendetwas am Leichenfundort verändert?«
»Denken Sie, ich bin auf der Wurstsuppe hergeschwommen?« Der Kollege schnaufte empört. Mittlerweile überzog eine leichte Röte sein Gesicht. »Ich bin wieder runter und hab die Leitstelle informiert. Der Notarzt kam und hat den Tod von Karl Lederer bescheinigt. Die Sanis haben Frau Lederer mit in die Klinik genommen. Frau Vessler und ich haben den Leichenfundort abgesperrt und auf die Kriminaltechniker gewartet. Wie Sie sehen: Dienst nach Lehrplan!«
»Ich will Ihnen wirklich nichts unterstellen, Herr Winkler, ich möchte nur die konkreten Abläufe erfahren«, sagte Brander bestimmt.
»Sie befragen mich, als hätte ich was mit dem Tod von dem Kerl zu tun! Der Mann hat sich das Leben genommen. Machen Sie doch aus ’ner Mücke keinen Elefanten. Die Familie ist gestraft genug.«
Brander hob fragend die Augenbrauen. »Wie meinen Sie das?«
Winkler schnaufte aufgebracht. Er wandte den Blick zum Fenster und starrte eine Weile vor sich hin. »Karl Lederer war nicht besonders beliebt hier im Ort«, erklärte er schließlich. »Das haben natürlich auch seine Frau und seine Tochter zu spüren bekommen.«
»Inwiefern?«
»Sie waren nicht Teil der Gemeinschaft.«
»Die Familie wurde also ausgegrenzt«, brachte Peppi es auf den Punkt.
Der Polizeioberkommissar deutete ein Nicken an.
»Warum?«, hakte Peppi nach.
»Ich sagte Ihnen doch gestern schon: Der Lederer war ein Eigenbrötler. Hier im Dorf kam das nicht gut an.«
»Nur weil einer ein Eigenbrötler ist, muss man ja nicht gleich die ganze Familie ausgrenzen.«
»So ist das halt in einem kleinen Ort.«
»Irgendwelche Freunde werden die Lederers doch gehabt haben«, beharrte Peppi.
Winkler zog grimmig die Stirn in Falten. »Was wollen Sie eigentlich von mir? Ich kann doch nichts dafür, dass die Familie hier nicht angenommen wurde.«
»Dafür muss es einen Grund geben!«
»Was spielt denn das noch für eine Rolle? Der Mann ist tot. Er hat sich erschossen. Ende der Geschichte.«
Brander riss der Geduldsfaden. Die Bilder von Lederers Küchentisch tauchten vor seinem inneren Auge auf. »Wir sind längst nicht am Ende!«, fuhr er den Kollegen an. »Was meinten Sie damit, dass die Familie gestraft genug sei?«
Winkler verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg.
»Sie sagten gerade ›Moni‹«, schlug Brander einen anderen Weg ein. »Wie gut kennen Sie Frau Lederer?«
»Flüchtig … vom...
Erscheint lt. Verlag | 17.10.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Kommissar Brander |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Aufwühlend • Baden-Württemberg • COSY • düster • Ermittlerteam • Humor • KI • Kriminalroman • Mobbing • Polizeiroman • Rufmord • Schwaben • Soziale Medien • spannend • Spannung • Whisky |
ISBN-10 | 3-98707-205-9 / 3987072059 |
ISBN-13 | 978-3-98707-205-5 / 9783987072055 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 3,0 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich