1984 (eBook)

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2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0784-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

1984 -  George Orwell
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Winston Smith, ein einfaches Mitglied der diktatorischen Staatspartei, arbeitet im Ministerium für Wahrheit, wo er die Vergangenheit im Sinne der Regierung umschreibt. «Der große Bruder» überwacht alle Bürger, jeder Widerstand gegen das System wird streng bestraft. Winston jedoch sehnt sich in seinem Innersten nach echter Wahrheit - und nach Liebe. Trotz aller Verbote beginnt er eine Beziehung mit seiner Kollegin Julia und träumt sogar davon, sich gegen die Partei aufzulehnen. Doch aus dem Überwachungsstaat gibt es kein Entkommen ... Die berühmte Dystopie von George Orwell, neu übersetzt von Karsten Singelmann.

George Orwell, geboren 1903 in Motihari, Indien, war ein englischer Schriftsteller, Essayist und Journalist. Von 1921 bis 1927 war er Beamter der britischen Kolonialpolizei in Birma. Danach lebte er in London und Paris. Er schrieb zahlreiche Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte. Mit seinen dystopischen Romanen »Farm der Tiere« (1945) und »1984« (1949) wurde er weltberühmt. George Orwell starb 1950 in London. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller der englischen Literatur.

George Orwell, geboren 1903 in Motihari, Indien, war ein englischer Schriftsteller, Essayist und Journalist. Von 1921 bis 1927 war er Beamter der britischen Kolonialpolizei in Birma. Danach lebte er in London und Paris. Er schrieb zahlreiche Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte. Mit seinen dystopischen Romanen »Farm der Tiere« (1945) und »1984« (1949) wurde er weltberühmt. George Orwell starb 1950 in London. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller der englischen Literatur.

1. TEIL


I


Es war ein kalter, klarer Apriltag, die Uhren schlugen dreizehn. Das Kinn zum Schutz vor dem ekligen Wind an die Brust gedrückt, schlüpfte Winston Smith schnell durch die Glastüren des Wohngebäudes «Victory Mansions», doch nicht schnell genug, um zu verhindern, dass Schwaden von körnigem Staub mit ihm ins Innere fegten.

Im Flur roch es nach gekochtem Kohl und alten Teppichläufern. Ein farbiges Plakat, eigentlich viel zu groß für Innenräume, war mit Reißzwecken an der Wand befestigt. Es zeigte nichts weiter als ein riesiges Gesicht, über einen Meter breit: die kernigen, attraktiven Züge eines Mannes von etwa fünfundvierzig, mit einem mächtigen, schwarzen Schnurrbart. Winston steuerte auf die Treppe zu. Den Fahrstuhl zu nehmen war zwecklos. Selbst in besten Zeiten funktionierte er nur selten, und momentan war tagsüber sowieso der Strom abgestellt. Diese Maßnahme lief unter dem Motto Sparsamkeit, zur Vorbereitung auf die anstehende Hasswoche.

Seine Wohnung lag im siebten Stock, und Winston, der neununddreißig war und ein Krampfadergeschwür über dem rechten Knöchel hatte, nahm sich Zeit für den Aufstieg, gönnte sich zwischendurch mehrere Ruhepausen. Auf jedem Treppenabsatz, an der Wand gegenüber dem Fahrstuhlschacht, blickte ihm das Plakat mit dem riesigen Gesicht entgegen. Es war eine von diesen Abbildungen, deren Augen einem überallhin zu folgen scheinen. BIG BROTHER IS WATCHING YOU verkündete die Bildunterschrift.

Im Innern seiner Wohnung verlas eine tiefe, wohltönende Stimme eine Aufstellung von Zahlen, die mit der Produktion von Roheisen zu tun hatten. Die Stimme kam aus einer länglichen Metallplatte, ähnlich einem stumpfen Spiegel, die einen Teil der rechten Seitenwand einnahm. Winston drehte an einem Schalter, worauf die Stimme etwas leiser wurde, jedoch weiterhin zu verstehen war. Die Lautstärke ließ sich zwar regeln, aber man konnte das Gerät (das als «Teleschirm» bezeichnet wurde) nicht abschalten.

Winston trat ans Fenster: eine kleine, schmächtige Gestalt, deren Zartheit von dem blauen Overall – der Parteiuniform – noch betont wurde. Er hatte hellblonde Haare und ein von Natur aus rötliches Gesicht, seine Haut war aufgeraut von grober Seife, stumpfen Rasierklingen und der Kälte des eben erst zu Ende gegangenen Winters.

Die Welt draußen wirkte frostig, selbst durch die geschlossene Fensterscheibe. Staub und Papierfetzen, vom Wind aufgewirbelt, tanzten im Kreis, und obwohl die Sonne hoch am grellblauen Himmel stand, wirkten alle Dinge farblos, mit Ausnahme der überall angeklebten Plakate. Wohin man auch blickte, starrte einem das Gesicht mit dem schwarzen Schnurrbart an. Eins der Plakate hing an der Hauswand direkt gegenüber. BIG BROTHER IS WATCHING YOU erklärte die Aufschrift, während der Blick aus den dunklen Augen Winston zu durchbohren schien. Unten auf Straßenhöhe flatterte die eingerissene Ecke eines weiteren Plakats im Wind hin und her, dahinter blitzte immer wieder das Wort ENGSOZ hervor. In der Ferne tauchte ein Hubschrauber zwischen die Dächer hinab, schwebte wie eine Schmeißfliege für einen Moment auf der Stelle und schoss dann in einem weiten Bogen wieder davon. Das war die Polizeipatrouille, die den Leuten in die Fenster spähte. Diese Patrouillen spielten aber kaum eine Rolle, sie zählten nicht. Was zählte, war allein die Gedankenpolizei.

Hinter Winstons Rücken ließ die Stimme aus dem Bildschirm sich weiter über Roheisen und die Übererfüllung des Neunten Drei-Jahres-Plans aus. Der Bildschirm war Sender und Empfänger zugleich. Er fing jedes Geräusch auf, das über ein leises Flüstern hinausging, und solange Winston sich innerhalb des von der Metalltafel kontrollierten Sichtfelds aufhielt, konnte er nicht nur gehört, sondern auch gesehen werden. Natürlich wusste man nie, ob man zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich beobachtet wurde. Wie oft oder nach welchem System die Gedankenpolizei sich in einzelne Leitungen einklinkte, ließ sich nur vermuten. Aber es war durchaus vorstellbar, dass sie jede und jeden zu jeder Zeit überwachten. Auf jeden Fall konnten sie sich einklinken, wann immer sie wollten. Man musste damit rechnen – und tat es instinktiv, schon aus reiner Gewohnheit –, dass jeder Laut, den man von sich gab, abgehört und jede Bewegung beobachtet wurde, außer bei Dunkelheit.

Winston wandte dem Bildschirm weiter den Rücken zu. Das war sicherer, auch wenn ihm klar war, dass selbst ein Rücken allerhand preisgeben konnte. Einen Kilometer entfernt ragte das Ministerium für Wahrheit, sein Arbeitsplatz, weiß und wuchtig aus der verrußten Landschaft hervor. Das hier, dachte er leicht angewidert – das war London, Hauptstadt von Landefeld Eins, der Provinz mit der drittgrößten Bevölkerungszahl in Ozeanien. Er versuchte sich in seine Kindheit zurückzuversetzen, sich zu erinnern, ob London immer schon so ausgesehen hatte. Hatte man immer schon auf diese verfallenden Häuser aus dem neunzehnten Jahrhundert geblickt, deren Seitenwände notdürftig mit Holzbalken gestützt, deren Fenster mit Pappe und deren Dächer mit Wellblech geflickt waren, während die baufälligen Gartenmauern nach allen Seiten wegbröckelten? Und was war mit den Trümmergrundstücken, wo der Mörtelstaub in der Luft waberte und Weidenröschen auf dem Geröll wucherten, oder mit all den Stellen, wo die Bomben größere Flächen freigelegt hatten und wo sofort ganze Kolonien aus schäbigen, hühnerstallähnlichen Holzhütten aus dem Boden geschossen waren? Doch sosehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht erinnern: Von seiner Kindheit war ihm nichts geblieben als eine Reihe von zusammenhanglosen Bildern, die hin und wieder aufblitzten, ohne einen rechten Sinn zu ergeben.

Das Ministerium für Wahrheit – Miniwahr auf Neusprech[*] – unterschied sich verblüffend von allem anderen, was weit und breit zu sehen war. Es war ein gewaltiger, pyramidenförmiger Bau aus glitzerweißem Beton, der sich Absatz für Absatz bis in dreihundert Meter Höhe auftürmte. Von Winstons Standort aus konnte man eben noch die drei Parolen der Partei lesen, die in eleganten Schriftzügen auf der weißen Fassade prangten:

KRIEG IST FRIEDEN

FREIHEIT IST SKLAVEREI

UNWISSEN IST STÄRKE

Das Ministerium für Wahrheit umfasste, so hieß es, dreitausend oberirdische Räume sowie die entsprechenden, ähnlich verzweigten Untergeschosse. Übers Londoner Stadtgebiet verstreut gab es lediglich drei weitere Gebäude von ähnlicher Größe und Erscheinung. So sehr überragten sie alle umgebenden Bauten, dass man vom Dach der Victory Mansions alle vier gleichzeitig sehen konnte. Sie waren Sitz der vier Ministerien, auf die sich der gesamte Regierungsapparat aufteilte: Es gab das Ministerium für Wahrheit, das sich mit Nachrichten, Unterhaltung, Bildung und den schönen Künsten befasste; das Ministerium für Frieden, das sich um den Krieg kümmerte; das Ministerium für Liebe, das Recht und Ordnung aufrechterhielt. Und das Ministerium für Überfluss, das für die Wirtschaft zuständig war. Auf Neusprech lauteten die Namen: Miniwahr, Minipax, Minilieb und Miniflu.

Vielleicht am furchterregendsten war das Ministerium für Liebe. Dort gab es keinerlei Fenster. Winston hatte dieses Liebesministerium noch nie betreten, war ihm nie näher gekommen als einen halben Kilometer. Es war unmöglich, hineinzukommen, es sei denn, in amtlichen Angelegenheiten, und dann auch nur, indem man sich durch ein Labyrinth von Stacheldraht, Stahltüren und versteckten Maschinengewehrnestern kämpfte. Selbst in den Straßen, die zu den äußeren Sperranlagen führten, gingen gorillagesichtige Wachleute in schwarzer Uniform Streife, bewaffnet mit Gelenkschlagstöcken.

Mit einem Ruck drehte Winston sich um. Er hatte einen Ausdruck ruhiger Zuversicht aufgesetzt, der angeraten war, sobald man dem Teleschirm sein Gesicht zeigte. Er ging quer durchs Zimmer in die winzige Küche. Weil er das Ministerium zu dieser frühen Stunde verlassen hatte, musste er auf sein Mittagessen in der Kantine verzichten, und ihm war bewusst, dass in der Küche nichts Essbares aufzutreiben war außer einem Stück dunklem Brot, das aber fürs morgige Frühstück aufgespart werden musste. Vom Regalbrett hob er eine Flasche, auf der ein schlichtes weißes Etikett mit der Aufschrift VICTORY GIN klebte. Die farblose Flüssigkeit verströmte einen abgestandenen, öligen Geruch, wie chinesischer Reisschnaps. Winston goss sich fast eine Teetasse voll ein, bereitete sich seelisch auf den Schock vor und stürzte alles mit einem Schluck hinunter, als wäre es bittere Medizin.

Sofort wurde sein Gesicht puterrot, und das Wasser lief ihm aus den Augen. Das Zeug schmeckte nicht nur wie Salpetersäure, man hatte beim Schlucken auch das Gefühl, man bekäme mit dem Gummiknüppel eins über den Hinterkopf gezogen. Doch schon im nächsten Moment ließ das Brennen im Bauch nach, und gleich sah die Welt ein bisschen fröhlicher aus. Er zog eine Zigarette aus einer zerknüllten Packung mit der Aufschrift VICTORY ZIGARETTEN und hielt sie unvorsichtigerweise senkrecht, worauf der Tabak auf den Boden rieselte. Mit der nächsten hatte er mehr Erfolg. Er ging ins...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Übersetzer Karsten Singelmann
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1984 • Big Brother • Demokratie • Dystopie • dystopie Bücher • Englische Literatur • Farm der Tiere • Fischer Klassik • Geheimdienst • George Orwell • Klassiker • Klassiker der Weltliteratur • klassische Literatur • Orwell • Schöne neue Welt • Science Fiction • Science Fiction Klassiker • Sci Fi • The Circle • Überwachungsstaat • Utopie • Weltliteratur
ISBN-10 3-7336-0784-8 / 3733607848
ISBN-13 978-3-7336-0784-5 / 9783733607845
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