Schatten der Vergangenheit -  Peter Lukasch

Schatten der Vergangenheit (eBook)

Ein Fall für Spurius Pomponius 7
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
328 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4117-2 (ISBN)
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Seit zehn Jahren grassiert die sogenannte antoninische Pest im römischen Reich und fordert auch in der Grenzstadt Carnuntum, die Kaiser Marc Aurel zu seinem militärischen Hauptquartier gemacht hat, ihre Opfer. Die Seuche hat ihren Ursprung in Mesopotamien genommen und soll die Strafe des Gottes Apoll dafür sein, dass römische Truppen während des Partherkrieges in der Stadt Seleukeia-Ktesiphon seinen Tempel geplündert und geschändet haben. Spurius Pomponius, Agent des in Carnuntum stationierten militärischen Geheimdienstes, erhält den Auftrag, mehreren verdächtigen Todesfällen nachzugehen, die der Pest zugeschrieben wurden, obwohl keine Anzeichen dieser Krankheit vorhanden waren. Rasch stellt er fest, dass es sich bei den Verstorbenen um ehemalige Angehörige der Legio Claudia handelt, die bei der Erstürmung von Seleukeia-Ktesiphon dabei waren und die jetzt vermutlich Giftanschlägen zum Opfer gefallen sind. Eine Frage tritt ins Zentrum seiner Ermittlungen: Was ist damals im Tempel des Apoll wirklich geschehen? Seine Nachforschungen sind dem intriganten Statthalter Basseus Rufus und einem korrupten Stadtpolitiker jedoch ein Dorn im Auge und Pomponius zieht sich nicht nur den Unmut seines Vorgesetzten zu, sondern sieht sich auch bald persönlich bedroht.

Peter Lukasch wurde 1942 in Wien geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft trat er in den Staatsdienst ein, wo er bis zu seiner Pensionierung im Bereich der Strafjustiz tätig war. Seinem Interesse für Geschichte und Kriminalistik folgt der Autor in mehreren Zyklen historischer Kriminalromane, er hat aber auch Fantasieerzählungen und in Fachkreisen anerkannte Bücher zum Thema Kinder- und Jugendliteratur veröffentlicht.

Prolog


Die folgenden Begebenheiten ereigneten sich im Jahr des Konsulates des Lucius Aurelius Gallus, 174 n. Chr. (Herbst) in Carnuntum.

Pomponius hatte die Verstorbene nicht gut genug gekannt, um ihren Tod aufrichtig zu betrauern, aber gut genug, um zu ihrem Begräbnis eingeladen zu werden. Ihr Name war Cassia Modesta gewesen und sie war die Gattin des in der Zivilstadt ansässigen Goldschmiedes Petillienus, der Pomponius regelmäßig mit Schmuckstücken für dessen Laden belieferte. Der ehemalige Anwalt Spurius Pomponius hielt es nämlich für klug, einen Laden für Schmuckgegenstände zu betreiben, um seine Zugehörigkeit zu den Frumentarii, dem militärischen Geheimdienst, zu verschleiern. Freilich, im Laufe der Zeit war diese Tarnung löchrig geworden und inzwischen wussten mehr Menschen, als Pomponius lieb war, von seiner Zugehörigkeit zu den Frumentarii, wahrscheinlich auch der trauernde Witwer. Man sprach aber nicht darüber, wenigstens nicht in Gegenwart des Pomponius, abgesehen von seinen engsten Freunden und Bekannten.

Cassia war achtunddreißig Jahre alt geworden und vermutlich an der Pest gestorben. Genau wusste man es nicht, denn ihr Körper hatte nicht die für eine Pesterkrankung typischen Pusteln und Geschwüre aufgewiesen. Galen, der berühmte Leibarzt Kaiser Marc Aurels, vertrat jedoch die Theorie, dass nur solche Pestkranke eine Chance auf Genesung hatten, bei denen die Pustelbildung rasch und kräftig auftrat, wodurch die Giftstoffe aus dem Körper ausgetrieben wurden. Die anderen hingegen, bei denen dies nicht der Fall war, waren unrettbar dem Tod geweiht. Das führte dazu, dass man ungeklärte Todesfälle oft kritiklos der Pest zuschrieb, auch wenn der Verstorbene keine eindeutigen Anzeichen dieser Krankheit aufwies.

Pomponius mochte Begräbnisse nicht und er vermied es tunlichst, an Beisetzungen teilzunehmen. In diesem Fall war ihm allerdings keine glaubwürdige Entschuldigung eingefallen, um fernzubleiben, und er wollte weder den Witwer noch die Manen der Verstorbenen kränken.

Das Verhalten des Pomponius in gesellschaftlicher und religiöser Hinsicht war nämlich meist untadelig, seine innere Einstellung hingegen mehr als fragwürdig. Er beachtete die religiösen Vorschriften, hielt die Feiertage und verrichtete in der Öffentlichkeit alle Gebete und Opfer, die man von einem frommen Mann erwarten konnte. Er war nur der Meinung, dass die zahlreichen Götter, an deren Existenz er wie die meisten seiner Zeitgenossen glaubte, wenig Interesse am Treiben der Menschen hatten und meist mit sich selbst beschäftigt waren. Es galt lediglich, ihre Aufmerksamkeit zu vermeiden, um sie nicht zu boshaften Willkürhandlungen zu reizen. Er wäre aber kein echter Römer gewesen, hätte er nicht eine Ausnahme gemacht und sich eine persönliche Schutzgottheit erkoren. Ebenso wie viele Gladiatoren verehrte er zutiefst Diana Nemesis, die geflügelte Schicksalsgöttin. Seine Opfer und Gebete an sie waren aufrichtig und er zweifelte nicht daran, dass sie ihm gewogen war und schon mehrmals in größter Gefahr ihre Hand schützend über ihn gehalten hatte.

Abgesehen davon bereitete ihm der bei einer Beisetzung naheliegende Gedanke, dass die Seelen der Abgeschiedenen für alle Zeit als freudlose Schatten im Totenreich hausen mussten, Unbehagen. Bisweilen dachte er, es wäre besser, würde mit dem Tod alles enden, anstatt dieses Schicksal zu ertragen. Seine Tätigkeit als Mitarbeiter des Geheimdienstes hatte dazu geführt, dass er sich auch mit Christen befassen musste, von denen es zu dieser Zeit bereits etliche in den Donauprovinzen gab. Er hielt sie für eine höchst verdächtige Gruppe, mehr Geheimbund als Glaubensgemeinschaft. Ihre geradezu revolutionäre Vorstellung, wonach das Elysium, das Paradies, allen Menschen offenstand und nicht nur wenigen von den Göttern geliebten Helden, hatte ihn aber beeindruckt. Ihre weitere Vorstellung, dass jenen, die nicht kompromisslos an den Christengott als einzigen Gott glauben wollten, ein schreckliches Ende drohte, hatte ihn hingegen abgestoßen.

Pomponius neigte im Allgemeinen nicht dazu, viel über diese Dinge nachzugrübeln, dazu war er meist zu beschäftigt. Solche Gedanken kamen meist bei Anlässen wie diesem in ihm hoch, weshalb er – wie gesagt – Begräbnisse nicht mochte. „Was auch immer uns nach dem Tod erwartet“, so dachte er, „Cassia wird es inzwischen wissen.“

Der Bestattungsunternehmer, der von Petillienus engagiert worden war, hatte weder Kosten noch Mühen gescheut. Der Trauerzug passierte die Stadtgrenze und marschierte auf der Limesstraße, die nach Vindobona führte. Bestattungen innerhalb des Stadtgebietes waren nämlich schon seit alters her verboten. Die Toten wurden daher oft entlang der Reichsstraßen, die aus den Städten führten, beigesetzt, wo die Inschriften ihrer Grabdenkmäler bisweilen mahnende Worte an die Vorbeikommenden richteten.

Cassia selbst wurde auf einem Tragsessel sitzend mitgetragen, so als ob sie noch am Leben wäre, wenngleich die Ausdünstung, die von ihr ausging, deutlich dagegen sprach. Daran konnte auch der reichliche Gebrauch von glühenden Gewürzen nicht viel ändern. Pomponius war trotzdem froh, dass sich Petillienus nicht für eine Feuerbestattung entschieden hatte. Der Geruch, der von dem Holzstoß ausging, zuerst nur brennendes Holz, dann etwas wie verkohlender Schweinebraten und schließlich rauchiger, fettiger Gestank, verursachte ihm regelmäßig Übelkeit. Hinter dem Tragsessel gingen etwa ein Dutzend Frauen, die Asche auf das Haupt gestreut hatten und in regelmäßigen Abständen in lautes Wehklagen und Jammern ausbrachen.

Auf der Limesstraße herrschte reger Verkehr. Die anderen Passanten, Fuhrwerke, Reiter und sogar Soldaten respektierten den Trauerzug und machten ohne böse Worte Platz. Es hätte nämlich allen guten Sitten widersprochen, einen Begräbniszug zu bedrängen und niemand wollte – wie man leicht einsehen kann – die Totengötter verärgern.

Pomponius ging im hinteren Teil des Trauerzuges, weil er nicht zur Familie oder zum engeren Freundeskreis der Verstorbenen gehörte, sondern nur ein geschätzter Geschäftspartner des Witwers war. Er hatte vergeblich versucht, Maxima zum Mitkommen zu bewegen. Maxima, ebenfalls Agentin der Frumentarii und seine derzeitige Geliebte, hatte jedoch entschieden abgelehnt, obwohl sie sich sonst gerne in der Öffentlichkeit mit Pomponius zeigte. Also war Pomponius, der sonst niemanden von den Trauernden näher kannte, recht froh, dass er neben Quintus Pacuvius gehen konnte. Quintus gehörte zu seinen ältesten Freunden und betrieb einen kleinen Verlag mit angeschlossener Buchhandlung, nur drei Querstraßen vom Haus des Pomponius entfernt.

„Wie gehen die Geschäfte?“, fragte Pomponius halblaut, während sein Gesicht angemessene Trauer ausdrückte.

„Gar nicht so schlecht“, antwortete Quintus mit betrübter Miene, so als ob er über die Verstorbene spräche. „Ich produziere derzeit zwanzig Stück von ausgewählten Dichtungen Ovids und habe schon jetzt Vorbestellungen für mehr als die Hälfte. Die Selbstbetrachtungen unseres verehrten Prinzeps, von denen ich eine Auflage herstellen durfte, sind praktisch ausverkauft. Das Gerücht von seinem bevorstehenden Tod, das zum Glück unrichtig war, hat die Nachfrage deutlich befeuert. Und wie steht es mit dir? Hast du Nachricht von Aliqua?“

Das war eine heikle Frage. Aliqua, ebenfalls Agentin der Frumentarii, war jahrelang die Partnerin des Pomponius bei gemeinsamen Ermittlungen und überdies seine Geliebte gewesen, bis sie sich von ihm trennte.2 Pomponius trauerte ihr nach und umgekehrt war es wohl genauso. Als sie in einen lebensbedrohlichen Konflikt mit dem intriganten Statthalter Oberpannoniens Basseus Rufus geriet, hatte Pomponius keinen Augenblick gezögert, ihr die Flucht aus dem Machtbereich des Statthalters nach Rom zu ermöglichen. Dort nahm sie Faustina, die Gattin des Kaisers, die Pomponius in letzter Zeit recht gewogen war, unter ihre Fittiche. Inzwischen war Pomponius aber mit Maxima ein Verhältnis eingegangen, ohne dass er selbst genau sagen konnte, wie es dazu gekommen war.3

Die Antwort ist jedoch relativ einfach. Pomponius musste bei seinem letzten Fall mit Maxima, einer streitbaren Amazone, zusammenarbeiten und fand zunehmend Gefallen an ihr. Nach dem Verlust Aliquas fühlte er sich nämlich einsam und vermisste intime weibliche Gesellschaft. Maxima ihrerseits schwankte zwischen Bewunderung für ihren älteren Kollegen und der unbändigen Lust, ihn zu schikanieren und sich ihm gegenüber durchzusetzen.

Schließlich führte das eine zum anderen und die beiden wurden ein Paar, wobei die entscheidende Initiative wohl von Maxima ausging. Sie bezähmte ihr ungestümes Temperament, soweit es ihr eben möglich war, warf nur mehr gelegentlich mit Gegenständen nach Pomponius und nistete sich nachhaltig in seinem Leben ein. Hätte man Pomponius gefragt, ob er sie liebe, er hätte keine eindeutige Antwort gewusst, und vermied es daher, überhaupt...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7597-4117-7 / 3759741177
ISBN-13 978-3-7597-4117-2 / 9783759741172
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