Die Inseltöchter - Die gestohlenen Stunden (eBook)
512 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29914-9 (ISBN)
Sommer 1929: Mhairi ist die Älteste von neun Geschwistern und braucht dringend einen Ehemann, weil ihre Eltern sie nicht länger ernähren können. Doch auf der schottischen Insel St. Kilda sind Heiratskandidaten Mangelware. Daher begleitet Mhairi ihren Nachbarn Donald mit dem letzten Walfangschiff der Saison auf die Isle of Harris, um den Sohn eines Farmers kennenzulernen. Als sie drei Tage später zurückkehrt, ist Mhairi verlobt und hat ihr Herz verloren - allerdings nicht an ihren zukünftigen Ehemann. Für ihre wahre Liebe scheint es keine Zukunft zu geben. Doch dann erfährt Mhairi, dass alle Inselbewohner aufs Festland übersiedeln sollen ...
Band zwei der großen neuen Serie der SPIEGEL-Bestsellerautorin, basiert auf wahren historischen Ereignissen.
»Der beste historische Liebesroman des Jahres.« Independent
»Lebendig erzählt und wunderbar atmosphärisch. Ein wahrer Genuss!« Heat Magazine
»Eine vielversprechende neue Serie. Diese großartige Geschichte und ihre unkonventionelle Heldin werden viele Herzen erobern.« Publishers Weekly
»Die aufregendste, bezauberndste und bewegendste Geschichte über verbotene Liebe, die ich jemals gelesen habe.« Cathy Bramley
»Eine hinreißende Liebesgeschichte im wilden Schottland der 1930er-Jahre. Perfekt für alle, die vom Sommer träumen.« Rachel Hore
Karen Swan arbeitete lange als Modejournalistin für Zeitschriften wie Vogue, Tatler und YOU. Heute lebt sie mit ihrer Familie im englischen Sussex und schreibt jedes Jahr zwei Romane - einen für die Sommersaison und einen zur Weihnachtszeit.
2. Kapitel
Das Geräusch von tröpfelndem Regen an den Fensterscheiben weckte Mhairi. Jenseits der schmalen Bucht war der Horizont kaum zu erkennen. Der Wetterumschwung deutete darauf hin, dass der Herbst bevorstand – früh in diesem Jahr. Immerhin würde der Regen den widerlichen Gestank fortwaschen. Über der Boje kreisten keine gierigen Vögel mehr. Die Walfänger würden nicht glücklich sein, wenn sie zurückkämen und erführen, dass ihre kostbare Beute geplatzt und auf den Meeresgrund gesunken war.
Sie erhob sich von ihrer schmalen Pritsche und zog sich ein Wolltuch über das Nachthemd. Das lange Haar hatte sie sich zu einem losen Zopf geflochten. Ihre kleinen Geschwister schliefen noch fest, schnieften und wimmerten in ihren unruhigen Träumen und bewegten sich hin und wieder. Im Raum war es stickig.
»Zeit, aufzustehen«, sagte sie sanft, wissend, wie hart der Beginn des Tages für kleine, noch wachsende Körper sein konnte. Im Vorbeigehen berührte sie das nächstgelegene Paar Beine – es gehörte Red Annie. Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte man ihm einen Stoß versetzt.
Mhairi hörte schon das Kratzen der Ofenschaufel und das Klappern der Töpfe, die ihre Mutter auf den Herd stellte, und betrat den Wohnraum.
»Guten Morgen«, murmelte sie und sah durch die offen stehende Tür Old Fin über sein Grundstück zum Strand hinunterschlurfen, auf der Suche nach frischem Seetang, weil jetzt Ebbe herrschte. Der dünne Baumwollstoff ihres Nachthemds hing in der feuchten Luft schlaff an ihr herunter, und sie zog ihr Wolltuch enger um sich.
»Sind sie wach?«, fragte Rachel ohne aufzublicken, während sie die süßen Teiglinge auf die heiße Ofenplatte legte.
»Aye.« Sie ging um ihre Mutter herum und schenkte ihr und sich selbst je eine Tasse dünnen Tee ein.
»Danke.«
Mhairi stellte sich an die Tür und blickte über die Bucht. Sie genoss diese ersten, stillen Momente, bevor ihre große, laute Familie sich nach und nach regte. Die scharfen Konturen des gestrigen Tages waren über Nacht verlaufen und die satten Farben verblasst, sodass die Landschaft weich und unfertig wirkte. Ein leichter Küstennebel schwebte durch das Tal wie ein Geist und schien die Wände ihrer Welt enger zu ziehen. Sie konnte kaum das Verwalterhaus ausmachen oder das Federnlager am anderen Ende der Straße, alle Formen verschwammen zu grauen Flecken. Um diese Uhrzeit sprachen alle noch mit gedämpften Stimmen, und der Wind trug nur das Muhen der Kühe zu ihr.
Ein kratzendes Geräusch ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken, und als sie heraustrat, sah sie ihren Bruder Fin. Er stand barfuß auf dem First des Stalldaches, groß und schlaksig, in seiner braunen Hose aus Wollstoff und seinem Arbeitshemd. Er hielt die Arme ausgestreckt, bereit, das Ende des Hanfseils aufzufangen, das ihr Vater aufgewickelt in der Hand hielt.
Der Winter würde hereinbrechen, ehe sie sichs versahen, und wenn sie den Stürmen trotzen wollten, waren Reparaturen unumgänglich. Der Wind konnte hier heftig sein, wenn er mit einer Kraft über die Hänge pfiff, die Felsbrocken am Strand bewegen konnte oder Dächer von den Häusern riss, und oft waren die Dorfbewohner danach noch tagelang taub von seiner Lautstärke. MacLeod hatte seine Pflicht als Landlord erfüllt und die Zinkdächer der neuen Häuser – vor vierzig Jahren erbaut – mit Stahlbändern befestigen lassen, aber die alten Blackhouses und Ställe wurden stillschweigend dem Verfall überlassen. Für manche Familie mochte das zu verkraften sein, aber die kinderreichen MacKinnons waren auf jeden Winkel angewiesen. Sie sah, wie Fin das Seil auffing und es über den First und das alte Fischernetz spannte, mit dem sie mindestens diesen Winter über vorliebnehmen mussten, weil sie mit ihrer Bitte um neues Reet beim Verwalter auf taube Ohren gestoßen waren.
Sie ging wieder ins Haus. Porridge blubberte auf dem Herd, ihre Mutter wendete die Brotfladen, und ein Kreischen aus dem Schlafzimmer verriet, dass ihre Geschwister jetzt richtig wach waren. Der Kessel, am Abend zuvor mit Wasser aus dem Bach gefüllt, hing an Ketten über dem Feuer, und das Wasser begann schon zu sieden, bereit für die Wäsche des Bettzeugs, das sie gleich abziehen würde.
Die Schlafzimmertür wurde geöffnet, und die Kleinen, Murran und Alasdair, tapsten herein, die Augen noch geschwollen vom Schlaf. Alasdair wollte nach einem Brotfladen greifen, der zum Abkühlen dalag.
»Finger weg«, sagte seine Mutter und schlug ihm leicht auf den Handrücken. »Erst Gesicht und Hände waschen.« Sie zeigte auf einen Eimer in der Ecke, ohne hinzusehen, denn das Baby hatte angefangen zu weinen. Mhairi ging zu ihm und nahm es aus seiner Schublade, drückte es an sich und küsste es auf das Köpfchen.
»Heute färben wir die erste Ladung Stoff«, sagte ihre Mutter, nahm ihr das Baby ab und trat zurück, damit Mhairi das Frühstück übernehmen konnte. »Also hol ein paar Flechten, ja, wenn alle gegessen haben?«
Mhairi nickte, während ihre Mutter ins Schlafzimmer ging, um das Baby zu stillen.
Alasdair griff erneut mit ungewaschenen Händen nach dem Brotfladen. »Oh, oh«, sagte Mhairi und zeigte auf den Eimer, wie es zuvor ihre Mutter getan hatte. »Saubere Hände, reines Herz.«
Als er davontapste, fiel ihr ein großes Loch am Ellbogen seines Pullovers auf. Ein Flicken ist immer noch besser als ein Loch, sagte ihre Mutter immer, aber dieses war zu groß, um es zu stopfen – Mhairi würde den Pullover heute Abend auftrennen und neu stricken müssen. Sie begann, den Porridge in die angeschlagenen Steingutschalen zu füllen, während das Wasser im Kessel brodelte – Zeit, die Betten abzuziehen. Der neue Tag begann wie jeder andere.
Als die Dorfbewohner sich am Pier versammelten, war der Regen stärker geworden. Die Berggipfel verschwanden in dicken Wolken, und die Schafe blökten aus Protest gegen ihr vor Nässe schweres Fell. Mhairi stand bei ihren Freundinnen und winkte pflichtbewusst dem Verwalter nach, der zum Dampfschiff des Landlords gerudert wurde, das nun mit ihren jährlichen Pachtabgaben beladen war. Im Lagerraum stapelten sich Tweedballen, Säcke voller Federn, mit denen man Kopfkissen und Matratzen füttern würde, Fässer mit Sturmvogelöl, gut verschlossen wegen des nordatlantischen Seegangs, und Bündel von Strickwaren. Jeder hatte seine Verpflichtungen erfüllt, aber Frank Mathieson hatte allen, die ihm die Hand schüttelten, den Eindruck von »nur knapp geschafft« vermittelt, mit seinem strengen und enttäuschten Blick. Die meisten der Dorfbewohner, die sich hier zum Abschied versammelt hatten, wollten sich in Wirklichkeit nur davon überzeugen, dass er wirklich abreiste, hatte Flora ihr zugeflüstert.
»Ein Glück, dass wir den endlich los sind!«, zischte Norman Ferguson, während er seine Kappe wieder aufsetzte, und bahnte sich einen Weg durch die Menge, immer noch in Sichtweite des Verwalters, eine letzte Geste des Trotzes. Bis zum Frühjahr wären sie nun von ihm befreit, mindestens bis Ende April. Mathiesons Abreise signalisierte immer den offiziellen Beginn der Isolation. Der Wind konnte sich nun jeden Moment drehen – vielleicht nicht heute, morgen oder übermorgen, aber doch bald –, und dann würden die Wellen höher werden, und ihre Welt würde wieder zu einem zwei Meilen langen Felsen zusammenschrumpfen. Keine Besucher würden mehr auf Schaluppen oder Jachten auf die Insel kommen, sondern nur noch Trawlerfischer und Walfänger, die in den tiefsten und wildesten Gewässern unterwegs waren, und die waren ein ungeschliffener, roher Haufen.
Der Moment der Abreise war immer ein zweischneidiges Schwert. Niemand mochte den Verwalter, aber immer wenn er etwas nahm, so wie bei diesem Besuch, dann gab er auch etwas. Wenn er kam, dann brachte er auch die Dinge mit, die sie für den Winter dringend brauchten. Sie wollten Mathieson zwar nicht hier haben, konnten aber auch nicht auf ihn verzichten, denn ihr Überleben stand fortwährend auf dem Spiel. Der letzte Winter war besonders hart und lang gewesen, wochenlanger Schneefall und Stürme hatten ihre magere Ernte zunichtegemacht, sodass sie einen Notruf hatten absetzen müssen mithilfe eines »St. Kilda-Postboots«, einer Art Flaschenpost, die fünf Tage später an der Küste von Benbecula angespült worden war. Danach hatte ein vorbeifahrender Trawler ihnen eine Notfallration Hafer und Kartoffeln gebracht. So froh sie auch waren, den Verwalter jetzt im Nebel verschwinden zu sehen, würden sie dennoch dankbar sein, wenn sein Schiff in acht Monaten wieder um die Landzunge von Dún bog.
»Was mit dem Wind kommt, geht mit dem Wasser«, murmelte Flora. Sie hatte stocksteif dagestanden, entspannte sich aber, als das Schiff in der Ferne immer undeutlicher wurde und schließlich ganz verschwand.
»Ein Sturm zieht auf«, sagte Jayne Ferguson.
Mhairi hatte nicht einmal bemerkt, dass sie hinter ihr stand. Einen kurzen Moment wandte sie das Gesicht zum Himmel, spürte, wie sich die Feuchtigkeit auf ihre Haut legte, und lauschte dem Wind und den Vögeln.
»Hoffen wir, dass er ihn einholt«, sagte Flora mit einem kühlen Lächeln. »Und hoffentlich wird er herumgewirbelt wie bei einem Teufelstanz.« Bei diesen Worten drehte sie sich im Kreis und ließ ihren Rock schwingen, als würde sie eine Polka tanzen.
Alle wandten sich wieder in Richtung Dorf. Bis auf eine.
»Kommst du, Eff?«, fragte Mhairi. Als sie sah, dass ihre Freundin immer noch in den Nebel starrte, als fürchte sie, das Boot würde gleich wieder auftauchen, legte sie ihr eine Hand auf die schmale Schulter.
»Was?« Effie sah sie verständnislos an, mit den Gedanken sichtlich ganz...
Erscheint lt. Verlag | 21.8.2024 |
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Reihe/Serie | Inseltöchter | Inseltöchter |
Übersetzer | Anne Fröhlich |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Stolen Hours |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2024 • Arrangierte Ehe • eBooks • Frauenromane • Herzklopfen • Historienroman • Historische Liebesromane • Insel • Liebesromane • Neuanfang • Neue Reihe • Neuerscheinung • Romane für Frauen • romantisch • Schottland • Schwestern • Spiegel-Bestsellerautorin • St. Kilda • Trilogie • Verbotene Liebe |
ISBN-10 | 3-641-29914-4 / 3641299144 |
ISBN-13 | 978-3-641-29914-9 / 9783641299149 |
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