Mallorquinische Sühne (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31628-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mallorquinische Sühne -  Lilly Alonso
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Tief in der mallorquinischen Vergangenheit liegt der Schlüssel zu einer Reihe grausamer Morde
Sargento Lluc Casasnovas genießt den Sommer im lauschigen Örtchen Sóller auf Mallorca. Privat läuft es bei ihm zur Abwechslung mal gut. Doch die Idylle ist schnell vorbei: In einem Orangenhain wird die Leiche einer erdrosselten Frau gefunden. In ihrem Mund steckt eine kleine Orange, ein Ohr wurde ihr entfernt. Schnell fällt der Verdacht auf ihren Geliebten. Doch da taucht ein zweites Opfer mit denselben Merkmalen auf. Hat es die Inselpolizei tatsächlich mit einem Serienkiller zu tun? Um einen dritten Mord zu vereiteln und sein balearisches Paradies vor dem skrupellosen Täter zu bewahren, muss der erfahrene Ermittler sein ganzes Können aufbringen und sich seiner eigenen Vergangenheit stellen.

Geboren und aufgewachsen in Hannover, hat Lilly Alonso in Berlin studiert und gelebt, bis die Liebe sie schließlich nach Mallorca geführt hat. Hier genießt sie seit fast 20 Jahren das Inselleben, arbeitet als Zahnärztin, beobachtet Land und Leute und schreibt Krimis.

1


Die Geschichte, die sich seit Wochen zwischen ihnen anbahnte, hätte das Potenzial zu einer ganz großen Liebe gehabt.

Schmetterlinge flatterten wild in ihrem Bauch, als Gloria Ortiz die letzte Stufe der Badeleiter erklomm und sich auf die Faeton 780 Moraga hievte. Salzwasser tropfte von ihrem Körper auf das helle Teakholz, doch so nass fielen wenigstens ihre feuchten Hände nicht auf.

Es war Montagabend, fünf Minuten vor neun Uhr. Die Sonne schwebte über dem Wasser, färbte den Himmel tiefrot, um in Kürze in den Fluten zu versinken.

Die Bucht von Sa Calobra war fast menschenleer. Nur eine Llaüt Menorquin schaukelte neben ihnen in den türkis glitzernden Wogen des Mittelmeers. Eine Welle klatschte gegen den Bootsrumpf, Grillen zirpten auf den buschbewachsenen Felsen, Kokosduft von Sonnencreme lag in der Luft – der Dreiklang des Sommers.

Gloria versuchte, ihr breiiges Grinsen einzustellen, doch es vertiefte sich im gleichen Maß wie ihre Aufregung. Sie war ein Glückspilz, alles lief wie am Schnürchen. Obwohl sie sich fragte, worauf JM noch wartete.

Verstohlen sah sie zu dem Mann, der auf dem Bauch ausgestreckt auf den Polstern der Liegefläche am Bug der Faeton lümmelte.

Unter normalen Umständen hätte das euphorische Kribbeln in ihrem Bauch Glorias Wachsamkeit geweckt.

Doch normal war gestern, und heute gehörte einer neuen Ära an. Die in sechsunddreißig Jahren kontinuierlich entwickelte Bedenkenträgerin in ihr hatte mit dem Mindfulness-Kurs zu Jahresbeginn einen schweren Schlag erlitten.

Schmunzelnd wrang sie das salzige Wasser aus den langen dunkelblonden Haaren und zog den Schlauch der Heckdusche aus der Vorrichtung. Das lauwarme Süßwasser floss in dünnem Rinnsal über ihre Haut. Schon jetzt, Ende Juni, überzog eine schimmernde Bräune ihren schlanken Körper, den das warme Licht der untergehenden Sonne vorteilhaft in Szene setzte.

Sie benutzte nie seinen vollen Namen, nannte ihn nur JM. Das klang so schön nach Cyborg. Einer Maschine ohne die geistigen Fehlleistungen und körperlichen Schwachstellen, die gewöhnliche Menschen plagten. Denn bisher waren nur wenige an ihm festzustellen. Und sie hatte gesucht – offensichtlich war die Bedenkenträgerin nicht einfach verschwunden, ohne Souvenirs zu hinterlassen.

JM war klug, gebildet und besaß Vorausschau. Sei es der Vorzug der spanischen Nationalwahlen auf Juli, die anschließende Pattsituation oder sein Zweifel an der offiziellen Theorie über die Staudammkatastrophe auf dem Festland, der sich nun medienträchtig bewahrheitete – JM hatte alles mit der beängstigenden Präzision eines Wahrscheinlichkeitsrechners vorhergesehen. Und das in den wenigen Wochen, die sie sich kannten.

Die rot glühende Sonne im Rücken ließ seine Silhouette vor dem tiefblauen Meer aufleuchten. Doch es war nicht das Klischee der ausladenden Schultern, muskulären Statur und des kantigen Kinns, das die Sogwirkung auf Gloria ausübte.

Sie hatte eine Schwäche für Unterarme. Breit und behaart, mit dicken blauen Adern, die unter der gebräunten Haut heraustraten. So wie bei JM. Lernte sie einen Mann kennen, landete ihr Blick immer zuerst auf der Innenseite der Unterarme.

JM trug eine Sonnenbrille, doch Gloria wusste, dass er hinter den verspiegelten Gläsern jeden Zentimeter ihres Körpers scannte. Er lächelte, seine vollen Lippen eine Einladung, der sie gleich nachzukommen gedachte.

Die Geschehnisse der letzten Wochen liefen wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Sie versuchte zu verstehen, wie sie an diesen Punkt in ihrer Beziehung gekommen waren, scheiterte und landete wie jedes Mal beim schlechten Gewissen.

Während der warme Strahl der Dusche über ihre Beine rann, traf Gloria die Entscheidung. Sie würde JM alles erzählen. Die ganze Wahrheit. Bald.

Sofort stellte sich eine Leichtigkeit ein, die ihr Herz beflügelte. Gloria streckte den Rücken für JMs bewundernden Blick durch und wusch das Salz aus ihren Haaren.

Die Badegäste des Strandes von Sa Calobra, die sich vorher als kleine bunte Striche am Ufer abgezeichnet hatten, waren längst mit der letzten Fähre der Barcos azules zurück in den Hafen von Sóller gefahren.

Auf dem Landweg erreichte man die einsame Bucht nur beschwerlich über eine serpentinenartige Straße, was sie zum perfekten Ort für ihre Art von Date machte.

»Es war eine gute Idee von dir, nicht am Wochenende herzukommen. Gestern war es bestimmt nicht so friedlich«, rief sie JM zu.

»Leider stehen mir keine Lorbeeren zu. Es war eher eine notgedrungene Entscheidung. Ich hätte dich lieber schon am Samstag getroffen. Doch wegen der Sturmausläufer konnten wir erst gestern Abend zurück.«

»O Gott, der Sturm. War das Meer aufgewühlt?« Meterhohe Wellen zogen vor ihrem inneren Auge vorbei wie in diesem Film mit George Clooney.

»Nein, am Sonntag war alles weg. Was für ein Kahn! Der würde sogar einen Sturm überstehen. Da kommt man sich vor wie Bill Gates, und das, ohne einen Cent ausgeben zu müssen.« JM begann, von der sechsundzwanzig Meter Explorer zu schwärmen, die er als professioneller Kapitän vom Festland auf die Insel überführt hatte.

Vollverdrängerrumpf, harte Kimm, Gyroskopstabilisatoren – Gloria blendete sein Fachchinesisch aus und beobachtete stattdessen die Bewegungen seines Mundes. Sie verstand nichts von Schiffshydraulik, doch wenigstens erklärte der berufsbedingte Wochenendtrip das merkwürdige Montagsdate, das sie anfangs etwas irritiert hatte. Eigentlich bis eben noch.

JM beendete seine Ausführung und sah sie gespannt an, als würde er eine Antwort erwarten. Fieberhaft suchte sie nach etwas Geistreichem, unspezifisch genug, um zum Thema und zu möglichen Abzweigungen davon zu passen. »Der Eigner kann froh sein, Leute wie dich zu haben.«

»Er kann nicht einmal ein Ruderboot lenken. Doch dafür ist er schlau genug, sich ein solches Gefährt zu leisten. Guter Ausgleich, wenn du mich fragst. Man kann eben nicht alles haben.« JM zuckte mit den Schultern, prostete ihr mit seinem leeren Weinglas zu und strich sich die Haare aus dem attraktiven Gesicht.

Eckdaten über ihr Leben, ihre Familiensituation, Lieblingsfarben und -gerichte waren in zwei zuvor erfolgten Treffen ausgetauscht worden. Lubina in Salzkruste und Safarigrün deuteten auf einen Mann mit Geschmack hin, seine überraschende Feinfühligkeit ein Relikt der Kindheit neben zwei älteren Schwestern und einem kleinen Bruder. Nun war es Zeit, anzutesten, ob sie auch körperlich harmonierten.

Ein lautes Tuckern riss sie aus ihrem versenkten Suhlen im Glück.

Die Segeljacht nebenan lichtete die Ankerkette und legte den Rückwärtsgang ein. Der Kapitän, ein grauhaariger Mann mit ledrig zerfurchtem Gesicht wie eine Landkarte, winkte ihnen zum Abschied zu.

Die Llaüt tuckerte aus der Bucht und zog einen weißen Schaumschleier hinter sich her. Endlich waren sie allein.

Der unausgesprochene Plan bestand darin, die Nacht hier draußen gemeinsam zu verbringen. Zumindest hatte Gloria es so interpretiert.

Sie schob ihre Zweifel beiseite. Notfalls würde sie dafür sorgen. Es bestand kein Zeitdruck, niemand musste morgen ins Büro – sie selbst arbeitete noch zwei Wochen im Homeoffice, und JM trat seine neue Stelle erst nächsten Monat an.

»Jetzt ein kühles Gläschen Wein«, sagte Gloria, um irgendetwas zu sagen, und kam sich augenblicklich idiotisch vor. Schmetterlinge im Bauch und Gehirnerweichung standen in direktem Zusammenhang.

»Eiskalt in der Tat.« JM zog zum Beweis die Flasche Rosado aus dem Sektkübel, nahm langsam die Sonnenbrille von der Nase und sah ihr tief in die Augen.

Für einen Moment stand die Zeit still. Unterstützt vom Zirpen der Zikaden dudelte Bobby Farrells »Happy Song« wie das Leitmotiv des Abends aus der tragbaren Bose-Box und öffnete ein Fenster in die Ewigkeit.

Gloria schlang sich ein Badehandtuch um den Körper, löste den Blick und unterbrach damit den magischen Moment, der beinahe unerträglich geworden war. Sie lachte auf, was lässig wirken sollte, doch nur ihre Verlegenheit wiedergab.

Schnell kletterte sie zu JM auf den Schiffsbug. Er legte den Arm um sie und beugte sich zu ihr zu einem Kuss. Seine vollen Lippen waren weich und schmeckten salzig von dem Restmeerwasser auf Glorias Haut.

Widerstrebend löste er sich von ihr und stöhnte auf. »Ein Gläschen auf den Sonnenuntergang. Nachher ist es so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sieht.« Bedeutungsvoll ließ er die Augenbrauen auf und ab tanzen.

Das leise Ploppen des Korkens läutete den zweiten Akt des Abends ein. JM goss den Rosado in die Gläser und reichte Gloria eins.

Mit zittrigen Fingern hielt sie sich an dem bauchigen Kelch fest. »Salut.«

Sie stießen an. Glücklicherweise setzte JM seine Sonnenbrille wieder auf und ersparte Gloria, sich ein weiteres Mal in die Tiefen der Seele blicken zu lassen.

Aneinandergeschmiegt nippten sie schweigend an dem leicht prickelnden Rosé und beobachteten, wie die Sonne in der silbrigen Oberfläche des offenen Meeres verschwand.

Die Welt war weit, wunderbar und buchstäblich rosarot. Der Himmel brannte, der glühende Ball versank, und schon Sekunden später übernahmen die Schatten die Regie.

»Finden wir nachher im Dunkeln zurück?« Natürlich hatte Gloria diesbezüglich keine Befürchtungen....

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Casasnovas ermittelt auf Mallorca
Casasnovas ermittelt auf Mallorca
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • eBooks • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mallorca • Neuerscheinung • Spanien
ISBN-10 3-641-31628-6 / 3641316286
ISBN-13 978-3-641-31628-0 / 9783641316280
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