Die Rückkehr der Lebenspflückerin (eBook)

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2024 | 1. Auflage
305 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3273-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Rückkehr der Lebenspflückerin -  Regine Kölpin
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Die friesische Saga geht weiter.

Im Frühling des Jahres 1550 kehrt die schwangere »Lebenspflückerin« Hiske an der Seite ihres Mannes, des Arztes Jan Valkensteyn, nach Jever zurück. Ihre alte Freundin, die Duuvke Anneke Hollander, fürchtet um ihr Leben, weil sie Augenzeugin eines Mordes geworden ist. Kurz vor dem Eintreffen der beiden wird noch ein weiterer Mann tot aufgefunden. Besteht am Ende ein Zusammenhang zwischen den Morden und der beständig voranschreitenden Reformation? Das Jeverland ist schließlich dem katholischen Kaiser als burgundisches Lehen verpflichtet. Oder ist es womöglich die Absicht der Ostfriesen, Unfrieden zu stiften, um endlich das Land für sich einzunehmen? Jan und Hiske suchen fieberhaft nach Verbindungen zwischen den Toten, bis Hiske schließlich selbst in große Gefahr gerät und dabei sogar das Leben ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel setzt ...

Vierter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.



Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren und wuchs die ersten Jahre ihrer Kindheit auf einem alten Rittergut 'Hof Hirschberg' bei Großalmerode auf. Seit ihrem 5. Lebensjahr lebt sie an der Nordseeküste in Friesland. Die mehrfache Spiegel-Bestsellerautorin schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Ihre Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie über 200 Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist mit dem Musiker Frank Kölpin verheiratet. Sie haben fünf erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf in Küstennähe. In ihrer Freizeit verreisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen.

Jever, Januar 1550


Es war kalt, der Himmel spie einen weiteren kräftigen Schneeschauer auf die Stadt und bedeckte Unrat und Schlamm in den Gassen. Doch schon bald würde sich beides wieder von unten durch das Weiß fressen. Es war kein Schnee, der rasch wieder gehen würde, schon viel zu lange hielt der Frost das Land in seinem Arm, und es sah keineswegs danach aus, als würde er den Griff lockern wollen. Anneke Hollander hatte sich das Tuch fest ins Gesicht gezogen, als sie Jever durchquerte. Ein wollener Schal bedeckte ihr auffälliges rotblondes Haar. Keno Ockenga, ihr Herr, hatte sich ein Huhn zum Abendessen gewünscht, und es war nun an ihr, dafür zu sorgen, dass eines im Topf über dem Feuer kochte, wenn er aus der Färberei kam. Es galt also, sich zu sputen: Keno Ockenga konnte sehr ungehalten werden, wenn sie nicht spurte.

Anneke hatte gehört, dass es bei Bauer Wilkens, dessen Gehöft am Stadtrand hinter dem Kalkberg lag, noch Hühner zu kaufen gab, denn die Vorräte schrumpften in Zeiten wie diesen, wo die Wege zugeschneit und die Gewässer zugefroren waren. Selbst die Heringe waren knapp geworden.

Sie betrat den Hof und trug ihr Anliegen vor.

»Erst das Geld!« Auffordernd reckte sich ihr eine dicke Pranke entgegen.

Anneke öffnete die Handfläche, wo sie ein paar Oertjen aufbewahrt hatte. Bauer Wilkens, der mit einem dicken Fellmantel bekleidet war und auf seinem Kopf einen hohen, schwarzen Hut mit Stirnkrempe trug, griff nach dem Geld und winkte die junge Frau nach hinten durch. Sein Gang war in den klobigen Stiefeln laut, als er über den Lehmfußboden in den Stall voranging. Anneke fürchtete den kräftigen Mann, der bekannt dafür war, von seiner Kraft Gebrauch zu machen, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Alles kuschte vor ihm, denn er galt als einer der reichsten Bauern im Jeverland.

Sein Hühnerstall war tatsächlich gut gefüllt: Schon von Weitem ertönte lautes Gegacker, und in Annekes Nase zog der typische Geruch nach Hühnerkot. Als der Bauer die Tür öffnete, vermehrte sich das Getöse, ein paar Hühner flogen vor Aufregung ein Stück in die Höhe. Andere pickten und hackten nach ihrem Nachbarn. Bauer Wilkens würde auch weiterer Frost nicht darben lassen.

Er blickte sich kurz um, packte eine braune Henne, die sich gackernd und strampelnd zu befreien versuchte. Er schleuderte sie ein paarmal an den Beinen durch die Luft, bis das Gackern verstummte. »So können wir ihr gleich den Kopf abschlagen, ohne dass sie aufmuckt«, grummelte er, schob Anneke beiseite, verließ den Hühnerstall und ging zu einem Hauklotz, in dem ein Beil steckte, an dem noch getrocknete Blutreste zu erkennen waren.

Das Huhn hing schlaff in seiner mächtigen Pranke. Mit einem gezielten Schlag beförderte der Bauer das Tier endgültig ins Jenseits und hängte es an den Füßen mit dem Kopf nach unten auf. Anneke wartete, bis das Huhn ausgeblutet war, wickelte es in ein Tuch und stopfte es in ihr Bündel. Besser, man trug einen solchen Reichtum nicht offen zur Schau.

Ausnehmen würde sie es zu Hause, dann konnte sie morgen aus den Innereien und den Knochen noch eine schmackhafte Suppe herstellen. Mit etwas Glück fiel schon jetzt zumindest ein bisschen Brühe, vielleicht sogar ein kleines Stück Fleisch, für sie ab. So kräftig Keno beim Essen zulangte, ganz schaffte auch er eine fette Henne nicht.

Anneke verabschiedete sich rasch von dem Bauern und stapfte los. In den Gassen Jevers war es nun, allein der Kälte wegen, merklich ruhiger als auf dem Hinweg. Der Schnee hatte alle Spuren mittlerweile gnädig verdeckt, und die dichten Wolken hatten sich zurückgezogen, sodass die Stadt jetzt in friedlichem Weiß schimmerte. Es war totenstill, kein Laut störte die winterliche Stille.

Anneke freute sich auf die warme Küche, in der gleich ein Feuer Wärme spenden würde, bevor sie sich in ihre kalte, nicht heizbare Gesindekammer zurückziehen musste. Aber jemand wie sie durfte keine Ansprüche stellen. Sie konnte froh sein, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Auch wenn der Preis hoch war, den sie dafür als Magd von Keno Ockenga zu zahlen hatte.

Anneke stapfte mit gesenktem Kopf weiter, damit sie die beißende Kälte nicht direkt abbekam. Sie zerrte das Tuch noch tiefer ins Gesicht, doch es war dünn und von Motten zerfressen, sodass es keinen wirklichen Schutz bot. Plötzlich verharrte sie. Erst konnte sie nicht sagen warum, doch der vermeintliche Friede täuschte. Ihr war, als hätte sie einen Schrei gehört. Der klare Winterabend, der weiße Schnee … eine scheinbare Idylle, doch ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes.

Anneke hatte in ihrem kurzen Leben viel mitgemacht und kannte die Hölle auf Erden. Sie wusste, dass das Fegefeuer auf Erden viel schlimmer und grausamer war als alles, was nach dem Tod kommen mochte. Sie schaute sich vorsichtig um, horchte in den Abend, ob sie ein weiteres ungewöhnliches Geräusch ausmachen konnte, doch da war nichts. »Du bist eine dumme Gans«, schalt sie sich selbst. »Was auch immer du gehört haben willst: Hier ist nichts!«

Anneke beschleunigte ihren Schritt. Bloß weg hier! Ihr wurde vom schnellen Gehen warm. Doch dann hielt sie erneut inne, denn sie hatte eine Bewegung am Ende der Straße wahrgenommen. Eine dunkle Gestalt, mächtig und groß. Der Körper war unter einem schwarzen Umhang verborgen, nur hin und wieder blitzten helle, enge Beinlinge darunter hervor. Der Mann schleppte einen Menschen, der sich nicht wehrte, sondern lediglich zwei Furchen mit den Fersen im Schnee hinterließ. Die Gestalt verschwand mit ihrer Last rechts in einer Gasse. Genau diesen Weg musste Anneke gehen, um zurück zur Blaufärberei zu gelangen.

»Ich will ihm keinesfalls begegnen, und ich will schon gar nicht wissen, wen er durch die Gassen schleppt. Und auch nicht, warum«, murmelte Anneke, verstummte aber, denn die Worte hörten sich in den stillen Abendstunden viel zu laut an. Sie blieb stehen und wartete ab, ob der Mann verschwunden blieb. Erst dann wollte sie weitergehen.

Kurz darauf trat die dunkle Gestalt tatsächlich wieder zwischen den Häuserzeilen hervor. Sie prüfte die Umgebung. Ihr letzter Blick ging in Annekes Richtung. Sich nun in einen Hauseingang zu ducken, war zu spät. Warum hatte sie sich nicht zuvor versteckt? Anneke zog geschwind das Tuch noch fester um den Kopf. Der Mond schien mittlerweile hell und ließ ihr rötliches Haar aufleuchten. Sekundenlang standen sie nicht weit voneinander entfernt und taxierten einander. Dann erwachte Anneke aus ihrer Erstarrung, zog sich nun doch in einen Hauseingang zurück und ging in die Hocke. Das ist alles viel zu spät! Er hat dich längst gesehen, hämmerte es durch ihren Kopf.

Dennoch wartete sie, bis sie sicher war, dass der Mann ihr nicht hinterherkam. Als Anneke nach einer Weile vorsichtig und mit eiskalten Gliedern aus ihrem Versteck herauskroch, war er verschwunden. Sie überlegte, einen Umweg zu machen, aber der würde sie außerhalb der Wallanlagen vorbeiführen. Das war gefährlich, dort lungerten oft zwielichtige Gestalten herum, denen Anneke im Dunklen lieber nicht begegnen wollte. Und die sicher gefährlicher waren als der eine Mann, der vermutlich längst verschwunden war. Es reichte Anneke, dass sie das letzte Stück des Weges außerhalb der Wallanlagen entlanggehen musste, denn die Blaufärberei von Keno Ockenga lag an einem kleinen Tief.

Anneke scheute nicht nur die Gefahr, sondern auch den erheblich längeren Fußmarsch. Zum einen war es bitterkalt, zum anderen wartete Keno Ockenga auf sein Abendmahl. Sie wollte seinen Zorn nicht entfachen. Erst letzte Woche war das Bein seines Schemels zu Bruch gegangen, als er ihn auf Annekes Rücken hatte tanzen lassen. Unwillkürlich tastete sie nach den blauen Flecken. Seine Übergriffe wurden immer heftiger, er wirkte oft geradezu beseelt, wenn er Anneke mal wieder geschlagen und vergewaltigt hatte. Von daher war es besser, ihn nicht zu verärgern. Es half nichts, sie musste den Weg durch die Gasse nehmen.

»Sicher war es nur ein Betrunkener, den er vom Wirtshaus aus nach Hause gebracht hat«, flüsterte Anneke. Sie wusste, dass es nicht so war, aber mit etwas Glück konnte sie an allen Geschehnissen, wie auch immer sie geartet waren, einfach vorbeihuschen und zu Hause rasch das Abendessen vorbereiten, als sei rein gar nichts geschehen. Sie war ohnehin viel zu spät dran, weil...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2024
Reihe/Serie Die Lebenspflückerin
Die Lebenspflückerin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Frauenschicksal • historisch • Historischer Roman • Iny Lorenz • Ken Follett • König • Liebe • Ostfriesland • Ralf Dorweiler • Sabine Weiß
ISBN-10 3-8412-3273-6 / 3841232736
ISBN-13 978-3-8412-3273-1 / 9783841232731
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