Toskanische Schatten (eBook)

Ein Fall für Kommissar Scotti
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2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-31359-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Toskanische Schatten -  Antonello Rossi
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Ein römischer Eliteagent auf Verbrecherjagd in der toskanischen Provinz - Vorhang auf für Sonderermittler Francesco Scotti und seinen ersten Fall!
Montecatini, ein malerisches Dorf inmitten der toskanischen Hügellandschaft. Ein halbes Leben war Francesco Scotti nicht mehr hier, ermittelt er doch schon lange als Eliteagent in Neapel gegen die Mafia. Solange nicht klar ist, ob er bei einer Razzia aufgeflogen ist, muss er in seiner Heimat untertauchen und sich als kleiner Provinzermittler ausgeben.
Scotti fügt sich nur widerwillig in sein Schicksal. Aber gut, er wird es sich hier gemütlich machen. Dolce Vita und guter Wein wann immer möglich. Doch dann wird die Leiche des 80-jährigen Orlando Palmieri gefunden. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich als perfides Mordkomplott, das dem versierten Kriminalisten alles abverlangt ...

Spannung all'italiana vor der Kulisse der wunderschönen Toskana!

Antonello Rossi ist ein Pseudonym. Wenn er nicht in der Toskana weilt, lebt und arbeitet der Autor in Deutschland. »Toskanische Schatten« ist der erste Roman einer geplanten Reihe um Commissario Francesco Scotti. Die Verrücktheit und Herzlichkeit der Italiener, für die ein Caffè mehr Kultur als Heißgetränk ist, lässt Rossi ebenso in seinen Roman einfließen, wie die Liebe zu Landschaft und »Dolce Vita«.

Kapitel 2


Francesco Scotti parkte an der Piazza della Repubblica im Zentrum des Ortes. Hier trafen sich die Menschen von Montecatini in der Bar di Carlotta e Angelo am Morgen auf einen Caffè und am Nachmittag auf einen Grappa. Er erinnerte sich, wie er als kleiner Junge in kurzen Hosen unter den Platanen auf einer Bank saß und auf seine Mutter wartete, die mit dem Bus aus der Stadt von der Arbeit kam. Manchmal kletterte er auf den Bänken herum oder sah den Alten beim Boccia-Spiel zu. Damals war ein Teil der Piazza noch nicht gepflastert, die Kugeln blieben gut liegen auf dem sandigen Boden. Meist spielten der Fleischer Nicoli, der Friseur Martino und der alte Octavio, der immer eine Schirmmütze trug und eine filterlose Esportazione im Mundwinkel hatte. Sie waren damals schon Rentner. Seit Martino seinen Friseursalon dichtgemacht hatte, fuhren die Menschen zum Stutzen ihres Haupthaars nach Ponteginori, für Nicolis macelleria gab es keinen Ersatz in der Nähe. Eine kleine Auswahl an Fleisch und Wurstwaren fand man im alimentari, wollte man mehr, musste man nach Volterra.

Eine Weile beobachtete Francesco Scotti aus seinem Fiat heraus das gemächliche Treiben auf der Piazza. Ihm fiel ein, wie er sich als kleiner Junge ein Fahrrad wünschte und seine Mutter ihm die Geschichte vom Sternenstaub erzählte. Sie sagte: »Wünsche sind in Sternenstaub gemalte Hoffnungen, der Wind weht sie davon, und wenn du Glück hast, fängt ein Engel sie ein und erfüllt sie dir eines Tages.« Ein paar Tage später saßen sie genau an der Stelle, wo die Alten ihre Kugeln warfen, auf einer Bank und aßen ein Eis. An diesem Tag war von den Spielern nichts zu sehen. »Stell dir vor, das wäre kein Sand, sondern Sternenstaub«, sagte sie. Und wie von Zauberhand begann der Sand zu funkeln, was natürlich an der Sonne lag, die die winzigen Kristalle zwischen den Körnchen zum Glitzern brachte. Seine Mutter hockte sich hin und malte mit dem Finger etwas in den Sand, das aussah wie ein Fahrrad. Für sich selbst malte sie ein Herz. Und tatsächlich, zu seinem achten Geburtstag bekam er ein Fahrrad geschenkt. Seine Mutter hatte nicht so viel Glück, kein Engel fing ihren Wunsch ein, sein Vater ließ sich nie wieder blicken.

Als Jugendlicher schlich er sich nachts noch einmal an die Stelle auf der Piazza. Er wünschte sich eine Vespa. Am liebsten eine rote. Am Abend hatte er sich heimlich Mut angetrunken, denn es war ihm peinlich, als Vierzehnjähriger in den Sand Bilder zu malen. Die Vespa bekam er nie. Das mochte entweder daran gelegen haben, dass sein junger Magen den Schnaps nicht vertrug und er mitten in der Nacht an eine der Platanen kotzte oder dass er keine Vespa malen konnte und stattdessen den Namen Sofia in den Sand schrieb. Vielleicht lag es auch daran, dass keine zwei Jahre später seine Mutter starb und sie nicht genügend Zeit gehabt hatte, das Geld zu sparen.

Heute saßen die drei Alten an einem der Tische vor der Bar und spielten Briscola. Scotti kam es vor, als sei die Zeit stehen geblieben. Er erinnerte sich daran, wie er einmal den alten Octavio fragte, ob der Zigarettenstummel an seinem Mundwinkel angewachsen sei. Da nahm er ihn aus dem Mund, spuckte aus und rief: »Dir werd ich eins geben. Von wegen angewachsen.« Dabei sah man seine Zahnlücken. Er rauchte nur die Filterlosen aus Italien. Filterzigaretten seien Ami-Dreck, das sei doch allgemein bekannt. »In so einer Ami-Zigarette ist mehr Filter als Tabak«, pflegte er zu sagen. »Von den Dingern kriegst du krumme gelbe Finger. Sieh dir meine Finger an, kerzengerade und sauber.« Dabei schob er seine Esportazione in den Mundwinkel zurück und streckte beide Hände nach vorn. Der alte Octavio war überzeugt, dass die Amis etwas in den Tabak mischten, was die Menschen stupido machte. Als Italiener rauchte er italienische Zigaretten, basta. Er liebte sein Montecatini, und nach dem dritten Grappa schwor Octavio, dass er es noch nie verlassen habe. Auch nicht, um zum Zahnarzt zu gehen. Dabei zeigte er stolz seine noch vorhandenen Zähne. Es gab nicht wenige, die ihm seine Geschichte glaubten.

Inzwischen schrieb man das Jahr 2018, und Octavio musste an die hundert Jahre alt sein, was keine Seltenheit in Montecatini war. Man sagte diesem Ort eine gewisse Magie nach, die Menschen starben hier selten vor ihrem fünfundneunzigsten Geburtstag. Einige meinten, das läge an der Ruhe, andere schrieben diesen Umstand der gesunden Luft zu, wieder andere der nahe gelegenen Kupfermine. Der alte Octavio seinen filterlosen Zigaretten. Ein Dutzend Legenden rankten sich um Menschen, die bis zu einhundertzwanzig Jahre alt geworden sein sollten. Es gab ein paar Deutsche und Norweger, die jedes Jahr als Urlauber hergekommen waren und im fortgeschrittenen Alter dablieben, weil sie sich erhofften, die Magie des Ortes würde sie zu Methusalems machen.

Ansonsten verirrten sich kaum Touristen in das Bergdorf, zu schlecht und zu steil waren die beiden Zufahrtsstraßen. Die meisten blieben auf der Strada Regionale 439 und wollten schnell nach Cecina ans Meer oder vom Meer kommend nach Florenz und Pisa. Die wenigen, die es doch schafften, einen Abstecher zu machen, aßen bei Mama Gina im Sotto la Torre eine Pizza oder gönnten sich bei Antonia im Il Platano ein Menü und besichtigten anschließend die Kupfermine.

Ganz konnte sich der Ort dem Wandel der Zeit jedoch nicht entziehen. Ein Mobiltelefon besaß auch in Montecatini fast jeder, selbst der alte Octavio fand es chic, nicht jedes Mal nach Hause rennen zu müssen, wenn seine Tochter anrufen wollte. Auch das Internet zog mehr und mehr in die Haushalte ein zu Pasta und Limoncello. Musste vor Jahren noch das einzige Hotel mangels Besuchern schließen, spülten Airbnb und Ferienportale seit geraumer Zeit den einen oder anderen Urlauber ins Dorf, der eine Bleibe in den privaten Pensionen und Ferienwohnungen fand. Seit Claudio Sartori seine Drogerie in die Hände seiner Tochter Nicoletta übergeben hatte, lagen in den Auslagen vor dem Laden Seifen aus Ziegenmilch, handgefertigte Schälchen aus Alabaster und nach Lavendel duftende Lotionen.

Francesco Scotti verlagerte sein Gewicht auf dem engen Sitz des Fiats, um die schmerzende Hüfte zu entlasten. Im nächsten Moment knallte der alte Octavio auf der Piazza seine Karten auf den Tisch, stand auf, richtete seine Schirmmütze und humpelte in den kleinen Tabakladen neben der Bar. Gleich darauf kam er mit einer Schachtel Esportazione in der Hand zurück.

Scotti blickte auf seine Armbanduhr. Kurz vor halb zwölf. Es war noch genügend Zeit, mit Tenente Ugobaldo war er um vierzehn Uhr verabredet und bis Volterra brauchte er keine zwanzig Minuten. Er klappte die Sonnenblende nach unten und schaute in den Spiegel. An die blauen Augen musste er sich erst wieder gewöhnen. Für seine vierundvierzig Jahre hatte er ein paar Falten zu viel, aber der Kurzhaarschnitt stand ihm.

Wenige Minuten später betrat er die Bar von Carlotta und Angelo. Ein paar Gäste saßen aufgeregt gestikulierend an den Tischen, andere diskutierten lautstark im Stehen, sodass man sein eigenes Wort kaum verstand. Als sie ihn wahrnahmen, war es augenblicklich still. Von Carlotta war nichts zu sehen, Angelo stand hinter dem Tresen und polierte ein Glas.

»Der Herr wünschen?«, begrüßte er ihn.

Scotti schaute ihn an und lachte in sich hinein. Der Kerl hatte sich überhaupt nicht verändert. Als würde er ihm auf dem Schulhof gegenüberstehen, nur dreißig Jahre älter und mit Schnauzbart. Und sein Bauch, den er schon damals stolz vor sich hertrug, hatte etwas an Umfang gewonnen. Scotti spürte, wie Angelo ihn verlegen musterte. Die Gäste waren immer noch still oder murmelten etwas hinter vorgehaltener Hand.

»Was kann ich für Sie tun?«, wiederholte der Wirt mit distanzierter Stimme.

»Das ist nicht dein Ernst, Angelo.« Scotti breitete die Arme aus, als wollte er sagen: »Da bin ich!«

Angelo starrte ihn einen Augenblick an, dann entspannten sich seine Gesichtszüge.

»Francesco!«, rief er, schmiss sein Geschirrtuch in die Ecke und kam um den Tresen herum. Dann umarmten sich die beiden, wie sich zwei alte Schulfreunde, die sich eine Ewigkeit nicht gesehen haben, eben umarmten.

Augenblicklich wurde es wieder laut in der kleinen Bar, die Gäste diskutierten weiter, als wäre nichts gewesen. Angelo lockerte die Umarmung, hielt Scotti auf Armeslänge an den Schultern und schaute ihn von oben bis unten an.

»In diesem Aufzug hätte ich dich beinahe nicht erkannt.«

»Du hast mich nicht erkannt.«

»Laufen die in Rom alle mit solchen Klamotten rum?« Er pfiff anerkennend durch die Lippen. »Carlotta, Francesco ist da!«, rief er nach hinten. Dann wandte er sich wieder Scotti zu und senkte die Stimme: »Ich dachte, du wärest einer von der Steuer. Die kriechen doch jetzt überall herum, kommen bis ins letzte Loch und schnüffeln, ob sie uns noch was aus der Tasche ziehen können, um die Staatskasse aufzubessern.«

»Pass auf, was du sagst, ich arbeite immer noch bei der Polizei.«

Für einen Moment wurde es wieder leiser in der Bar, aber einen Augenblick später ging es erneut hoch her.

»Hab schon gehört«, sagte Angelo und trat wieder hinter den Tresen, »sie haben dich aus Rom verbannt. Marta hat es mir erzählt.«

»Francesco, mein Liebling«, schallte es hinter der Siebträgermaschine hervor und gleich darauf sah sich Scotti einer Flut von Küssen ausgesetzt. »Gut siehst du aus.« Carlotta betrachtete ihn und rief ihrem Mann zu, ohne den Blick von Scotti abzuwenden: »So sieht ein Mann von Welt aus, Angelo. Du könntest dir auch mal eine neue Hose kaufen. Hast du unserem...

Erscheint lt. Verlag 22.5.2024
Reihe/Serie Toskana-Krimi
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Andrea Bonetto • Cay Rademacher • Cosy Crime • Destinationskrimi • eBooks • Ermittler • Gil Ribeiro • Italien • Italien Krimi • Italien-Reise • Italien-Urlaub • Jean-Luc Bannalec • Kommissar • Krimi • Krimi Mittelmeer • Kriminalromane • Krimireihe • Krimis • Kulinarischer Krimi • Mafia • Malerei • Montecatini • Mordserie • Neuerscheinung • Reisen • Romane für den Urlaub • Sommerlektüre • Sophie Bonnet • Spannungsroman • Toskana • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre • val di cecina • Volterra
ISBN-10 3-641-31359-7 / 3641313597
ISBN-13 978-3-641-31359-3 / 9783641313593
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