Jerry Cotton 3467 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5779-9 (ISBN)
Phil und ich wohnten der Beerdigung des großen Mafiabosses Don Vito Trados bei. Viele Familien waren anwesend. Todesursache Herzversagen, es schien ein natürlicher Tod gewesen zu sein. Wenige Tage später starb Don Vasco Gamas, angeblich ein Unfalltod. Mein Partner witterte einen Zusammenhang. Und schon bald war offensichtlich: Ein Unfall kommt selten allein ...
Ein Unfall kommt selten allein
Alles begann recht besinnlich, wobei besinnlich vielleicht nicht der passende Ausdruck sein mag. Oder würde man eine Beerdigung mit diesem Wort beschreiben? Noch dazu, wenn es die Beerdigung eines berühmt-berüchtigten Mafiapaten war? Für Phil und mich war es auf jeden Fall zu Anfang ein reiner Routinejob. Mr. High hatte uns beauftragt, die Beerdigung zu überwachen. Es war eine günstige Gelegenheit, um Informationen zu sammeln. Immerhin krochen dabei die ganzen kriminellen, verschlagenen und hinterhältigen Persönlichkeiten der dunklen Seite der Gesellschaft aus ihren Löchern.
Da war zum Beispiel Nathaniel Bloome. Ein durchschnittlich dreinschauender Mann Anfang fünfzig, der dem Verstorbenen auf dem Green-Wood Cemetery die letzte Ehre erweisen wollte. Niemand würde vermuten, dass er wahrscheinlich für ein Dutzend Morde verantwortlich war. Bloome war einer der geschäftigsten Mafiakiller, die noch lebten.
»Das sind bestimmt an die tausend Jahre Gefängnis, die hier zusammenkommen«, meinte Phil.
Ich nickte. »Mindestens.«
Ich deutete in Richtung einer älteren schwarzhaarigen Frau, die quer über ihrem schwarzen Hosenanzug einen leuchtend roten Schal trug. »Ist das nicht Donna Gina Rambaldi? Die Frau, die ihren Mann, den alten Don, beseitigt und danach selbst die Führung der Familie übernommen hat?«
»Ja, ich glaube, das ist sie. War der verstorbene Don Vito Trados vielleicht einer ihrer Liebhaber?«
»Nie etwas dergleichen gehört. Ihr Besuch bei Trados' Beerdigung heute liegt wohl eher darin begründet, dass die beiden lange Zeit geschäftlich zu tun hatten.«
Wir bemerkten, wie zwei ältere Männer aufeinander zukamen, aufblickten, sich gegenseitig drohende Blicke zuwarfen und kehrt machten. Auch als sie bereits mehr als vierzig Yards voneinander entfernt waren, schimpften sie noch.
»Zwei Dons im Rentenalter, die inzwischen im Ruhestand sind, sich jedoch offensichtlich nicht riechen können«, gab Phil belustigt von sich. »So langsam macht es fast Spaß, sich diese Show anzuschauen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, wer mit wem kann und wer nicht.«
»Die Mafia ist keine homogene Familie, sondern eine Sammlung von Clans, die sich manchmal tolerieren, manchmal bekämpfen. Stammt die Idee der Blutfehde nicht aus Sizilien?«
»Kann sein«, murmelte Phi, während ich beobachtete, wie sich uns ein Mann von Anfang vierzig näherte, und flüsterte mir zu: »Ist das nicht der Spross der Savetti-Familie?«
Ich nickte. »Franco Savetti, der Sohn von Don Ricardo Savetti. Auch einer der berühmt-berüchtigten Dons.«
Franco Savetti schaute alles andere als glücklich drein. Man konnte ihm ansehen, dass er auf Streit aus war.
»Was fällt Ihnen ein, uns bei einem solchen Ereignis zu stören?«, gab er zornig von sich. »Allein Ihre Anwesenheit ist ein Schlag ins Gesicht aller hart arbeitenden Amerikaner italienischer Abstammung.«
»Wir machen nur unseren Job«, erwiderte ich gelassen.
»Ihren Job?«, erwiderte er. »Sie sind Staatsbeamter und werden von Steuergeldern bezahlt, Steuern, die meine und die anderen Familien hier zahlen. Also sollten Sie eigentlich für uns arbeiten.«
»Das kann man so sehen«, sagte ich. »Ist ein interessanter Gesichtspunkt. Nicht meiner, ein wenig verdreht, aber interessant.«
Ich schaute dem Mann in die hellbraunen, zornig funkelnden Augen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er mir am liebsten einen Kinnhaken verpasst hätte. Er hielt sich jedoch zurück. Keine Ahnung, ob er meine Reaktion fürchtete oder die der anderen Trauergäste.
»Wehe, Sie stören die Feier!«, drohte er mir, warf auch Phil einen wütenden Blick zu und ließ uns ohne ein weiteres Wort stehen.
»Der hat es uns aber gegeben«, sagte Phil unbeeindruckt.
»Er ist nicht mit dem Toten verwandt, oder?«
»Die Savettis mit Don Vito Trados? Nicht dass ich wüsste.«
»Dachte ich mir«, sagte ich. »Dann ist es wohl allein die Anwesenheit von Beamten, die ihn aufgeregt hat. Hat wohl einiges auf dem Kerbholz.«
Phil nickte. »Ganz sicher.«
Außer Franco Savetti schenkte uns keiner der Trauergäste viel Beachtung. Man arrangierte sich mit unserer Anwesenheit, indem man uns ignorierte. Einige Leute griffen zum Handy, nachdem sie uns entdeckt hatten. Wahrscheinlich wollten sie jemanden warnen, nicht zur Beerdigung zu kommen. Das ein oder andere steckbrieflich gesuchte Mafiamitglied hatte vielleicht geplant, bei der Beerdigung aufzutauchen, musste aufgrund unserer Anwesenheit allerdings davon Abstand nehmen.
Natürlich machte das FBI auch Videoaufzeichnungen und Fotos. Darum kümmerte sich unser IT-Genie Dr. Ben Bruckner, der gut hundert Yards entfernt in einem Überwachungsfahrzeug saß und mehrere Drohnen zur Verfügung hatte. Als Unterstützung waren Joe Brandenburg und Les Bedell bei ihm im Wagen. Wir rechneten zwar nicht mit einem Zwischenfall, doch es war besser, ein paar bewaffnete Agents im Rücken zu wissen, falls einer von den Gästen auf die Idee verfiel, handgreiflich zu werden. Ich war mir sicher, dass viele der Männer bewaffnet waren, vielleicht auch einige der Frauen.
Nachdem der Sarg in die Erde hinabgelassen worden war und ein Priester rührende Lügen über den Toten vom Stapel gelassen hatte, gingen die rund sechs Dutzend Gäste zu ihren Fahrzeugen, um zum Leichenschmaus zu fahren. Wir konnten zwar nicht in das Gebäude, observierten jedoch auch dort, wer kam und ging.
Letztlich war das eine Routineaktion ohne besondere Vorkommnisse. Sie sollte erst später an Bedeutung gewinnen, als wir in die tödlichen Verstrickungen der Mafiafamilien hineingezogen wurden.
Die nächsten Tage kümmerten wir uns um einen anderen Fall. Dr. Iris McLane bat uns, einige unserer »verkrusteten Gewohnheiten«, wie sie es nannte, für einen Tag abzulegen. Dabei lernte ich eine mysteriöse Frau kennen, und das Ganze entwickelte sich zu einem Fall, der mich persönlich bis ins Mark erschütterte.*
Als Phil und ich nach Abschluss dieses Falls in unserem Büro saßen und uns eine kurze Auszeit und Helens Kaffee gönnten, stürmte Ben in unser Büro.
»Habt ihr das schon gehört? Die neueste Nachricht!«
»Die Nachricht, wer der nächste Bond-Darsteller wird?«, fragte Phil.
»Nein, das nicht«, erwiderte Ben.
Phil schüttelte den Kopf. »Was gibt es denn?«
»Don Vasco Gamas ist tot!«, antwortete Ben.
»Gamas?«, erwiderte Phil. »Der Schlächter von Brooklyn?«
»Er hat eine Menge Namen gehabt«, sagte ich. »Einige noch weitaus fieser als der.«
»Ich finde Schlächter ziemlich fies«, meinte Phil.
Ich schaute zu Ben. »Also, was ist passiert? Wurde er erschossen? Erstochen? Erwürgt?«
»Weder noch«, antwortete Ben. »Soweit ich gehört habe, handelt es sich um einen Unfall.«
»Unfall?«, erwiderte ich überrascht. »Das ist bei seinem Lebenswandel sicher kein angemessener Tod.«
»Er war schon recht alt«, bemerkte Ben.
Ich lächelte. »Alter ist relativ. Für dich ist ja jeder über fünfzig alt.«
»Fünfundachtzig«, spezifizierte Ben. »Er war fünfundachtzig Jahre alt. Und wohl auch krank. Ich wollte euch Bescheid geben. Mister High weiß es schon. Meeting in zehn Minuten, soll ich euch ausrichten.«
»Danke für die Info«, sagte ich.
Ben nickte und verließ unser Büro.
»Das ist schon der zweite große Don, der von uns geht«, bemerkte Phil. »Zuerst Don Vito Trados, bei dessen Beerdigung wir waren. Und jetzt Don Vasco Gamas. Ich trauere ihnen sicher nicht nach, aber zwei tote Mafiabosse innerhalb so kurzer Zeit? Hört sich für mich verdächtig an.«
»Du meinst, diese natürlichen Tode waren nicht ganz so natürlich, wie man annehmen würde?«
»Ist auf jeden Fall möglich«, sagte mein Partner. »Wir sollten der Sache auf den Grund gehen. Besser wir wissen, dass da etwas brodelt, bevor die Suppe überkocht.«
Kurz darauf saßen Phil und ich zusammen mit Ben, Iris, Steve Dillaggio und Zeerookah in Mr. Highs Büro.
Der Chef fasste zusammen, was passiert war. »Uns stellt sich jetzt die Frage, was dieses Ereignis für Folgen haben wird. Ganz besonders, da es bereits der zweite große Don ist, der seinen Platz frei macht.«
»Es könnte zu Machtkämpfen innerhalb der Familie Gamas kommen«, meinte Steve. »Der Don hat zwei Söhne. Beide wären, soweit ich weiß, als Nachfolger qualifiziert.«
»Der eine studiert in Übersee«, bemerkte Iris. »Er wird sicher für die Beerdigung in die Staaten kommen. Dann wird sich zeigen, wie die Familie das intern regelt.«
»Die eigentliche Frage, die sich uns stellt, ist, inwiefern es die kriminellen Aktivitäten der Familien beeinflusst«, sagte Mr. High.
»Ich denke, es gibt noch eine andere Frage«,...
Erscheint lt. Verlag | 25.11.2023 |
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Reihe/Serie | Jerry Cotton | Jerry Cotton |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-5779-1 / 3751757791 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5779-9 / 9783751757799 |
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