Schwäbisch für Engel (eBook)
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-21791-7 (ISBN)
Elisabeth Kabatek lebt als Autorin, Kolumnistin und Bloggerin in Stuttgart. Ihre Romane Laugenweckle zum Frühstück, Brezeltango, Spätzleblues, Zur Sache, Schätzle!, Schätzle allein zu Haus, Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft und Ein Häusle in Cornwall wurden alle zu Bestsellern. Chaos in Cornwall und die Fortsetzung Ein Cottage in Cornwall sind ihre jüngsten Romane. Mehr unter: www.e-kabatek.de https://ekabatek.wordpress.com
Elisabeth Kabatek lebt als Autorin, Kolumnistin und Bloggerin in Stuttgart. Ihre Romane Laugenweckle zum Frühstück, Brezeltango, Spätzleblues, Zur Sache, Schätzle!, Schätzle allein zu Haus, Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft und Ein Häusle in Cornwall wurden alle zu Bestsellern. Chaos in Cornwall und die Fortsetzung Ein Cottage in Cornwall sind ihre jüngsten Romane. Mehr unter: www.e-kabatek.de https://ekabatek.wordpress.com
1. Kapitel
In dem wir die Heldin und den Helden dieser Geschichte kennenlernen und erfahren, warum der Roman »Schwäbisch für Engel« heißt
Meine Damen und Herren, liebe Diverse …« Erst krächzt Anna wie ein Rabe, dann kippt ihr die Stimme einfach weg, als sei sie stockheiser. Sie ist wütend, enttäuscht, frustriert und verzweifelt, alles gleichzeitig. Die Verzweiflung ist am schlimmsten. Sie lauert unter den Sohlen ihrer nigelnagelneuen Sneakers, klettert blitzschnell auf ihre Füße und springt mit einem großen Satz mitten hinein in ihr aufgeregt klopfendes Herz. Verpiss dich, droht sie, aber die Verzweiflung macht es sich gemütlich. So schnell haut die nicht wieder ab.
Anna hat nichts dem Zufall überlassen. Sie ist die sorgfältig durchkomponierte Rede mit ihrem »Feministischen Arbeitskreis für werdende Bürgermeisterinnen« (FAWB) durchgegangen, hat sie auswendig gelernt und sich selbst vor dem Spiegel gehalten. Selbstverständlich ist sie mit dem Fahrrad gekommen und von Kopf bis Fuß politisch korrekt gekleidet, damit man ihr nicht vorwerfen kann, dass sie ihre Ideale nicht konsequent persönlich lebt: dunkelblauer Parka aus Biobaumwolle, nachhaltig produzierte Jeans, Socken, die ihr ihre Mutter aus der Wolle von ökologisch gehaltenen Deichschafen gestrickt hat, und an den Füßen vegane Turnschuhe aus Hanf. Alles sehr sportlich und ein bisschen schlabberig und bestimmt nicht sexy, aber sie will sich schließlich nicht nachsagen lassen, sie sei ein Püppchen. In ihrer Tasche aus recycelten PET-Flaschen warten die auf Altpapier gedruckten Flyer ebenso darauf, verteilt zu werden, wie die Schirmkappen aus Biobaumwolle. »Anna Freitag. Die frische Brise aus dem Norden!« hat sie in Schreibschrift auf die Kappen drucken lassen, Meeresblau auf weißem Grund, mit einer fliegenden Möwe darüber. Natürlich trägt sie selbst eine solche Kappe über ihren kurzen blonden Locken. Leider muss die jetzt als Schutz gegen den Regen herhalten.
Sie hat die letzten drei Nächte vor Aufregung kaum geschlafen in der kleinen Wohnung im Mehrfamilienhaus im Neubaugebiet. Anna ist bereit. Bereit, alles zu geben, nicht nur an diesem Abend, bei der Auftaktveranstaltung zu ihrem Wahlkampf, hier auf dem Marktplatz von Schwäbingen, sondern auch in den kommenden Wochen und Monaten. Es gibt nur eine klitzekleine Komplikation.
Der Marktplatz mit seinen eigentlich hübschen Fachwerkhäusern ist leer. Es gibt nicht einmal Tauben, oder Blätter, die der Wind vor sich hertreiben könnte, oder eine streunende Katze. Es gibt einfach nichts. Gar nichts. Nur einen völlig menschenleeren Platz und trostlosen Nieselregen.
Ihr Gesicht brennt. Es fühlt sich an, als habe sie jemand geschlagen. Ihre Eltern werden später anrufen, um zu fragen, wie es gelaufen ist. Sie weiß genau, dass sie im Moment an nichts anderes denken können und über nichts anderes reden. Was soll sie ihnen sagen? Und den Mädels in ihrer Arbeitsgruppe? Natürlich hat sie nicht damit gerechnet, dass sich die Leute auf dem Marktplatz drängen. Es kennt sie ja keiner. Noch nicht. Aber dass nicht einmal ein paar Neugierige aufgetaucht sind! Es muss doch in einer Zwanzigtausend-Seelen-Stadt Leute geben, die sich nach vierundzwanzig Jahren mit demselben Bürgermeister nach einer Veränderung sehnen! Was hat der überhaupt vorzuweisen? Er hat eine Mehrzweckhalle bauen lassen und zwei Firmen angesiedelt, ein Taxiunternehmen (anstatt den öffentlichen Nahverkehr zu fördern) und einen Unterwäschehersteller (der sehr unökologische Wäsche produziert). Einmal im Jahr veranstaltet er im Namen der Stadt die Wahl zur Miss Schwäbingen. Dann wird die schönste Frau in Schwäbingen gewählt. Wie frauenfeindlich ist das denn? Außerdem hat er das »Schwäbinger Bierfest« ins Leben gerufen, einen Mini-Ableger des Cannstatter Volksfestes, offensichtlich vor allem deshalb, weil er so gerne Bierfässer ansticht. Super. Natürlich unternimmt er auch nichts gegen den Landwirt mit der Hühnerzucht in Massentierhaltung, den es schon vor seiner Amtszeit gegeben hat und der von der Tierschutzorganisation PETA angeprangert worden ist, nachdem Mitglieder der Gruppe heimlich verendete Hühner im Stall gefilmt haben. Kultur, Umwelt, Infrastruktur, Frauenförderung, Digitalisierung? Fehlanzeige. Von Bürgerbeteiligung erst gar nicht zu reden. Und trotzdem steht sie hier mutterseelenallein auf einem leeren Platz?
Anna hat so viel Arbeit, Zeit und Geld in die Werbung gesteckt! Plakate, Facebook, Insta, nicht zu vergessen die Anzeige in der Lokalzeitung. Offensichtlich hat das alles nichts gebracht. Natürlich spielt das Wetter eine Rolle. Warum muss es ausgerechnet heute Abend regnen, am Ende eines bis dahin sonnigen Septembertages? Das allein kann jedoch nicht der Grund sein. Sie muss etwas übersehen haben. Eine größere Veranstaltung, hier oder im Nachbarort. Vielleicht liegt’s auch an der Uhrzeit? Es wird schon langsam dunkel. Sie muss unbedingt herausfinden, ob man in Schwäbingen nicht so gerne spät aus dem Haus geht. Das hilft ihr jetzt aber nichts. Lohnt es sich überhaupt noch, zu warten? Ihr ist zum Heulen zumute.
Ein winziges bisschen Hoffnung schöpft sie, als sich eine groß gewachsene Gestalt aus dem Schatten löst und auf sie zustapft. Viel erkennen kann sie nicht. Der Figur nach ein Mann. Er trägt einen weiten Regenmantel, die Kapuze verdeckt das Gesicht. Ein Zuhörer ist besser als gar keiner!
»Herzlich willkommen!«, schmettert sie ihm entgegen und legt so viel Enthusiasmus in ihre Stimme, wie sie nur kann. »Oder, wie man bei uns sagt: Moinmoin!« Sie bekommt keine Antwort. Stattdessen positioniert sich die Person in ein paar Metern Abstand in gerader Linie vor ihr und reckt eine Hand nach oben. Eine Hand mit einem Smartphone.
»Ich darf doch?« Eine Männerstimme, sie hat richtig geraten. Reichlich unterkühlt, ohne den üblichen schwäbischen Einschlag.
»Aber natürlich!«, ruft sie und setzt ihr Fotografiergesicht auf. Sie weiß genau, wie sie rüberkommt: seriös und doch sympathisch, mit dem Anflug eines Lächelns in den Mundwinkeln. Sie hat dafür lange vor dem Spiegel geübt, noch länger als für ihre Rede. Ja, sie ist eine richtig gute Lächlerin geworden, dabei ist sie mehr so der ernsthafte Typ.
»Möchten Sie vielleicht ein Selfie mit mir machen? Dann würde ich es auf Facebook posten!«, schlägt sie eifrig vor. »Und darf ich Ihnen eine Kappe mitgeben?«
Sie streckt ihm eine Kappe hin. Der Mann schüttelt den Kopf und senkt langsam den Arm mit dem Handy. Noch immer kann sie sein Gesicht nicht erkennen.
»Nein, danke. Also weder noch. Das Bild erscheint morgen im Schwäbinger Boten.«
»Sie sind … von der Lokalzeitung?« Ihr Herz setzt für mindestens zwei Schläge aus. Er wird doch nicht etwa dieses Bild bringen? Anna Freitag, die Herausforderin des Amtsinhabers, bei der Auftaktveranstaltung zu ihrem Wahlkampf, mutterseelenallein auf dem Marktplatz? Das wäre eine Vollkatastrophe!
»Ja. Wir hatten telefoniert. Wegen der Anzeige für heute Abend. Ich bin Lukas.« Er schlägt die Kapuze zurück. Sie kann sein Gesicht in der Dämmerung nur undeutlich erkennen. Nur einen verstrubbelten Bart, eine Brille und ein Hipstermützchen. Sie mag keine Hipster.
»Lukas? Ach ja, stimmt. Verraten Sie mir noch mal Ihren Nachnamen?« Charmant-distanziert, heißt die Devise. Und souverän. Vor allem souverän.
»Wann warst du das letzte Mal bei IKEA? Kein Mensch spricht sich mehr mit Nachnamen an. Lukas reicht. Chefredakteur, Marketing und Anzeigenabteilung des Schwäbinger Boten in einer Person.« Er stellt einen Fuß vor den anderen, nimmt einen imaginären Hut vom Kopf und macht eine schwungvolle Verbeugung. Für wen hält er sich? Für Johnny Depp in »Fluch der Karibik?« Und dieser blasierte Tonfall!
»Diese aufgesetzte Duzerei ist nicht so meins«, zischt sie. Das ist glatt gelogen. Da, wo sie herkommt, sind alle per Du miteinander. Aber der Typ hat nicht nur ein Foto von ihr ohne klare Ansage gemacht, er ist auch noch unerträglich arrogant.
»Meinetwegen, dann siezen wir uns eben. Ich bin dann der Herr Allgöwer. Duzt man sich in Hamburg auf dem Fischmarkt nicht?«, fragt er zurück. Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Will er sie provozieren oder ist er einfach nur bescheuert?
»Ich stamme aus Hallig Hooge. Nicht aus Hamburg. Dazwischen liegen exakt hundertachtundvierzig Kilometer.«
»Ach ja. Jetzt erinner ich mich. Sie sind Insulaner.« Insulaner! Offensichtlich reicht ihm das saupeinliche Foto nicht, er will sie auch noch provozieren. Damit sie was Blödes sagt, was er dann in seiner kackpopeligen Zeitung zitieren kann. Den blöden Spruch kriegt er nicht, aber wehren wird sie sich.
»Wenn überhaupt, dann Insulanerin. Und eine Hallig ist keine Insel.« Sie hat sich erfolgreich bemüht, die Temperatur in ihrer Stimme um zehn Grad abzusenken, und ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.
»Ich glaube nicht, dass sich in Schwäbingen irgendjemand für diese norddeutschen Feinheiten interessiert.« Er macht eine bedeutungsvolle Pause. »Offensichtlich interessiert sich überhaupt niemand für Sie.«
»Das wird sich ändern.«
»Niemand legt hier Wert auf Veränderung. Der alte Bürgermeister wird der neue sein. So wie bei jeder Wahl.« Er kramt in den Taschen seines Regenmantels. Wenn er jetzt direkt vor meiner Nase eine Zigarette anzündet und mir den Rauch ins Gesicht bläst, dann knalle ich ihm eine, denkt sie. Er holt aber nur ein Taschentuch heraus und trocknet damit das Smartphone ab.
»Helmut Bartholomä ist hier seit vierundzwanzig Jahren im Amt. Das ist ziemlich lange, oder? Und was hat er vorzuweisen?«, zischt...
Erscheint lt. Verlag | 2.5.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bestseller-Autorin • Brezeltango • Bürgermeisterin • Bürgermeisterwahl • Chaos in Cornwall • Elisabeth Kabatek • Elisabeth Kabatek Bücher • Frauenbücher • Frauenfreundschaft • Frauenfreundschaft Roman • Frauenromane • Frauenromane ab 50 • Frauenromane lustig • Frauenunterhaltung • Freundinnen • Frisch verliebt • Große Liebe • Happy End • Humor Bücher • humorvoll • humorvolle Bücher • humorvolle Bücher für Frauen • humorvolle Liebesromane • humorvolle Romane • Kleinstadt • Laugenweckle zum Frühstück • Liebeskomödie Buch • Liebesromane mit happy end • Liebesromane mit Humor • Lokaljournalist • Lovestory • lustig • Lustige Bücher • lustige Frauenromane • lustige Romane • Neue Liebe • Norddeutschland • Nordfriesland • Pipeline Prätorius • Romane für Frauen • Romane heiter • Romane Liebe • Romane zum Lachen • Roman Freundinnen • Romantik • romantisch • Roman Urlaub • Roman zum Lachen • schlammschlacht • Schwaben • Schwäbisch • Stuttgart • Urlaubslektüre Frauen lustig • Urlaubslektüre lustig • Urlaubsromane für Frauen • Vetternwirtschaft • Wahlkampf • witzige Bücher • witzige Romane |
ISBN-10 | 3-426-21791-0 / 3426217910 |
ISBN-13 | 978-3-426-21791-7 / 9783426217917 |
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