Eine ehrenwerte Frau (eBook)

Roman | "Eine junge Mutter wird Spionin wider Willen -- eine wahre Geschichte. "

(Autor)

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2023 | 1., Deutsche Erstausgabe
220 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77646-8 (ISBN)

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Eine ehrenwerte Frau - Patricia Clough
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Ein bewegender Roman über das hochdramatische Leben einer jungen Mutter, der das Schicksal immer wieder übel mitspielt - bis sie schließlich ihre Kinder weggeben und für die Deutschen im Ersten Weltkrieg spionieren muss.

Florence wurde jung verheiratet mit einem Pfarrer, der ein strenges Regiment zu Hause führt. Als sie Trost und Zuflucht bei einem anderen Mann sucht, wird sie verstoßen. Von den beiden Söhnen darf sie nur den jüngeren mitnehmen, der ältere muss beim Vater bleiben.

Weder bei ihren Eltern findet sie Unterkunft noch bei kirchlichen Institutionen. Sie arbeitet als Krankenschwester und Pflegerin in privaten Haushalten. Als sie sich in einen wohlhabenden Witwer verliebt, scheint sich ihr Leben endlich zum Besseren zu wandeln. Doch eines Tages stirbt der Mann überraschend. Flo und die Kinder bleiben unversorgt zurück.

Mittlerweile steht der Erste Weltkrieg bevor. In England rekrutieren die Deutschen Spione. Flo auf Jobsuche gerät in deren Fänge. Sie wird mit dem Leben bedroht und gezwungen, für die Deutschen zu spionieren. Es gibt nur einen Weg, das Leben ihrer Kinder zu schützen ...



Patricia Clough berichtete als Korrespondentin viele Jahre f&uuml;r u.a. die <em>Times</em> oder den <em>Independent</em> aus Deutschland. B&uuml;cher u. a. <em>Helmut Kohl. Ein Portrait der Macht</em>; <em>Hannelore Kohl. Zwei Leben</em>; <em>In langer Reihe &uuml;ber das Haff &ndash; Die Flucht der Trakehner aus Ostpreu&szlig;en.</em>

2. Kapitel


Im Great Western Railway

Wie im Koma kauerte sie zusammengerollt auf dem Fenstersitz ihres Abteils, in ihrem geschundenen Kopf und im Brustkorb pochte das rhythmische Da-da-da-da der Räder. Der zehnjährige Cyril ihr gegenüber schien die Ereignisse des Morgens bereits vergessen zu haben, vor lauter Aufregung darüber, in einem echten Zug zu sitzen, mit einer echten, dicken, schwarzen Lokomotive, die dunklen Rauch rülpste und durchdringende Pfeiftöne von sich gab. Fasziniert betrachtete er, wie Felder, Wälder und Häuser, Eisenbahnsignale und gelegentlich entgegenkommende Züge vorbeirasten. Er wollte an dem dicken Lederriemen ziehen und das Fenster hinunterlassen, doch sie hob matt die Hand, um ihn zurückzuhalten.

»Nein, Liebling, der Qualm wird dich einhüllen, und du bekommst Asche in die Augen.«

Nach einer Weile wurde ihr klar, dass sie sich zusammenreißen und versuchen musste, sich ein Bild von ihrer Lage zu machen. Sie öffnete die Handtasche und zählte das Geld. Der Inhalt von Josiahs Blechbüchse, die Beiträge seiner Gemeindemitglieder zur Instandhaltung der Kirche, deren Kassenwart er war, war mehr Geld, als sie seit langer Zeit gesehen hatte. Sie fühlte sich zutiefst schuldig und nahm sich das Versprechen ab, es zurückzuzahlen, sobald sie konnte.

Wie sie das erreichen sollte, war ihr zwar vollkommen schleierhaft, aber sie hoffte inbrünstig, dass Emily ihr helfen würde, ihr Leben in Ordnung zu bringen. Ihre ältere Schwester war immer eine Stütze für sie gewesen, ganz besonders nach dem Tod ihrer geliebten Mutter. Sie und ihr schottischer Ehemann Jack waren praktisch veranlagte, vernünftige Leute, sie würden wissen, was zu tun war. Auch wenn, so ermahnte sie sich selbst, sie Emily nicht erzählen konnte, was an diesem Morgen wirklich vorgefallen war. Niemand durfte das je erfahren. Sie brauchte eine gute Geschichte.

An der nächsten Station öffnete sich die Tür, und ein recht junger, vornehm aussehender Herr in einer hellen Tweedjacke betrat ihr Abteil mit einem höflichen »Guten Morgen«. Flo setzte sich schnell gerade hin, rückte verstohlen den Hut zurecht und strich ihr Kleid glatt.

Der Herr hob seinen Lederkoffer auf die Gepäckablage, setzte sich und begann, die Zeitung zu lesen. Ihr fiel auf, dass sich ein dunkelrotes Muttermal seine linke Gesichtshälfte hinabschlängelte. Cyril bemerkte es ebenfalls, und sie gab ihm ein stilles Zeichen, den Herrn nicht anzustarren.

Irgendwann meldete Cyril sich plötzlich zu Wort: »Mama, was ist ein Bastard?«

Flo versteifte sich und warf einen Blick auf den Mann.

»Das ist ein schlimmes Wort, das die Leute manchmal benutzen, wenn sie sehr wütend sind«, antwortete sie mit gedämpfter Stimme. »Du darfst es nie verwenden.«

»Aber warum hat Papa mich so genannt?«

Nervös blickte Flo wieder zu dem Mann hinüber, doch der schien ganz in seine Zeitung versunken. Sie klammerte sich an einen Strohhalm: »Vielleicht, weil du die Hühner von Mrs Evans freigelassen hast?«

»Aber Godfrey war auch dabei, und ihn hat Papa nicht so genannt.«

Zu ihrer Erleichterung schien ihn der Gedanke an seinen geliebten kleinen Bruder abzulenken. Er begann zu weinen. »Warum konnte Godfrey nicht mitkommen? Warum musste er zu Hause bleiben?«, schluchzte er.

Während sie selbst mit den Tränen kämpfte, angelte Flo nach einem Taschentuch und versuchte, ihn zu beruhigen. Und während sie ihn tröstete, dämmerte ihr langsam die Antwort auf seine Frage: Josiah hatte offensichtlich längst gewusst, dass Cyril nicht sein Sohn war. Unglaublich. Er hatte kein Wort gesagt, als das Baby als »Frühgeburt« auf die Welt kam. Kein Wort, nicht einmal, als die Hebamme unbedacht fallenließ, wie groß und ansehnlich er war für ein »Sieben-Monats-Kind«. In seiner distanzierten Art schien Josiah Cyril immer ebenso gerngehabt zu haben wie Godfrey. Doch wann und wie hatte er erfahren, dass Cyril nicht von ihm war? Und warum hatte er bis zu diesem Morgen nichts dazu gesagt? Sie hatte keine Ahnung, niemals hatten sie über vertrauliche Dinge gesprochen. Seine Mission nahm ihn völlig in Beschlag: den Armen und Unterdrückten das Evangelium zu verkünden, den Bergarbeitern, Fabrikarbeitern, den Arbeitern auf den Bauernhöfen, all jenen, die nach Ansicht der Primitiven Methodisten von der Anglikanischen Kirche im Stich gelassen worden waren, ebenso wie von den offiziellen Methodisten, seit diese »angesehener« und bürgerlicher geworden waren.

Tatsächlich nannten sie sich deswegen »primitiv«, weil sie überzeugt davon waren, dass sie zurückgekehrt waren zu den Anfängen des Methodismus, seinen originären, reinen, ursprünglichen Lehren mit den Predigten und Gebeten unter freiem Himmel, als das Hauptaugenmerk auf den Armen gelegen hatte. Blass, schmächtig, mit mausbraunem Haar und einem Schnurrbart, der in Koteletten überging, war Josiah beinahe fanatisch in seinem Glauben und ein erstaunlich leidenschaftlicher, feuriger Prediger vor einer Gemeinde. Doch zu Hause war er eine ruhige, fast ein wenig geisterhafte Präsenz, im Kopf stets bei seinen Predigten oder, wenn er die Zeit dazu hatte, seinen Hebräisch- und Griechischstudien.

Flo hatte niemandem, nicht einmal ihren Schwestern, ihr Geheimnis anvertraut: dass sie hatte heiraten »müssen«. Das hatte das abrupte Ende einer fröhlichen, unbeschwerten Jungmädchenzeit als jüngste und hübscheste Schwester in einer Bauernschaft in Buckinghamshire bedeutet. Ihr Vater, Zachary Summers, war der Verwalter mehrerer Farmen, die zu einem großen Landgut gehörten, und eine feste Größe in der örtlichen Gemeinde der Primitiven Methodisten. Zachary war ein herrschsüchtiger Mann, jähzornig und streng, und er erlegte seiner Familie einen enthaltsamen, puritanischen Lebenswandel auf, der seinem strikten Glauben entsprach. Seine drei Töchter wollte er zu frommen, gottesfürchtigen Mädchen erziehen, die, nachdem sie mit vierzehn die Schule verlassen hatten, sich dem Kochen und dem Haushalt widmen würden, die Hasen und Hühner versorgten und sich in der Nachbarschaft nützlich machten, bis angemessene junge Männer, am besten Nonkonformisten wie er selbst, des Weges kommen und sie heiraten würden. Die beiden Älteren, Emily und Lizzie, hatten ihm den Gefallen getan und waren zu tugendhaften, folgsamen jungen Frauen herangewachsen, die keinen Ärger machten, aber Flo … Flo war aus einem anderen Holz geschnitzt. Ihre temperamentvolle, lebenslustige, impulsive Natur brachte sie ständig in Schwierigkeiten. Sie wollte sich benehmen, das musste Zachary in seinen milderen Momenten zugeben, aber es gelang ihr nie lange, ihren Übermut zu zügeln. »Ich weiß nicht, warum unser großer Gott uns dieses kleine Luder geschickt hat, Betty«, grummelte er seiner lieben, frommen Frau zu und schüttelte traurig den Kopf. Als sie Kinder waren, zogen Emily und Lizzie Flo damit auf, dass die Feen ihre wahre Schwester gestohlen und sie an ihrer Stelle in die Wiege gelegt hatten. Als sie heranwuchs und umwerfend schön wurde, machte ihr ein ganzer Schwarm von Gleichaltrigen und jungen Männern den Hof – und sie genoss es, der strengen Aufsicht ihrer Eltern zu entfliehen, und sei es nur für Momente, um zu flirten, sich mit den Jungen zu necken und sie zu küssen. Verspielt und lebhaft, wurde sie bewundert und verhätschelt von ihren Freunden und ihrer Familie – außer von Zachary, der kritischer und strenger wurde und sich immer häufiger auf harte Schläge verlegte. Weit entfernt davon, sie zu sittsamer Ergebenheit zu prügeln, veranlasste seine Strenge Flo allerdings dazu, sich zu schützen, indem sie Dinge erfand, die sie »Geschichten« nannte, die aber doch – wie sie später beschämt zugeben musste – nichts anderes waren als Lügen.

Zachary wollte sie unbedingt verheiraten, bevor sie ernsthaft vom Wege abkam, und drängte Flo, Josiah Harris zu ehelichen, den ruhigen, ernsthaften jungen Predigeranwärter in ihrer Gemeinde. Er wusste, dass das mit ziemlicher Sicherheit bedeuten würde, dass sie weit ärmlicher leben würde – denn obgleich er seiner Familie eine schlichte und einfache Lebensführung auferlegte, konnte er ihnen...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-458-77646-X / 345877646X
ISBN-13 978-3-458-77646-8 / 9783458776468
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