Mandragora (eBook)
226 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-8019-5 (ISBN)
Heide Jahn wurde am 23.06.1984 in Berlin geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr im Wildpark Schorfheide, gefolgt von einer Ausbildung zur Zootierpflegerin im Tierpark Ueckermünde. Seit 2008 arbeitet sie im Tierpark Grimmen. In ihrer Freizeit reist sie viel und betätigt sich in der Ornithologischen Fachgruppe Greifswald. Kreatives Schreiben zählt seit früher Kindheit zu ihren festen Hobbys.
02 - Regeln
Die besagte Halle war aufgebaut wie ein Hörsaal: tribünenartige Sitzreihen vor einem Stehpult und einer großen Tafel. Ethan fühlte sich in seine blutigen Anfangszeiten an der Uni zurückversetzt. Hier war nichts modern, aber es weckte Erinnerungen. Die drei gingen hinunter bis zur vordersten Sitzreihe. Es gab genug Platz neben jedem Sitz für das Gepäck, sowie jeweils einen flachen Tisch, auf dem die Kiste abgestellt werden konnte. Till begann in seinem Rucksack zu kramen und reichte den beiden anderen kleine Trinkflaschen mit einer sämigen bräunlichen Flüssigkeit.
„Sieht zwar nicht so geil aus, wird euch aber wieder genug Energie für den Rest des Tages geben“, erklärte er und nahm auch gleich einen großen Schluck.
Der Dritte in ihrem Bund nahm nur einen vorsichtigen Schluck, bevor er die Flasche zurückgab. Er war Ende dreißig, mit dicker Brille und einer derart wüsten und strohartigen Frisur, dass es aussah, als hätten Vögel versucht, ein Nest auf seinem Kopf zu bauen.
„Nichts für ungut, aber das ist nicht so meins… Wilson Decker“, stellte er sich vor und schüttelte Till die Hand. Ethan hingegen hatte die Flasche gar nicht mehr abgesetzt und trank sie in einem Zug leer.
„Gott ist das gut! Das schmeckt wie eine Mischung aus Sahnebonbon und Obstsalat! Das hat doch sicher ordentlich Kalorien oder? Wie viel kann man davon trinken?“, fragte er, während er schon nach der angefangenen Flasche von Wilson griff.
„Naja… kommt ganz auf deinen Stoffwechseltyp an“, antwortete Till und sah völlig fasziniert dabei zu, wie Ethan auch die zweite Flasche zu leeren begann.
Das Geräusch einer Tür zog die Aufmerksamkeit der Drei auf sich. Durch den Seiteneingang der Halle war ein junger Mann im Anzug getreten. Die kurzen dunklen Haare waren nach hinten gekämmt und die schmale randlose Brille rundeten seine ernsten Gesichtszüge perfekt ab. Er musterte die Anwesenden und schüttelt dann leicht den Kopf, während er zu dem Pult schritt. Sofort fühlte sich Ethan daran erinnert, wie er zu Schulzeiten wegen Unfug zum Direktor geschickt worden war und unter dem ernsten Blick der Sekretärin im Vorzimmer hatte warten müssen.
„Nun denn… drei… das ist ein wirklicher Tiefpunkt. Bitte schreiben sie ihre Namen untereinander an die Tafel. Die anderen sollen sich bei ihrer Ankunft ebenfalls darunter auflisten“, erklärte er, während er mit Kreide eine große Drei an der altmodischen Schiefertafel notierte.
„Der Professor wird sich wie immer verspäten. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis er sich hier einfindet. Er hat seine eigenen Zeitpläne. Je früher sie sich daran gewöhnen, desto besser“, erklärte der junge Mann, legte die Kreide vorn auf das Pult und verließ den Saal wieder.
„Das war schräg…“, stellte Till fest, als sie wieder allein waren.
Nach und nach trudelten auch die anderen mit ihren Kisten ein, schrieben ihre Namen an die Tafel und suchten sich einen Platz im Saal.
Gut eine Stunde verging, bis erneut die Seitentür geöffnet wurde und ein hagerer hochgewachsener Mann in weißem Kittel in den Raum marschierte. Er wirkte getrieben und seine angespannten Gesichtszüge verrieten, dass er auf diese Veranstaltung hier nicht den geringsten Wert legte. Das grau melierte Haar und der ungepflegte Dreitage-Bart unterstrichen noch das Bild des eigenbrötlerischen Wissenschaftlers, der lieber in seinem Labor saß, als hinter einem Rednerpult zu stehen. Er musterte die Zahl und Namen an der Tafel, woraufhin sich seine Miene noch weiter verfinsterte.
„Drei?“, donnerte seine Stimme mit der Kraft einer Gewitterfront. Ethan war überrascht und fasziniert zu gleich, wie viel Energie in dieser schmalen Gestalt steckte.
„In all den Jahren, in denen ich diese Einrichtung führe, habe ich noch nie solch ein Maß an Ignoranz und Egoismus erlebt!“, brüllte er weiter, was dazu führte, dass der asiatische Kastenteufel erneut in die Luft ging und zum Gegenfeuer ansetzte.
„Wie können sie es wagen, mir Ignoranz zu unterstellen?! Ich habe eine Einladung für diese Einrichtung bekommen! Ich habe zwei Doktortitel! Diese Spielchen mit den lächerlichen Kisten können sie gern mit den ganzen Studenten und Laboranten hier abziehen, aber ich erwarte, dass man mir den Respekt entgegenbringt, den ich verdiene!“
Das Gesicht des Professors verzerrte sich in einem wilden Mienenspiel über Erstaunen bis hin zu einem breiten Grinsen.
„Verzeihen sie Herr Dr. Dr…“, er warf einen kurzen Blick an die Tafel und überflog die Namen. „Takahagomito. Ich bin den Umgang mit Menschen nicht mehr so gewöhnt und habe vermutlich ein wenig falsch angefangen. Erlauben sie, dass ich mich vorstelle“, begann er, wobei unüberhörbare Verachtung in seiner Stimme mitschwang.
„Mein Name ist Professor Zade.“
Er wandte sich zur Tafel und nahm das Stück Kreide. Mit dem Kittelärmel wischte er sich einen großflächigen Bereich in der Mitte frei und begann zu schreiben, während er weitersprach. „Oder um das Titel-Ballett komplett zu machen…“
Prof. Dr. med. vet. Dr. rer. nat. mult. Prof. h.c. mult. Sir Lutz Zade stand nun in großen kantigen Buchstaben auf dem schwarzen Schiefer wie ein Mahnmal. Schweigend rieb sich der Professor die Kreidefinger am Kittel ab, um dem Geschriebenen Zeit zum Wirken zu geben, bevor er erneut mit donnernder Stimme ansetzte.
„Um gleich von Vornherein alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, sie alle sind hier, um in der fortschrittlichsten Forschungseinrichtung der Welt arbeiten zu dürfen. In MEINER Einrichtung! Das heißt, sie alle werden dies zu MEINEN Bedingungen tun oder sie können ihre lächerlichen Titel nehmen und mit dem nächsten Versorgungsschiff wieder nach Hause fahren. Haben sie das jetzt verstanden?“
Wortlos ließ Takahagomito sich auf seinen Stuhl zurückfallen.
„Gut, dann können wir jetzt vielleicht endlich mal anfangen“, setzte der Professor nun deutlich ruhiger an.
„Die Drei, die als erstes mit ihren Kisten hier waren stehen bitte auf!“
Ethan, Till und Wilson erhoben sich, aber auch weiter hinten im Saal stand noch ein junger Mann grinsend von seinem Platz auf.
Die Gesichtsfärbung des Professors nahm einen ungesunden Rotton an.
„Nennen sie ihre Namen!“, knurrte er.
Erst jetzt fiel Ethan auf, dass ein Name über ihre drei geschrieben worden war.
„James van Haudt“, antwortete ein Mann aus der hinteren Reihe.
Sein eigener Name stand nun an vierter Stelle, was dazu führte, dass Zade ihn mit eisigem Blick fixierte, nachdem er sich ebenfalls vorgestellt hatte.
„Warum stehen sie, Mr. Lane?“
„Ähm…, weil ich einer der ersten drei war, Sir“, erklärte er und verzichtete bewusst darauf hinzuweisen, dass ohne ihn niemand mit einer Kiste am Tor erschienen wäre.
Till nickte knapp zur Bestätigung, während Wilson, wie die meisten anderen im Saal, völlig erstarrt war. Langsam ließ der Professor seinen Blick durch die Reihen schweifen bis er an van Haudt hängen blieb.
„Meine reizende Assistentin hat ihnen aufgetragen, ihren Namen an die Tafel zu schreiben. Richtig?“
Van Haudt zuckte mit den Schultern und nickte.
„Hat sie ihnen gefallen? Die roten Locken? Der pralle Busen? Sie stehen ganz oben auf der Liste, was halten sie davon, wenn ich sie einander vorstelle?“
„Ja, sie haben einen wirklich guten Geschmack Sir. Es wäre mir eine Ehre“, gab van Haudt zurück.
Noch bevor der Professor etwas darauf erwidern konnte, wurde erneut die Seitentür geöffnet und der junge Mann im Anzug schob einen Rollwagen mit Akten in den Saal. Alle hielten den Atem an und starrten mit großen Augen zwischen Zade und ihm hin und her. „Soll ich später noch mal wieder kommen, Sir?“, fragte er knapp.
„Nein Alexander. Dein Timing ist wie immer perfekt“, gab der Professor zurück und wandte sich zum Gehen.
„Wenn du die Akten verteilt hast, geh Lorenzo holen. Ich habe keine Nerven für diesen Kindergarten hier. Das war das letzte Mal! Ich habe wirklich besseres zu tun!“, fluchte er und verließ mit wehendem Kittel den Hörsaal. Alexander ließ ungerührt den Blick über die Szene schweifen, bevor er sich wieder dem Rollwagen mit den Akten widmete und selbige unter den Anwesenden verteilte.
„In diesen Ordnern finden sie alles, was sie für den Start hier benötigen. Das Innere ist in zwei Bereiche unterteilt. Den ersten Teil, alle Blätter mit roten Kanten, lesen sie bitte sorgfältig durch und geben ihn spätestens morgen früh in der Mensa wieder bei mir ab. Im zweiten Teil finden sich erklärende Anhänge zu Teil eins. Bitte beginnen sie jetzt mit dem Studium der Unterlagen. Professor Satorie wird ihnen dann alles Weitere erklären.“
Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür. Die ersten hatten bereits ihre Ordner aufgeschlagen und ein...
Erscheint lt. Verlag | 19.12.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7568-8019-2 / 3756880192 |
ISBN-13 | 978-3-7568-8019-5 / 9783756880195 |
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