Professor Zamorra 1269 (eBook)

Para-Geister

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4642-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Professor Zamorra 1269 - Rafael Marques
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Der Kopf des wolfsähnlichen Geschöpfes ruckte herum. Jetzt sah Gary, dass sich noch mehr der Kreaturen im Wohnzimmer aufhielten. Ein besonders großes Exemplar mit braunem Fell stieß sich beinahe augenblicklich ab und flog ihm mit weit aufgerissenem Maul entgegen.
Gary wusste, dass er sterben würde. Deshalb fuhr er im Stand herum, um seinen Sohn zu warnen, damit wenigstens ihm die Flucht gelang. Das Letzte, was er in seinem Leben sah, waren Andrews vor Entsetzen geweiteten Augen, dann riss ihn etwas mit brachialer Gewalt zu Boden ...


Para-Geister

von Rafael Marques

Wick, Schottland, 2002

»Du willst wirklich da raus?«

Danny Ashton, dessen Hand bereits auf der Türklinke ruhte, verharrte in der Bewegung. Hätte er seinem Freund Richard bloß nichts von seinem Vorhaben erzählt. Der Typ war so oder so schon ein Angsthase, was umso verwunderlicher war, da sie beide in einem Heim für straffällig gewordene Jugendliche leben mussten, um dem Gefängnis zu entgehen. Einen Lebensmittelladen hatte Richard bestimmt nicht überfallen, eher wäre ihm beim Versuch die Waffe aus der Hand gerutscht ...

   

»Machst du jetzt einen Rückzieher?«, entgegnete Danny leicht genervt. »Dann bleib eben hier.«

Richard druckste weiter herum. »Nein, ich ... will nur nicht im Gefängnis landen.«

»Niemand landet dafür im Gefängnis, dass er sich in einem alten Herrenhaus nachts aus seinem Zimmer schleicht, um nach ein paar Geistern zu suchen. Ich hätte an deiner Stelle eher Angst, dass mich der Spuk ebenso verschwinden lässt wie die anderen Opfer zuvor.«

Ob es in den zwei Wochen, die Danny nun bereits schon in Lorham Manor lebte, wirklich zu Todesfällen gekommen war, blieb bisher ein Gerücht, das sich allerdings hartnäckig unter den Bewohnern verbreitete. Rick DeMore, der Blonde aus Manchester, der nun schon zwei Monate in dem Etablissement gefangen war, behauptete, dass in der Zeit drei Insassen über Nacht quasi vom Erdboden verschluckt und nie wieder gesehen wurden. Auch schon vorher soll es zu derartigen Todesfällen gekommen sein.

Natürlich wollte die Heimleiterin, Eugenia Arthur, von solchen Geschichten nichts wissen. Alles Hirngespinste, hatte sie nur gesagt und sofort das Thema gewechselt. Danny war da von Anfang an anderer Meinung gewesen. Er spürte mit jeder Faser seines Körpers, dass hier etwas Übernatürliches vor sich ging. Warum ihn dieses Gefühl beschlich, konnte er zwar nicht in Worte fassen, doch es war eben so. Und da vor vier Tagen Colin, seinem vorherigen Mitbewohner, dasselbe Schicksal ereilt hatte, wollte er dem Spuk unbedingt auf den Grund gehen, bevor es auch ihn erwischte.

Im Gegensatz zu dem hageren, scheuen Richard wusste Danny genau um seine Stärken. Mit seinen fünfzehn Jahren war er schon ziemlich durchtrainiert, und das nicht ohne Grund. Er hatte seinem Vater, einem Alkoholiker, Paroli bieten wollen, wenn dieser mal wieder seine Fäuste sprechen ließ, auch gegen seine eigene Familie. Wenn es nur dabei geblieben wäre, hätte man ihn wohl kaum ins Heim gesteckt.

»Also, was ist nun?«, fragte Danny, ohne sich dabei umzudrehen. »Kommst du mit, oder nicht?«

Ein lautes Stöhnen erklang. »Ja, gut.«

»Also, geht doch.«

Es war nicht unbedingt so, dass Danny Richard brauchte, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Allerdings war es immer besser, wenn jemand einem den Rücken freihielt, selbst wenn es nur ein zitterndes Bündel wie Richard Lee war. Insgeheim ging er davon aus, dass sein neuer Mitbewohner überhaupt kein Verbrechen begangen und die Schuld für den Raubüberfall auf sich genommen hatte. Das würde auch erklären, warum er sich seit seiner Ankunft verhielt wie ein junges Kalb zwischen einem Rudel Wölfen.

Beide waren sie mit Taschenlampen ausgerüstet, die sie sich am Abend aus dem Geräteschuppen des Hausmeisters geborgt hatten. Danny wollte sie erst einsetzen, wenn sie im Keller angelangt waren, denn eigentlich war das Innere des Hauses dank des vollen Mondes hell erleuchtet. Genau deswegen hatte er sich auch diese Nacht für sein Vorhaben ausgesucht.

Ein kühler Luftzug streifte seine Brust, als er hinaus auf den langen Gang trat. Der alte, muffig riechende Teppich dämpfte den Klang seiner Schritte. An den Wänden hingen alte, elektrische Kerzenleuchter, an denen sich oft dicke Spinnenweben ausbreiteten und dem ehemaligen Herrenhaus den Eindruck eines Spukschlosses verliehen.

Der lange Flur führte an insgesamt acht Zimmern vorbei, von denen im Moment nur drei besetzt waren. Hinter keiner der Türen war mehr etwas zu hören, was seinem Vorhaben in gewisser Weise zugute kam. Je weniger etwas davon mitbekamen, dass Richard und er um die Uhrzeit durch die Hallen schlichen, desto unwahrscheinlicher war es, dass sie dabei erwischt wurden.

»Ich verstehe nicht, warum du glaubst, dass es hier spuken soll«, flüsterte Richard. »Das ist doch alles hohles Gequatsche.«

Danny drehte sich um und grinste. »Warum fürchtest du dich dann so?«

Er wartete gar nicht erst die Antwort seines Mitbewohners ab und machte sich auf den Weg zur Treppe. An den Wänden hingen Porträts der früheren Bewohner, die sicher allesamt schon lange das Zeitliche gesegnet hatten. Selbst ihm waren die Gemälde nicht ganz geheuer, vor allem, da es sich bei einigen der dargestellten Menschen um Kinder handelte. Immerhin war ihnen wohl ein besseres Leben vergönnt gewesen als ihm, denn sobald man ihn aus dem Heim nach Hause entließ, kehrte er in denselben Horror zurück, den er dort schon durchlebt hatte. Zu so viel Selbstreflektion war auch er schon fähig.

Er war so in Gedanken versunken, dass er kaum merkte, wie er ins Erdgeschoss trat. Auch hier herrschte natürlich Totenstille, sowohl in der großen, von einem riesigen Kronleuchter geprägten Eingangshalle, in der zum Spiel- und Lernzimmer umfunktionierten Bibliothek als auch im Speisesaal. Trotzdem mussten sie besonders leise sein, denn auch Eugenia Arthur nächtigte im Erdgeschoss und war für ihren leichten Schlaf bekannt. Meist trat sie als milde und gütige Persönlichkeit auf, wenn man sie jedoch reizte, lernte man eine völlig andere Seite von ihr kennen. Danny hatte da schon böse Geschichten gehört ...

Der Zugang zum Keller befand sich hinter einer völlig unscheinbaren Tür. In einigen Nischen neben der Treppe wurden diverse Getränke gelagert, die steinernen Stufen selbst waren für die Bewohner tabu. So kursierten allerlei Gerüchte über die Unterwelt des Herrenhauses. Von einer Gruft über einen Folterkeller bis hin zu einem endlosen Labyrinth war so ziemlich alles dabei, was man sich vorstellen konnte.

Als er eine Hand auf die Klinke legte, rann ihm ein Schauer über den Körper. Da war es wieder, das seltsame Gefühl, das ihn immer wieder mal beschlich, seit er nach Lorham Manor gebracht worden war und das er nicht einzuordnen wusste. Beim ersten Mal war er völlig neben der Spur gewesen, doch inzwischen genoss er es geradezu. Es machte auf ihn keinen feindlichen Eindruck, eher einen freundschaftlichen, als würde ihm eine unheimliche Kraft die Hand reichen. Über solche Gefühle durfte er natürlich mit niemandem reden, sonst hätte man ihn sicher in ein Heim für Geisteskranke gesteckt.

»Was ist?«, zischte Richard ungeduldig. »Worauf wartest du?«

»Ruhig!«

Dannys scharf gesprochene Aufforderung wirkte. Sein Begleiter war und blieb ein Weichei, das alles mitmachen würde, solange er die Befehle gab. Ein Umstand, der ihm durchaus gefiel, im Moment aber keine Rolle spielte.

Schließlich öffnete er die Tür. Fast hätte er mit einem weiteren kalten Luftzug gerechnet, doch von der Treppe her drang wie immer ein undefinierbarer, herber Geruch nach oben. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass er an dieser Stelle stand und in die ungewisse, pechschwarze Tiefe starrte. Diesmal allerdings würde er die unsichtbare Grenze überwinden und dem Spuk auf den Grund gehen, von dem er überzeugt war, dass er wirklich existierte. Etwas lauerte hier, das ihm diese nicht fassbaren Botschaften schickte.

Ein wenig kam er sich vor wie die Figur des Aladdin aus dem gleichnamigen Disney-Film, den er als Kind geliebt hatte. Statt durch das Maul eines riesigen Tigers in die Höhle der Wunder war er dabei, in eine von der Kellertreppe getrennte fremde Welt zu treten. Nur war Danny wohl kaum ein ungeschliffener Diamant, sondern einfach nur ein wertloser, schwarzer Stein. Zumindest fühlte er sich meistens so.

»Ich weiß nicht, ob ...«, begann Richard, doch Danny unterbrach ihn schnell.

»Sei endlich still! Und mach die Tür hinter dir zu!«

»Ja, gut«, murmelte sein Begleiter kleinlaut.

Richard schloss die Tür, woraufhin sie endgültig in allumfassender Dunkelheit standen. Zumindest so lange, bis Danny die Taschenlampe einschaltete und hinab auf die rauen, steinernen Stufen leuchtete. Sie passten nicht zum gediegenen Design des restlichen Herrenhauses, erschienen eher wie Fremdkörper. Möglicherweise hatten sie ja auch schon existiert, als das Gebäude an dieser Stelle errichtet worden war.

Endlich gelang es Danny, die innere Anspannung zu überwinden und den ersten Schritt in die Tiefe hinter sich zu bringen. Wieder rann ihm ein wohliger Schauer über den Körper, als hätte die hier lauernde Kraft nur auf ihn gewartet. Zugleich war da aber auch die Furcht vor dem Unbekannten, die seine Schritte verkrampft und ungelenk wirken ließ. Die Unruhe ergriff bald auch von Richard Besitz, der immer wieder überlaut schnaufte, als ob er Danny so zur Umkehr bewegen wollte.

Natürlich dachte er gar nicht daran, jetzt...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2023
Reihe/Serie Professor Zamorra
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • Deutsch • eBook • eBooks • Extrem • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • Lovecraft • Männer • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Paranomal • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7517-4642-0 / 3751746420
ISBN-13 978-3-7517-4642-7 / 9783751746427
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