Das Haus Zamis 59 (eBook)

Laguna Morta
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4635-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 59 - Logan Dee, Jörg Kleudgen, Dario Vandis
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Das Glöckchen über der Tür bimmelte, als die Gestalt in der roten Kutte Rufos Werkstatt betrat. Rufo schaute von der Maske auf, die er gerade angefertigt hatte.
Die rote Kutte ging dem Mann bis zu den Schuhen. Auf dem Kopf trug er einen Dreispitz, und das Gesicht war unter der zugehörigen Bautta-Maske verborgen. In Stirnhöhe war darauf eine winzige Sonne abgebildet.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hörte, dass Sie ein sehr geschickter Maskenmacher seien, junger Herr. Vielleicht benötige ich schon bald Ihre Hilfe ...«

Cocos neuer Auftrag führt sie nach Venedig in das Haus von Belios di Avolo, einem äußerst schwachen Mitglied der Schwarzen Familie, das sich von unbekannten Mächten bedroht sieht. Aber warum hat Michael Zamis Belios' Hilferuf überhaupt nachgegeben? Die Lösung des Rätsels führt Coco Zamis in die Laguna Morta ...


1. Kapitel


Einer der Untoten hatte ihn bemerkt und deutete mit einer Hand, die nur noch drei Finger besaß, zu ihm hinauf. Die anderen folgten mit ihren Blicken der ungelenken Geste und betrachteten ihn mit gebrochenen Augen.

Die groteske Prozession geriet ins Stocken. Dicht an dicht drängten sich die Leiber.

»Hilf uns!«, sagte das Mädchen, und die bodenlosen Schächte ihrer Augen drohten ihn zu verschlingen. »Du hast uns gerufen. Nur du kannst uns unseren Frieden zurückgeben!«

»Was weißt du schon?«, murmelte er und stieß sie sanft von sich. Er wollte sie nicht verletzen. Auf gewisse Weise hatte sie ja sogar recht. »Ich muss weg von hier!«

»Nein, bleib!« Sie versuchte ihn zu halten. Deutete er ihren Gesichtsausdruck richtig? Flehte sie ihn an? Es war so schwierig, die Gefühle eines Menschen zu erkennen, wenn dessen Augen vollkommen ausdruckslos waren. »Bitte! Wir brauchen dich! Hilf uns!«

»Ich kann nicht«, sagte er. »Noch nicht!«

Er wandte sich um und eilte zurück in seine Werkstatt.

Maß zu halten hatte noch nie zu Filippos Stärken gehört. Abgesehen von der Tatsache, dass seine Manieren zu wünschen übrig ließen, gestalteten sich auch die Hasardspielereien, die er bei den Festen seines Vaters aufzuführen pflegte, zunehmend unverschämter. So konnte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er den Bogen überspannte.

Im Herbst, als die ersten Blätter von den Bäumen fielen, lud sein Vater zu einem Fest, das alle vorherigen übertreffen sollte und das bereits am frühen Nachmittag begann. Filippo hatte eine Kleidung angelegt, die dem Anlass entsprach – eine rote Kutte mit einer Kapuze, die er tief ins Gesicht gezogen trug. Das lange Haar darunter trug er zu einem Zopf geflochten. Goldene Ringe schmückten jeden einzelnen seiner Finger, an denen man ihn selbst mit der Maske vor dem Gesicht sofort erkannte.

Als es dunkelte, erleuchteten bengalische Feuer den Garten des Palazzo und warfen die grotesken Schattenrisse der phantasievoll verkleideten Besucher auf die Wände der großen Halle. Es war eines der größten Maskenfeste, die Venedig jemals erlebt hatte. Und doch bekam – abgesehen von den Gästen – niemand etwas davon mit. Geladen waren nur Mitglieder einer Geheimgesellschaft. Die Öffentlichkeit sollte von den Ausschweifungen dieses Abends niemals erfahren.

Filippo befand sich in einer ausgelassenen Stimmung. Das mochte daran liegen, dass der Comte von Verona in der Gesellschaft seiner liebreizenden Tochter Maria erschienen war. Sie erlag Filippos Charme bald und hing an seinen Lippen. Er verlor sich seinerseits im Anblick ihrer schwarzen Augen, des ebenholzfarbenen Haares, das ihr makelloses, elfenbeinernes Antlitz einrahmte, und der Blüte ihrer Lippen, hinter denen sich winzige Zähne von selten schöner Gleichmäßigkeit verbargen. Sie reizte ihn wie schon lange keine Frau mehr.

»Sie sehen Ihrem Bruder sehr ähnlich, Filippo«, sagte sie lächelnd.

»Ach ja?« Filippos Mundwinkel fielen herab. Wenn er eines hasste, dann war es, an seinen Bruder erinnert zu werden.

»Ja«, sagte Maria, die seine Missstimmung nicht bemerkte. »Sie haben seine Augen. Aber Sie sind ... forscher. Nicht so zurückhaltend wie er.«

»Zum Glück, meine Liebe. Sonst hätte ich es vielleicht nie gewagt, Sie anzusprechen.«

»Wo ist Ihr Bruder eigentlich? Ich habe ihn schon viele Jahre nicht gesehen.«

»Mein Vater hat ihn hinausgeworfen. Er musste Venedig verlassen.«

»Das ist ja schrecklich!«

»Allerdings ist er zurückgekommen. Ich habe gehört, dass er sich mit einer Werkstatt niedergelassen hat. Als Maskenmacher. Das geschieht ihm recht. Er taugt eben nur zu einem Lakaien. Wollen wir nicht viel lieber über uns sprechen, meine Teure?«

Sie lächelte wieder. »Sie kommen wohl gern schnell zur Sache, Filippo?«

Filippo hielt sein Verlangen nur mühsam unter Kontrolle. »Eigentlich bin ich ganz anders, Maria ...«

»Ach, wirklich?«

»Ich bin schüchtern.«

»Nein!«

»Und ein Bücherliebhaber.«

»Bücher!« Sie bekam große Augen. Ihr Lachen erklang perlend, und Filippo war sicher, dass sie die Ironie seiner Worte einfach überhört hatte. Dummes Ding. Doch er hatte selbst inzwischen nur noch Augen für ihren schlanken Hals, ihre perfekte Figur, die sich unter dem fast barock geschnittenen Kleid abzeichnete. Er fühlte sich wie berauscht von ihrem Duft. Er wusste, dass er nicht mehr lange an sich halten konnte.

»Es gibt Bücher, Signorina, die sind unendlich viel kostbarer, als dass man sie mit Gold bezahlen könnte. Bücher voll von geheimem Wissen. Voller Macht!«

»Und Sie besitzen solche Bücher?«

Der Anflug von Hochmut in ihrer Stimme verärgerte ihn einen Augenblick lang. Er würde dem Weib schon zeigen, was ... Nein!, rief er sich zur Ordnung. Nicht hier! Nicht vor den Augen der anderen Gäste. Nicht dass sie keine Ausschweifungen gewöhnt waren. Aber sie achteten alle streng auf die Etikette. Anders als Filippo.

Er wusste, dass Maria seinen Köder geschluckt hatte. Ihre Neugierde würde ihm gestatten, alles mit ihr zu tun. Alles. Sie gehörte ihm. Nur ihm. »Natürlich besitze ich sie. Möchten Sie sie sehen?«

»Jetzt?«, entfuhr es ihr überrascht. »Ich meine, können wir die Gesellschaft denn verlassen?«

Filippo sah sich um. Während des Gesprächs hatten sie sich unwillkürlich vom Gros der Feiernden entfernt, ohne dass es jemandem aufgefallen war. Er legte beiläufig seine Hand auf ihren Arm und fühlte, wie sie angesichts der ungebührlich vertrauten Geste zusammenzuckte, ohne sich jedoch von ihm zurückzuziehen.

»O mein lieber Filippo, Sie sind so gescheit. So gebildet. Sie müssen mir alles erzählen, was Sie wissen.«

»Das werde ich. Komm nur mit ...«

Maria begann zu frösteln. »Es ist kühl in diesen Gängen, Filippo. Wohin bringen Sie mich? Befindet sich hier etwa Ihre Bibliothek?«

»Ja, es sind wenige Schritte nur, die wir zu gehen haben.« Das Gelächter der Gesellschaft war hinter ihnen zurückgeblieben. »Deine Anwesenheit lässt mich die Kälte vergessen, Maria. Folge mir!«

Er ergriff ihre Hand mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der er zuvor seine Hand auf ihren Arm gelegt hatte. Sie leistete keinen Widerstand. Er folgte dem Gang, bis sie an eine Treppe gelangten, die in einen einzelnen Erkerturm führte. Außer diesem einen Aufgang gab es keinen weiteren. Deshalb hatte er sein Studierzimmer hierher verlegt. Die Bibliothek befand sich in einem anderen, weniger feuchtigkeitsanfälligen Bereich des Hauses.

»Einen Moment noch, dann sind wir da!« Filippo bemerkte die Verwirrung in Marias Gesicht. »Komm. Gleich ist es so weit ...« Er öffnete den komplizierten Verschluss der schweren Eichentür und betrat den Raum, der von einer einzigen Laterne unter der hohen Decke beleuchtet wurde. Schatten huschten in die Ecken und verdichteten sich dort zu gespinstartigen Knäueln, als auch Maria die Turmkammer betrat.

»Und hier bewahren Sie Ihre Bücher auf?«, fragte sie skeptisch. »Wo befinden sie sich denn? Ich sehe gar keine ... außer ...« Ihr Blick war auf ein einziges aufgeschlagenes Buch gefallen, das auf einem Tisch unter der Lichtquelle lag. Wie gebannt trat sie vor und legte ihre rechte Hand auf das Papier, das sich unter ihren Fingern wie zum Leben erwacht bewegte und Wellen warf. Sie war sichtlich fasziniert.

»Gefällt es dir?«, fragte Filippo, der immer noch ihre Linke hielt. »Es ist ein uraltes Buch. In ihm sind die Geheimnisse des Lebens verzeichnet.«

»Ich weiß nicht.« Sie klang plötzlich unsicher. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen kann. Die Geschichten ... Man erzählt sich einiges über Sie. Ihr Vater macht sich große Sorgen, heißt es ...«

Er lächelte dunkel: »Geschwätz. Wichtig ist nur, was du fühlst.« Er verstärkte seinen Druck auf ihre Hand. »Ich will dich haben! Ich will dich haben, wie ich noch nie zuvor etwas haben wollte!«

»Sie sind unverschämt, Filippo! Ich werde Ihrem Herrn Vater ...«

Sie schrie auf, weil sie an ihrem Ärmel plötzlich eine Bewegung spürte. Eine Maus kroch darüber und sprang mit einem Satz auf Filippos offene Handfläche.

»Igitt! Werfen Sie sie weg, Filippo!«

Er lachte. »Aber warum denn? Ist sie nicht hübsch? Sieh nur, Maria, sie gehorcht mir. Sie tut alles, was ich sage.«

Tatsächlich schien die Maus keine Angst vor Filippo zu haben. Sie richtete sich auf die Vorderbeine und starrte Maria aus ihren schwarzen Knopfaugen an, sodass Maria am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Sie hasste Mäuse!

Was sie jedoch jetzt sah, nagelte ihre Beine geradezu am Boden fest. Die Maus begann zu tänzeln! Sie bewegte sich! Sie drehte sich auf ihren winzigen Hinterpfoten einmal im Kreis, sodass sie Maria nun den Rücken...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2023
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-4635-8 / 3751746358
ISBN-13 978-3-7517-4635-9 / 9783751746359
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