Glücklich sind die Mutigen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
496 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-29023-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Glücklich sind die Mutigen - Beate Sauer
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Das große Finale der Fernsehschwestern-Saga
Die aufstrebende junge Schauspielerin Joan Vordemfelde bringt alles mit, was man in ihrer umkämpften Branche braucht: Talent, Schönheit, den Willen zum Erfolg. Doch wer es ganz nach oben schafft und wer nicht, das bestimmen immer noch Männer. Das muss Joan bitter erfahren, als sie mit einem berühmten Regisseur arbeitet, der ihre Bewunderung für ihn grausam missbraucht. Doch die Frauen der Familie Vordemfelde halten zusammen: Gemeinsam stellen sie sich dem Establishment der mächtigen Fernsehbranche - und bekommen Unterstützung von unerwarteter Seite.

Beate Sauer wurde 1966 in Aschaffenburg geboren. Sie studierte Philosophie und katholische Theologie in Würzburg und Frankfurt am Main. Sie lebt und arbeitet als freie Autorin in Bonn.

Kapitel 1


Franka blickte hektisch auf ihre Armbanduhr, während sie die Tauentzienstraße entlanghastete. Verdammt! Es war schon drei, sie würde es nicht mehr rechtzeitig ins KaDeWe zum Treffen mit ihrer Tochter Joan schaffen. Sie hatte das Studio des SFB schon viel früher verlassen wollen, aber der Schnitt ihres Beitrags über eine Gruppe von Menschenrechtlern in der DDR hatte länger gedauert als geplant. Die Cutterin der ARD-Anstalt Sender Freies Berlin war noch jung und unerfahren, und so hatte Franka wie auf glühenden Kohlen gesessen, bemüht, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen.

Hoffentlich war Joan auch unpünktlich. Sonst würde sie ihr, Franka, bestimmt vorwerfen, dass sie ihre Arbeit mal wieder an die erste Stelle setzte. Was ein häufiges Streitthema zwischen ihnen war.

Im Laufen hangelte Franka eine Zigarette aus ihrer Manteltasche und zündete sie an, wohl wissend, dass sie zu viel rauchte. Aber sie brauchte das, wenn sie angespannt war. Seit sie vor ein paar Tagen nach Berlin gekommen war, um über die Protestbewegung in der DDR zu berichten, stand sie unter Strom. Und sosehr sie sich auf das Treffen mit ihrer Tochter freute, es machte sie auch nervös. Denn ihr Verhältnis war nun mal leider kompliziert.

Vor dem Eingang des KaDeWe nahm Franka noch einen tiefen Zug von der Zigarette. Dann warf sie die Kippe fort und stürmte in das luxuriöse Kaufhaus, ohne den exquisiten Waren einen Blick zu schenken. Die Rolltreppen nahm sie im Laufschritt.

Das Restaurant Silberterrasse im fünften Stock war gut besucht. Eilig schaute Franka sich um, doch zu ihrer Erleichterung konnte sie Joan nirgends entdecken. In diesem Moment wurde an den Fenstern zum Balkon ein Tisch frei, und Franka nahm ihn rasch in Beschlag. Sie und Joan liebten die Aussicht von hier oben.

Franka hängte ihre mit Lammfell gefütterte Lederjacke über die Stuhllehne und erklärte dem Kellner, dass sie mit der Bestellung warten würde, bis ihre Tochter hier sei. Aufatmend ließ sie sich auf dem Stuhl zurücksinken und widerstand der Versuchung, sich erneut eine Zigarette anzustecken.

Unten, auf der breiten Straße, brauste der Verkehr. Neben vielen Tischen im Restaurant standen die edlen Einkaufstüten des KaDeWe. Die Kellner bewegten sich geschmeidig zwischen den Gästen hin und her, servierten appetitlich angerichtete Salate, leckere Sandwiches und feine Kuchen. Ein Mann mittleren Alters las eine Zeitung, deren Überschrift auf der Titelseite Franka mit dicken Lettern entgegensprang: »Auf verlorenem Posten? SED wählt neues Politbüro«. Dies war das einzige Anzeichen auf die faszinierenden, ungeheuerlichen, vielleicht weltbewegenden Ereignisse auf der anderen Seite der Mauer, im Ostteil Berlins und der ganzen DDR.

Seit Monaten protestierten dort Bürgerinnen und Bürger gegen das SED-Regime und für die Demokratie, und es wurden immer mehr. Vor ein paar Tagen waren dafür allein in Ost-Berlin mehr als eine Million Menschen auf die Straßen gegangen. Als Journalistin war Franka mit einem Kamerateam dort gewesen, hatte die Demonstrierenden interviewt.

Sie hatte versucht, professionelle Distanz zu wahren. Dennoch hatten sie der Mut und die Furchtlosigkeit der Menschen zutiefst bewegt. »We shall overcome« – der Protestsong aus ihrer Jugend ging ihr seitdem nicht mehr aus dem Sinn. Würde die SED-Diktatur vielleicht wirklich stürzen? Dieses spießige, repressive System … Sie hoffte es so sehr. Einmal war sie stundenlang an der Grenze festgehalten worden, weil sie vergessen hatte, das Magazin Der Spiegel aus ihrer Reisetasche zu nehmen. Ein anderes Mal hatte man sie festgenommen, weil sie bei einer Recherche von der offiziell genehmigten Reiseroute abgewichen war und sich heimlich mit einigen Punks getroffen hatte. Es kam schon einem Wunder gleich, dass man sie diesmal überhaupt wieder hatte einreisen lassen.

Als am Eingang des Restaurants eine zierliche, junge Frau erschien, hörte Franka schlagartig auf zu grübeln. Große Augen leuchteten in dem herzförmigen Gesicht wie Sterne. Ihr Herz zog sich vor Mutterstolz zusammen. Diese bildschöne blonde Frau war ihre Tochter Joan. Jetzt strich sie sich eine Locke aus der Stirn und schaute sich suchend um. Franka hob die Hand und winkte. Nur um gleich darauf zu sehen, wie sich die Köpfe der Männer im Restaurant zu Joan umwandten. Sie trug einen der gerade angesagten Stadtanzüge. Die superkurze Hose endete oben an den Oberschenkeln, den weiten Blazer trug sie offen, und unter der weich fallenden Bluse zeichneten sich ihre Brüste deutlich ab. Franka bemerkte nur zu gut, dass auch der Zeitungsleser das Blatt sinken und seinen Blick lüstern über Joans wohlgeformte Beine gleiten ließ. Wütend funkelte sie ihn an. Dann hatte Joan auch schon ihren Tisch erreicht, und Franka stand auf, um ihre Tochter fest zu umarmen.

»Tut mir leid, Mama, dass ich zu spät bin.« Joan hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

»Ich bin auch noch nicht lange hier und …« Die Freude, Joan zu sehen, mischte sich mit einer jähen Angst um sie, und es platzte aus Franka heraus: »Mein Gott, Joany, musst du unbedingt in so einer kurzen Hose herumlaufen?« Im nächsten Moment hätte sie sich ohrfeigen können, denn prompt schob ihre Tochter trotzig das Kinn vor. »Mama, was soll denn das? Seit wann bist du so spießig? Und überhaupt, wie seid du und Tante Lilly in meinem Alter denn herumgelaufen? Ich kenne doch die Fotos. Eure Röcke gingen kaum über den Po.«

Franka sparte sich die Erwiderung, dass dies vor allem auf Lilly zugetroffen und sie selbst dezentere Kleidung getragen hatte. Außerdem war ihre Schwester resolut und schlagfertig und wusste sich zu wehren, anders als ihre sensible Tochter. »Joany, entschuldige«, lenkte sie ein.

Diese verdrehte die Augen. »Bitte nenn mich nicht so.«

»Tut mir leid.« Franka hob die Hände. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

»Was hättest du denn gern?«, fragte Franka schließlich in dem Bemühen, die Situation zu entspannen, und reichte Joan die Speisekarte. Stumm vertiefte ihre Tochter sich darin.

Schließlich entschied sie sich für einen Salat und ein Wasser – Franka verkniff sich die Bemerkung, dass sie mal wieder sehr dünn war und besser ein, zwei Kilo zunehmen sollte. Sie selbst wählte ein Sandwich, ebenfalls ein Wasser und einen Espresso.

»War die Generalprobe gut?«, versuchte sie dann, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Ich bin so gespannt auf die Premiere!«

»Du kommst also?«

»Ja, natürlich, das hab ich dir doch schon vor ein paar Tagen gesagt.«

Joans skeptische Miene verursachte Franka die üblichen Schuldgefühle, weil sie als alleinerziehende, ledige Mutter oft nicht so für ihre Tochter hatte da sein können, wie sie es sich gewünscht hätte. Joan erklärte brüsk, dass sie mal zur Toilette müsse. Bedrückt sah Franka ihr nach, als sie anmutig wie eine Tänzerin durch das Café schritt.

Schon im Kindergarten hatte Joan es geliebt, auf der Bühne zu stehen. Franka erinnerte sich noch genau, wie ihre kleine Tochter Pippi Langstrumpf gegeben hatte, wie gerührt sie gewesen war. Und wie überrascht, weil dieses sonst oft schüchterne Mädchen auf einmal eine umwerfende Präsenz entfaltet hatte und wie verwandelt gewesen war. Den unbekümmerten Mut, den Witz und die Kraft hatte man ihr sofort geglaubt, als sie mit breitem Grinsen im sommersprossigen Gesicht, die Hände in die Seiten gestützt, auf der Bühne stand und keck zu den Zuschauern blickte.

Bei Aufführungen in der Grundschule und im Gymnasium war das nicht anders gewesen. Immer schien die Luft um Joan zu flirren, wenn sie auf der Bühne stand. Doch wegen wichtiger beruflicher Termine hatte Franka immer wieder mal Theateraufführungen ihrer Tochter verpasst.

Am Ende hatte sich Joans großer Traum erfüllt, und sie hatte eine Ausbildung zur Schauspielerin an der renommierten Otto Falckenberg Schule in München ergattert. Und jetzt spielte sie die Madame Marie de Tourvel in Gefährliche Liebschaften. Das Theater in Charlottenburg war klein, aber es war Joans erste Rolle nach ihrer Abschlussprüfung und ein wichtiger Part.

Der Kellner brachte das Bestellte, und Joan setzte sich wieder zu ihr. Franka drückte die Zigarette, die sie sich mittlerweile doch angesteckt hatte, in dem Aschenbecher aus. »Du kommst genau richtig.«

Joans Miene entspannte sich. »Scheint so. Und um auf deine Frage zurückzukommen: Die Generalprobe war ziemlich chaotisch.«

»Oh, das tut mir leid.«

Joan winkte ab. »Es ist eigentlich ein gutes Zeichen, wenn diese Probe chaotisch ist. Dann läuft in der Regel bei der Aufführung alles nach Plan.« Ein Lächeln, wie ein plötzlicher Sonnenstrahl an einem bewölkten Tag, erhellte ihr Gesicht.

»Bist du aufgeregt?«

»Ja, schon, es ist ja eine wichtige Rolle.« Joan spießte Salat auf ihre Gabel und senkte den Kopf.

»Ich kann mir vorstellen, dass Madame de Tourvel nicht einfach zu spielen ist.«

»Du hast das Stück gelesen?«

»Sobald ich wusste, dass du die Rolle hast.«

»Oh, wirklich?« Joan errötete vor Freude. »Du hast recht. Madame de Tourvel bemüht sich verzweifelt, ihrem Gatten treu zu bleiben. Aber den perfiden Verführungskünsten des Vicomte de Valmont kann sie in ihrer unerfahrenen Tugendhaftigkeit nichts entgegensetzen. Ich fand es sehr schwierig, diesen Zwiespalt auszudrücken.«

»Aber jetzt kannst du ihn spielen?«, fragte Franka behutsam.

»Ich hoffe es.« Joan seufzte, und ihr Gesicht verdüsterte sich....

Erscheint lt. Verlag 13.11.2024
Reihe/Serie Die Fernsehschwestern
Die Fernsehschwestern
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Achtzigerjahre • Anne Gesthuysen • Aufbruch • Carmen Korn • Deutsche Geschichte • eBooks • Emanzipation • Familiensaga • Fernsehfrauen • Frauenromane • Fünfzigerjahre • Gisa Pauly • Große Gefühle • Historische Romane • Liebesromane • München • neue Bücher 2023 • Neuerscheinung • Neunzigerjahre • Romane für Frauen • Starke Frauen • Stephanie Schuster • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-641-29023-6 / 3641290236
ISBN-13 978-3-641-29023-8 / 9783641290238
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