Mord in Bordeaux (eBook)
416 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2944-4 (ISBN)
Sandrine Albert ist das Pseudonym der deutschen Autorin Sandra Åslund. Sie hat ein Fernstudium in kreativem Schreiben an der Textmanufaktur absolviert und ist Mitglied beim »Syndikat« sowie bei den »Mörderischen Schwestern«. Seit ihrer Jugend ist die Autorin begeisterte Frankreich-Liebhaberin, und zeitweise plante sie, dorthin auszuwandern. Doch die Liebe wollte es anders: Heute lebt und schreibt sie in Berlin und Schweden. Aber immer wieder zieht es sie zurück in den Süden, um aufzutanken und für ihre Bücher zu recherchieren. In ihren Kriminalromanen verwebt die Autorin das französische Savoir-vivre mit aktuellen umweltpolitischen Themen.
Sandrine Albert ist das Pseudonym der deutschen Autorin Sandra Åslund. Sie hat ein Fernstudium in kreativem Schreiben an der Textmanufaktur absolviert und ist Mitglied beim »Syndikat« sowie bei den »Mörderischen Schwestern«. Seit ihrer Jugend ist die Autorin begeisterte Frankreich-Liebhaberin, und zeitweise plante sie, dorthin auszuwandern. Doch die Liebe wollte es anders: Heute lebt und schreibt sie in Berlin und Schweden. Aber immer wieder zieht es sie zurück in den Süden, um aufzutanken und für ihre Bücher zu recherchieren. In ihren Kriminalromanen verwebt die Autorin das französische Savoir-vivre mit aktuellen umweltpolitischen Themen.
Kapitel 1
Donnerstag, 5. April 2018
»Dieser vereiste Fluss, über den du gewandert bist – wie heißt der noch gleich?« Claire spießte ein Stück des sautierten Lamms mit der Gabel auf und schaute Philippe aufmerksam an.
»Zanskar. So wie das zugehörige Gebiet. Liegt im Nordwesten des indischen Himalajas.« Philippe trank einen Schluck von seinem Weißwein, ehe er fortfuhr. »Im Winter, also fast acht Monate lang, sind die Bewohner dort vom Rest der Welt abgeschnitten. Der einzige Zugang ist der Weg über den sogenannten Chadar Trek.«
Am Nachbartisch nahmen fünf Männer in Businesskleidung Platz. Sogleich eilte ein Kellner mit einem Tablett Aperitifs herbei. Erst auf den zweiten Blick erkannte Claire in einem von ihnen Armand Ducasse, ein hohes Mitglied der Präfektur des Départements Gironde. Vor Kurzem hatte die Sud Ouest ein Porträt über den SGAR gedruckt, den Secrétaire Général pour les Affaires Régionales. Er galt als rechte Hand des Präfekten. Als Claire klein war, hatte ihr Vater ihr das französische Regierungssystem im Vergleich zum deutschen erklärt. Seine Worte hatte sie immer noch im Kopf: »Einen préfet kannst du dir ungefähr so vorstellen wie unsere Ministerpräsidenten.«
Claire wandte sich wieder Philippe zu. »Wie lange dauerte der Trip?«
»Insgesamt drei Wochen. Es war definitiv die spannendste Episode der Reise.«
»Das kann ich mir vorstellen. Wo hast du geschlafen?«
»Manchmal in Dörfern, oft in Höhlen. Das war eine völlig neue Definition von Kälte.« Er blinzelte ihr zu. »Da hätte ich gut jemanden neben mir im Schlafsack gebrauchen können.«
»Tja, das sind die Opfer, die das Alleinreisen mit sich bringen.« Claire schmunzelte. »Aber du besitzt noch alle Zehen? Bist keinem Höhenkoller zum Opfer gefallen?«
»Ich bin nicht verrückter als vorher.« Lachend sah Philippe von seinen Gambas auf. »Was den Rest betrifft: alles noch dran. Mein Verlangen nach Buttertee ist allerdings auf unbestimmte Zeit gestillt. Aber im Ernst: Diese Kombination aus Extremsport und Kälte, dazu tibetische Mönchskultur und esoterischer Buddhismus – es war definitiv das Krasseste und Intensivste, was ich je erlebt habe.«
»Wow! Wenn ich dir so zuhöre, kommt mir mein Leben ganz schön banal vor.«
»Ach, komm, Madame enquêtrice privée! Während ich Tomatenranken festbinde und Hecken stutze, ist der Alltag einer Privatdetektivin ja nun alles andere als nullachtfünfzehn.«
»In letzter Zeit schon.« Claire verdrehte die Augen. »Diesen Monat habe ich den verschwundenen Yorkshireterrier einer angegrauten Millionärin gesucht. Sie ging von einer Entführung aus.«
»Und?«
»Ich habe das Schoßhündchen in einem abgewrackten Hinterhof gefunden. Schien sich dort ganz wohlzufühlen, mitten unter einer Bande Straßenköter. Als ich den Knirps zurück in die Villa seines Frauchens brachte, war er nicht wirklich begeistert. Hat mich ordentlich angeknurrt. Als wollte er sagen: Bring mich bloß nicht zu der ollen Schabracke zurück mit ihren Schleifen und Pullöverchen. Und nein – auf diesen abgeschlossenen Fall stoße ich jetzt nicht an.« Zwinkernd hob sie ihr Weinglas.
Claire hatte Philippe ins Le Patio eingeladen, ihr Lieblingsrestaurant in Arcachon. Umgeben von Buddhafiguren und exotischen Pflanzen saßen sie unter dem gläsernen Dach der Terrasse, die das Herzstück des Sternelokals bildete, und genossen das Menu de la semaine. Henry Routier, der Besitzer und Chefkoch, kreierte jede Woche neue Köstlichkeiten aus regionalen Zutaten. Immer wieder überraschte er Claire mit seinen Einfällen, so wie mit der heutigen Vorspeise, die er terre et mer getauft hatte, Land und Meer. Darin kombinierte er Parmesan-Sablé, Thunfisch und warme Gänseleber, Pannacotta-Erbsen und cremige Orangen-Tannenzapfen.
Claire hatte sich jeden Bissen auf der Zunge zergehen lassen. Ein Besuch im Le Patio war etwas Besonderes, genau richtig für ihr Wiedersehen mit Philippe.
Am vergangenen Wochenende war er von seiner winterlichen Weltreise nach Frankreich zurückgekehrt. Gestern hatte er die Arbeit in Claires Garten wieder aufgenommen. Es war bereits Anfang April, und allmählich musste es mit der Aussaat losgehen.
»Hier, probier mal diese Gambas, die sind so was von fantastisch!« Philippe reichte Claire seine Gabel über den Tisch.
»Hm, du hast recht. Köstlich!« Claire schmeckte den feinen Nuancen der Soße in Verbindung mit dem Krebsfleisch nach. Auch die Hauptgerichte waren einmal mehr gelungene Kreationen. Nicht nur in die Einrichtung seines Restaurants ließ Henry Routier die Eindrücke seiner regelmäßigen Aufenthalte in Thailand einfließen. Sie schaute sich nach ihm um. Für gewöhnlich pflegte er während des Abends einen guten Kontakt zu seinen Gästen. Gerade erklärte er am Nebentisch Ducasse und seinen Begleitern die heutigen Menüs.
»Was macht dein Blog?« Philippe lächelte sie an.
»Ich habe gerade mit einem neuen Projekt begonnen: Süßspeisen aus unserer Gegend und wie sie sich mit dem Trend zur zuckerfreien Ernährung vertragen.«
»Alors, falls du dieses Mal auch jemanden zum Testen brauchst – ich stehe dir zur Verfügung.«
Claire lachte. Fünf Monate waren vergangen, und doch hatte sich zwischen ihnen nichts verändert. Heute Abend würde Phi-lippe sicher bei ihr bleiben. Sie würden sich wiederentdecken, eine Nacht voller Leidenschaft und Nähe verbringen, am nächsten Morgen gemeinsam frühstücken, vielleicht sogar auf ihrer Terrasse mit Blick aufs Meer. Danach würde jeder in seinen Alltag zurückkehren. Dieses Wechselspiel zogen sie nun schon knapp zwei Jahre durch. Manchmal fragte sich Claire, wie lange ihr unausgesprochenes Arrangement für sie beide funktionieren würde. Vermutlich, bis sich einer von ihnen ernsthaft in jemand anderen verliebte. Die Frage war nur, ob es Philippe sein würde oder sie.
Mit dem Messer schob sie den Rest des Kichererbsenpürees zusammen. »Diese Woche treffe ich mich mit einer chocolatière und werde mich in die hehre Kunst der –«
Ein Poltern ließ sie ruckartig auffahren. Am Nachbartisch war einer der Anzugträger vom Stuhl gefallen. Es war Armand Ducasse. Er wand sich in Krämpfen, schnappte nach Luft, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
Alle Gäste auf der überdachten Terrasse wandten erschrocken den Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde waren sie wie eingefroren. Unmittelbar danach brach ein hektisches Durcheinander los. Mehrere Stühle kippten um, als die Umsitzenden aufsprangen und zu dem am Boden Liegenden liefen.
Sofort zückte Claire ihr Handy und aktivierte den Notruf. Zügig beantwortete sie die Fragen der Frau am anderen Ende der Leitung.
Nachdem sie aufgelegt hatte, trat sie näher an den Mann heran. Sein Zustand hatte sich deutlich verschlechtert. Inzwischen war er in eine Starre verfallen, seine Pupillen wirkten stark erweitert. Claire hatte schon Anfälle von Epileptikern erlebt, doch das hier war etwas völlig anderes. Auch hatte keiner der Männer bei der Ankunft betrunken oder high gewirkt. Die Situation ließ Claires Alarmglocken schrillen. Ihr beruflicher Instinkt war geweckt, und sie blendete alles andere aus. Eine Ahnung nahm in ihrem Kopf Gestalt an.
Zwei Kellner eilten herbei, die sich bemühten, die Gäste zu beruhigen, und sie aufforderten, sich wieder zu setzen.
»Das sieht nicht gut aus«, raunte Claire Philippe beunruhigt zu.
Er sah sie geschockt an. »Kann man nichts –?«
»Wir brauchen dringend den Rettungswagen – hoffentlich sind sie bald da! Ich vermute, dass –« Draußen ertönte ein Martinshorn. »Na endlich!« Claire trat von einem Fuß auf den anderen.
Wenige Augenblicke später stürmten zwei Sanitäter ins Lokal und bahnten sich ihren Weg durch die Gäste zur Terrasse. Der Ältere von ihnen trug einen großen Koffer, stellte ihn neben Ducasse auf den Boden, kniete sich hin und begann sofort mit der Untersuchung. Der Jüngere blieb im Vorbeigehen kurz beim Restaurantchef stehen. »Bringen Sie die Leute nach nebenan.« Raschen Schritts folgte er seinem Kollegen und ging auf der anderen Seite des Generalsekretärs in die Knie. Gemeinsam prüften sie seine Atmung und seinen Puls.
Ehe Claire die Terrasse verließ, drehte sie sich noch einmal um und bemerkte, dass der Ältere seinen Kollegen sacht am Handgelenk fasste und eindringlich ansah. Während sie den anderen Gästen in den vorderen Teil des Restaurants folgte, schloss hinter ihr ein Kellner die Glasschiebetüren und zog einen blickdichten Vorhang vor die Scheiben. Im Hauptraum waren fast alle Plätze belegt. Unschlüssig standen die Gäste von der Terrasse zwischen den Tischen und im Eingangsbereich. Die Nachricht von dem Vorfall hatte auch hier wie ein Lauffeuer die Runde gemacht. Betroffenes Schweigen breitete sich aus.
Henry Routier redete aufgeregt mit zwei seiner Angestellten. Claire kannte...
Erscheint lt. Verlag | 30.3.2023 |
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Reihe/Serie | Claire Molinet ermittelt | Claire Molinet ermittelt |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Austern • Babypuder-Skandal • Bordeaux • Bretagne • Commissaire • Desserts • Detektivin • Frankreich • Gift • Krimi • Kriminalroman • Kulinarisch • Küste • Landhaus • Mord • Politiker • regional • Reihe • Sandra Aslund • Serie • Sommer • Spannung • Süßspeisen • Tote • Urlaub • Wein |
ISBN-10 | 3-8437-2944-1 / 3843729441 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2944-4 / 9783843729444 |
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