Das Gebot der Rache (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
434 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0528-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Gebot der Rache -  Neil Lancaster
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Manche Dinge blieben besser begraben ...

Als Detective Max Craigie zu einem Leichenfund auf einem Friedhof gerufen wird, muss er fast ein wenig über die Situation schmunzeln. Doch bei der Leiche handelt es sich um das gefürchtete Oberhaupt eines der mächtigsten schottischen Verbrecherclans. Brutal wurde der Mann ermordet und anschließend in ein uraltes Grab mit steinerner Platte verfrachtet. Und nicht nur die kriminelle Familie des Toten erwartet jetzt so einiges von Max, sondern auch seine eigenen Vorgesetzten. Je länger er und seine Kollegin Janie Calder im Fall ermitteln, desto deutlicher wird, dass ein Großteil der schottischen Polizei von der mafiösen Familie geschmiert wird. Die Mordaufklärung wird zu einem wahren Spießrutenlauf, und Max und Janie geraten in Bedrängnis ...



<p>Neil Lancaster wurde in Liverpool geboren und wuchs in Kent auf. Mit 17 ging er zur Armee, wo er sechs Jahre in der Militärpolizei diente. 2015 verließ Neil nach über 25 Jahren Zugehörigkeit die Metropolitan Police, bei der er als Detective an einigen der schwierigsten Fälle Großbritanniens arbeitete. Nach seinem Ausscheiden bei der Polizei zog Neil mit seiner Frau in die schottischen Highlands und widmet sich dort dem Schreiben von Thrillern, Spaziergängen mit seinem Hund und dem Ausblick aus dem Fenster.</p>

1


Jetzt war sich Tam Hardie sicher. Er hatte den Ort gefunden. Während er die ineinander verschlungene Masse aus Farnen, Ginster und Brombeergestrüpp betrachtete, die die niedrige Friedhofsmauer überzog, stauten sich die Gefühle in seiner Brust an. Der einzige Hinweis darauf, dass hier mal eine Kapelle gestanden hatte, waren ein paar verstreute Häufchen von Granitsteinen, die um den von Gras überwucherten Broch herumlagen. Die Landschaft war ein beeindruckendes Panorama der Ödnis. Das Meer war nur zu erahnen hinter dem herannahenden Nebel, der sich dann und wann genug lichtete, dass man die Windfarmen auf den umliegenden Feldern sehen konnte, die regungslos in der windstillen Luft standen.

Er hatte im Internet einige Artikel über den ausgedienten Friedhof gelesen, doch erst nach einer Menge Herumkurverei in der kargen Landschaft und einigen Fragen an die Einheimischen in einem Pub in Dunbeath hatte er ihn gefunden.

Er zog das zerknitterte Schwarz-Weiß-Foto aus der Tasche seiner Barbour-Jacke und schaute sich noch einmal das alte Bild an, das er im Laufe der Jahre so oft betrachtet hatte. Als jüngerer Mann hatte er ihm nur wenig Beachtung geschenkt, doch das Alter und die Realität der eigenen Sterblichkeit lassen einen mit mehr Nostalgie auf die Vergangenheit blicken. Tam war aufgeregt. Das Gestrüpp war dichter und höher und die Mauer etwas niedriger und stärker verfallen, aber er war sich sicher: Das war der Friedhof, von dem sein Großvater ihm früher erzählt hatte.

Er bewegte sich schnell, sein Atem ging schwer und pfeifend in der Kühle des späten Nachmittags, während der eisige Nebel von der Nordsee her immer näher kroch. Ein Schauern packte ihn, und er fröstelte in der feuchten, klammen Luft. Es brannte ihm in der Brust, und er hustete, ein tiefes, trockenes Bellen, bei dem ihm schwindelig wurde. Er wischte sich den Mund mit einem Taschentuch ab und versuchte, die roten Flecken auf dem weißen Stoff nicht zu beachten. Etwas ließ ihn erzittern, und zwar nicht nur der Nebel, der wie immer die Lufttemperatur nach unten drückte. Er warf einen Blick über die Schulter, zurück zu seinem Range Rover. Hatte er da ein Geräusch gehört? Für einen langen Augenblick stand er stocksteif da, blickte in die Ferne, doch nichts regte sich. Wieder erschauerte er, verwundert darüber, dass sich ein kleiner Knoten Angst in seinem Magen bildete. Er schüttelte den Kopf und ging weiter, entschlossen, sich dem zu stellen, was ihn auf diesem Friedhof erwartete.

Er holte sein Handy aus der Tasche. Er hatte kaum noch Empfang, als er seinen ältesten Sohn anrief, Tam junior.

»Pa, alles in Ordnung? Die Jungs haben gefragt, wohin du verschwunden bist.«

»Mir geht’s gut, Junge, mir geht’s gut. Ich glaub, ich habe ihn gefunden, tatsächlich.«

»Ernsthaft?«

»Ich spaziere gerade über den Friedhof. Er ist es, ohne jeden Zweifel, und wenn das Grab noch hier ist, dann werde ich vermutlich direkt mit der Nase drauf stoßen.«

»Na ja, pass auf dich auf. Du solltest nicht allein dort draußen sein.«

»Ach, hör auf mit deinem Gejammer. Hat sich der alte Mistkerl Turkish Joe schon gemeldet?«

»Aye. Er will aber dreißig für den Tausender.«

»Tja, das kann der gierige Mistkerl sich abschminken. Ich zahl keine dreißigtausend pro Kilo, und wer sonst nimmt es ihm ab?«

»Das meinte ich auch zu ihm, Pa. Er war ein bisschen angepisst, als ich es ihm gesagt habe.«

»Der kommt schon zur Vernunft. Also, ich such dieses Drecksloch hier mal ab. Melde mich später.« Ohne eine Antwort abzuwarten, beendete er das Gespräch.

Das rostige Tor quietschte, als er es öffnete. Das Geräusch schreckte einen Schwarm Krähen auf, die im Gebüsch gekauert hatten. Tam zuckte erschrocken zusammen. »Verdammte Mistkrähen«, stieß er aus. Das Herz hämmerte ihm in der Brust. Irgendetwas hatte dieser Ort an sich.

Er schlich Stück für Stück durch die wild wuchernden Sträucher und Gräser. Seine Muskeln ächzten unter der Anstrengung. »Ist doch scheiße, so alt zu sein«, schimpfte er vor sich hin. In seinen jungen Jahren war er fürchterlich stark gewesen, ein talentierter Boxer und noch tödlicherer Schläger. Niemand ging als Sieger aus einer Prügelei mit Tam Hardie hervor – oder zumindest behaupteten das die Leute, die ihn kannten.

Schwer atmend und mit Schwindel im Kopf kämpfte er sich durch die Büsche und schnitt eine Grimasse, als die Ginsterdornen ihm in die Hände stachen. Die meisten Grabsteine waren zerbrochen und umgekippt, aber hier und da ragten noch welche aus dem Unterholz hervor. Die Inschriften waren nach Jahrhunderten in der gnadenlosen Witterung verblasst. Der ganze Ort stank nach Alter und lang vergessener Geschichte.

Der Nebel waberte um ihn herum, und er begann sich zu fragen, ob der ganze Ausflug ein Schuss in den Ofen war. Wieder erschauerte er, dieses Mal begleitet von dem unausweichlichen Gefühl, dass es ihm an den Kragen gehen würde. Was, wie er zugeben musste, sehr zutreffend war. Seine fein justierten Antennen vibrierten, als er sich umsah, aber nichts entdecken konnte. Tam war es nicht gewohnt, Angst zu haben, also rang er sie nieder, bevor sie ihn übermannen konnte.

Ein Grabstein erregte seine Aufmerksamkeit. Er stand ein paar Meter vor ihm, stolz aufgerichtet, die Inschrift noch immer deutlich lesbar. Er beschleunigte seine Schritte und blieb mit dem Stiefel an der Ecke von etwas Flachem, Hartem hängen, das fast vollständig von Unkraut und Moos bedeckt war. »Scheiße«, zischte er, als er auf die feuchte Erde stürzte und sich das Knie an der Kante eines flachen, teilweise von Brombeerranken verdeckten Grabsteins stieß. Leise fluchend und mit einem plötzlichen Gefühl von Schuld, dass er derartige Blasphemien auf heiligem Boden laut aussprach, betrachtete er die Grabstelle mit mehr Interesse. Anders als auf den anderen, gut sichtbaren und aufrechten Grabsteinen war hier das Wort »Grab« noch frisch und scharf konturiert zu lesen, fast, als hätte der Steinmetz gerade erst Hammer und Meißel weggelegt.

Mit neu geweckter Aufregung rappelte er sich auf und begann, das dicke Moos von der glatten Granitfläche zu schieben. Er zog sein altes Klappmesser aus der Barbour-Jacke, klappte die abgenutzte Klinge aus und begann, auf das Gestrüpp einzuhacken.

Nach ein paar Minuten eifrigen Kratzens und Schneidens war seine Arbeit erledigt. Tam Hardie richtete sich auf, und eine Mischung aus böser Vorahnung und Vorfreude begann von ihm Besitz zu ergreifen, als er die vier Wörter las, von denen sein Großvater geschworen hatte, dass er sie hier finden würde.

Dieses Grab niemals öffnen

Es gab keine Namen, keine Daten, nichts außer dieser mahnenden Aussage. Sein Atem beschleunigte sich schmerzhaft, als er tief die feuchte Luft einatmete. Das war der Ort. Ohne jeden Zweifel, das war er.

Er kratzte noch mehr Moos und Erde von der glatten Granitfläche, legte die Inschrift frei und befreite sie von den letzten Ausläufern der Brombeerhecke. Als die Fläche komplett gesäubert war, erhob er sich wieder und blickte hinab. Das Gewicht der Geschichte lag schwer auf seinen Schultern, während er an die Legende dachte, von der ihm immer wieder erzählt worden war, dass sie in diesem Grab läge. Er klopfte mit dem Messer gegen den schweren Granit. Er war solide, unverrückbar in die feuchte Erde unter ihm eingelassen.

Das scheußliche Prickeln zwischen seinen Schulterblättern kehrte zurück, und etwas in dem instinktgesteuerten Teil seines Gehirns verriet ihm, dass er nicht länger allein war. Gerade als er sich umdrehen wollte, ertönte eine leise, fast flüsternde Stimme hinter ihm.

»Sie sagten, dass jemand kommen würde.«

Er wirbelte herum, das Messer erhoben. Eine kleine, vertraut wirkende Gestalt stand ihm gegenüber und sah ihn aus tief liegenden, hohlen Augen an. Der ungepflegte Mann stand seltsam vornübergebeugt da, eine Hand in der Jacke. Tams Instinkte brüllten auf. Das konnte nur eins bedeuten. Der Mann trug schwere Stiefel und einen alten, schmutzigen Mackintosh-Regenmantel über seinen knochigen Schultern.

»Himmel, Sie haben mir fast einen Herzinfarkt verpasst!«, rief Tam. »Was zur Hölle treiben Sie hier?« Sein Herz raste, und er festigte den Griff um sein Messer.

»Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«, entgegnete der kleine Mann leise.

»Ich, Jungchen, bin Tam Hardie, und wenn du wüsstest, wer zur Hölle ich bin, würdest du mich nicht so anglotzen.« Tam fuchtelte mit dem Messer in seiner Hand herum. Als Antwort ergriff ihn ein seltsames Gefühl von Furcht vor dem viel kleineren, schmaleren Mann. Es waren seine Augen – dunkel und unergründlich und bar jeder Spur von Angst. Und das war etwas, was Tam nicht kannte. Tam wusste mit absoluter Gewissheit, dass der Fremde eine Bedrohung darstellte. Mit noch festerem Griff um sein Messer hob er es dräuend an – die abgenutzte Spitze zeigte zielgenau auf den Fremden. »Ich habe keine Ahnung, was du vorhast, Freundchen, aber ich würde dir davon abraten. Ich habe im Laufe der Jahre eine Menge Typen umgelegt, und du machst mir kein bisschen Angst.« Noch während ihm die Worte über die Lippen kamen, wurde ihm klar, dass sie nicht ganz der Wahrheit entsprachen.

Der Mann lächelte, nur ein wenig und ohne jede Spur von Furcht. Er spitzte die Lippen, seine Augen leuchteten auf und waren doch seltsam abwesend und leer.

»Aye, sie sagten immer, dass irgendwann ein Hardie käme.« Er griff in seinen Mantel, und etwas Langes, Metallisches funkelte, als er den schmutzigen Stoff zur Seite schob.

»Du kannst dich zu deinen Ahnen...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2023
Reihe/Serie DS Max Craigie
DS Max Craigie
Übersetzer Marco Mewes
Sprache deutsch
Original-Titel Dead Man's Grave
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte detective • Drogenkartell • DS Max Craigie • Ermittlerduo • Gang • Highlands • MI5 • MI6 • Schottland • Spannung • Spion • ungewöhnliche Morde • Verbrecherclan
ISBN-10 3-7499-0528-2 / 3749905282
ISBN-13 978-3-7499-0528-7 / 9783749905287
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