Eis (eBook)
400 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0412-9 (ISBN)
Nichts ist kälter als der Tod im ewigen Eis
Wildtierbiologin Alex Carternimmt ein Angebot an, in der kanadischen Arktis eine Eisbären-Population zu erforschen. Gemeinsam mitihrem Team spürt sie die Bären auf, folgt ihnen mit dem Helikopter über gefährliches Terrain. Doch es passieren immer bedrohlichere Dinge: Irgendjemand will um jeden Preis Alex' Forschung verhindern. Als ihr Helikopter in der Luft in Flammen aufgeht, findet sie sich plötzlich inmitten von nichts als Eis wieder - und am Horizont nähern sich bewaffnete Unbekannte ...
<p>Die Idee für die Reihe um Alex Carter kam Alice Henderson bei ihrem Brotjob, den sie mit großer Leidenschaft ausübt: Sie arbeitet als Rangerin in einem Naturreservat, wo sie abgelegene Kameras überprüft, das Auftreten bestimmter Spezies überwacht und Brutgebiete aufzeichnet. Neben Grizzlys, Wölfen, Wildkatzen und gefährdeten Fledermäusen beobachtete sie auch Vielfraß-Populationen.</p>
PROLOG
HUDSON BAY, MANITOBA, KANADA
Während Rex Tildesen erstaunt auf das Sonarbild schaute, ahnte er nicht, welche Gefahr seine Entdeckung barg. Er ließ das Bild auf sich wirken, ballte triumphierend die Faust. Das musste es sein, der Fund des Jahrhunderts. Nein, der letzten beiden Jahrhunderte. Des Jahrtausends. Wann hatte man den Kensington-Runenstein in Minnesota noch gleich gefunden? 1898? Doch auch wenn der Stein in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit erhielt und neuerlich analysiert worden war, galt er weiterhin nicht als echter Beweis für die Anwesenheit der Wikinger in Minnesota. Es sei zu weit westlich, monierten die Skeptiker. Die Wikinger konnten unmöglich so weit gelangt sein.
Aber Rex, ein Meeresarchäologe, glaubte, dass sie sehr wohl so weit gelangt waren und dass sie dafür durch die Hudson Bay gesegelt waren. Er studierte das Sonarbild auf dem Monitor, während das Boot sanft auf dem Wasser schaukelte. Die Form des Wracks entsprach exakt den Abmessungen eines Wikinger-Langschiffs, und in diesem Gebiet gab es keine anderen historischen Schiffswracks. Das musste es sein. Endlich! Ein Beweis für seine Theorie! Er hatte es gewusst!
Aber er musste vorsichtig sein. Als der Farmer Olof Ohman 1898 den Kensington-Runenstein im Wurzelwerk eines uralten Baums gefunden hatte, hatte niemand an die Echtheit der Inschrift geglaubt. Man hatte Ohman beschuldigt, die Runen selbst in den Stein gehauen zu haben – und das, obwohl er fast keine Schulbildung besaß und praktisch Analphabet war. Die Skeptiker hatten Olofs Leben ruiniert, hatten Hohn und Spott über ihn ausgeschüttet. Rex musste aufpassen, dass ihm nicht das Gleiche passierte.
Der Runenstein erzählte die schaurige Geschichte einer Gruppe von dreißig Wikingern auf einer Erkundungsmission im Westen Vinlands. Einige von ihnen verließen eines Tages ihr Lager, um zu fischen, und bei ihrer Rückkehr entdeckten sie, dass ihre Kameraden von Unbekannten niedergemetzelt worden waren, der Boden war blutgetränkt. Sie flohen vom Schauplatz des Grauens und kehrten zu ihrem Schiff zurück, das vierzehn Tagesreisen entfernt war. An der schmalen Kantenseite des Runensteins war das Jahr 1362 eingemeißelt, eine Datierung, die gut zu einer von König Magnus angeordneten Mission im Jahr 1355 passte, bei der die Wikingersiedlungen westlich von Grönland kontaktiert und rechristianisiert werden sollten.
Skeptiker hielten den Stein jedoch für eine Fälschung. Sie verwiesen auf die selten verwendeten Runen und behaupteten, sie seien um die Zeit nicht gebräuchlich gewesen, obwohl inzwischen Dokumente aufgetaucht waren, die das Gegenteil belegten. Auch bestätigten moderne Datierungsmethoden, dass die Granitkristalle in den Runen seit Hunderten von Jahren verwitterten – Ohman konnte sie also nicht selbst in den Stein gehauen haben.
Doch die meisten Wikinger-Forscher hielten bis heute an den alten abschlägigen Ansichten über den Runenstein fest, ignorierten die neuen Erkenntnisse. Im Laufe der Jahre hatte man überall im östlichen Nordamerika Schwerter, Dechsel und Äxte der Wikinger gefunden. Falls Rex beweisen konnte, dass die Nordmänner durch die Hudson Bay gesegelt waren, konnte er dies als Argument dafür anführen, dass sie tatsächlich bis weit westlich von Labrador und Neufundland vorgedrungen waren, bis nach Minnesota.
Rex musste also wahnsinnig vorsichtig sein. Sein Ruf hatte bereits gelitten, weil er so vehement an seine Hudson-Bay-Theorie glaubte. Zunächst aber musste er einen Tauchgang absolvieren, um herauszufinden, ob dort unten irgendwelche Artefakte herumlagen. Gespannt und aufgeregt stieg er in seinen Trockenanzug. Er wusste, dass er nicht allein tauchen sollte, aber seine Partnerin lag an Land mit der Dekompressionskrankheit darnieder; bei ihrem letzten Tauchgang war sie zu schnell aufgestiegen.
Sasha. Er war so aufgeregt, dass er beinahe vergessen hätte, ihr seinen Standort durchzugeben. Ihm war klar, was sie sagen würde. Aber er würde auf keinen Fall warten mit dem Tauchgang. Nicht nachdem er dieser Entdeckung jahrelang hinterhergejagt war.
Er funkte Sasha an und vernahm augenblicklich ihre vertraute Stimme. »Genießt du das Wetter da draußen?«, begrüßte sie ihn.
»Ist fast wie in Malibu.« Er hob den Blick, schaute prüfend zum Himmel und sah eine schwarze Wolkenfront am Horizont. Nahebei glitzerte eine Eisscholle im Sonnenschein, der zwischen den Wolken hindurchbrach. Im Eis zu navigieren war schwierig, um nicht zu sagen anspruchsvoll, weil er sich in einer schmalen Wasserrinne zwischen dem Festland und dem Packeis halten musste. Er hätte noch zwei Monate warten können bis zur Schmelze, aber an Land wäre ihm die Decke auf den Kopf gefallen vor Ungeduld; er musste seine Forschung vorantreiben.
»Wieder irgendwelche Schiffscontainer gefunden?«, fragte Sasha.
Da quer durch die Hudson Bay mehrere Schifffahrtsrouten verliefen, gab es tatsächlich immer wieder versunkenes Frachtgut auf dem Meeresgrund.
»Nein, heute nicht. Aber ich habe etwas anderes entdeckt. Es sieht wie ein Langschiff aus, hat die richtigen Maße. Und es liegt in nur zwölf Metern Tiefe. Ich muss es mir ansehen.«
»Heh«, sagte sie. »Das sollte nur eine Erkundungsfahrt sein. Markier die Position. Aber geh nicht ohne mich runter.«
»Wenn du nicht im Bett liegen würdest, müsste ich es nicht allein machen«, scherzte er. Er wusste, dass es sie wurmte, an Land Däumchen drehen zu müssen. »Ich bin ja nur ein paar Minuten unten. Ich werfe kurz einen Blick drauf.«
»Wenn es das ist, wofür du es hältst, dann kann es auch noch ein paar Tage warten.«
»Vielleicht könnte es das«, sagte Rex, »aber ich kann es nicht. Ich kann nicht warten. Ich melde mich, sobald ich wieder an Bord bin.« Er nannte ihr seine Koordinaten und meldete sich ab, bevor sie weitere Einwände erheben konnte.
Sobald er rückwärts von der Bordwand kippte, spürte er den Druck des arktischen Meerwassers auf dem Trockenanzug. Er tauchte langsam hinab, schaltete die Tauchlampe ein, deren Lichtstrahl durch die trübe Dunkelheit schnitt.
Bald kam das Wrack in Sicht, die eingefallenen, vierundzwanzig Meter langen Überreste eines Langschiffs. Vieles davon war verrottet, aber einige Details konnte er dennoch erkennen, darunter mehrere lange, schlanke, mit Schlick bedeckte Gebilde, die Ruder und Mast gewesen sein mochten. Enttäuschung überkam ihn, als er erkannte, dass die Überreste zu verrottet waren, um direkt feststellen zu können, ob es sich um ein Wikinger-Gefährt handelte.
Drum herum verstreut lagen schlammbedeckte Objekte, die er aufhob und abwischte. Die meisten waren so korrodiert, dass er sie erst würde reinigen müssen, bevor er bestimmen konnte, worum es sich handelte. Er hob ein halbes Dutzend Stücke vom Meeresboden auf und schob sie in seinen Tauchbeutel.
Er checkte die Zeit. Noch zwanzig Minuten, bis er auftauchen musste. Er schwamm um das Boot herum, nahm es fasziniert von allen Seiten in Augenschein. Er würde mit einer Kamera zurückkehren müssen, um herauszufinden, ob es an dem Wrack vielleicht spezifische Wikinger-Merkmale gab.
Während des anschließenden Aufstiegs legte er einen Sicherheitsstopp ein. Er platzte fast vor Ungeduld. Er wollte die Objekte reinigen und sie im Tageslicht betrachten. Prüfen, ob es sich vielleicht um einen Mantelknopf handelte oder um die Klinge einer Queraxt oder um einen Spinnwirtel. Eines der Objekte war lang genug, um Teil eines zerbrochenen Schwerts zu sein.
Helligkeit kroch in seine Welt, als er sich der Oberfläche näherte. Sein Kopf stieß in die Luft, und er zog die Tauchmaske auf die Stirn. Als er die letzten Meter zum Boot schwamm, bemerkte er, dass die schwarze Wolkenfront herangerückt war.
Er hievte sich an Bord und legte behutsam den Tauchbeutel ab.
Während er sich aus dem Trockenanzug schälte, vernahm er plötzlich das Geräusch eines anderen Bootsmotors. Er wandte sich um und erblickte einen ramponierten Fischtrawler, der auf ihn zuraste. Er erstarrte, die obere Hälfte seines Tauchanzugs heruntergeklappt, in der Hand das Handtuch, mit dem er sich eben das Gesicht abgetrocknet hatte.
Einen Moment lang dachte er, der Trawler würde ihn rammen, doch er bremste scharf ab, und das herüberschwappende Kielwasser brachte sein Boot derart ins Schwanken, dass er sich an der Reling abstützen musste.
Der Trawler glitt längsseits heran, und zwei Männer und eine Frau sprangen zu ihm an Bord.
»Was soll das? Was ist hier los?«, echauffierte sich Rex.
»Wir haben Ihren Funkverkehr mitgehört«, sagte einer der Männer, als würde das alles erklären. Er schien das Kommando zu haben. Er hatte einen Schmerbauch, ein wettergegerbtes Gesicht, halblanges schwarzes Haar und einen fusseligen Kinnbart. Eine Narbe verlief über seinen Nasenrücken. Schräg hinter ihm stand ein großer und Furcht einflößender Mann mit kurz geschorenem schwarzen Haar und bedrohlichen braunen Augen, die aus einem scharfsinnigen sienafarbenen Gesicht blickten. Er verschränkte seine muskelbepackten Arme und starrte auf Rex herab. Die Frau war die Furchterregendste von allen. Sie sah aus, als würde sie noch vor dem Frühstück Welpen töten und sich dann auf den Weg machen, um ein Altersheim in die Luft zu sprengen, nur aus Jux und Dollerei. Ihr langes braunes Haar hatte sie im Nacken zusammengebunden, und der tote Blick ihrer stechenden blauen Augen jagte Rex einen Schauer über den Rücken. Ihr starres Gesicht war wie aus Elfenbein gemeißelt.
»Was haben Sie da unten gefunden?«,...
Erscheint lt. Verlag | 28.6.2022 |
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Reihe/Serie | Ein Alex-Carter-Thriller | Ein Alex-Carter-Thriller |
Übersetzer | Joannis Stefanidis |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | A Blizzard of Polar Bears |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Action Heldin • Action Roman • action thriller • Actionthriller • Action Thriller Heldin Cool • Alex Carter • Arktis • Bücher für Männer • Bücher Thriller • Eisbären • Forschung • Kanada • krimi und thriller • Northern Manitoba • Polar Bears • Thriller Taschenbuch • toughe Heldin • Umweltschutz • Wildtiere |
ISBN-10 | 3-7499-0412-X / 374990412X |
ISBN-13 | 978-3-7499-0412-9 / 9783749904129 |
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