Grausames Spiel (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
509 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2623-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grausames Spiel - Hilary Norman
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

In Miami Beach werden die entstellten Leichen der Eheleute Robbins aufgefunden, die mit einem Skalpell ermordet wurden. Zwischen den Toten liegt die blutüberströmte Tochter Cathy, die seltsamerweise unverletzt blieb.

Detective Sam Becket und die Kinderpsychologin Grace Lucca übernehmen den Fall und stossen bald auf schier unlösbare Rätsel um das Mädchen und die Umstände des Todes der Robbins. Denn die junge Cathy kann sich weder an die Tat erinnern noch daran, wie sie zu ihren getöteten Eltern ins Zimmer gelangt ist ...

Auftakt der großen Sam Becket Reihe!



Hilary Norman, geboren und aufgewachsen in London, war nach einer Karriere als Schauspielerin zunächst in der Mode- und Fernsehbranche tätig. Ihr erster Roman erschien 1986; seitdem hat sie zehn weitere Bücher geschrieben, die in siebzehn Sprachen übersetzt wurden.

4.


Mary Robbins’ verwitwete Schwester wohnte am Granada Boulevard im Zentrum von Coral Gables, der Stadt im spanischen Stil, die zu den ältesten Gemeinden von Dade County gehörte. Sie besaß ein einstöckiges, ansehnliches grauweißes Haus mit Läden vor den Fenstern und einem üppig bepflanzten Vorgarten mit Palmen, Feigen- und Maulbeerbäumen.

Frances Dean sah fast genau so aus, wie Grace sie sich vorgestellt hatte. Das silbergraue Haar, normalerweise wohl elegant frisiert, lag in Strähnen; was immer sie an Make-up aufgetragen hatte, war von Tränen verschmiert. In dem schwarzen Kleid, in dem Frances unter besseren Umständen vielleicht schlank und attraktiv ausgesehen hätte, wirkte die ungefähr Fünfzigjährige eingefallen und verhärmt. Die Frau war aufgewühlt, mit den Nerven am Ende. Grace fragte sich, wie Mrs. Dean wohl ihren Mann verloren hatte. Es schien unvorstellbar, dass eine Krankheit, ein plötzlicher Zusammenbruch oder ein Unfall sich ähnlich verheerend auf sie ausgewirkt haben konnten wie der schreckliche Tod von Schwester und Schwager.

»Cathy hat sich hingelegt«, sagte Frances Dean, nachdem sie Grace ins Haus gebeten und ihr einen Platz auf der weißen, weichen Couch im Wohnzimmer angeboten hatte. »Sie soll sich ausruhen.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Oder es zumindest versuchen. Das arme Kind! Ich glaube nicht, dass sie viel geschlafen hat, seit es passiert ist.«

»Und wie steht es mit Ihnen?«, erkundigte Grace sich leise.

»Ich schlafe normalerweise schon nicht besonders gut.« Frances Dean erinnerte sich plötzlich an ihre Pflichten als Gastgeberin. »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten, Dr. Lucca?«

»Das wäre nett.« Eigentlich mochte Grace jetzt gar keinen Kaffee, aber für trauernde Hinterbliebene war selbst die einfachste Beschäftigung oft besser, als nur dazusitzen und vor sich hinzustarren. »Wenn es keine Umstände macht.«

»Überhaupt nicht.« Frances Dean stand auf und ging mit unsicheren Schritten zur hohen, großzügig bemessenen Tür, die in die Halle und wahrscheinlich in die dahinter liegende Küche und den Schlaftrakt des Bungalows führte. Kurz vor der Tür blieb Frances jedoch stehen.

»Möchten Sie, dass ich Cathy jetzt gleich hole? Oder wollen Sie zuerst mit mir sprechen?«

»Was Ihnen lieber ist«, erwiderte Grace, »und was Ihnen leichter fällt.« Obwohl für diese Frau im Augenblick nichts leicht war oder in nächster Zeit leicht sein würde.

»Ich bin hier, Tante Frances.« Da die Besitzerin der Stimme direkt hinter der Frau stand, konnte Grace sie von ihrem Platz aus nicht sehen. Sie klang jung, sanft, leise.

Mrs. Dean wandte sich um. »Cathy, Liebes!« Sie streckte die Hand aus, um ihrer Nichte über die Schulter zu streichen. Grace hatte zwar nicht den Eindruck, dass es sich um eine bewusste Zurückweisung handelte, doch das Mädchen – gekleidet in ein weißes T-Shirt und Blue Jeans – ließ die Arme hängen, wich ihrer Tante aus und trat ins Wohnzimmer.

Grace stand auf. Ihr Herz klopfte schneller, und sie merkte, dass sie nervös war, was ihr sonst nicht passierte.

»Hallo, Cathy«, sagte sie. »Ich bin Grace Lucca.«

Etwa einen Meter vor ihr blieb Cathy stehen. »Die Psychologin.«

»Genau.« Grace lächelte sie an.

»Man hat schon im Krankenhaus ständig Psychologen zu mir geschickt, die mit mir reden wollten. Aber dann sind sie wieder gegangen, weil ich nichts gesagt habe.«

»Cathy …« Offenbar peinlich berührt, war Frances Dean an der Tür stehen geblieben.

Cathy wandte sich um. »Ist schon gut, Tante Frances.« Sie klang mitfühlend, als wäre die Ältere auf Zuwendung angewiesen und nicht das Mädchen. »Ich glaube, ich bin jetzt so weit.« Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Grace. »Vielleicht lag es am Krankenhaus. Ich hab’ dort einfach kein Wort herausgebracht.« Seltsam resigniert und ungeschickt zuckte sie die Achseln. »Ich habe es wirklich versucht, aber ich hatte das Gefühl, daran zu ersticken.«

»Und wie ist es jetzt?«, fragte Grace.

»Ich will es versuchen.«

Das war mehr, als Grace erwartet hatte. Sie wusste aber auch, dass sie sich nicht zu früh freuen durfte.

»Ich wollte gerade eine Tasse Kaffee für Dr. Lucca kochen«, warf Frances ein. »Möchtest du auch etwas, Cathy?«

Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Nein, danke, Tante Frances.«

Frances Dean verließ das Zimmer. Offenbar war sie froh, die beiden allein lassen zu können.

»Sollen wir uns hier unterhalten?«, fragte Grace das Mädchen. »Oder möchtest du lieber nach draußen gehen?«

»Ich würde gern hier bleiben, wenn es möglich ist.«

»Natürlich.«

Grace nahm zuerst Platz, um Cathy die Entscheidung zu überlassen, in welchem Abstand sie ihr gegenübersitzen wollte. Viele ihrer Patienten, ob die ganz Kleinen oder die Halbwüchsigen, hielten anfangs gern räumliche Distanz. Cathy wählte das andere Ende der Couch, was Grace als Zeichen von Zurückhaltung, jedoch keineswegs von Unsicherheit deutete.

»Wie soll ich Sie anreden?«, fragte Cathy.

»Wie du magst. Mein Vorname ist Grace.«

»Ich soll nicht Dr. Lucca zu Ihnen sagen?«

»Nur wenn du unbedingt möchtest.«

»Gut.«

Cathy machte es sich bequem und zog die Beine auf die Couch. Grace gestattete sich eine erste Musterung. Das Mädchen war recht hübsch, von einer Art lieblicher Unschuld, wie sie nur Teenager oder sehr junge Frauen besitzen, und das auch nur für kurze Zeit. Sie war schlank, fast zart, hatte jedoch kräftige Arme, als würde sie Sport treiben, langes, glattes, goldblondes Haar und klare blaue Augen mit einem Melaninfleck in der linken Iris. So wohlgeformt ihr Gesicht auch war, so wirkte es doch irgendwie leer; unter normalen Umständen hätte man wohl vermutet, dass noch keine einschneidenden Lebenserfahrungen ihre Spuren darin hinterlassen hatten. Doch in Anbetracht der Ereignisse, die Cathy Robbins in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt hatte, musste Grace annehmen, dass dieses Gesicht eine Wahrheit verbarg, wenn nicht sogar leugnete.

Unvorstellbar schreckliche Gewalttaten. Den Mord an ihren Eltern.

»Ich kann Ihnen nicht viel sagen, Dr. Lucca.«

Grace merkte, dass sie unwillkürlich die Luft angehalten hatte, und atmete aus. »Grace«, mahnte sie das Mädchen leise und freundlich.

»Entschuldigen Sie.«

»Du braucht dich nicht zu entschuldigen. Wie du mich anredest, spielt keine Rolle.« Grace schwieg. »Erzähl mir, was du erzählen kannst, Cathy.«

»Was passiert ist?«

»Wenn es geht. Oder darüber, wie du dich fühlst. Ganz gleich. Alles.«

Grace wartete. Die klaren blauen Augen des Mädchens betrachteten sie ein Weile, dann wandte Cathy sich ab und blickte ins Leere. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Kein Laut kam über ihre Lippen. Cathy verlagerte ihr Gewicht und legte dabei den rechten Unterarm auf die Knie. Auf der Haut klebte ein Pflaster.

»Würde es dir helfen, wenn ich Fragen stelle?«

»Ich weiß nicht. Könnte sein.« Die Augen blieben wachsam.

Grace durchforstete ihr Gehirn nach einer ihrer vielen einstudierten, unverfänglichen Ausgangsfragen, doch es wollte ihr keine einfallen. Ein Anflug von Panik überkam sie. Offenbar hatte sie den Fehler gemacht und sich innerlich schon auf Erfolgskurs gewähnt, als Cathy sich einverstanden erklärte, mit ihr zu sprechen. Nun hatte sie Angst, das Mädchen zu enttäuschen.

»Ich habe geschlafen«, sprang Cathy ihr bei. »In meinem Zimmer.«

Grace fasste sich wieder.

»Irgendwas hat mich geweckt.« Cathy runzelte die Stirn. »Aber ich weiß nicht, was.«

»Ein Geräusch?«

»Schon möglich.« Ihr Blick verriet, wie sehr sie sich zu erinnern bemühte. »Aber ich weiß, wie spät es war. Kurz vor vier. Es war noch dunkel.«

Grace, die eine Bewegung wahrgenommen hatte, blickte auf. Im Hausflur stand Frances Dean, ein Kaffeetablett in den Händen. Einen Moment rührte sie sich nicht vom Fleck, unentschlossen, vielleicht auch hin und her gerissen zwischen dem Widerwillen, zu stören, und dem Wunsch, etwas von dem Gespräch mitzubekommen. Dann wandte sie sich ab und verschwand im Dunkel des Flurs. Bestimmt hatte ihre Nichte sie gesehen, doch das Mädchen ließ sich nichts anmerken.

»Ich bin eine Weile im Bett liegen geblieben. Wie lange, weiß ich nicht.« Cathy hielt kurz inne. »Ich hatte Angst.« Sie schaute Grace an. »Wollen Sie nicht fragen, wovor ich Angst hatte?«

»Weißt du es denn?«

»Nein.« Cathy schluckte. »In der Nacht jedenfalls nicht.« Wieder verstummte sie. »Aber ich glaube, jetzt weiß ich es.«

Cathy hatte gemeint, sie habe nicht viel zu sagen. Vom Standpunkt der Polizei mochte das wohl stimmen, vom Standpunkt einer Psychologin hingegen – und aus Cathys Sicht – erinnerte das Mädchen sich an mehr als genug. Sogar an viel zu viel.

Cathy wusste noch, dass sie ins Zimmer ihrer Eltern gegangen war, wo sie die beiden Ermordeten im Bett liegend fand. Beide waren schon tot, versicherte sie Grace mit stumpfer, beinahe ausdrucksloser Stimme. Grace war dies bei schwer traumatisierten Patienten schon des Öfteren aufgefallen; anscheinend glaubten sie, sämtliche Gefühle und Regungen unter Kontrolle halten zu können, indem sie diese unterdrückten und fest in ihrem Inneren verschlossen.

...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2022
Reihe/Serie Sam Becket ermittelt
Sam Becket ermittelt
Übersetzer Barbara Steckhan, Gabriele Gockel
Sprache deutsch
Original-Titel Mind Games
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adam Fawley • Cara Hunter • Catherine Sheperd • Domestic Crime • Entführung • Familiendrama • Harlan Coben • Karen Rose • Sam Becket • Spannung • Vermisstenfall
ISBN-10 3-8412-2623-X / 384122623X
ISBN-13 978-3-8412-2623-5 / 9783841226235
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99