Tod in Rimini (eBook)
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00826-7 (ISBN)
Dani Scarpa ist das Pseudonym eines deutschen Erfolgsautors, der früh seine Liebe zu Italien entdeckt hat. Ein Teil von Scarpas Familie lebt heute noch im Land der Zitronen, weshalb er alle Aspekte des deutsch-italienischen Zusammenlebens aus nächster Nähe kennt. «Mord in Parma» ist sein erster Kriminalroman um Paolo Ritter, den deutschen Ermittler, den es - zunächst - widerwillig in die Emilia-Romagna verschlägt.
Dani Scarpa ist das Pseudonym eines deutschen Erfolgsautors, der früh seine Liebe zu Italien entdeckt hat. Ein Teil von Scarpas Familie lebt heute noch im Land der Zitronen, weshalb er alle Aspekte des deutsch-italienischen Zusammenlebens aus nächster Nähe kennt. «Mord in Parma» ist sein erster Kriminalroman um Paolo Ritter, den deutschen Ermittler, den es - zunächst - widerwillig in die Emilia-Romagna verschlägt.
Kapitel 1
Cervia, Emilia-Romagna
September 2019
«Das hält erst mal.»
Paolo Ritter hob seine Stimme am Ende des Satzes, so als wäre es mehr eine Frage als eine Feststellung. Tatsächlich traute er weder dem Putz so recht noch den beiden Nägeln, die er mit viel Nachdruck, aber wenig Sachverstand hineingetrieben hatte. Dennoch tat das hölzerne Schild wie geheißen und blieb an der Mauer haften.
NUOVA APERTURA – NEUEROFFNUNG
HOTEL IL CAVALIERE
stand in großen gelben Lettern darauf geschrieben. Darunter, etwas kleiner und sowohl in italienischer als auch in deutscher Sprache:
BUCHUNGEN FÜR DIE SAISON 2020 AB SOFORT MOGLICH.
«Und das soll halten?» Lucia Camaro stand neben ihm, den Pinsel mit der gelben Farbe noch in der Hand. Ihr Blick verriet unverhohlenes Misstrauen.
«Soll das ein Witz sein?», fragte Paolo dagegen. «In meiner Wohnung in München habe ich früher viel selbst gemacht.»
Sie erwiderte etwas halblaut auf Italienisch, das er nicht verstand, und beide blickten sie an dem Hotelgebäude empor, vor dessen Gartenpforte sie standen und das die Morgensonne über Cervia in mildes Licht tauchte.
Es war drei Stockwerke hoch und von einem Garten umgeben, in dem weiße und rote Rosenstöcke blühten. Der forschen Behauptung auf dem Werbeschild zum Trotz sah es allerdings nicht wirklich so aus, als ob schon in der kommenden Saison Gäste darin einziehen könnten: Die Fassade auf der dem Garten zugewandten Seite war eingerüstet, der Putz komplett entfernt worden und unansehnliches Grau darunter zutage getreten; die Geländer an den kleinen Balkonen fehlten, ebenso wie die Fensterscheiben, statt derer nur dunkle Löcher auf den Betrachter starrten.
Vertrauenswürdig sah lediglich das Erdgeschoss des Gebäudes aus – dort befand sich das Ristorante, das Lucia schon zuvor betrieben hatte und dessen Party- und Lieferservice vorerst die einzige Einnahmequelle ihres gemeinsamen Unternehmens war. Den Löwenanteil der betrieblichen Aufwendungen bestritt Paolo aus eigener Tasche, er hatte dafür seine Bankguthaben in Deutschland aufgelöst und seine Aktien liquidiert, mit anderen Worten: seine gesamten Ersparnisse eingesetzt. Nur seine Wohnung in München war ihm noch geblieben, als letzte Rückversicherung, als Fuß in der Tür zur alten Heimat.
Hätte ihm jemand vor einem halben Jahr prophezeit, dass er Deutschland verlassen, seinen gut bezahlten Job beim Landeskriminalamt aufgeben und aus seinen vertrauten vier Wänden ausziehen würde, um sich mit einer Frau, die er kaum kannte, in ein finanzielles Abenteuer mit unvorhersehbarem Ausgang zu stürzen, noch dazu in Italien, dem Land, gegen das er sein Leben lang tiefe Abneigung empfunden hatte … Paolo hätte ihn glatt für verrückt erklärt. Doch in diesem besagten halben Jahr war viel geschehen – die Mordfälle in Parma, in deren Aufklärung Paolo unwillentlich verstrickt worden war, seine gescheiterte Beziehung mit Julia Wagner, die seine Vorgesetzte beim LKA gewesen war, und schließlich die Sache mit Felix, seinem Bruder.
Paolo war nicht mehr derselbe, als der er vor ein paar Monaten aus dem Lieferwagen der Sicherheitsfirma gestiegen war. Er hatte sich verändert, hatte dazugelernt – zumindest war es das, was er gerne von sich dachte.
Eigentlich hatte er Lucia, die ihm bei der Aufklärung des Falles geholfen hatte, im Gegenzug das Hotel verkaufen wollen, das er von Felix geerbt hatte. Doch im buchstäblich allerletzten Augenblick – Paolo hatte im Büro des Notars bereits den Stift zur Unterschrift erhoben – hatte er es sich anders überlegt. Entgegen seinem strengen, stets auf Vernunft und Ordnung bedachten Wesen hatte er sich entschieden, nicht nach Deutschland zurückzukehren, sondern in Italien zu bleiben, um das Hotel seines verstorbenen Bruders zu renovieren und neu zu eröffnen, mit Lucia als seiner Geschäftspartnerin. Während sie als ebenso leidenschaftliche wie geniale Köchin das Restaurant betreiben sollte, würde Paolo der neue patrono des Hotels werden.
So weit jedenfalls der Plan.
Zunächst war Lucia alles andere als begeistert gewesen. Völlig zu Recht hatte sie Paolo Wortbruch vorgeworfen und sich recht einsilbig gegeben – bis ihr aufgegangen war, was es bedeutete, ein Projekt dieser Größenordnung anzugehen. Und dass es nicht nur Nachteile hatte, wenn man einen zahlungskräftigen Financier aus Deutschland mit an Bord hatte – auch wenn dessen Reserven so langsam zur Neige gingen.
Unzählige Male hatte sich Paolo gefragt, was ihn geritten hatte, alles aufzugeben, um dem Traum seines verstorbenen Bruders nachzujagen. Felix und er hatten sich nicht besonders nahe gestanden, in den letzten Jahren vor seinem Tod hatten sie nicht einmal mehr Kontakt gehabt. Und was Italien betraf, so war es eher Hassliebe, die Paolo mit dem Land verband, in dem er als Junge stets seine Ferien verbracht hatte … Doch irgendetwas hatte Italien auch an sich, das ihn magisch anzog, und es hatte absolut nichts zu tun mit dem, was andere Deutsche hierzulande suchten, denn Hitze, Sand und Sonne konnte Paolo auf den Tod nicht leiden. Sondern mit den Erinnerungen, die für ihn, den Mann mit dem episodischen Gedächtnis, praktisch allgegenwärtig waren …
Lucia war noch immer nicht überzeugt.
In ihrem weißen Maleroverall mit den aufgekrempelten Ärmeln, das schulterlange blauschwarze Haar zum Pferdeschwanz gebunden, betrachtete sie das leicht schief hängende Schild voller Argwohn.
«Vielleicht sollten wir einem der Handwerker sagen, dass er sich darum kümmern soll», schlug sie vor.
Paolo schüttelte den Kopf. «Das Schild bleibt, wie es ist, und damit basta», sagte er mit einer Entschiedenheit, die ihm recht italienisch-männlich vorkam. Einen der Arbeiter, bei denen es sich ohne Ausnahme um ebenso breitschultrige wie sonnengebräunte Hünen handelte, um Hilfe zu bitten, wäre einer Bankrotterklärung gleichgekommen. Auch so hatte er schon den Eindruck, dass sich die Naturburschen in ihren kurzen Cargohosen und den schneeweißen, über Muskelbergen gespannten T-Shirts über ihn lustig machten, wann immer er ihnen den Rücken zuwandte.
«Come vuole.» Lucia zuckte mit den Schultern. «Der Geometer hat übrigens angerufen, er kommt morgen früh zur Besprechung und bringt noch jemanden mit.»
«Oje», sagte Paolo nur. Den Vermessungsingenieur hatten sie verpflichtet, weil der versichert hatte, alle notwendigen Befugnisse zu haben, jedoch sehr viel weniger zu kosten als ein Architekt. Gerade Letzteres betreffend hatte Paolo inzwischen erhebliche Zweifel. «Und wen wird er diesmal mitbringen? Seinen Stiefbruder? Den Cousin vierten Grades?»
«Seinen Lieblingsschwager», erwiderte Lucia prompt. «Er ist installatore und wird sich um die Wasserleitungen und die Bäder kümmern.»
«Verstehe», sagte Paolo mit einiger Resignation.
Wie sich gezeigt hatte, verfügte Signor Fernandi, so der Name des findigen Geometers, über eine weitverzweigte Verwandtschaft, die sämtlich in der Baubranche tätig zu sein schien und die er – zweifellos gegen eine gewisse Provision – bevorzugt vermittelte. Kostenvoranschläge oder gar Ausschreibungen nach deutschem Vorbild schienen auf italienischen Baustellen unüblich zu sein, man verpflichtete einfach denjenigen, der einem warm empfohlen wurde, und Fernandi hatte für so ziemlich jedes Gewerk eine warme, weil familiäre, Empfehlung: Neben einem Bruder, der eine kleine Baufirma betrieb, zählte er auch Maler, Verputzer, Dachdecker und Elektriker zu seiner Verwandtschaft, die alle auf den schönen Namen Fernandi hörten und den Geschäftssinn ihres landvermessenden Verwandten teilten …
«Cosa c’è adesso?» Lucia sah ihn kritisch von der Seite an. «Was ist das für ein Gesicht?»
«Ein besorgtes», erklärte Paolo. «Unsere Rücklagen schmelzen wie gelato in der Sonne.»
«Wollen Sie fließendes Wasser im Hotel oder nicht?»
«Natürlich.» Paolo nickte. Die alten Leitungen waren so marode gewesen, dass sie hatten entfernt werden müssen, insofern hatte es hier keine Alternative gegeben. «Aber wir können uns keinen Schnickschnack leisten», mahnte er an.
«Certo», bestätigte Lucia.
«Gut. Es wäre schön, wenn Sie das dem installatore vor der Besprechung erklären könnten.»
«Wieso ich?» Ihre großen dunklen Augen sahen ihn an.
«Nun, weil Sie dabei sein werden», erklärte Paolo rundheraus. «Ich brauche Sie zum Übersetzen.»
«No, Sie brauchen mich nicht.» Lucia schüttete den Kopf, dass der Pferdeschwanz nur so flog. «Ihr Italienisch ist viel besser geworden. Sie verstehen alles, was gesprochen wird.»
«Aber über geschäftliche Dinge zu verhandeln, ist etwas anderes», gab er zu bedenken.
«Ich habe eine große Bestellung zu kochen», wandte sie ein und hob eine gespreizte Hand. «Un menu con cinque portate!»
«Bitte», sagte er eindringlich und wusste dabei selbst nicht, warum er so unbedingt wollte, dass sie an der Besprechung teilnahm. Es stimmte nämlich, seine Italienischkenntnisse, die über die Jahre doch arg eingerostet waren, hatten sich im Lauf der letzten Monate deutlich verbessert, und das nicht zuletzt durch Lucias Unterstützung. War es also möglich, dass er sie aus einem anderen Grund dabeihaben wollte? Weil er sich einfach besser, sicherer fühlte in ihrer Gegenwart? Es war schließlich nicht nur die Sprache, Lucia war Italienerin und kannte auch...
Erscheint lt. Verlag | 17.5.2022 |
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Reihe/Serie | Ein Italien-Krimi | Ein Italien-Krimi |
Zusatzinfo | Mit 1 s/w Karte |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Adria • Badestrand • Cervia • Commissario • Donna Leon • Emilia-Romagna • episodisches Gedächtnis • Hotel • hyperthymestisches Syndrom • Italien • Italienische Krimis • Italienischer Krimi • Kochen • Krimi • Krimi aus Italien • Krimi Italien • Krimi Neuerscheinungen 2022 • Künstler • La dolce vita • LKA • Mondän • Musik • Norditalien • Oper • Opernsänger • Rimini • Rimini Krimi • Romane Neuerscheinungen 2022 • Roman Toskana • Sommer • Sommerkrimi • Sonnenschirm • Spannung • Strandhaus • Teatro Amintore Galli • Toskana • Toskana Krimi • Urlaub • Urlaubskrimi • Urlaubsroman • Urlaubsromane Italien |
ISBN-10 | 3-644-00826-4 / 3644008264 |
ISBN-13 | 978-3-644-00826-7 / 9783644008267 |
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