Der Einsatz meines Lebens. (eBook)
272 Seiten
millemari. (Verlag)
978-3-96706-006-5 (ISBN)
Seit seinem abrupten Karriereende als Leiter eines Buchverlages nutzt Thomas Käsbohrer das Sommerhalbjahr, um allein entlang Europas Küsten von der Türkei quer durchs Mittelmeer bis zu den Hebriden vor Nordschottland zu segeln. Und das Winterhalbjahr, um in seiner Heimat vor den Bergen über diese Reisen zu schreiben. Der Journalist und Historiker versteht es auf einzigartige Weise, Geschichte und Geschichten zu verweben und hat sich als Chronist unerzählter Leben einen Namen gemacht. Er verdichtet seine Erlebnisse zu nachdenklich stimmenden Reise- und Abenteuererzählungen, die um das Abenteuer kreisen, das beginnt, wenn wir unser Zuhause verlassen. Nach 'EINMAL MÜNCHEN - ANTALYA, BITTE. Von der Kunst langsam zu reisen', der Beschreibung einer Einhandreise auf einem kleinen Segelboot entstanden auf seinen Soloreisen durchs Mittelmeer, erschien bei Penguin/Random House "DIE VERGESSENEN INSELN - Eine Reise durch die Geschichte der Welt", für das ihn die SZ als 'Kapitän im Wörtermeer' würdigte. "AUF DEM MEER ZU HAUSE" ist im Mai 2020 ebenfalls bei Penguin/Random House erschienen. In seinen Abenteuerportraits "STURM", dem Bergretter-Buch "AM BERG" oder "IN SEENOT" sucht er akribisch zu ergründen, was mit uns passiert, wenn wir uns zu weit in die scheinbar vertraute Natur vorwagen und in Extremsituationen über uns hinauswachsen müssen. Während seiner Reisen entsteht der Blog marepiu.blogspot.de - einer der meistgelesenen Blogs der Segelszene mit über 750.000 Klicks in sechs Jahren. Der Blog folgt locker der Route, die Thomas Käsbohrer mit seinem Boot LEVJE zurücklegt.
Seit seinem abrupten Karriereende als Leiter eines Buchverlages nutzt Thomas Käsbohrer das Sommerhalbjahr, um allein entlang Europas Küsten von der Türkei quer durchs Mittelmeer bis zu den Hebriden vor Nordschottland zu segeln. Und das Winterhalbjahr, um in seiner Heimat vor den Bergen über diese Reisen zu schreiben. Der Journalist und Historiker versteht es auf einzigartige Weise, Geschichte und Geschichten zu verweben und hat sich als Chronist unerzählter Leben einen Namen gemacht. Er verdichtet seine Erlebnisse zu nachdenklich stimmenden Reise- und Abenteuererzählungen, die um das Abenteuer kreisen, das beginnt, wenn wir unser Zuhause verlassen. Nach „EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE. Von der Kunst langsam zu reisen“, der Beschreibung einer Einhandreise auf einem kleinen Segelboot entstanden auf seinen Soloreisen durchs Mittelmeer, erschien bei Penguin/Random House "DIE VERGESSENEN INSELN – Eine Reise durch die Geschichte der Welt", für das ihn die SZ als „Kapitän im Wörtermeer“ würdigte. "AUF DEM MEER ZU HAUSE" ist im Mai 2020 ebenfalls bei Penguin/Random House erschienen. In seinen Abenteuerportraits "STURM", dem Bergretter-Buch "AM BERG" oder "IN SEENOT" sucht er akribisch zu ergründen, was mit uns passiert, wenn wir uns zu weit in die scheinbar vertraute Natur vorwagen und in Extremsituationen über uns hinauswachsen müssen. Während seiner Reisen entsteht der Blog marepiu.blogspot.de – einer der meistgelesenen Blogs der Segelszene mit über 750.000 Klicks in sechs Jahren. Der Blog folgt locker der Route, die Thomas Käsbohrer mit seinem Boot LEVJE zurücklegt.
“Das sind Geschichten, die ins Leben eingreifen”
“Berge versprechen im Trend der Zeit die große Freiheit, Weitblick und Abenteuer mit Spaßgarantie. Risiken bleiben in dieser Sichtweise allzu gern ausgeblendet. Und was es mit den Ehrenamtlichen der Bergwacht macht, wenn sie sich im Einsatz selbst in Gefahr begeben, wird meist gar nicht thematisiert. Der Autor Thomas Käsbohrer hat ihnen und ihren Erlebnissen schon das zweite Buch innerhalb von drei Jahren gewidmet – und versteht es, selbst unaussprechbar-dramatischen Erlebnissen Raum zu geben, ohne voyeuristisch zu werden.”
„3500 Bergretterinnen und Bergretter gibt es in den bayerischen Alpen. Alle bestens ausgebildet. Alle ehrenamtlich. Sommer wie Winter im Einsatz, um Menschen zu retten. 24 von ihnen haben dem Journalisten und Autor Thomas Käsbohrer ihre bewegendste Rettungsgeschichte erzählt. Im Buch DER EINSATZ MEINES LEBENS kommen sie zu Wort.“
“So liefert auch dieses Buch wieder viel spannende Lektüre und große Emotionen – und motiviert womöglich dazu, über die eigene Bergleidenschaft zu sinnieren und sich um mehr Exzellenz dafür zu bemühen. Dass ein Viertel der Erlöse als Spende an die Bergwacht geht, darf die Kaufentscheidung gerne beeinflussen.”
“Die Schutzengel am Berg.”
“Geschichten, die unvergessen bleiben.”
“Bergwachtler sind das Beste an Bayern.”
Hanna.
Watzmann, Ramsau
Michi Renner
Es ist ein Samstag im Juli 2019, warm und trüb zugleich. Zeitig am frühen Morgen sind vier Bergsteiger vom Watzmannhaus zum Grat aufgestiegen: ein Vater mit seinen beiden etwa 20-jährigen Töchtern und einem Begleiter, während die Ehefrau im Watzmannhaus auf die Rückkehr der Vier warten will. Gegen Viertel vor acht ist die Gruppe vor der Mittelspitze, wo der ausgesetzte Weg auf dem schmalen Grat sich verbreitert und nach rechts hinaufführt und geradeaus ein Loch im Felsen gähnt, das wie ein Rohr in die Ostwand mündet.
Ob Unachtsamkeit oder ein Ausrutscher auf nassem Gestein eine Rolle spielt, wird für immer unklar bleiben. Eine der beiden jungen Frauen kommt vom Weg ab und fällt vor den Augen ihrer Begleiter in das Loch. Dann ist sie verschwunden und von oben nicht mehr zu sehen. Denn dort, wo das Loch in die Wand mündet, fällt diese steil ab.
***
An einem Tag im Juli 2021 bin ich mit Michi Renner von der Bereitschaft Ramsau unterhalb am Watzmann unterwegs. Der Tag ist warm und trüb zugleich, von den drei Gipfeln des Watzmann, dem Hocheck, der Mittelspitze und der Südspitze sehen wir an diesem Tag von der Kührointhütte aus nichts. Eine undurchdringliche Decke dampfiger Wolken versperrt den Blick auf Hocheck und Mittelspitze, die man von hier bei guter Sicht sehen kann, während Michi Renner von den Gipfeln und vom Grat erzählt.
„Wenn du jemals die Watzmann-Ostwand gegangen bist, kommst du dir klein vor“, sagt Michi Renner. „Denn wenn du dich oben, wo es ausgesetzt ist, mal fünf Minuten hinsetzt und um dich schaust, siehst du nur noch Wand. Nur Fels, nichts anderes. Wenn du da nicht verstanden hast, dass du nur ein winzig kleiner Teil dieser Welt bist, gibt es vermutlich keine Hoffnung mehr für dich.“
Meine Spurensuche nach dem, was die innere Chemie von Bergrettern ausmacht, ist an diesem Vormittag mit Michi Renner um einen Begriff reicher geworden: Demut. Er kennt dieses alte Wort, das fast aus der Welt verschwunden ist.
Er weiß, was es bedeutet, auch wenn er sich selbst als „vorlaut, manchmal frech“ charakterisiert. Vielleicht lernt man so zu denken, wenn man wie Michi Renner am Fuß des Berges lebt und jede Woche Menschen herunterholt, die es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen.
Er lebte nicht immer in der Ramsau, wie sie hier zu ihrem Dorf mit seinen „Notschaften“ – den fünf verstreuten Gemeindeteilen – sagen. Eigentlich stammt er aus Regensburg und kam nach seiner Offizierslaufbahn bei den Gebirgsjägern in Reichenhall hierher, um mit seiner Frau, einer Ramsauerin, eine Familie zu gründen. Er ist ausgebildeter Einsatzleiter bei der dortigen Bereitschaft, ein 36-jähriger Vater von zwei Kindern.
Während wir an diesem Vormittag an der Kührointhütte am Fuß des Watzmann unterwegs sind, erzählt er von seiner Zeit als Gebirgsjäger. Und von den Einsätzen mit der Bergwacht, die er wie alle anderen in der Bereitschaft Ramsau in seiner Freizeit und unentgeltlich leistet.
***
Auch Michi Renner ist an jenem Samstagmorgen 2019 früh auf den Beinen. Mit seiner zehn Monate alten Tochter Anna ist er allein zuhause. Seine Frau ist verreist, in der Ramsau herrscht relativ schönes Wetter, doch wenn er aus dem Fenster blickt, stecken die Gipfel in Wolken. Er hat vor, den Tag mit seiner Tochter zu verbringen, und hat dienstfrei bei seiner Bereitschaft.
Um 08:07 Uhr signalisiert Michi Renners Handy einen Alarm. Er hält inne, schaut kurz seiner Gewohnheit folgend aufs Display: „Abgestürzte Person am Watzmann vor der Mittelspitze.“
Er weiß, dass eine Alarmierung um diese Uhrzeit nichts Gutes bedeutet, weiß, dass die üblichen Routineeinsätze wie Erschöpfte, Blockierte oder kreislaufbedingte Notfälle in der Regel am Nachmittag reinkommen. ‚So früh am Tag‘, denkt er, ‚ist das ungewöhnlich. Da muss etwas Schlimmes passiert sein.‘ Obwohl er keinen Dienst hat, schaltet er das Funkgerät an. ‚Hörst ein bisschen mit‘, denkt er sich. ‚Ich hab gerade nichts zu tun. Die Anna spielt so schön.‘
Er bekommt mit, dass eine 22-jährige Bergwanderin wenige Minuten zuvor über 50 Meter tief die Ostwand hinuntergestürzt ist. Michi Renner weiß, dass in der Regel kaum jemand einen Sturz aus solcher Höhe überlebt. Nicht in der Ostwand.
Während er in der Küche aufräumt, baut sich bei der Bergwacht der Einsatz mit gewohnter Geschwindigkeit auf. Er hört, wie die Bereitschaft Ramsau ihre Männer und Frauen mit dem Bereitschaftsfahrzeug, dem über 30 Jahre alten „Pinzgauer“, rumpelnd nach oben zum Kühroint bringt. Wie die Bereitschaft Berchtesgaden schnell mit ins Boot kommt und deren erstes Team vom Tal aus per Hubschrauber zum Unglücksort fliegt. Wie die Besatzung bei einem ersten Überflug die Stelle, an der die Abgestürzte liegt, zwar ausmachen kann, aber wenige Augenblicke später wegen dichter Wolken abdrehen muss. Dem Piloten bleibt nur, die Einsatzkräfte unterhalb der Wolkendecke vor dem Hocheck-Gipfel abzusetzen. Von dort ist es immer noch eine halbe Stunde bis zum Einsatzort – vorausgesetzt, man balanciert schnell und trittsicher unterwegs mit 12 bis 13 Kilo Ausrüstung auf dem Rücken auf dem schmalen Grat. Weil die Wolkendecke weiter sinkt, können nachrückende Einsatzkräfte nur noch tiefer und in größerer Entfernung abgesetzt werden.
Etwa eine Stunde nach der Alarmierung seilen sich die ersten beiden Bergretter 50 Meter vom Grat zur Unfallstelle ab und geben einen Lagebericht durch. Als Michi Renner die wenigen Sätze hört, ist er wie elektrisiert: Die 22-Jährige liegt am Fuß der Wand in einem steilen Altschneefeld. Sie ist schwer verletzt und bewusstlos, doch sie lebt. Drei Ersthelfer, die den Absturz bemerkt hatten, sind vor Ort. Zufällig sind es zwei Bergwachtler aus der Oberpfalz, die sich bereits zur Verletzten abgeseilt haben, der dritte Mann ist Rettungsassistent. Er nimmt sich der Angehörigen an, die vor Ensetzen gelähmt auf dem Grat verharren.
Dieser Funkspruch ändert die Situation völlig. Die Verunglückte hat den Absturz überlebt. Statt der Bergung eines leblosen Körpers geht es jetzt um – Zeit. Darum, so schnell wie möglich eine Schwerverletzte in die Klinik zu bringen. Aus einer Bergung ist in Sekundenbruchteilen ein Rennen gegen die Uhr geworden. Und gegen die widrigen Bedingungen am Berg.
Weil die Wolkendecke weiter fällt und Nebel die Absturzstelle einhüllt, stellt sich die Frage, auf welchem Weg man die Verletzte vom Fuß der Steilwand möglichst rasch ins Krankenhaus bringen kann. Wäre der Weg über die sogenannte Wiederroute der schnellere? Man müsste ihn von der Unfallstelle in der Wand im Nebel erst finden und dieser wenig markierten Kletteroute von der Mittelspitze hinunter zum Gletscher folgen, um schnellstens einen Landeplatz unterhalb der Wolkendecke zu erreichen. Oder sollte man doch aufsteigen die 50 Meter zurück zum Grat und den Transport der Verletzten auf dem Weg vornehmen, auf dem sie und die ersten Retter gekommen sind? Über den Grat zum Hocheck weiter zum Watzmannhaus und bis unter die Wolkendecke, um die Verletzte von einem Hubschrauberlandeplatz aus in die Klinik zu bringen.
So oder so: Der Transport einer Schwerverletzten in einer Gebirgstrage wird im hochalpinen Gelände ein Kraftakt werden, der buchstäblich nur mit vielen Kräften zu stemmen ist. Marktschellenberg, die dritte Bereitschaft im Watzmanngebiet, wird alarmiert. Der Einsatzleiter ist an diesem Tag mit zur Unfallstelle geflogen, die Koordination in der Einsatzzentrale im Tal übernimmt Michi Renners Kollege und Freund Christian. Michi Renner sieht seiner Tochter beim Spielen zu und spürt, dass er gebraucht wird. Jetzt, in diesem Moment, wo er doch heute für sein Kind da sein wollte.
Er hört mit, wie Bergwacht-Notarzt Werner Mährlein sich mit weiteren Rettern zur Verletzten abseilt. Er hört, wie die Einsatzkräfte im Nebel nach der Wiederroute suchen, sie jedoch in der Steilwand nicht entdecken können. Wie der Einsatzleiter vor Ort die Entscheidung trifft, die Verletzte nach oben und über den Watzmanngrat und das Hocheck zu tragen. Solange, bis die Retter unter die Wolkendecke kommen und ein Hubschrauber freies Sichtfeld hat.
Michi Renner hängt am Funk. Er versteht die Entscheidung seines Kollegen für diesen Weg. Das Gelände ist allen Einsatzkräften vertraut. Ihm ist in Sekundenbruchteilen aber auch klar, wie groß die Herausforderung für die Bergwacht sein wird. Die Verletzte muss die 50 Meter hohe Wand, die sie abgestürzt ist, hinaufgeschafft und über den Grat transportiert werden.
Jeder, der dort oben schon einmal war, weiß, dass es ein messerscharfer Grat ist, auf dem es links 2.000 Meter und rechts 1.500 Meter steil runter geht. Und wo sich an einem Samstag im Juli wie diesem bis zu 300 Bergsteiger bewegen, weil die Watzmann-Überschreitung zu den beliebtesten Hochgebirgstouren der bayerischen Berge zählt. Sich vorzustellen, wie man eine Verletzte, die sich nicht bewegen kann, auf einer Gebirgstrage und unter ständiger medizinischer Betreuung transportieren könnte, ist in diesem Moment nur schwer möglich.
Michi Renner sieht, was der Riesenaufwand dieses Einsatzes nicht nur für die Mannschaft oben, sondern auch für die Logistik unten bedeutet, um schnellstmöglich alles benötigte Material den Berg hinaufzuschaffen. Weil er es nicht mehr aushält, nimmt er sein Handy. Tippt erste Gedanken, wie man den Einsatz organisieren könnte, an seinen Freund Christian in sein Handy. Er löscht sie wieder. ‚Er hat sowieso keine Zeit, jetzt aufs Handy zu schauen. Vielleicht ist er genervt‘, denkt er...
Erscheint lt. Verlag | 22.10.2021 |
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Verlagsort | Iffeldorf |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sachbuch/Ratgeber ► Sport | |
Naturwissenschaften ► Geowissenschaften ► Geografie / Kartografie | |
Schlagworte | Am Berg • Bergabenteuer • Bergarzt • Bergdoktor • Berge • Bergextreme • Bergretter • Bergsteigen • Bergsteigen Biografien • bergsteigen buch • Bergsteigen Deutschland • Bergsteigen Frauen • Bergwacht • Bergwandern • Erlebniswandern • Huber • Huber-Buam • In die Wildnis • Into the wild • Jon Krakauer • Jost Kobisch • Jost Kobusch • Käsbohrer • Käsborer • Klettern • Oberbayern • Partnach Klamm • Reinhold Messner • Thomas Käsbohrer • Wandern • Zugspitze |
ISBN-10 | 3-96706-006-3 / 3967060063 |
ISBN-13 | 978-3-96706-006-5 / 9783967060065 |
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