Das Haus Zamis 28 (eBook)

Der schwarze Jahrmarkt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2353-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 28 - Logan Dee
Systemvoraussetzungen
1,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Der menschenleere Strand von Rio lag mir zu Füßen. In der Nacht, unter dem Licht des vollen Mondes, leuchtete der Sand schneeweiß, und die Wellen dahinter wirkten undurchdinglich wie schwarzes Blut.
Man hatte mich davor gewarnt, den Strand an der Copacabana nach Einbruch der Dunkelheit aufzusuchen, und die Erinnerung an die Warnung beherrschte meine Gedanken wie ein ständiges Flüstern.
Verlasse nicht das Hotel! Geh nicht allein zum Strand hinunter!
Ein zweiter Gedanke allerdings machte mir noch mehr zu schaffen.
Wie war ich hierhergekommen ...?


1. Kapitel


Der Mann, der sich Baphomet nannte und dessen Haut voller Runzeln war wie die eines vertrockneten Pfirsichs, zog die Lade eines mächtigen Schranks auf und nahm ein Buch heraus, das etwa eine Elle in der Breite und zwei Ellen in der Länge maß. Es besaß einen kostbaren Ledereinband und zwei goldene Schnallen, die seine Buchdeckel verschlossen.

Baphomet legte das Buch auf den Tisch und blickte Roland durchdringend an, so dass dem Jungen ganz furchtsam ums Herz wurde.

Dieser Baphomet war ihm auf einmal unheimlich, und er wünschte sich, die Einladung nicht angenommen zu haben.

Dabei wusste er tief im Innern, dass es eigentlich gar keine Einladung gewesen war.

Er sah das Gesicht seines Vaters vor sich, der ihm schon früh von Baphomet erzählt hatte.

»Er ist ein mächtiger Hexer«, hatte er gesagt, »und wenn er dich um etwas bittet, dann hüte dich davor, ihm die Erfüllung seiner Bitte zu verweigern.«

Deswegen war er hier, doch jetzt wünschte er sich plötzlich, er hätte den Ratschlag seines Vaters nicht beherzigt.

»Wie alt bist du, Roland?«, fragte Baphomet mit einer Stimme, die wie das Rascheln welker Blätter klang.

»Siebzehn.«

»Dann bist du bereits ein starker Mann. Bist du auch mutig, Roland?«

Roland nickte zögernd.

»Du wirst Zeuge eines einmaligen Ereignisses werden. Dieses Buch ist der Schlüssel ... ja ...« Er kicherte.

»Der Schlüssel ... wozu?«, fragte Roland, als Baphomet nicht weitersprach.

»Ich bin alt«, sagte Baphomet. »Ich habe schon viele Jahrhunderte gelebt, und ich werde auch noch leben, wenn deine Eltern längst zu Asche zerfallen sind. Aber auch ich kann sterben.«

Baphomet murmelte etwas Unverständliches. Es klang wie der Stoßseufzer eines alten Mannes, aber Roland hatte nicht das Gefühl, dass der Mann vor ihm kraftlos war. Im Gegenteil, das schwächliche Äußere Baphomets, der fast kahle Schädel, die pergamentartig dünne Haut, die sich über seine knochigen Glieder spannte, schienen nur Täuschung zu sein. Eine Fassade, die über die Macht des Hexers hinwegtäuschte.

Roland wartete ehrfürchtig, dass Baphomet weitersprach.

»Die Welt ist voller dunkler Geschöpfe, die sich in der Schwarzen Familie der Dämonen zusammengeschlossen haben. Diese Dämonen gilt es zu beherrschen. Und du, Roland, wirst mir dabei helfen!«

»Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Herr ...«

Baphomet schlug die erste Seite des Buches auf. Sie war leer. »Dieses Buch wird deinen Namen tragen. Du bist der Erste, dessen Geschichte ich darin eintragen werde.«

»Meine Geschichte?«

»Jeder Mensch hat eine Geschichte, und jeder Mensch kann gezwungen werden, sie preiszugeben.« Den letzten Satz hatte er in einem bedrohlichen Ton gesprochen.

Roland wartete vergeblich darauf, dass der Hexer sich erklärte. Atemlos sah er zu, wie Baphomet die Gläser vor ihm auf das aufgeschlagene Buch entleerte. Dann streute er ein übel riechendes Pulver darüber, dessen fein mehlige Konsistenz die Luft über dem Tisch in eine stinkende grüne Wolke hüllte. Roland hielt sich die Hände vor den Mund, um den Hustenreiz zurückzuhalten.

Der Hexer sprach einige Worte in einer Sprache, die Roland nicht verstand. Er schrie auf, als urplötzlich eine Stichflamme aus dem Buch hervorschoss und die Krähenfüße, Froschaugen und Fuchsohren verschlang. Der Gestank von verbranntem Fleisch erfüllte den Raum.

Als sich der Qualm verzogen hatte, blickte Roland mit aufgerissenen Augen auf das Buch, das unversehrt auf dem Tisch lag. Aber es wirkte jetzt anders, unheimlicher, als hätte Baphomet eine geheimnisvolle Initiation vollzogen.

Rolands Kopf fuhr herum, als er im Augenwinkel die Gestalt eines Mannes wahrnahm. Ein Muskelprotz mit breitem Oberkörper und finsterem Blick. Roland hätte schwören können, dass der Fremde eben noch nicht dagewesen war.

»Das ist Alessandro. Er ist der Schutzdämon des Buches.«

Schutzdämon? Roland spürte, wie sich sein Atem beschleunigte.

Der Hexer nahm einen Federkiel in die knochige Hand und machte über einer freien Stelle des Tisches eine Bewegung, als ob er ihn in ein Fass Tinte tauchte.

Roland zuckte zusammen. Er hatte einen Stich am linken Handgelenk verspürt. Als er nach der Stelle tastete, klebte plötzlich Blut an seiner Hand.

»Walte deines Amtes, Alessandro!«

Und der Riese kam auf Roland zu. Sein Gesicht wirkte plötzlich nicht mehr menschlich, sondern hatte sich in eine abstoßende Fratze verwandelt. Aus seinen Fingern wuchsen messerscharfe Krallen, die er mit einem Schlag in Rolands Kehle bohrte.

Baphomet senkte den Federkiel auf das leere Blatt und schrieb Rolands Namen in das Buch, während dieser sterbend vor ihm zu Boden sank.

»Dies ist das Buch der Toten«, sagte der Hexer raschelnd. »Es wird meine TABULA TENEBRARUM werden, meine Tafel der Finsternis, und mir helfen, meine finstersten Ziele zu erfüllen ....«

Die Welt verschwamm vor Rolands Augen. Mit dem Blut strömte auch das Leben aus seinem Körper. Er spürte den Schmerz kaum. Seine Glieder wurden taub. Das Buch der Toten, hämmerte es in seinem Kopf. Baphomet hat dich benutzt. Er braucht dein Blut und deinen Körper für seine grässlichen Pläne!

»Ja, das ist es«, vernahm er Baphomets raschelnde Stimme wie aus weiter Ferne. »Ich höre deine Geschichte. Ich kann sie fühlen.«

Verschwommen sah Roland, wie der Federkiel über das Papier huschte. Gleichzeitig wurde er immer schwächer. Das Leben rann aus seinem Körper.

»Ich will ... nicht sterben ...«, röchelte er kaum hörbar. Blasen aus Blut und Speichel zerplatzten auf seinen Lippen.

Baphomet ließ ein höhnisches Kichern hören. »Du wirst mir zu Diensten sein. Ein Name in der TABULA TENEBRARUM und ein Soldat in meiner Armee der Toten.«

Roland stürzte vom Stuhl. Der Dämon Alessandro starrte mitleidlos auf ihn herab. Von seinen Klauen tropfte immer noch das Blut.

Baphomet kümmerte sich nicht um den Leichnam. Er vollendete den Eintrag in der TABULA und säuberte den Federkiel anschließend penibel mit einem Tuch.

»Der Anfang ist getan. Sei mir zu Diensten, Roland, als der erste meiner Diener.«

Das Wesen, das einmal der Junge Roland gewesen war, erhob sich.

Es hatte sich auf schreckliche Weise verändert. Die Haut war noch runzliger geworden als die Baphomets. Kurze, schlohweiße Haare standen wirr vom Kopf ab. Die glanzlosen Augen lagen tief in den Höhlen.

Aus dem kräftigen Jüngling war eine abgemagerte, vertrocknete Gestalt geworden, die aussah, als wäre sie soeben dem Grab entstiegen.

»Ich gehorche dir, Baphomet«, sagte der Leichnam mit krächzender Stimme. »Ich gehorche dir für alle Zeiten ...«

Der Strand von Rio lag mir zu Füßen. In der Nacht, unter dem Licht des vollen Mondes, war sein Sand wirklich schneeweiß. Wie ein Leichentuch, dachte ich fröstelnd. Die Wellen waren tiefschwarz und wirkten wie schwarzes Blut. Der Strand war menschenleer. Weder Touristen hielten sich um diese Zeit hier auf noch irgendwelches lichtscheue Gesindel.

Man hatte mich davor gewarnt, den berühmten Strand an der Copacabana nach Einbruch der Dunkelheit aufzusuchen. Ich wusste zwar nicht, wer mir den Rat gegeben hatte, aber er beherrschte meine Gedanken wie ein ständiges Flüstern.

Geh nicht! Verlasse nicht das Hotel! Geh nicht allein zum Strand hinunter!

»Eine schöne Frau wie Sie sollte sich nicht alleine dort hinaus begeben«, hatte mich Manuel, der Portier, beschworen. »Zu viele Gefahren.«

»Ich werde schon auf mich aufpassen«, hatte ich erwidert. »Außerdem will ich nur ein wenig am Strand spazieren gehen.«

»Am Strand?« Er hatte mich angeschaut, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. »Seit wann wollen Sie nicht mehr in unserem Hotel bleiben? Ich muss Desmonian anrufen. Er wird ...«

»Was ist dagegen einzuwenden, dass ich mir ein wenig die Füße vertrete?« Ich wusste selbst nicht, warum es mich hinauszog. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich erinnerte mich kaum, wie ich in dieses Hotel gekommen war. Was machte ich überhaupt hier? Allein der sehnliche Wunsch, den Strand zu besichtigen, trieb mich vorwärts.

Manuel presste die Lippen zusammen, als hätte er sich die Zunge verbrannt.

Ich sah die Angst in seinen Augen. Aber sie galt nicht mir oder den Worten, die er sich verkniff. Sein Blick ging an mir vorbei. Fast hätte ich den Fehler gemacht, mich umzudrehen. Aber dann hatte ich mich wieder in der Gewalt.

»Vielen Dank für Ihre Warnung«, sagte ich freundlich und wandte mich um. Ich sah nur ein paar Kinder, die die Hotelhalle betreten hatten. Normalerweise wagten sie es nicht, die Hotels selbst zu betreten, sondern lungerten vor den Ausgängen herum, um die Hotelgäste anzubetteln. Diese Kinder hingegen schienen sehr selbstsicher zu sein. Und niemand der Hotelangestellten machte Anstalten, sie zu...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2021
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2353-6 / 3751723536
ISBN-13 978-3-7517-2353-4 / 9783751723534
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die übernatürlichen Phänomene Schottlands

von Lachlan Sinclair

eBook Download (2024)
tredition (Verlag)
9,99
Eine fesselnde Liebesgeschichte zwischen Jess & Ana

von Anna L. Jaensch

eBook Download (2024)
epubli (Verlag)
7,99