Niemandsmeer (eBook)

Roman | Fesselnde historische Spannung basierend auf einer wahren Geschichte

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45727-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Niemandsmeer -  HOPE ADAMS
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Zweihundert verurteilte Frauen, eine Tote, eine Mörderin. Wer hat mehr Schuld als alle anderen auf sich geladen? Ein fesselnder historischer Kriminal-Roman von Hope Adams, inspiriert von einer wahren Geschichte. Juli 1841, irgendwo im Südlichen Ozean: Die »Rajah« soll hundertachtzig Frauen, die in England für kleinere Straftaten verurteilt wurden, nach Tasmanien bringen. Während der Reise will die junge Aufseherin Kezia mit einigen von ihnen eine Patchwork-Decke nähen. Was niemand weiß: Eine der Frauen wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt und hat sich unter falscher Identität an Bord gestohlen. Und dann wird eine andere Gefangene hinterrücks ermordet. Zusammen mit dem Kapitän, dem Schiffsarzt und dem Reverend muss Kezia herausfinden, wer mehr Schuld als alle anderen auf sich geladen hat, und warum ... Der packende historische Kriminal-Roman »Niemandsmeer« beruht auf einer wahren Geschichte: Die »Rajah« segelte tatsächlich 1841 mit rund zweihundert verurteilten Frauen nach Tasmanien, und auch Kapitän Charles Ferguson, Kezia Hayter und ihr Patchwork-Projekt sind historisch belegt. »Hope Adams hat die historischen Ereignisse geschickt mit dem Kriminalfall verknüpft. Perfekter Spannungsbogen, hervorragend gezeichnete Charaktere ... ein tolles Leseerlebnis.« - Guardian »Ein faszinierende Roman, der die Lebensgeschichten dieser Frauen mit einem rätselhaften Mordfall verwebt. Fesselnd und zutiefst befriedigend.« - The Times

Hope Adams ist das Pseudonym einer Autorin, die schon mehrere Romane veröffentlicht hat. Sie wurde in Jerusalem geboren, hat ihre Kindheit unter anderem in Nigeria und auf Borneo verbracht und in Oxford studiert. Niemandsmeer ist ihr erster Roman unter dem Namen Hope Adams.

Hope Adams ist das Pseudonym einer Autorin, die schon mehrere Romane veröffentlicht hat. Sie wurde in Jerusalem geboren, hat ihre Kindheit unter anderem in Nigeria und auf Borneo verbracht und in Oxford studiert. Niemandsmeer ist ihr erster Roman unter dem Namen Hope Adams.

Stoffstück aus Chintz: schwarzer Untergrund mit dicht bedrucktem Muster aus blauen, roten, grünen und weißen Blumen. Blätter und kleine Äste mit Blüten vervollständigen das Muster.

3
FRÜHER


April 1841

Clara

Heute Nacht. Ich muss es heute Nacht tun. Morgen früh bei Dämmerung werden sie die Frauen abholen, die zur Verbannung verurteilt sind, und sie dorthin bringen, wo die Rajah vor Anker liegt. Ich habe gehört, wie der Name des Schiffs in dunklen Ecken gewispert, von einer Person an die nächste weitergegeben wurde, und ich selbst habe mir den Namen immer wieder vorgesagt, seit ich vor zwei Tagen in diese Zelle gestoßen worden bin. Ich habe schon lange nicht mehr gebetet, aber jetzt flehe ich Gott an: Bitte, Herr, bitte bring mich zur Rajah. Bitte bring mich weit, weit fort von hier.

Ich habe dennoch meine Zweifel an Gott und seiner Macht, daher muss ich selbst für mich sorgen. Auf mich kann ich bauen. Seit sie mich in diese Zelle geworfen haben, bleibe ich für mich und wechsele kaum ein Wort mit den anderen Frauen. Das ist nicht schwer, denn keine beachtet mich. Diese Frauen sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich um andere zu kümmern. Der Gedanke an die Schiffspassage macht ihnen Angst, und ihnen graut es vor einem Leben fern von ihrem vertrauten Umfeld, fern von ihren Lieben. Sie stehen murrend in kleinen Grüppchen zusammen oder brechen über Kleinigkeiten einen Streit vom Zaun. Viele sitzen auf ihren schmutzigen Matratzen und weinen vor sich hin.

Ich bin anders. Ich will an Bord der Rajah, und ich habe einen Plan geschmiedet, wie ich dieses Ziel erreichen kann. Aber dazu muss ich sofort handeln. Denn bald schon beginnt es zu dämmern. Mir kommt entgegen, dass ich in dieser Zelle bin und mein Opfer bereits gefunden habe.

Ich bemerkte sie, kaum dass die Zellentür hinter mir zufiel. Die anderen hielten sich fern von ihr, weil sie kleinwüchsig war und als schwachsinnig galt. Ihre mangelnde Größe freut mich. Das wird es mir einfacher machen, sollte ich Gewalt anwenden müssen. Ich hoffe, ich hoffe inständig, dass es für uns beide glatt läuft, aber ich bin für alles gerüstet. Ich werde tun, was ich tun muss.

Letzte Nacht habe ich im Schutz der Dunkelheit meinen Unterrock in Streifen gerissen. Der Stoff scheint mir schrecklich dünn. Ob diese improvisierten Seile stark genug sein werden, um sie an Armen und Beinen zu fesseln? Als junge Frau war ich in der Lage, Gliedmaßen fester zusammenzubinden als die meisten anderen. Jetzt muss ich dieses arme Ding zusammenbinden wie ein Brathähnchen und sie zudem noch knebeln. Sie darf keinen Laut von sich geben. Ich darf kein Mitleid mit ihr haben. Ich sage mir, dass ich stark bleiben muss. Die Fesseln werden ihr nicht schaden. Sie wird betäubt sein und nichts spüren.

Oft taste ich nach dem Fläschchen, das in einer Tasche steckt, die ich unter meinen Röcken trage. Als sie mich hierher verlegten, war meine Kehle aus Angst vor einer Durchsuchung wie zugeschnürt. Doch der Wächter, der mich nach Millbank brachte, hatte nur Augen für eine der Wärterinnen, die offensichtlich an ihm ebenfalls Gefallen gefunden hatte. Sicher hatten sie über Wochen hinweg erst Blicke, dann Worte und schließlich sicher auch mehr als das getauscht. Die meisten Menschen vergessen ihre Pflichten, wenn die Lust sie überkommt. Sie vergessen Gefängnisvorschriften, und dafür danke ich meinem guten Stern. So wurde mein geheimes Fläschchen nie entdeckt.

Ich durchquere die Zelle und setze mich neben die Frau. Die meisten anderen schlafen mittlerweile oder stöhnen und schluchzen in ihre dünnen Kissen. Mein Opfer dagegen sitzt aufrecht und starrt ins Leere.

»Wie heißt du, Liebes?«, frage ich in demselben Ton, mit dem ich immer die Frauen beruhigt hatte, die sich Hilfe suchend und verzweifelt an mich wandten.

Sie antwortet. Ich bitte sie, ihren Namen zu wiederholen, indem ich vorgebe, sie nicht richtig gehört zu haben. Ich muss mir den Namen merken. Dann zieht sie etwas aus dem Ausschnitt ihres verdreckten Kleides hervor. Es ist eine Schlinge aus Kordel, an der etwas hängt, das wie ein Etikett aussieht. Sie hält es mir entgegen, und da steht ihr Name, in das dünne Metall gestanzt. »Wir tragen alle diese Marken um den Hals«, sagt sie. »Die tun vielleicht jucken, ich sag’s dir.« Sie zerrt die Schnur über den Kopf und wirft die Erkennungsmarke neben sich auf den Boden.

»Und für welches Vergehen wirst du verschifft?«

»Ich hab Leinensachen vom Markt gestohl’n.«

»Morgen geht’s für dich auf die Rajah. Das weißt du doch, oder? Einige haben Angst davor, aber man braucht keine Angst zu haben.«

Sie mustert mich, als sähe sie mich zum ersten Mal. Ihr Haar hängt ihr strähnig ins Gesicht, ihre Haut wirkt so weiß wie Käse.

»Ich hab Angst davor«, sagt sie. Zumindest glaube ich, dass sie das sagt, denn sie ist über das plötzliche laute Weinen einer der Insassinnen kaum zu verstehen.

Am anderen Ende der Zelle entflammt ein Streit. Stimmen ereifern sich. Immer mehr Frauen mischen sich ein und ergreifen Partei. Keine schaut zu uns herüber. Wir sind zu weit entfernt vom Geschehen. Ich greife unter meinen Rock nach dem Fläschchen. Ich lächele ihr zu. »Ein ordentlicher Schluck hilft gegen die Angst, meinst du nicht? Aber, pst, kein Wort zu den anderen …« Ich halte ihr das Fläschchen hin, und ihre Augen leuchten auf.

»Ah … was zu trinken.« Sie streckt die Hand nach dem Fläschchen aus. Ich weiß, was der Inhalt mit ihr machen wird. Es ist ein Betäubungstrank, den ich schon seit vielen Jahren in den verschiedensten Situationen einsetze. Ich ziehe den Korken aus dem Fläschchen und reiche es ihr. Blitzschnell hat sie das Gefäß geschnappt, den Kopf zurückgeworfen und sich den Inhalt bis auf den letzten Tropfen in den Mund geschüttet. Dabei fällt ihr Haar zurück und enthüllt ein Gesicht, das von Pocken gezeichnet ist. Im nächsten Augenblick sinkt sie auch schon zurück auf die Matratze. Ich sage leise ihren Namen. Dann etwas lauter, dicht an ihrem Ohr. Sie rührt sich nicht.

Ich verliere keine Zeit. Ihr Mund klappt auf, und ich knebele sie, indem ich ihr einen Strang Stoff zwischen die Zähne lege und ihn dann am Hinterkopf sanft genug befestige, dass sie keine Schmerzen spürt, wenn sie aufwacht, aber doch fest genug, dass sie keinen Laut von sich geben kann. Ich zittere und muss mich ans Atmen erinnern. Ich fessele ihre Arme und Beine, so schnell ich kann, dann hänge ich mir ihre fortgeworfene Erkennungsmarke um den Hals. Anschließend schiebe ich sie an den Rand der Matratze und rolle sie hinunter in eine Art Wasserrinne, die an der Wand entlang verläuft. Dann schiebe ich die Matratze etwas über sie und bedecke den Rest des Körpers, so gut es geht, mit ihrer verdreckten Decke. Wer genau hinschaut, kann an der Wand etwas Unförmiges erkennen, aber ich hoffe, inständiger denn je, dass das Verlegen der Frauen auf die Rajah in Eile geschehen wird. Ich gehe zurück zu meiner eigenen Matratze, lege mich hin und tue so, als würde ich schlafen, während ich eigentlich die Sekunden zähle und mir die Dämmerung herbeiwünsche.

Es ist ein seltsames Gefühl, den eigenen Namen abzustreifen. Clara Shaw. Ich bin nicht mehr Clara Shaw. Ab jetzt heiße ich wie jenes arme Geschöpf, das unter einer stinkenden Decke gefesselt im Rinnstein liegt. Ich darf so nicht denken. Ich muss an mich denken.

Ich kann nicht schlafen. Gedanken des Grauens und furchterregende Bilder schießen mir durch den Kopf, sowie ich die Augen schließe. Was ist, wenn die Frau aufwacht, ehe wir fort sind? Was ist, wenn der Trank nicht mehr so stark wirkt? Bis auf das Schnarchen der schlafenden Frauen und das Stöhnen der von Albträumen Geplagten herrscht endlich Ruhe in der Zelle. Ich starre auf das Häuflein im Rinnstein und versuche zu erkennen, ob es sich bewegt. Mir ist kalt. Mein Mund ist trocken. Wo nur bleibt die Dämmerung? Ich starre hinauf zum kleinen Fenster mit den Gitterstäben und warte darauf, dass der Himmel heller wird.

Als die Männer endlich kommen, um uns zur Rajah zu bringen, ist mir übel vor Angst und Hoffnung zugleich.

»Sträflingsfrauen für die Rajah, einmal vortreten und eine Reihe bilden«, bellt einer der Männer.

Wird mich jemand ansprechen, wenn ich den Platz der anderen Frau einnehme? Ich senke den Blick und schlurfe hinter einer Gruppe lärmender Frauen her, die jammern, herumkreischen und die Aufmerksamkeit auf sich lenken.

»Ruhe dahinten«, befiehlt eine Wärterin. »Ihr verpasst sonst euren Namen beim Aufrufen.«

»Dafür ist keine Zeit«, sagt ein zweiter Mann. »Wir zählen durch. Das muss reichen.«

Der Gefängniswärter zählt leise vor sich hin, aber ich kann ihn hören. Elf von uns sind für die Verschiffung vorgesehen. Ich halte den Kopf leicht abgewandt und den Blick gesenkt. Komm schon, denke ich. Lasst uns sofort aufbrechen. Sie könnte sonst aufwachen, sich rühren, um Hilfe rufen … Mein Plan könnte jetzt noch zunichtegemacht werden.

Es herrscht große Eile. Keiner durchsucht uns. Keiner stellt irgendwelche Fragen. Wir werden aus dem Gefängnis und auf einen Karren getrieben wie Vieh.

Ich habe Angst, dass die ganze Welt mein pochendes Herz hören kann. Auf dem Weg zum Hafen schließe ich die Augen und versuche, das Geräusch zu ignorieren, aber es ist zu durchdringend. Wie eine zufallende Kerkertür dröhnt es mir in den Ohren: Bumm, bumm, bumm. Ich denke an die Frau, die ich zurückgelassen habe. Was wird sie den Wärtern sagen, wenn man sie findet, ehe die Rajah in See sticht? Werden sie ihre Geschichte glauben oder ihre...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2021
Übersetzer Leonie von Reppert-Bismarck, Anja Kirchdörfer Lee
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 19. Jahrhundert • Aufseherin • Australien • Charles Ferguson • Clara Shaw • Deportation • Drama • Emily Paxton • Frauen • Frauengefängnis • Frauenschicksal • Hattie Matthews • Historische Kriminalromane • Historische Krimis • historische Krimis England • Historischer Kriminalroman • historische Romane 19. Jahrhundert • historische Romane Australien • historische Romane England • historische romane seefahrt • Historischer Roman • James Donovan • Kezia Hayter • Kind • Krimi • Krimi historisch • Kriminalroman • Krimis aus England • Krimis von Frauen • Liebe • Locked-Room-Krimi • Mord • Mörderin • Mordfall • Mordverdacht • Mutter • Näherinnen • Patchworkdecke • Reverend Davies • Romane nach wahren Geschichten • Roman wahre Begebenheiten • Schiff • Starke Frauen der Geschichte • Strafgefangene • Sträflingsschiff • Tasmanien • Van Diemen’s Land • Verbannung • Verbrecherinnen • verurteilte Frauen • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-426-45727-X / 342645727X
ISBN-13 978-3-426-45727-6 / 9783426457276
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