John Sinclair 2243 (eBook)

Jenseits der Qual

(Autor)

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2021 | 1. Aufl. 2021
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1813-4 (ISBN)

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John Sinclair 2243 - Ian Rolf Hill
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Das Wimmern drang nur gedämpft durch den derben Stoff des Knebels, dessen Riemen sich tief in die Mundwinkel des Mädchens gruben, sodass es aussah, als würde es grinsen.
Merkwürdig, dachte der Engelmann. Wie nah doch Freude und Schmerz, Lust und Qual beieinanderliegen.
Tränen, dick und salzig, quollen zwischen den zusammengekniffenen Lidern hervor. Sein Herz schlug vor Erregung schneller. Hastig beugte er sich vor und nahm den Tropfen mit der Spitze seiner Zunge in Empfang. Als er sich aufrichtete, bemerkte er, dass das Mädchen die Augen geöffnet hatte und ihn anstarrte. Der Blick ließ keinen Zweifel daran, was es empfand.
Münder logen. Sehr oft sogar. Augen dagegen nie. Sie spiegelten stets die wahren Empfindungen wider. Furcht und Agonie. Sowie die stumme Bitte um Erlösung.
'Gräme dich nicht, Baby Grace, bald hast du es überstanden', wisperte er. 'Nur noch wenige Stunden, und du bist unsterblich. Auf ewig konserviert. Leidest weder Hunger noch Schmerz. All dies wirst du mit meiner Hilfe überwinden. Ich bringe dich dorthin, wo ewige Glückseligkeit herrscht. Jenseits der Qual!'


Jenseits der Qual

von Ian Rolf Hill

Das Wimmern drang nur gedämpft durch den derben Stoff des Knebels, dessen Riemen sich tief in die Mundwinkel des Mädchens gruben, sodass es aussah, als würde es grinsen.

Merkwürdig, dachte der Engelmann. Wie nah doch Freude und Schmerz, Lust und Qual beieinanderliegen.

Tränen, dick und salzig, quollen zwischen den zusammengekniffenen Lidern hervor. Als er sich aufrichtete, bemerkte er, dass das Mädchen die Augen geöffnet hatte und ihn anstarrte. Der Blick ließ keinen Zweifel daran, was es empfand. Furcht und Agonie. Sowie die stumme Bitte um Erlösung. Begriff sie denn nicht, was für ein Privileg ihr zuteilwurde? Welch eine Ehre?

»Gräme dich nicht, Baby Grace, bald hast du es überstanden«, wisperte er. »Nur noch wenige Stunden, und du bist unsterblich. Auf ewig konserviert. Leidest weder Hunger noch Schmerz. All dies wirst du mit meiner Hilfe überwinden. Ich bringe dich dorthin, wo ewige Glückseligkeit herrscht. Jenseits der Qual!«

Für Fidel

24. März 2012 – 24. Dezember 2020

»Macht euch auf einiges gefasst!«

Der Satz hallte wie ein Echo in meinem Schädel wider, während ich neben Suko in dem Audi saß, den mein Partner mit traumwandlerischer Sicherheit durch Londons verstopfte Straßen steuerte. An der Themse entlang, an Charing Cross vorbei und an der Temple Station Richtung Norden, wo kurz darauf die klassizistische Fassade des Britischen Museums in Sicht kam.

Ich hatte schon häufiger hier zu tun gehabt, meistens im Zusammenhang mit ägyptischer beziehungsweise pharaonischer Magie. Automatisch tastete ich nach dem geweihten Kreuz, das an einer silbernen Kette um meinen Hals hing. Eine Erwärmung spürte ich bislang nicht, doch das musste nichts bedeuten. Wir waren ja noch einige Dutzend Meter entfernt. Trotzdem nah genug, um die zuckenden Blaulichter zu erkennen.

»Wie ein gewöhnlicher Fund- oder Tatort sieht mir das aber nicht aus«, sagte Suko. Er stoppte vor einer Straßensperre und deutete auf den Kastenwagen des CTC, des Anti-Terror-Kommandos, der hinter der Barriere stand.

Kollegen in voller Montur, zu der unter anderem schusssichere Westen und Maschinenpistolen gehörten, sorgten dafür, dass sich niemand dem Museum näherte. Auf den Gehwegen standen sich die obligatorischen Gaffer die Beine in den Bauch, darunter auch zahlreiche Journalisten.

Ich ertappte mich dabei, dass ich Ausschau nach meinem Freund Bill Conolly hielt. Er war zwar nicht mehr so sensationslüstern wie früher, doch Aktionen solcher Größenordnung weckten noch heute seine Neugier. Wir konnten eben alle nicht aus unserer Haut.

»Wäre es ein gewöhnlicher Tatort wären, wir auch nicht hier, mein Lieber«, gab ich zu bedenken und zückte den Ausweis. »Und dann hätte Tanner auch nicht so ein Geheimnis gemacht.«

»Er klang am Telefon ziemlich nervös.«

»Genau das bereitet mir ja Bauchschmerzen.« Ich zeigte dem Bewaffneten meine Legitimation. Er gab seinen Kollegen einen Wink, die daraufhin, die Straßensperre öffneten. Suko fuhr vor das Museum, wo mehrere Einsatzfahrzeuge parkten. Darunter der Wagen des Gerichtsmediziners sowie der unseres alten Spezis Chiefinspektor Tanner.

Suko stoppte daneben, und wir stiegen aus. Schiefergraue Wolken hingen tief am Firmament. Es würde Regen geben, eher früher als später. Nur ein weiteres Gewicht, das auf meine Stimmung drückte. Mit meinem miesen Bauchgefühl hatte das schlechte Wetter allerdings nichts zu tun. Das ging allein auf das Konto jenes Mannes, der uns aus dem morgendlichen Büroschlaf geweckt hatte.

Chiefinspektor Tanner war niemand, der die Pferde scheu machte, und gewiss kein Mann, den man mit Begriffen wie Emotionalität und Theatralik in Zusammenhang brachte. Normalerweise versorgte er uns vorab immer mit ein paar Informationen, bevor er uns anrief. Dass er das in diesem Fall unterlassen hatte, war bezeichnend.

Weit mehr beunruhigte mich jedoch das leichte Zittern in seiner Stimme. Es gehörte schon verdammt viel dazu, den Chef der Mordkommission der City of London aus der Fassung zu bringen. Vor allem, weil er häufiger mit unserer Abteilung zusammenarbeitete. Er wusste, zu was Dämonen, Geister und Untote fähig waren.

»John?« Sukos Stimme half mir zurück in die Wirklichkeit.

Mein Partner stand neben einem jungen Kollegen, der bleich wie ein Laken war. Seine Unterlippe zitterte sogar leicht.

»F...folgen Sie mir bitte«, stammelte er und eilte die Stufen hinauf in Richtung Eingangsportal, das im Schatten meterdicker Säulen lag. Auch hier standen bewaffnete Männer in Uniform und sicherten die Umgebung.

Ich hielt es nicht länger aus und fragte den Kollegen, was hier vor sich ging. »Eine Terrorwarnung?«

»N...nein, Sir«, erwiderte der Jungspund einsilbig, nur um leiser hinzuzufügen: »So was habe ich noch nicht gesehen. So was habe ich noch nicht gesehen!«

Kaum hatten wir das Portal passiert, als er seine Schritte beschleunigte. In der Eingangshalle des Museums wimmelte es von Polizisten und Leuten von der Spurensicherung. Das bläulich schimmernde Kuppeldach lief in der Mitte trichterförmig zusammen und mündete in einem säulenförmigen Separee.

Davor stand ein Zelt aus weißer Plane, das so aussah, als wäre es von den Kollegen aufgestellt worden. Das ungute Gefühl in meinem Magen verdichtete sich zu einem schweren Klumpen. Mein Puls beschleunigte sich.

Wir marschierten hinter dem jungen Beamten her und lauschten dabei dem Echo unserer Schritte, das sich mit dem Tohuwabohu aus Stimmen, dem Bimmeln von Handys und dem Klicken der Fotoapparate mischte.

»Warten Sie bitte!«, sagte der Uniformierte plötzlich.

Suko und ich waren so verdutzt, dass wir gehorchten. Ich sah mich um, und mein Blick fiel auf die offene Tür eines Büros, vor dem mehrere Kollegen Posten bezogen hatten. In dem Raum selbst sah ich die neongelben Warnwesten von Rettungskräften und Notärzten, die sich um einige Zivilisten kümmerten.

»Mir egal, ob die Ministranten besorgt sind. Das Museum bleibt vorerst geschlossen.«

Tanners polterndes Organ dröhnte durch die Eingangshalle und wurde mit jedem Schritt, der uns dem Chiefinspektor näher brachte, lauter.

»Keine Ahnung. Auf alle Fälle noch heute.«

Unser Freund sah eigentlich aus wie immer. Beiger Trenchcoat über grauem Anzug und auf dem Kopf der unvermeidliche Filzhut, den er selbst im Inneren des Museums partout nicht abnehmen wollte. Sein zerknautschtes Gesicht war rot angelaufen. Nur die Lippen hatten einen Stich ins Bläuliche.

»Ja, wenn ich was Neues weiß, erfahren Sie es als Erste.«

Er nahm das Handy vom Ohr, in das er bis eben hineingebrüllt hatte, und blieb schnaufend vor uns stehen. Hätte ich ihn nicht schon ein Weilchen gekannt, hätte ich mir ernsthaft Sorgen gemacht. Um seinen Gesundheitszustand und unser Leben. Der Vergleich mit einem wutschnaubenden Stier drängte sich förmlich auf.

»Na endlich!«, bellte er uns an. »Warum hat das so lange gedauert?«

Suko und ich wechselten einen alarmierten Blick. Tanner war nicht zu Scherzen aufgelegt, also galt es, Vorsicht walten zu lassen.

»Rushhour«, erklärte mein Freund und Kollege. »Schon mal von gehört? Du hast nichts davon gesagt, dass wir mit Blaulicht und Sirene anrücken sollen.«

»Schon gut, kommt einfach mit.«

Er wollte sich umdrehen, doch so leicht ließ ich ihn nicht davonkommen.

»Kannst du uns mal erklären, was hier vorgeht?« Ich deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Draußen steht das Anti-Terror-Kommando und riegelt das gesamte Gelände ab. Befürchtet ihr einen Anschlag?«

Er winkte ab. »Das ist doch nur für die Presse und die Schaulustigen. Aber irgendeine Erklärung mussten wir schließlich abgeben.«

»Und eine Panik riskieren?«, fragte Suko ungläubig.

Tanner schnaubte. »Wegen einer Bombendrohung gerät heutzutage niemand mehr in Panik. Du siehst doch, was draußen los ist. Die Einzigen, die nervös sind, sind die Damen und Herren des Innenministeriums.« Er hob das Handy und ließ es in der Tasche des Trenchcoats verschwinden.

Ich grinste schief. »War das etwa der Commissioner?«

»Höchstpersönlich.«

»Hoffentlich nimmt sie es dir nicht übel, dass du sie angebrüllt hast.«

»Hab ich gebrüllt?«, fragte er, offenbar ernsthaft verblüfft. »Na ja, sie wird drüber hinwegkommen. Ich hoffe, ich könnte das auch von den Zeugen behaupten.« Er deutete auf die offene Bürotür. »Oder von mir.«

»So schlimm?«, fragte ich.

»Noch schlimmer.« Hastig wandte sich Tanner ab und gab uns wortlos zu verstehen, ihm zu folgen. Vor dem Zelteingang blieb er stehen und musterte uns eindringlich. »Ich habe euch schon eine Menge kranke Scheiße gezeigt«, murmelte er. »Weiß Gott, das habe ich. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ihr gleich zu Gesicht bekommen werdet. Ich hoffe, ihr habt nicht zu...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2021
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7517-1813-3 / 3751718133
ISBN-13 978-3-7517-1813-4 / 9783751718134
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