Mord frei Haus (eBook)

Ein Cornwall-Krimi
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00746-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord frei Haus -  Thomas Chatwin
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Ausgerechnet als Daphne und Francis den Sonnenaufgang auf der wilden Landzunge Land`s End genießen, klingelt ihr Handy. Der Anruf kommt von Daphnes Kusine Annabelle. Vor ihrer Tür liegt ein Toter, eingewickelt in rotes Geschenkpapier und mit einer hübschen Grußkarte versehen. Der Ermordete ist Annabelles grantiger Nachbar. Als Chief Inspector Vincent am Tatort Daphne antrifft, ist seine Laune sofort im Keller. Außerdem mutmaßt er, dass Annabelle selbst die Mörderin ist. Nur dem energischen Eingreifen von Daphne ist es zu verdanken, dass ihre Kusine nicht festgenommen wird. Während Daphne auf eigene Faust zu ermitteln beginnt, denkt sich der Täter bereits ein neues Mordgeschenk für Annabelle aus. Und es soll nicht das letzte bleiben.

Thomas Chatwin, geboren 1949, ist promovierter Literaturwissenschaftler und ein profunder England-Kenner. Er liebt Cornwall und verbringt jede freie Minute dort. Seiner langjährigen Freundschaft mit der englischen Bestsellerautorin Rosamunde Pilcher und vielen gemeinsamen Reisen verdankt er ungewöhnlich detailreiche Einblicke in Cornwalls Alltag.

Thomas Chatwin, geboren 1949, ist promovierter Literaturwissenschaftler und ein profunder England-Kenner. Er liebt Cornwall und verbringt jede freie Minute dort. Seiner langjährigen Freundschaft mit der englischen Bestsellerautorin Rosamunde Pilcher und vielen gemeinsamen Reisen verdankt er ungewöhnlich detailreiche Einblicke in Cornwalls Alltag.

1


An einem wundervollen Morgen entdeckte ich von meinem Aussichtspunkt eine Schule langsam dahinziehender Haie, die das Wasser nach Plankton durchsiebten, unbeholfen und anmutig zugleich.

Mary Wesley

Normalerweise lief es sonntags in ihrer Ehe so: Daphne schlief ein bisschen länger, weil sie keine Post austragen musste, Francis bereitete währenddessen ein schönes Frühstück vor. Seine Rühreier waren ohnehin fluffiger als ihre. Bei schönem Wetter frühstückten sie im Garten. Spätestens beim Toast begannen sie Pläne für den Rest des Tages zu schmieden. Sie machten eine Küstenwanderung, segelten oder befestigten eine Hängematte zwischen ihren beiden größten Cornwall-Palmen. Meistens lag Daphne darin und schaukelte, unter sich im Gras unterhaltsame Lesevorräte wie die über Die Todesermittlung in der Kriminalistik oder Englands brutalste Morde. Im Liegestuhl daneben machte Francis ein kleines Schläfchen.

Jeder von ihnen besaß sein eigenes Talent abzuschalten.

Doch an diesem Sonntag war alles anders.

Francis zuliebe war Daphne nachts um vier Uhr aufgestanden, mit Haaren wie ein zerstrubbeltes Dünenkaninchen. Er hatte eine Überraschung angekündigt.

Es war noch dunkel, als er mit ihr nach Land’s End fuhr, dem westlichsten Zipfel Englands. Während der Autofahrt sah Daphne vom Beifahrersitz aus, dass sein Gesicht in leiser Vorfreude strahlte. Seine dunkelblonden Haare mit den ersten grauen Fäden waren durch die Eile nicht weniger zerstrubbelt als ihre. Erst als er eine alte CD aus dem Fach in der Autotür fischte und sie einlegte, begann sie zu begreifen, warum sie hier im Auto saß. Es war rührend. Er spielte Ronan Keatings Schmusesong When You Say Nothing At All, die Schnulze, bei der sie vor achtundzwanzig Jahren während einer Strandparty bei Land’s End zum ersten Mal getanzt hatten. Daphne war wegen mehrerer hässlicher Pickel am Kinn nicht gerade gut drauf gewesen, ihm war ein verletzter Arm abgespreizt und eingegipst worden. Beide hatten sie in dem Gefühl getanzt, wegen ihrer Unvollkommenheit wenigstens an diesem Abend füreinander geschaffen zu sein.

Daphne beugte sich zum Lenkrad hinüber und gab Francis einen Kuss auf die Wange. «Wie süß, dass du daran gedacht hast! Wieso eigentlich? Wir haben den Tag sonst nie gefeiert.»

«Ich hatte eine kleine Gedankenstütze», sagte er stolz, während er auf die Schnellstraße nach Penzance einbog. «Brian Readfields schöner Oldtimer ist an diesem Tag zum ersten Mal zugelassen worden.»

Sie wollte schon Protest anmelden, als ihr strafmindernd einfiel, dass sie selbst nur deshalb an ihre silberne Hochzeit gedacht hatte, weil ihre Kosmetikerin ihr kurz vorher für fünfundzwanzig Jahre Treue gedankt hatte.

Das Wichtigste war, dass Francis den Tag nicht vergessen hatte. Er machte es spannend.

Erst als sie im ersten Dämmerlicht bei Land’s End parkten, rückte er damit heraus, was Daphne hier erwartete. Sie musste zugeben, dass es etwas Großes war. Sein Geschenk war romantisch – ein Sonnenaufgangspicknick an den Klippen. Er hatte alles gut geplant. Während sich über dem Plateau der Himmel erhellte, als würde man langsam einen Dimmer aufdrehen, zauberte er voller Stolz einen Picknickkorb und die blaue Familiendecke aus dem Kofferraum. Der Korb stammte von Colonel Waring, Daphnes englischem Großvater. In ihm hatte bereits die Wildschweinpastete gelegen, die König George VI. dem Colonel nach einer Jagd in Sandringham geschenkt hatte. Später wurde das leere Pastetenglas in der Familie behandelt, als wäre es der Hosenbandorden.

«Ich ahne, wo du hinwillst», rief Daphne freudig. Sie hätte gewettet, dass Francis sie nach Seal Head führte, wie der Platz unter Kennern hieß, die Bucht mit den meisten Seehunden. Kaum hatte man dort zweimal in sein mitgebrachtes Sandwich gebissen, streckte unten im Meer schon die nächste Robbe den Kopf aus dem Wasser.

«Jedenfalls werden wir gleich ziemlich allein sein», versprach Francis. «Den Platz kennt kaum einer.»

Gut gelaunt schnappten sie ihre Sachen, verließen den Parkplatz und das Gelände des Besucherkomplexes mit dem angeschlossenen Hotel und folgten dem sandigen Pfad zu den zerklüfteten Klippen. Dort bog Francis nach links ab. Natürlich wollte er nach Seal Head.

Gerade als sie den Klippenrand erreicht hatten, dreißig Meter über der Brandung, stieg die Morgenröte aus dem Meer. Es war ein erhabener Augenblick.

«Wir sind keine Minute zu früh», sagte Francis. «Schnell, die Decke!»

Eilig breiteten sie die Decke aus und ließen sich darauf nieder. Eng aneinandergelehnt, die Knie umschlungen, warteten sie auf das Spektakel.

Es war noch eindrucksvoller, als Daphne es in Erinnerung hatte. Sie hörten, wie unten die Wellen rauschten. Während am Horizont in rötlichen Streifen die Sonne aufging und Land’s End in unwirkliches Licht getaucht wurde, drehte sich plötzlich der Wind, als hätte er einen neuen Befehl erhalten. Jetzt bogen sich die Gräser neben ihnen in eine andere Richtung. Plötzlich roch die Luft nach einer Mischung aus Seetang, Muscheln und den Hagebutten auf der Heide hinter den Klippen. Das Meer begann, silbrig zu glitzern. Für ein paar Sekunden glaubte Daphne, im Meeressilber die Flossen stöbernder Haie zu sehen. Aus den Nischen im Gestein lösten sich Sturmvögel, um zu den kahlen Felsen der kleinen Insel Carn Bras hinüberzufliegen.

Seit ihrem achten Lebensjahr hatte Daphne den Sonnenaufgang bei Land’s End nicht mehr erlebt. Für Sekunden sah sie sich wieder in ihrem geblümten Kinderkleid im Wind auf den Klippen stehen, gut festgehalten von ihrer Mutter. Mum hatte sich ihr seidenes Kopftuch umgebunden, ein Weihnachtsgeschenk von Mrs. du Maurier …

Damals war man fast immer allein hier oben gewesen.

Jetzt nicht mehr.

Männerstimmen in den Klippen unter ihnen, ein Poltern von Steinen, dazwischen das ohrenbetäubende Aufklatschen einer Riesenwelle an die Felswand. Jemand versuchte, Möwenschreie zu imitieren, leider eher krähend und ungeschickt.

«Touristen», flüsterte Francis und legte einen Zeigefinger auf die Lippen.

Daphne ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie beugte sich etwas vor und lauschte. Zu sehen war noch niemand, aber eine der Stimmen tönte besonders markant.

«Klingt nach Eddie Fernbroke.»

«Oh Gott», sagte Francis entsetzt. «Es ist ja Basstölpel-Woche!»

In seiner Vorfreude hat er es vergessen. Jedes Jahr im August zählten Vogelfreunde die jungen Basstölpel in den Klippen von Land’s End. Die gannets wurden groß wie Gänse und verbrachten die meiste Zeit ihres Lebens segelnd über dem Meer.

Eddie krabbelte auf allen vieren nach oben. Sein rotbackiges Gesicht strahlte. Wie immer auf seinen Exkursionen waren der Rucksack, die Tweedjacke und seine Hose in graugrünen Tarnfarben gehalten. Wind und Wetter hatten seinen Teint braun gegerbt. Daphne mochte ihn, nur seine Vogelmanie war manchmal anstrengend.

«Einen fröhlichen Basstölpel-Morgen!», rief Eddie gut gelaunt.

Daphne und Francis winkten ihm vom Sitzen aus freundlich zu. «Hallo, Eddie!»

In der Hand trug er ein zerfleddertes leeres Nest, an den Schuhen klebte jede Menge Vogelkot. Er schien kein bisschen überrascht zu sein, dass hier jemand schon morgens um sechs auf der Decke saß. Um seinen Hals hingen Kamera und Fernglas, im Gürtel steckte ein zusammengeklapptes Stativ. Da ihm die Mostkelterei in Par gehörte, beulten Äpfel seine rechte Tasche aus.

«Wart ihr gestern auch erfolgreich?», wollte er wissen.

«Wir starten gerade erst», sagte Daphne diplomatisch.

«Hör zu, Eddie», begann Francis vorsichtig. «Daphne und ich hatten uns dieses Plätzchen gerade …»

«Warte, ich muss euch was erzählen», sagte Eddie, während er sich gemütlich neben Francis auf der blauen Decke niederließ. «Es gibt eine Sensation!»

Daphne und Francis nahmen es mit Humor. Eddie war kein normaler birdwatcher, ein Vogelbeobachter, wie sie am Wochenende zu Hunderten mit baumelnden Ferngläsern Cornwall durchstreiften. Eddie Fernbroke war die fanatische Ausgabe davon – ein birdspotter. Und er redete gerne darüber. Mit detektivischem Ehrgeiz war er bis nach Schottland gefahren, um den einzigen Alpenbirkenzeisig zwischen Glasgow und Inverness zu fotografieren, und er hatte fluchtartig die Taufe seiner jüngsten Tochter verlassen, weil jemand im Wald vom Helford einen Trauerschnäpper gesichtet hatte.

«Ich wette, ihr werdet nicht draufkommen, wen ich gestern vor der Linse hatte», sagte er genüsslich, während er sich Daphnes kleines Sitzkissen unten den Hintern schob.

«Irgendwelche Nester?», versuchte Daphne zu raten. «Bodenbrüter?»

«Kalt», sagte Eddie. «Ganz kalt. Ich sage nur: gelbbraunes Köpfchen und graues Nackenband.»

«Wir passen», antwortete Francis, damit die Sache nicht zu lange dauerte. Gegen einen Vogel-Paparazzo hatte man keine Chance.

«Einen Kernbeißer!» Eddie blickte sie triumphierend an. «Ein Kernbeißer auf Land’s End! Wie ist das denn?»

«Wahrscheinlich hatte er nur sein Navi vergessen», spottete Francis, um Eddie aufzuziehen.

Sie lachten. Es war das laute, herzliche Lachen der kornischen Männer, wenn sie auf jemanden trafen, den sie schätzten.

Daphne schaute irritiert zum Himmel. Obwohl der Wind nur eine mäßige Brise war, bekam sie wie aus dem Nichts eine Gänsehaut. Es war seltsam. Der kalte Hauch kühlte sie innerhalb von Sekunden aus – vielleicht lag es daran, dass sie noch...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2021
Reihe/Serie Daphne Penrose ermittelt
Daphne Penrose ermittelt
Zusatzinfo Mit 1 4-farb. Karte
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Britcrime • Britischer Krimi • Cornwall • Cornwall Krimi • Cosy Crime • Cosy Krimi • England • englische Krimis • Englischer Krimi • Krimi • Kriminalroman • Lands End • Pilcher • Postbotin • roter Briefkasten • Urlaub • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-644-00746-2 / 3644007462
ISBN-13 978-3-644-00746-8 / 9783644007468
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