Schneenacht (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
464 Seiten
btb Verlag
978-3-641-25301-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schneenacht - Helene Tursten
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Embla Nyströms persönlichster Fall!
Kriminalinspektorin Embla Nyström verbringt den Winter im ländlichen Dalsland auf dem Hof ihres Onkels. Eines Morgens wird sie zu einem spektakulären Mordsfall gerufen. In einer Hütte im Wald liegt ein Toter mit Einschüssen in Kopf und Brustkorb. Embla erkennt den Mann sofort. Es ist einer der mutmaßlichen Entführer ihrer besten Freundin Lollo, die vor gut vierzehn Jahren spurlos verschwand und nie wieder auftauchte. Alte, schmerzhafte Erinnerungen werden wach und Embla beginnt zu ermitteln. Doch ein nächtlicher Schneesturm verwischt alle Spuren ...

Helene Tursten, geboren 1954 in Göteborg, ist eine der beliebtesten schwedischen Kriminalautorinnen. Ihre Serie um die Göteborger Kriminalinspektorin Irene Huss hat nicht nur viele Fans, sondern wurde auch erfolgreich verfilmt. Neben neuen Fällen für die junge Polizistin Embla Nyström veröffentlicht Helene Tursten auch sehr erfolgreich Bände mit Krimigeschichten.

Plötzlich gab der Boden unter ihren Füßen nach, und sie sank mit jedem Schritt tiefer ein. Weiter, weiter! Beeil dich! Sie näherte sich langsam dem Licht, und über das Pochen in ihren Ohren hinweg meinte sie Stimmen zu hören. Dann sah sie ein Stück entfernt drei große Schatten, die sich über eine kleinere zusammengekauerte Figur beugten, die Lollo sein musste. Lieber Gott, mach, dass es noch nicht zu spät ist! Ich werde auch nie mehr … Lieber Gott … Bitte hilf uns! Embla versuchte zu rufen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Im selben Moment drehte sich einer der Schatten in ihre Richtung um, und sie wusste, dass sie geliefert war. Sie erstarrte vor Schreck, doch dann versuchte sie zu fliehen. Aber sie hatte einen Sekundenbruchteil zu lange gezögert. Ihre Füße steckten fest, und der bedrohliche Schatten flog rasend schnell auf sie zu. Schließlich packte er sie mit beiden Händen fest am Hals und würgte sie.

»Wenn du auch nur ein Wort sagst, bist du tot! Wir wissen, wer du bist und wo du wohnst!«, zischte er.

Verzweifelt presste sie hervor: »Lollo, Loll …«

»Vergiss sie!«

Dann stieß er Embla zu Boden. Die Wände um sie herum stürzten ein, und sie versank in eiskaltem Schlamm, der ihr in Nasenlöcher und Mund drang. Atmen … Sie bekam keine Luft mehr! Unter ihr wankte der Boden.

Embla wachte davon auf, dass sie senkrecht im Bett saß und verzweifelt nach Luft rang. Der Angstschweiß rann ihr zwischen den Brüsten herunter, und das T-Shirt klebte am Rücken. Wie jedes Mal, wenn sie aus diesem wiederkehrenden Albtraum erwachte. Doch diesmal war irgendetwas anders als sonst. Der Boden unter ihrem Bett wankte. Normalerweise wachte sie davon auf, dass sie keine Luft mehr bekam. Aber warum wankte der Boden? Und wo war sie überhaupt?

Allmählich kam sie zu sich und stellte fest, dass nicht der Fußboden, sondern ihr Bett sich bewegte.

Das kleine Gästezimmer im Haus ihres Onkels Nisse war eng, doch am Fußende ihres Bettes war gerade noch Platz für ein Zustellbett. Und von dort kam auch das Rütteln. Ein verwuschelter brauner Haarschopf tauchte an ihrem Fußende auf, und unter den Locken leuchteten zwei hellwache Augen. Ungeduldig rüttelte Elliot weiter an ihrem Bett.

»Steh auf! Heute wollen wir doch auf die Jagd gehen!«

Freudig sprang er von seinem Bett in ihres.

»Jagd! Jagd! Jagd!«

Er sang seine selbst erdachte Melodie, während er weiter herumhüpfte. Und obwohl sie noch nicht ganz wach war, musste sie lachen. Elliot war sowieso schon recht lebhaft, doch in diesem Augenblick war der Junge völlig überdreht.

»Ja, ja, aber geh erst zur Toilette und zieh dir dann die Sachen an, die im Flur überm Stuhl hän …«

Weiter kam sie nicht, denn er war bereits aus dem Bett gesprungen und im kleinen Duschbad verschwunden, das zum Gästezimmer gehörte.

Elliot war das Beste, was ihr von der knapp ein Jahr währenden Liebesbeziehung mit Jason Abbot geblieben war, einem Jazzmusiker, mit dem sie vor fast fünf Jahren einmal zusammen gewesen war. Sie hatten wegen Jasons notorischer Untreue viele nervenaufreibende Streitereien gehabt und sich schließlich getrennt. Doch Embla hatte nach wie vor einen guten Draht zu seinem Sohn, und Jason war als alleinerziehender Vater clever genug, um einer weiteren erwachsenen Person Zugang zum Leben seines Sohnes zu gewähren. Elliots Mutter war gestorben, noch bevor Elliot ein Jahr alt gewesen war, und der Junge konnte sich nicht an sie erinnern. Jasons Familie lebte auf Jamaica und in Miami, und die einzige nahe Verwandte in Schweden war eine Tante von Elliot, geschieden, mit drei Kindern. Sie hatte mehr als genug mit sich und ihrer eigenen Familie zu tun.

Embla blieb noch ein wenig im warmen Bett liegen und versuchte die Reste der Panik abzuschütteln, die sich wie ein schwerer Stein auf ihre Brust gelegt hatte. In der vergangenen Woche war der Albtraum jede Nacht wiedergekommen. Der Grund dafür war offensichtlich. Ihre beste Freundin seit Kindheitstagen, Louise, genannt Lollo, die vor vierzehneinhalb Jahren spurlos verschwunden war, hatte plötzlich wieder von sich hören lassen.

Am späten Freitagabend vor acht Tagen hatte Emblas Handy geklingelt. Als das Intro von Star Wars, der Originalsoundtrack von 1977, ertönte, war Embla genervt gewesen, weil sie annahm, dass es schon wieder Nadir war, mit dem sie kurz zuvor am Telefon Schluss gemacht hatte. Deshalb meldete sie sich nur knapp mit ihrem Namen.

Doch außer raschen Atemzügen war nichts zu hören gewesen. »Hallo! Wer ist da?«, hatte sie gefragt. Schließlich, nach einer Weile, flüsterte eine weibliche Stimme: »Åsa? Ist da Åsa?«

Ihr sträubten sich die Nackenhaare. In den letzten Jahren hatte sie niemand mehr Åsa genannt. Mittlerweile riefen sie alle bei ihrem Taufnamen Embla. Doch als Kind hatte sie diesen Namen verabscheut, weil kein anderes Mädchen außer ihr so hieß. Sie hatte allen Freundinnen und sogar ihrer Lehrerin weisgemacht, dass sie Åsa hieße, was in Wirklichkeit ihr Zweitname war. Erst als sie älter wurde, nannte sie sich wieder Embla, denn inzwischen mochte sie den Namen wirklich und fand ihn viel cooler. Doch jemand, der seit den frühen Teenagerjahren keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt hatte, konnte das nicht wissen. Und die Anruferin hatte sie seit vierzehneinhalb Jahren nicht mehr gesehen. Embla wusste ganz sicher, wer dran war, sie erkannte die Stimme sofort wieder. »Lollo!«, rief sie ins Handy.

Doch am anderen Ende war nur ein Keuchen zu hören, dann wurde das Gespräch beendet.

Im ersten Moment war sie völlig geschockt, doch allmählich wurde ihr bewusst, dass ihre Freundin tatsächlich noch lebte, und sie beruhigte sich wieder. Zugleich schossen ihr tausend Fragen durch den Kopf: Wo war Lollo? Schwebte sie in Gefahr? Würde sie noch einmal von sich hören lassen? Und was hatte sie ihr sagen wollen?

Nachdem sie lange mit sich gerungen hatte, fasste Embla einen Entschluss. Sie würde einer Person ihres Vertrauens von Louises Verschwinden erzählen. Und zwar die ganze Wahrheit. Endlich. Für dieses Bekenntnis, das ihr Lebenstrauma betraf, kam letztlich nur einer infrage. Sie rief ihren ehemaligen Chef, Kriminalkommissar Göran Krantz, an, den Leiter der Technischen Abteilung bei der Polizei in Göteborg. Am Telefon erzählte sie ihm, wie ihre beste Freundin eines Nachts plötzlich verschwand, als sie vierzehn gewesen waren. Embla war damals zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben sternhagelvoll gewesen, sodass ihre Erinnerung an den Nachtklub selbst, wie es dort ausgesehen hatte und wie sie dorthin gelangt waren, recht verschwommen und ziemlich wirr war. Nur die Szene aus ihren ständig wiederkehrenden Albträumen hatte sich unauslöschlich in ihrem Gedächtnis verankert.

Drei Männer, die über Lollo gebeugt standen. Der Würgegriff. Die Todesdrohungen. Ihre eigene Machtlosigkeit. Ihre Schuldgefühle.

In ihrem Bericht sparte Embla nichts aus. Doch da Embla und Elliot schon am Morgen darauf für eine Woche nach Dalsland fahren wollten, einigten sich Göran und sie darauf, sich zu treffen, sobald sie wieder zurück in Göteborg wäre. Und während sie gemeinsam mit dem Jungen die Skiferien verbringen würde, würde Göran schon einmal versuchen, einen Blick in die Ermittlungsunterlagen zu Louises Verschwinden zu werfen. Er konnte ihr allerdings nichts versprechen, denn die Arbeitsbelastung in der Technischen Abteilung war immens hoch, und die gesamte Belegschaft ging schon auf dem Zahnfleisch. Falls ihre Freundin sie während des Winterurlaubs erneut kontaktierte, sollte sich Embla umgehend bei Göran melden, damit sie versuchen könnten, den Anruf zurückzuverfolgen.

Danach war Embla froh, mit ihm gesprochen zu haben. Sie war dankbar dafür, dass er sie ernst nahm und ihr dabei helfen wollte herauszufinden, was Lollo genau zugestoßen war.

Seit Lollos Anruf zermarterte sich Embla das Hirn über ihr Verschwinden. Alles war wieder präsent, und es fühlte sich an, als würde ihr der Schädel platzen. Nur wenn sie mit Elliot und Nisse zusammen war, konnte sie vorübergehend abschalten.

Es dauerte nicht lange, bis die Tür zum Bad wieder aufflog. Elliot stürmte hinaus in den Flur, noch immer sein Liedchen vor sich hin trällernd, begleitet vom Rauschen der Toilettenspülung. Die Melodie war hinreißend, doch der Text umso eintöniger, da er nur aus einem einzigen Wort bestand: Jagd. Elliot betonte es einfach nur unterschiedlich und sang es in variierenden Tonarten. Da er die Musikalität seines Vaters geerbt hatte, besaß er ein Gefühl dafür, wie man einen Song vortrug, aber der Ein-Wort-Text, den er nun schon seit Tagen ununterbrochen herunterleierte, ermüdete Embla allmählich. Oder besser gesagt: seit dem Zeitpunkt, als Embla sich von Nisse hatte überreden lassen. »Lass den Jungen doch einfach mal erleben, wie es ist, an einer Jagd teilzunehmen«, hatte der gesagt.

Allerdings hatte sie noch immer Zweifel, ob es gut war, einen Neunjährigen auf eine Pirschjagd mitzunehmen. Sie selbst war beim ersten Mal fünfzehn gewesen, was sie auch als Begründung dafür angeführt hatte, es sei besser, noch ein paar Jahre zu warten. Doch Nisse hatte entgegnet, dass er selbst genauso alt gewesen war wie Elliot, als er zum ersten Mal mit in den Wald durfte. Aber bei uns liegt das seit unzähligen Generationen im Blut, die Jagd hat Tradition, dachte sie. Auf Elliots Familie traf das nicht zu.

Die vertrauten Geräusche aus dem Erdgeschoss drangen zu ihr herauf: das Blubbern der Kaffeemaschine, das Klappern von...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2020
Reihe/Serie Die Embla-Nyström-Krimis
Die Embla-Nyström-Krimis
Übersetzer Antje Rieck-Blankenburg
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Snödrev
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • ebooks angebote • ebooks günstig • ebooks reduziert • Embla Nyström • Göteborg • Krimi • Krimi für Frauen • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimis • Nordische Krimis • Schweden • Schwedenkrimis
ISBN-10 3-641-25301-2 / 3641253012
ISBN-13 978-3-641-25301-1 / 9783641253011
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
14,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49