Die Morde von Mapleton (eBook)

Ein Weihnachtskrimi

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
318 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8477-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Morde von Mapleton -  Brian Flynn
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Es ist Heiligabend und Sir Eustace Vernon hat eine kleine Gesellschaft eingeladen, um bei einem Dinner Weihnachten zu feiern. Während des festlichen Abendessens jedoch bestürzt Sir Vernon eine geheime Botschaft in seinem roten Knallbonbon dermaßen, dass er sich ohne weitere Erklärung in sein Studierzimmer zurückzieht. Die Gäste schenken dem sonderbaren Vorgang wenig Beachtung und lassen sich nach dem Essen zu einer Partie Bridge im Spielezimmer nieder. Erst einige Stunden später wundern sie sich über Sir Eustaces lange Abwesenheit. Kurz vor Mitternacht dann ertönt ein Schrei, und der Butler Purvis wird tot aufgefunden. Sir Austin Kemble und Anthony Bathurst von Scotland Yard, die zufällig in der Gegend unterwegs sind, werden informiert und nehmen die Ermittlungen auf. Bald stellen sie fest, dass im altehrwürdigen Herrenhaus von Sir Eustace nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint ... >Die Morde von Mapleton< ist ein im besten Sinne klassischer Weihnachtskrimi - und Anthony Bathurst ein bisher unbekannter Ermittler aus dem Goldenen Zeitalter des Detektivromans, den es nun zu entdecken gilt.

Brian Flynn (1885-1958) hat u?ber fu?nfzig Kriminalromane veröffentlicht, die meisten davon drehen sich um die Ermittlerfigur Anthony Bathurst. Als Zeitgenosse von Agatha Christie ist er einer der Vertreter des Goldenen Zeitalters des britischen Detektivromans.

KAPITEL 1

DER BEGINN DES SCHRECKENS

Sir Eustace Vernon straffte seine Schultern und erhob sein Glas. »Lassen Sie uns noch einmal anstoßen, Ladies und Gentlemen, bevor die Damen uns verlassen! Ein Toast, den wir zu Weihnachten, wie ich meine, stets ausbringen sollten.« Er sprach sehr feierlich, und nach und nach stellten die Gäste das Plaudern ein und schauten erwartungsvoll über die lange, hell erleuchtete Tafel auf ihren Gastgeber. Denn Sir Eustace war ein Mann, der hohes Ansehen genoss. »Ich möchte Sie alle bitten«, begann er in gemessenem Ton, »Ihre Gläser zu erheben und auf die ›leeren Stühle‹ anzustoßen. Auf jene Lieben, die einst unter uns weilten, nun jedoch ›das Zeitliche gesegnet‹ haben, denn das wird uns allen eines Tages widerfahren.« Ein Chor ernst klingender Stimmen schwebte auf ihn zu und erwiderte seinen Trinkspruch. »Ich danke Ihnen, Ladies und Gentlemen.« Sir Eustace nahm Platz. Auf seinem stattlichen Gesicht zeichnete sich jedoch eine leichte Beunruhigung ab. Das Tischgespräch lebte wieder auf, doch die Gedanken des einen oder anderen schienen nicht bei der Sache zu sein.

»Was hat dein Onkel nur in letzter Zeit?«, fragte ein charmanter junger Mann seine bezaubernde Tischdame.

Das Mädchen warf ihm mit großen Augen einen fragenden Blick zu. »Was willst du damit sagen, Terry? Hast du vielleicht …?«

»Etwas bemerkt?«, fiel er ihm ins Wort. »Jawohl, das habe ich. Und zwar deutlich! Außerdem irre ich mich wohl kaum, wenn ich annehme, dass auch dir etwas aufgefallen ist.«

Helen Ashley warf einen verstohlenen Blick auf die Gäste, die neben ihnen an der langen Tafel saßen, dann fasste sie Terence Desmond am Arm. »Du hast wirklich recht, Terry, ich habe etwas bemerkt! Etwas setzt meinem Onkel schon seit geraumer Zeit zu – falls du das Gleiche meinst wie ich. Aber sag: Was genau hast du wahrgenommen? Beschreibe es.«

Desmond wollte eben antworten, als er eine gedämpfte Stimme an seiner Seite vernahm. »Ja, danke, Purvis. Ich nehme noch einen Schluck.« Mit geziemender Würde füllte der Butler das Glas des jungen Mannes.

»Für mich bitte nicht mehr, Purvis«, sagte Helen Ashley. »Was wolltest du sagen, Terence? Verzeih, wenn ich zu sehr insistiere – aber die Wahrheit ist, dass ich mir große Sorgen um Onkel Eustace mache.«

»Lass mich nachdenken. Wie lange bin ich jetzt hier, Helen?«

»Nicht mal eine Woche. Aber lange genug …«

»Dass mir so einiges auffallen könnte und ich genug Zeit hätte, um mich bei Sir Eustace gründlich in die Nesseln zu setzen, nicht wahr?«, erwiderte er augenzwinkernd. Helens Blick blieb ernst. Desmond fuhr fort: »Ich glaube, dass er Angst hat, Helen; dieser Eindruck beherrscht mich schon die ganze Woche über. Zu sagen, ihn ›quälen Sorgen‹, würde seinem Zustand nicht einmal annähernd gerecht. Es ist viel schlimmer und vermutlich auch etwas ganz anderes als das. Ich habe Angst häufig gesehen, in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen, zu häufig, um sie nicht zu erkennen, wenn sie sich mir offenbart. Dein Onkel fürchtet sich vor etwas«, fasste er zusammen, »daran habe ich keinen Zweifel.«

»Ich glaube, du hast recht«, stimmte Helen Ashley zu, »du hast die Situation genau so beschrieben, wie ich sie wahrnehme. Und es greift auch meine Nerven an, das ist das Schlimmste daran.« Sie schaute zum Kopf der Tafel, wo Sir Eustace in ein angeregtes Gespräch mit seiner Tischdame vertieft war.

»Ich bin nun alt genug, Mrs Trentham«, hörten sie ihn sagen, »um Weihnachten voll und ganz zu genießen. Nur die Jugend langweilt sich während der Festtage. Zweifellos geht es Ihnen auch so.«

»Mir ist in Vernon House noch nie langweilig gewesen«, erwiderte die Dame. »Sie sind ein viel zu aufmerksamer Gastgeber, um so etwas wie Überdruss aufkommen zu lassen. Ich finde es wirklich bedauerlich, dass Vernon House keine Hausherrin hat.« Das sagte sie mit einem Lächeln, das zugleich züchtig und herausfordernd war. Sir Eustace zwirbelte seinen grauen Schnurrbart und erwiderte das Lächeln.

»Dieser Mangel könnte durchaus behoben werden, Ruby. Es ist nie zu spät, um –«

Einem Dienstmädchen glitt das Tablett aus den Händen; scheppernd fiel es zu Boden. Sir Eustace verstummte mitten im Satz, sein Mund zuckte, sein Gesicht war aschfahl geworden. »Mein Gott!«, rief er. »Was war das?« Dann wurde ihm bewusst, dass Mrs Trentham ihn neugierig musterte. »Meine Nerven sind seit der Grippe angegriffen«, versuchte Sir Eustace sich wenig überzeugend zu rechtfertigen. »Jeder unerwartete Lärm treibt sein übles Spiel mit mir und wirft mich glatt um. Ich fürchte, es klingt albern …« Er hielt inne und musterte seine Tischdame, um die Wirkung seiner Worte zu prüfen. Doch in Ruby Trenthams Augen las er Verständnis.

»Aber gar nicht«, widersprach sie. »Ich glaube, den meisten Finanziers ergeht es ebenso: Morris zum Beispiel ist das reinste Nervenbündel, und er kann sich nicht einmal mit einer kürzlich überstandenen Krankheit rechtfertigen. Wenn er ein gutes Geschäft an der Börse macht oder ein lukratives Angebot erhält, zittert er immer wie ein kleines Vögelchen, nicht wahr, Morris?« Damit wandte sie ihr schönes Antlitz ihrem übergewichtigen und wohlhabend wirkenden Ehemann zu.

»Wenn du es so hinstellst, meine Liebe, dann muss ich dir wohl zustimmen. Wie du mir ja beigebracht hast«, äußerte er mit leicht angesäuerter Stimme.

Obwohl Trentham zu den Männern gehörte, die förmlich danach lechzen, dass ihre Frauen von allen bewundert werden, sollte sich diese Bewunderung doch innerhalb gewisser Grenzen bewegen. Es wurde sogar gemunkelt, dass er Sir Eustace Vernons Interesse an seiner schönen Gemahlin mit merklichem und wachsendem Missfallen betrachte.

»Ich konnte nicht umhin, Ihr Gespräch zu belauschen, Sir Eustace«, mischte sich ein hochgewachsener, glatt rasierter Mann ins Gespräch, der Trentham gegenübersaß, »besonders deswegen, weil es zufällig in meinen persönlichen Arbeitsbereich fällt. Sie haben durchaus recht. Die Grippe treibt ihr böses Spiel mit den Menschen, lässt so manches andere Übel wie einen Scherz wirken – und das Nervensystem des Kranken ist einer ihrer bevorzugten Jagdgründe. Ist sie erst einmal dort eingedrungen, lässt sie den Teufel los.« So sprach Dr. Lionel Carrington, Sir Eustace Vernons medizinischer Beistand, zu dem der Hausherr großes Vertrauen gefasst hatte.

»Da haben Sie’s, Trentham: Carrington eilt mir zu Hilfe! Er kennt mich. Er versteht mich.«

Der Arzt schmunzelte zustimmend, doch in diesem Moment ergriff bereits ein anderer Gast das Wort.

»Sie sind viel zu bescheiden, Sir Eustace. Sie unterschätzen sich und verkennen die Strapazen, denen Sie ausgesetzt waren. Man muss nicht lange nach den Ursachen für Ihre Unpässlichkeit suchen. Warum sprechen Sie von ›Grippe‹? Haben Sie schon die Nacht des elften Januar vergessen? Sicherlich nicht! Was Sie getan haben, wird für immer in den Herzen der Menschen von Mapleton weiterleben.«

Die Stimme des Mannes zitterte vor Erregung und klang beinahe wie die eines fanatischen Eiferers. Dr. Carrington drehte sich zur Seite und schaute seinen Nachbarn fragend an. Der sprang auf.

»Ladies und Gentlemen!«, rief der Geistliche Father Jewell voller Dramatik und mit einer Stimme, die vor Rührung bebte. »Ich möchte noch einen Toast ausbringen, bevor die Tafel aufgehoben wird. Lassen Sie uns auf die Gesundheit der Kinder anstoßen – der Männer und Frauen von morgen –, denen Sir Eustace Vernon das Leben rettete!«

Wie ein eiskaltes Messer schnitt seine kultivierte, scharfe Stimme durch die Länge der gedeckten Tafel. Die Gäste jedoch reagierten begeistert und prosteten ihm zu. Major Prendergast hatte sein Glas am Stiel gefasst und schwenkte es über den Tisch.

»Hört, hört«, dröhnte er beifällig, »Sir Eustace Vernon! Sir Eustace Vernon! Einer der tapfersten Männer, die ich kenne.«

Diana Prendergast, ein Inbegriff der Lieblichkeit mit blitzenden Augensternen, legte ihrem Mann die Hand auf den Arm. »Sei still«, befahl sie. »Sir Eustace will etwas sagen. Hör zu!«

Die anderen Gäste waren zu der gleichen Erkenntnis gekommen. Das Murmeln erstarb und sie sanken schweigend zurück in ihre Stühle. Sir Eustace erhob sich. Während er dort stand, am Kopf der Tafel, wurde Terry Desmond mehr denn je bewusst, wie sehr sein Gastgeber gealtert war. Unbarmherzig leuchtete sein kahler Kopf unter den grellen Lampen, und seine Schultern wirkten erschlafft. Seine Augen hinter dem Zwicker blitzten jedoch so lebhaft wie eh und je. Mut und Furchtlosigkeit standen darin zu lesen, Eigenschaften, die Sir Eustace in die Lage versetzt hatten, immer wieder die Fassade eines brennenden Hauses zu erklimmen, um ein Dutzend hilfloser Kinder zu retten. Da die Feuerwehr zu einem anderen Brand gerufen worden war, hatten die Kleinen keine andere Chance als Sir Eustace gehabt. Für seine heroische Tat und sein großes Engagement für die Gemeinde Mapleton war ihm daher am Geburtstag des Königs der Rang eines Baronets verliehen worden. Das hatte den übrigen Stadträten und Ratsherren reichlich Bauchschmerzen beschert, vom Bürgermeister und den ehemaligen Bürgermeistern ganz zu schweigen!

»Father Jewell misst einer ganz gewöhnlichen Tat zu viel Bedeutung bei«, begann Sir Eustace. »Ich habe nur meine Pflicht getan, so wie sie jeder aufrechte Engländer unter ähnlichen Umständen tun würde – und bin dafür belohnt worden. Eines besonderen Lobes bedarf es nicht mehr.«

Der Bürgermeister von...

Erscheint lt. Verlag 16.9.2019
Reihe/Serie Wohlige Weihnachtskrimis
Wohlige Weihnachtskrimis
Übersetzer Barbara Först
Sprache deutsch
Original-Titel ›The Murders near Mapleton‹
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Atmosphärisch • Britisch • Butler • cherringham • cozy christmas crime • Cozy Crime • detective • Detektiv • detektivroman • Dinner • Duncan • Ein Mord zu Weihnachten • Ermittler • Ermittlerin • Herrenhaus • Inspector • Klassiker • Knallbonbon • Kriminalroman • Krimis • mcgown • Mord • mord im alten pfarrhaus • mord unterm tannenbaum • Polizei • Polizist • Privatdetektiv • Scotland Yard • Serienkiller • Serienmörder • spannend • Spannungsroman • Weihnachten • Weihnachtsessen • Weihnachtskrimi • zu weihnachten gibt's mord
ISBN-10 3-8321-8477-5 / 3832184775
ISBN-13 978-3-8321-8477-3 / 9783832184773
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