Die Diva (eBook)

Maria Callas - die größte Sängerin ihrer Zeit und das Drama ihrer Liebe
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2020 | 2. Auflage
432 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1825-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Diva -  Michelle Marly
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Die Callas - la Divina, die Göttliche, die ewige Stimme der Liebe.

Venedig, 1957: Maria Callas ist die größte Sängerin ihrer Zeit, doch die künstlerische Perfektion, die sie auf der Bühne verkörpert, beginnt ihren Tribut zu fordern. Ihre Stimme droht zu versagen, und Maria sehnt sich nach einer Auszeit - die ihr jedoch weder von der Welt der Oper noch von ihrem Mann und Manager Meneghini zugestanden wird. Dann begegnet sie dem Reeder Aristoteles Onassis, und gegen alle Widerstände verlieben sich die beiden - bis Onassis die Bekanntschaft von Jackie Kennedy macht ...

Ein zauberhaft schöner Roman über die Callas als Inbegriff von Glamour und Charisma, als Künstlerin jenseits aller Maßstäbe, vor allem aber - als leidenschaftlich liebende Frau.



Hinter Michelle Marly verbirgt sich die deutsche Bestsellerautorin Micaela Jary, die durch ihren Vater, den Komponisten Michael Jary, in der Welt der Musik aufwuchs. Nach Stationen bei verschiedenen Zeitschriften arbeitete die gelernte Redakteurin u. a. am Theater, bevor sie nach Paris zog und zu schreiben begann. Heute lebt sie mit Mann und Hund in Berlin und München. Ihre letzten Romane im Aufbau Taschenbuch 'Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe' und 'Madame Piaf und das Lied der Liebe' erschienen in zahlreichen Ländern und sind internationale Bestseller.

Kapitel 3


Ionisches Meer

Am selben Tag, zuvor

Die See war so spiegelglatt und durchscheinend wie der Lago di Garda im Frühling, das Wasser glitzerte in einem dunklen Saphirton, unter dem sich Erhebungen von Felsen und Seegras abzeichneten. Der Himmel war so tiefblau, als habe ihn Uranos eigens für diesen Sommertag frisch angemalt, keine Wolke störte die perfekte Farbe. Vor diesem fast verstörenden Ultramarin erhoben sich am Ufer der Insel Skorpios dunkel eine Reihe von Zypressen, die weiche Bergkulisse dahinter schimmerte in allen Grüntönen, Tausende junge Bäume reckten ihre Äste der Sonne entgegen. Aristo hatte sie gepflanzt, nachdem die Landschaft fast fünfhundert Jahre lang unter dem Kahlschlag der Venezianer gelitten hatte. Er hatte die Aufforstung natürlich nicht allein bewerkstelligt, wohl aber einen ersten Spatenstich, den Beginn der Wiederherstellung einer wunderschönen Natur, und er war für eine lange Zeit jeden Morgen auf der Insel angelandet, um den Tag mit den Architekten und Arbeitern zu verbringen und an ihrer Seite mit freiem Oberkörper zu planen und zu fachsimpeln.

Sagte man nicht von jenen Menschen, die die Natur liebten, sie hätten eine grüne Seite und diese sei die beste an ihnen?

Während Maria gedankenverloren die kostspielige Waldpflanzung am Horizont betrachtete, ging ihr diese Frage durch den Sinn. Besaß der Eigentümer der Insel, ihr Geliebter, tatsächlich diese besondere Charaktereigenschaft – oder wollte er mit der Rekonstruktion des Waldes nur zeigen, dass er in der Lage war, auch die Natur zu beherrschen? So, wie er fast allen Menschen seinen Willen aufzuzwingen versuchte?

Auf gewisse Weise hatte Aristoteles Onassis auch Maria gefügig gemacht. Sie war seinem Charme erlegen, seiner charismatischen Persönlichkeit, und glaubte an eben die guten Seiten an ihm. Dafür ertrug sie seine Launen und seine gelegentlichen Affären. Schließlich wusste sie, dass er sie niemals absichtlich verletzen wollte, sondern immer nur darauf aus war, zu triumphieren, Bestätigung zu erhalten. Und manche dieser Frauen waren für ihn wohl nichts anderes als Trophäen in dieser Zeit, in der Sexualität immer offener gelebt wurde. Maria ließ ihn schmunzelnd gewähren, denn sie wusste, wie wichtig es für ihn war zu beeindrucken – womit auch immer. Aristo wollte nicht nur der reichste Mann auf Erden sein, sondern auch jener, der am meisten bewundert wurde. Womöglich besaß er also gar keine grüne Seite, sondern nur ein etwas diffiziles Selbstwertgefühl. Etwas, das sie beide enger verband, als ihr lieb sein konnte.

»Ich habe gehört, dass Pier Paolo Pasolini einen Film über den Medea-Mythos drehen will …«

Sie nahm die Stimme ihres Freundes wie das sanfte Plätschern des Swimmingpools auf dem Sonnendeck des vor Skorpios ankernden Schiffs wahr, auf dem sie waren. Das Poolwasser glitzerte in einem tiefen Blaugrün, eine Reflexion des Himmels und des Mosaiks auf dem Boden, das eine Reproduktion des Stierkampffreskos aus dem Minotaurus-Palast in Knossos war. Die elektrisch betriebenen Fontänen am Rande des Beckens waren so eingestellt, dass sie nur gelegentlich aufspritzten und ihre Tropfen wie eine feine Gischt über die Schiffsaufbauten verteilten.

Seit geraumer Zeit redete Larry im Liegestuhl neben Maria auf sie ein, wobei sie ihm jedoch nur mit halbem Ohr lauschte. Wenn sie es genau bedachte, hatte sie nicht die geringste Ahnung, worüber ihr alter Freund eigentlich sprach. Sicher etwas Geistreiches. Lawrence Kelly war Mitbegründer mehrerer großartiger Musiktheater in den Vereinigten Staaten und hatte die Karriere von Maria Callas dort vom ersten Höhepunkt an begleitet. Dreizehn Jahre war das her, und der Impresario war noch immer ein gut aussehender Mann, viel kleiner als die hochgewachsene Maria, aber ebenso wenig wie bei Aristo fiel das ins Gewicht. Auch Larry besaß sehr viel Charisma, und er war ein wichtiger Mann in den Opernhäusern auf der anderen Seite des Atlantiks.

»Keine hat die Medea so wundervoll gesungen wie du«, fuhr Larry fort. Er schien nicht zu einem Ende zu kommen, musste während seines Monologs anscheinend nicht einmal Luft holen. »Deshalb empfiehlst du dich für die Hauptrolle …«

»Ich glaube nicht daran, dass irgendjemand Theater in Film verwandeln kann«, unterbrach sie matt. Es war Zeit für einen Einwand geworden.

Doch der Redefluss ließ sich nicht stoppen: »Franco Zeffirelli hat Shakespeares ›Der Widerspenstigen Zähmung‹ gerade ganz wunderbar mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen verfilmt«, insistierte der Impresario.

Maria richtete sich in ihrem Liegestuhl auf und schob ihre Sonnenbrille in ihr dichtes schwarzes Haar. »Das ist keine seiner Operninszenierungen«, stellte sie klar. Sie mochte es generell nicht, wenn ihr jemand widersprach, und zu vieles auf dieser Kreuzfahrt zermürbte sie. Die Hitze machte ihr zu schaffen, erklärte sie sich ihr Unwohlsein. Dass sie sich eigentlich mehr über Aristo als über die Sonne ärgerte, wollte sie sich nicht eingestehen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, so dass sie harscher reagierte, als es der ihr treu ergebene Freund verdiente: »Musikbühne und Leinwand vertragen sich nicht. Basta.« Dann legte sie sich wieder zurück.

Sie schloss ihre Augen, die seltsam brannten, als ihr bewusst wurde, dass sie Larry nicht so hätte anfahren dürfen. Nicht diesen liebenswerten, ihr stets zugeneigten Mann. Niemand hatte es weniger verdient, ihrer Ruppigkeit ausgesetzt zu sein. Doch an ihrer Dünnhäutigkeit war die schlechte Laune ihres Geliebten schuld, seine Fahrigkeit, die Gedanken- und Taktlosigkeit, mit der er Maria in diesen Tagen behandelte. Dabei hatte sie geglaubt, die in den vergangenen Monaten aufflammenden Streitigkeiten zwischen ihnen wären beigelegt. Eine Zeit lang schien doch wieder alles gut zwischen ihnen zu werden …

»Du solltest wieder regelmäßig Stimmübungen machen.«

Marias Kopf fuhr hoch. »Was?«

»Ich kann dir sofort einen Auftritt in den USA vermitteln. Eine ganze Tournee, wenn du willst. Dein Comeback würde bejubelt werden.«

Als wenn sie das nicht wüsste.

»Im Moment mache ich Urlaub«, wich sie aus.

Sie wollte ihm nicht erzählen, dass sie zwar ihre Übungen vernachlässigt haben mochte, aber natürlich nicht aufgegeben hatte, ihre Stimme zu alten Höhen zurückzuführen. Monatelang hatte sie ihren Gesang auf Tonband aufgenommen, um diese Aufnahmen mit ihren alten Schallplatten zu vergleichen. Auf diese Weise hoffte sie herauszufinden, was nicht mit ihr stimmte, warum sie die hohen Töne nicht mehr in der dreigestrichenen Oktave halten konnte. Bis sie ihre öffentlichen Auftritte mehr oder weniger aufgab, hatte sie mehr als einen Skandal verursacht, weil sie mitten in einer Arie versagte. Es war ein ständiges Auf und Ab. Doch seit geraumer Zeit hatte sie das Gefühl, mit ihrer Kunst in einem Abwärtsstrudel gefangen zu sein. Und da sie einstweilen auf den Jubel des Publikums verzichten musste, versank sie im verschwenderischen, rastlosen Leben des internationalen Jetsets. Dabei kam sie sich vor wie der schiffbrüchige Odysseus, der auf seiner Reise nach Hause so viele Abenteuer hatte überstehen müssen, erbauliche wie lebensgefährliche. Marias Heimat war die Bühne – und wenn sie dorthin zurückfinden wollte, musste sie sich wahrscheinlich auch erst in eine antike Heldin verwandeln. Jedenfalls kam es ihr manchmal vor, als verlange die Darbietung einer Arie übermenschliche Kräfte.

Doch Larry hatte recht. Sie hatte zwar eigentlich immer nur eine Hausfrau sein wollen, die ihren Mann und ihren Hund umsorgte, aber sie sollte wieder singen. Es war das einzige Mittel gegen ihre innere Unruhe und die geheimen Sorgen, die sie umtrieben. Aber noch wusste sie weder, wie sie ihre Stimme trainieren sollte, um das alte Niveau zu erreichen, noch, ob ihre Ängste, dass ihr Geliebter sie verlassen könnte, berechtigt waren oder nicht. Bis sie sich darüber im Klaren war, würde sie sich niemandem anvertrauen. Nicht Larry. Und auch keinem anderen Menschen.

»Lass uns später reden«, bat sie und schenkte ihm ein Lächeln. »Bei der Hitze ist mir nicht nach ernsten Themen.«

Um ihre Worte zu unterstreichen, langte sie zu dem Zeitungsstapel, den ein Steward neben ihrem Liegestuhl platziert hatte. Sie zog wahllos eine Illustrierte hervor und begann darin zu blättern, ohne wirklich auf die Überschriften, Artikel und Fotos zu achten, in denen von der bevorstehenden Hochzeit von Kronprinz Harald von Norwegen mit der bürgerlichen Sonja Haraldsen oder der Scheidung von Frank Sinatra und Mia Farrow berichtet und die Herbstmode am mageren Körper des britischen Fotomodells Twiggy gezeigt wurde. Doch nichts davon interessierte Maria. Erst der Seite mit den Kochrezepten schenkte sie ihre volle Aufmerksamkeit. Essen war schon immer ein Seelentröster für sie gewesen, selbst wenn sie seit nunmehr fünfzehn Jahren vor allem mit den Augen aß. Eine strenge Diät hielt sie seitdem auf den Idealmaßen eines Rehs. Im Großen und Ganzen erging es ihrem Magen damit nicht anders als derzeit ihrem Herzen – er bekam nur Brosamen.

***

Ein Schatten fiel über die aufgeschlagenen Seiten der Illustrierten Anabelle. Maria sah auf. Ohne dass sie es bemerkt hatte, war Aristo neben ihren Liegestuhl getreten. Beim Anblick des Geliebten glitt ein Lächeln über ihr Gesicht.

Aristoteles Onassis erwiderte dieses Lächeln nicht. Dennoch konnte sich Maria seiner Anziehungskraft nicht erwehren. Mit seinen einhundertfünfundsechzig...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2020
Reihe/Serie Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe
Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 60er Jahre • Aida • Anne Girard • Belcanto • Bestseller • Callas • Chanel • Chanel No 5 • Coco • Coco Chanel • Die Malerin • Die Nachtigall • Diva • Edith Piaf • Frankreich • Grace Kelly • Italien • Jackie Kennedy • Jet Set • Kristin Hannah • La Traviata • Liebesroman • Maria Callas • Mary Basson • Michelle Marly • Mode • Monaco • Onassis • Oper • Paris • Sechziger Jahre • Traviata • Verdi
ISBN-10 3-8412-1825-3 / 3841218253
ISBN-13 978-3-8412-1825-4 / 9783841218254
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