John Sinclair Sonder-Edition 102 (eBook)
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-7965-5 (ISBN)
Urlaub - die schönsten Wochen des Jahres.
Für zahlreiche Menschen wurden sie zu den schrecklichsten. Der Camping-Platz am Meer verwandelte sich in eine Hölle. Niemand war mehr sicher, und niemand konnte fliehen. Sobald die Sonne sank, begann der Schrecken.
Jeder konnte als Nächster auf der Liste des Mörders stehen, auch ich ...
Killer-Camping
Der Druide musste sterben!
Ihn am Leben zu lassen, hätte für die anderen Menschen Grauen und Unglück bedeutet. Der Druide hatte die Gottheiten verraten und sich mit den Mächten der Finsternis verbündet. So etwas durfte nicht ungesühnt bleiben. Da gab es nur den Tod.
Es war Nacht. Tiefschwarze Dunkelheit deckte die zahlreichen Wälder auf den sanftrunden Hügelkuppen mit dem Schleier des Vergessens zu.
Aber dort, wo der Druide sein Leben aushauchen sollte, flackerte das Feuer. Aus der Ferne sah es aus wie ein unruhiges Auge, das geheimnisvoll rot in der Schwärze leuchtete, um den Menschen den Weg zum Platz des Todes zu weisen.
Sie waren gekommen, aber sie hielten sich zurück. Nur die Weisen, die den Tod des Druiden beschlossen hatten und ihn als Verräter aus ihren eigenen Reihen stoßen wollten, umsaßen das Feuer wie gespenstische Statuen, denn sie rührten sich nicht.
Tief versunken in ihrer Meditation beschäftigten sie sich mit den Gedanken des Todes, in den sie einen der ihren schicken wollten. Nicht weit entfernt und soeben noch vom Widerschein der Flammen angeleuchtet, befand sich die Grube. Sie hatten sie am vergangenen Tag ausgehoben und mit einer Masse gefüllt, die dunkel aussah und auf der Oberfläche einen glänzenden Schimmer aufwies.
Hin und wieder stiegen aus der zähen Masse Blasen auf. Sie beulten die Oberfläche aus, bevor sie zerplatzten und Gase entließen, die sich auf dem Viereck verteilten.
Einer stand plötzlich auf. Ein alter, gebeugt gehender Mann. Er trug einen dunklen Umhang. Dicht neben dem Feuer blieb er stehen, griff in eine der beiden Taschen und schaufelte ein Mehl heraus, das er ins Feuer streute und dabei leise Worte murmelte.
Das Rot der Flammen verschwand und schuf einem giftigen Grün Platz. Auf einmal nahm das Licht einen gespenstisch-fahlen Glanz an, der sich ebenfalls verteilte und sogar hinauf bis zu den Baumwipfeln reichte, wo sich ein länglicher, kompakter Schatten abhob, der menschliche Umrisse besaß.
Dort hing der Verräter!
Gefesselt, zur Bewegungslosigkeit verdammt und mit dem schweren Trank des Schlafes versehen, der später übergehen sollte in den endlosen Tod. Als der Weise wieder in den Kreis zurückgekehrt war und dort seinen Platz eingenommen hatte, erhob sich ein anderer, der einen länglichen Gegenstand in der Hand hielt, den er nun in Richtung Mund führte.
Es war eine Holzflöte. Der jüngere Mann hatte sie selbst geschnitzt. Unter den Druiden galt er als Künstler, er war sehr geschickt und spielte auf seinem Instrument des Öfteren zum Tanz auf.
Nicht in dieser Nacht. Da würde er seiner Flöte eine andere Melodie entlocken.
Das Totenlied …
Die letzte schwermütige Melodie für einen aus ihren Reihen. Es waren die Töne, die den Druiden vom Leben in den Tod begleiten sollten. Er berührte sie nur mit den Lippen – ein kurzes Antippen, mehr nicht. Dann holte er tief Luft.
Wenig später durchbrach das Totenlied die Stille. Klagende Töne schwangen, wie auf Wellen getragen, durch die Finsternis. Schwermütig berichteten sie von einer großen Trauer und Angst, aber auch von Vergeltung und Rache.
Der Künstler spielte und weinte selbst dabei. Über sein hageres Gesicht rannen die Tränen in schmalen Bächen. Er hatte Mühe, den Ton zu halten. Immer wieder wollte ihn das Schluchzen unterbrechen, doch er schaffte es, das Lied zu beenden.
Die anderen hörten ihm zu. In ihren Gesichtern regte sich nichts. Sie blieben starr wie Stein, bis die Melodie des Totenliedes mit einem schrillen und gleichzeitig harten Ton verklang. Er sollte das gesprochene Urteil musikalisch darstellen.
Der Mann senkte die Arme. Er ließ die Flöte wieder verschwinden, nahm Platz und wartete darauf, dass ein weiterer aus dem Kreis der Druiden seine neue Aufgabe anging.
Als Vollstrecker war er von allen anderen ausgesucht worden. Auch er erhob sich mit langsamen Bewegungen, das Gesicht unbewegt. Unter dem gelbblonden Haar sah es grau wie Stein aus.
Man brauchte ihm nicht zu sagen, was er zu tun hatte.
Er kannte die alten Regeln genau.
Einmal schritt er um die Grube herum, trat nicht mehr zurück in den Kreis, sondern blieb unter dem Baum stehen, wo der Verräter seinen Platz im Geäst gefunden hatte und auf seine endgültige Bestrafung wartete.
Der gelbhaarige Mann streckte einen Arm aus und bewegte die Finger. Er tastete nach einer geflochtenen Schnur, die wie ein lianenartiges Gewächs aus der Baumkrone herabhing. Sie war am Baumstamm befestigt und hielt den Verräter im Geäst.
Der Mann kappte die Schnur, packte sofort nach und stemmte sich gegen das nach unten drückende Gewicht des Körpers.
Der geriet in leichte Schwingungen und rutschte nach unten. Da glitt der Körper aus dem Geäst weg und sank langsam in die Tiefe. Zuerst auf einem ziemlich geraden Weg, kurze Zeit später geriet er in Schwingungen, als wollte er sich von seinem Flechtseil lösen.
Auch die anderen Druiden erhoben sich. Der Musiker griff wieder zur Flöte und intonierte eine neue Melodie. Sehr leise diesmal, dem Tod entsprechend. Sie begleitete den Verräter auf seinem Weg nach unten, der ihn direkt in die Grube führen würde, über der weiterhin Dämpfe schwangen.
Starre Gesichter verfolgten den Weg des Schlafenden. Niemand sprach ein Wort. Lippen waren so fest zusammengedrückt, dass sie Striche bildeten. Nur die Augen leuchteten, und in den Pupillen schimmerte das Licht des grünlichen Feuers, wo Reflexe tanzten wie Irrlichter. Der schwere Körper geriet stärker ins Pendeln. Es sah für einen Moment aus, als wollte er sein Ziel verfehlen, aber die Grube war groß genug, um ihn aufnehmen zu können.
Dann verstummte die Melodie. In der Stille war nur das Schleifen des Seils über den starken Ast zu hören. Der Erdboden und damit das ungewöhnliche Grab rückten immer näher. Er würde genau in der Mitte eintauchen, und zwar mit dem Kopf zuerst.
Mittlerweile geriet das Gesicht in den Schein des Feuers. Die Züge zeigten eine ungewöhnliche Starre, als wäre die Person nicht mehr am Leben.
Ein Irrtum, wie sich sehr bald zeigte. Als hätte er einen Befehl bekommen, so öffnete der Regungslose plötzlich die Augen. Über die schmalen Lippen drang ein zischendes Geräusch.
Jeder hörte es, auch der Druide, der ihn in die Masse hinablassen wollte. Er stockte und schaute hinüber zu den anderen Männern, die regungslos auf der Stelle standen.
Dann redete der Druide. Die krächzend gesprochenen Worte schienen in den dünnen Rauch hineinzufließen, der über dem ungewöhnlichen Grab waberte.
Es waren schlimme Sätze. Die Worte vereinigten sich zu einem Fluch, der alle Männer treffen sollte.
Die Weisen schraken zusammen. Der Älteste unter ihnen streckte seinen Arm vor. »Nein!«, rief er laut. »Nein, du wirst keinen Schaden mehr anrichten können, auch wenn du versuchst, uns zu verfluchen. Wir sind stärker als du. Wir werden von der Strafe keinen Abstand nehmen. Du sollst verderben, sterben …«
Der Verräter lachte.
Es war ein schlimmes Lachen und schien von einem Monstrum zu stammen. Es hatte kaum etwas Menschliches mehr an sich. Der älteste Druide senkte seinen noch immer ausgestreckten Arm. Das Zeichen für den Vollstrecker.
Blitzschnell ließ dieser das Seil los.
Mit dem Kopf zuerst tauchte der Verurteilte in den wabernden Schlamm. Ein klatschendes Geräusch erklang, das in einem widerlich anzuhörenden Schmatzen endete.
Dann fasste der Schlamm zu. Er verschlang den Körper des Verräters wie ein gefräßiger Sumpf. Die entstandenen Wellen verliefen sich, schwappten gegen den Rand, ohne jedoch darüber hinwegzulaufen.
»Nie!«, rief der Älteste aus dem Kreis. »Nie mehr soll er dem Bösen dienen. Nie mehr soll er zurückkehren, nie. Schließt die Grube, lasst ihn verderben und vermodern, auf dass sein Körper eins wird mit der Natur.«
Viele Jahre vergingen, und die Welt begann sich zu verändern.
Das Reich der Kelten blieb Erinnerung, die allerdings auch böse Überraschungen produzieren konnte …
☆
Der junge Mann atmete so heftig, dass ich um seine Gesundheit fürchtete.
Dabei streiften die Handflächen über die Wangen, als er sich den Schweiß abwischte.
»Was haben Sie?«, fragte ich ihn. »Ist Ihnen nicht gut? Wollen Sie wieder fahren?«
Er starrte mich an und lachte. Es hörte sich krächzend an. »Mann, Sie haben Nerven. Spüren Sie denn nichts?«
Ich hob die Augenbrauen. »Was, bitte schön, sollte ich denn spüren?«
»Die Atmosphäre, Sinclair. Das Unheimliche. Ich sage Ihnen, hier lauert etwas.«
»Möglich.«
Er umfasste mit hartem Griff meinen Arm in Ellbogenhöhe. »Nicht nur möglich, Sinclair, da ist was. Ich bin sensibel, verstehen Sie. Ich habe einen Freund verloren. Er ist getötet worden. Bäume haben ihn umgebracht, Bäume und Büsche und die Erde hier. Alles ist verflucht, alles.« Er bewegte sich im Kreis und ruderte mit den Armen, als wollte er die gesamte Umgebung erfassen.
Ich runzelte die Stirn. Was mir Ed Williams gesagt hatte, konnte ich nicht unterstreichen. Okay, wir befanden uns in einer ziemlich einsamen Gegend, mit viel Wald, Hügeln, Wiesenflächen und der Küste in der Nähe, aber das Flair des Unheimlichen merkte ich leider nicht. In einem jedoch hatte er recht. Sein Freund war tatsächlich unter ungewöhnlichen Umständen ums Leben gekommen.
Etwas hatte ihn ermordet!
Ich sage bewusst etwas, weil niemand wusste, wer oder was dieses Etwas war. Möglicherweise ein Monster,...
Erscheint lt. Verlag | 30.4.2019 |
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Reihe/Serie | John Sinclair Sonder-Edition |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7325-7965-4 / 3732579654 |
ISBN-13 | 978-3-7325-7965-5 / 9783732579655 |
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