John Sinclair 2110 (eBook)

Avalons Geistersumpf

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Aufl. 2018
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-7462-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair 2110 - Ian Rolf Hill
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'Hilf mir!'
Johnny Conolly schlug ruckartig die Augen auf.
Er brauchte einige Sekunden, um sich zu orientieren und sich daran zu erinnern, wo er sich befand. Die Finsternis der Nacht wurde durch das silbrige Mondlicht, das wie ein Schleier durch das schmale Erkerfenster fiel, aufgeweicht.
Noch während er darüber nachdachte, ob er den Hilferuf geträumt hatte, drang die Stimme abermals in sein Bewusstsein.
'Hilf mir, Johnny! Bitte!'
Wie von der Tarantel gestochen richtete er sich auf, sprang aus dem Bett und eilte auf nackten Sohlen zum Fenster. Obwohl die Worte nicht akustisch an seine Ohren drangen, sondern direkt im Kopf entstanden, wusste er, dass die Ruferin draußen auf der Straße stand.
Sein Herz schlug schneller, denn er hatte die Stimme längst erkannt.
Trotzdem war es ein Schock für ihn, als er sie tatsächlich zu Gesicht bekam.
Wie ein Hauch glitt ihm ihr Name über die Lippen.
'Nadine!'

Sie stand unter dem Fenster und sah zu ihm hoch.

Ihr rotbraunes Haar fiel offen auf die Schultern und umrahmte das bleiche Gesicht, aus dem sämtliche Farbe gewichen war. Die Augen lagen tief in den Höhlen, und die eingefallenen Wangen verliehen dem Gesicht etwas Totenkopfartiges.

Das wallende weiße Gewand, das wie ein Leichenhemd um ihren schlanken Leib wehte, verstärkte den geisterhaften Eindruck, den die Frau auf den jungen Mann machte.

Rein äußerlich hatte die Erscheinung nur wenig mit der Person gemein, die Johnny in Erinnerung hatte und die er anhand der Stimme einwandfrei identifiziert hatte.

Nadine Berger!

Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und die Augen brannten.

Wie lange hatte er sie nicht mehr gesehen?

Jahre war es her. Noch bevor es ihn in die Anderswelt verschlagen hatte, aus der ihm erst vor Kurzem die Flucht geglückt war.

Obwohl er die Entscheidung nicht freiwillig getroffen hatte.

Denn auch in Twilight City hatte er Freunde gefunden, sogar eine Art Familie. Er hatte geliebt und gelitten, und mehr als einmal hatte er nachts wach gelegen und sich zurück in seine eigene Realität gesehnt. Und jetzt, wo er wieder hier war, fühlte er Sehnsucht nach der Anderswelt.

Oder nur nach Abby Baldwin?

Die Frage beschäftigte ihn, seit er zurückgekehrt war. Der Gedanke an die junge Hexe, der er kurz vor der Rückkehr seine Liebe gestanden hatte, ließ ihn seitdem nicht mehr los. Sie zerfraß ihn innerlich, machte ihn unruhig und führte zu ständiger Unrast. So sehr, dass er wie ein Besessener Trost bei anderen Menschen suchte, so wie bei Cathy oder zuletzt in den Armen von Susan Lester. Susan, die von einem mörderischen Gerippe getötet worden war. Satans Guru hatte ihr bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust gerissen, und das vor Johnnys Augen.

Dieses Erlebnis hatte ihn in seinen Grundfesten erschüttert. Es hatte ihm auf drastische Weise bewiesen, dass er nirgends Ruhe finden würde, egal in welcher Dimension oder Welt er sich befand. Er war in eine tiefe Depression gestürzt, bis er schließlich einen Entschluss gefasst hatte. Es hatte Kraft gekostet, ihn in die Tat umzusetzen, doch es hatte sich gelohnt.

Die Idee, ausgerechnet nach Egloskerry zu fahren, wo er seine Ex-Freundin Laura Patterson und ihren Bruder Timothy besuchte, stammte dagegen nicht von ihm selbst. Letztendlich war es seine Mutter Sheila gewesen, die ihn dazu ermutigt hatte. Nicht allein deshalb, weil Laura sich nach seinem Verschwinden darum bemüht hatte, herauszufinden, was mit ihm passiert war.

Erst als Sheila Conolly von den Toten zurückgekehrt war, hatte Laura eine Antwort auf ihre Anrufe und Mails bekommen, auch wenn sie bis heute nicht die ganze Wahrheit erfahren hatte.

Die Story von dem Zeugenschutzprogramm, in das Sheila angeblich aufgenommen worden war, und seinem eigenen Auslands-Trip, hatte sie unkommentiert hingenommen und akzeptiert. Möglicherweise ahnte sie, dass es lediglich eine schlechte Ausrede war, doch Laura war klug genug nicht nachzubohren.

Kurz nach ihrer ersten Konfrontation mit der Welt des Übernatürlichen, die ihre Eltern das Leben gekostet hatte, hatte sie Johnny zu verstehen gegeben, dass sie damit nichts zu tun haben wollte.1) Allein deshalb hatte sie die Geschichten vom Zeugenschutz und Aussteigerdasein dankend angenommen.

Es war eben nicht jeder zum Geisterjäger geboren …

Trotzdem hatte sie sich ehrlich gefreut, als er sich bei ihr gemeldet hatte, um sie und ihren Bruder für ein paar Tage zu besuchen. In der Einsamkeit von Cornwall hoffte er, Frieden zu finden. Mit sich in Einklang zu kommen und die trüben Gedanken abzuschütteln. Weg aus London, aufs Land fahren und einfach mal so tun, als wäre all das nicht passiert.

Der Tod seiner Mutter, Susan Lesters grausames Ende, der Trip in die Anderswelt, Abby …

Nein, Abby konnte er einfach nicht ignorieren. Und dass man vor seinen Problemen nicht davonlaufen konnte, wurde ihm jetzt wieder drastisch vor Augen geführt. Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der Geist von Nadine Berger allein seinetwegen erschienen war.

Natürlich, schließlich rief sie sogar um Hilfe.

Der Blick der ehemaligen Schauspielerin bohrte sich in den seinen. Dann hob sie die Hand und winkte ihm zu. Die nächsten Worte waren wie ein Hauch, der ihn wie ein eiskalter Nebelschleier erreichte und ihn frösteln ließ.

»Komm mit mir!«

Johnny keuchte und beobachtete wie sein Atem auf der Scheibe beschlug.

Für die Dauer eines Lidschlags verschwand die geisterhafte Gestalt von Nadine Berger hinter dem blinden Fleck aus kondensierter Feuchtigkeit. Als er ihn wegwischte, war die Schauspielerin verschwunden.

Heißer Schreck fuhr ihm durch die Glieder, brachte sein Herz zum Rasen. In fieberhafter Eile drehte er sich um und suchte seine Klamotten zusammen. Während er sich anzog, wirbelten die Gedanken unkontrolliert durch sein Gehirn.

Nadine Berger war einst eine Schauspielerin gewesen, die von einem Dämon getötet worden war. Nur hatte ihre Seele nie den Weg ins Jenseits gefunden, sondern war durch die Magie von Fenris, dem Götterwolf, in den Körper einer Wölfin gefahren, die menschliche Augen besessen hatte.

Bei den Conollys hatte Nadine eine neue Heimat gefunden und war zur Beschützerin des kleinen Johnny geworden. Bis sie einen Weg fand, ihren alten Körper wiederzubekommen und ins menschliche Dasein zurückzukehren. Durch den Schädel des Riesen Brân war sie auf die Nebelinsel Avalon gelangt, wo sie in seinem Kessel wiedergeboren worden war. Jener Kessel, der auch Sheila Conolly ins Leben zurückgeholt hatte.

Der Kreis schließt sich, dachte Johnny, als er die hohen Wanderschuhe zuschnürte.

Aber erst nachdem Nadine von einem mächtigen Vampir namens Dracula II zur Untoten gemacht worden war, hatte sie sich entschieden, auf Avalon zu bleiben, und war zur Hüterin des Dunklen Grals geworden.

Trotzdem fungierte sie weiterhin als sein persönlicher Schutzengel, wobei sie diese Protektion durchaus auf die gesamte Familie ausweitete. Vor allem, wenn es um die Magie der Nebelinsel ging.

Seine Eltern hatten ihm von ihrer letzten Begegnung mit Nadine erzählt, und wie sie ihnen als Geist in seinem Zimmer im Londoner Bungalow erschienen war. Dort hatte sie einen goldenen Apfel als Zeichen der Hoffnung hinterlassen. Gleichzeitig hatte sie mitgeteilt, dass es ihr nicht mehr möglich war, Avalon zu verlassen.

Merlin, der Herr der Nebelinsel, hatte sie für ihren vermeintlichen Verrat bestraft, denn er machte sie für den Angriff der Hölle unmittelbar verantwortlich. Und jetzt erschien sie ausgerechnet hier in Egloskerry, um ihn um Hilfe zu bitten?

Das mochte alles Mögliche sein, aber gewiss kein Zufall.

Johnny schnappte sich den gefütterten Parka, denn um diese Jahreszeit war es bereits tagsüber empfindlich kalt. Noch ließ der Schnee auf sich warten, dafür gab es reichlich Bodenfrost, und Nebelschwaden krochen aus dem nahe gelegenen Sumpf durch die engen Gassen des verschlafenen Dorfes.

Zuletzt steckte Johnny die Beretta mit den geweihten Silberkugeln ein. Nach den Erlebnissen in Twilight City und in Italien, wo er den Feuerfluch der Gaukler gebrochen hatte, verzichtete er nur ungern auf die Pistole. Das gebrannte Kind scheute das Feuer. Besser die Waffe dabei haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht dabei haben.

Bevor er das Zimmer verließ, griff er nach der Stabtaschenlampe, die er extra für diesen Ausflug mitgenommen hatte. Er hatte Timothy versprochen, mit ihm und dessen bester Freundin Imogen eine Nachtwanderung zur nahe gelegenen Festungskirche zu unternehmen. Jetzt kam ihm die Taschenlampe zugute.

Behutsam öffnete er die Tür und lauschte in die Dunkelheit. Kein Laut drang an seine Ohren, und so huschte er in den Flur, wo er die Tür leise hinter sich schloss, bevor er die Treppe ansteuerte. So vorsichtig wie möglich schlich er nach unten, sich dicht an der Wand haltend, damit sich das Knarren der altersschwachen Dielen in Grenzen hielt.

Unter keinen Umständen wollte er Laura oder Timothy wecken.

Zum Glück war er der einzige Gast, auch wenn er dies für seine Freundin aufrichtig bedauerte, denn die Pension lief mehr schlecht als recht. Egloskerry war eben nicht Glastonbury und zog nur wenige Touristen an.

Einen Haustürschlüssel hatte Laura ihm bereits am ersten Tag ausgehändigt. Immerhin gehörte er fast schon zur Familie, hatte sie gesagt und ihm dabei zugezwinkert. Gar nicht mal doppeldeutig oder anzüglich. Und gerade diese Unbefangenheit war es gewesen, die ihn in Verlegenheit gebracht hatte und jetzt sein schlechtes Gewissen weckte.

Schließlich war der Geist von Nadine allein seinetwegen erschienen, und er würde es sich nie verzeihen, wenn Laura oder Tim etwas passierte. Denn dass Nadine sich ausgerechnet hier und heute zeigte, musste einen bestimmten Grund haben. Umso wichtiger war es, dass er herausfand, was sie von ihm wollte.

Das Klicken des Türschlosses klang in seinen Ohren so laut wie ein Pistolenschuss. Er verharrte, zählte in Gedanken bis zehn und atmete erleichtert aus, als sich weiterhin nichts rührte.

Feuchtkalte Luft quoll ihm entgegen, als er die Tür aufzog und ins Freie huschte. Schaudernd drehte er sich um und zog die Tür sachte ins Schloss. Bevor er den Schlüssel hineinstecken und umdrehen konnte, bemerkte er eine Bewegung aus dem Augenwinkel.

Er hob den Kopf und erstarrte. Eine Gänsehaut rieselte ihm über den Rücken.

Keine fünf Schritte stand sie vor ihm und lächelte traurig.

Nadine...

Erscheint lt. Verlag 18.12.2018
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7325-7462-8 / 3732574628
ISBN-13 978-3-7325-7462-9 / 9783732574629
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